Hilma af Klint - »Die Menschheit in Erstaunen versetzen« (eBook)
600 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490715-4 (ISBN)
Julia Voss, geboren 1974, studierte Neuere Deutsche Literatur, Kunstgeschichte und Philosophie in Freiburg, London und Berlin. Bis 2017 war sie leitende Redakteurin der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Sie erhielt unter anderem den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Bei S. FISCHER erschienen ihre Bücher »Darwins Bilder« (2007), »Darwins Jim Knopf« (2010) und die Biographie »Hilma af Klint - ?Die Menschheit in Erstaunen versetzen?« (2020). Heute lehrt sie als Honorarprofessorin an der Leuphana Universität in Lüneburg und arbeitet im Präsidium des Deutschen Historischen Museums. Julia Voss lebt in Berlin.
Julia Voss, geboren 1974, studierte Neuere Deutsche Literatur, Kunstgeschichte und Philosophie in Freiburg, London und Berlin. Bis 2017 war sie leitende Redakteurin der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Sie erhielt unter anderem den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Bei S. FISCHER erschienen ihre Bücher »Darwins Bilder« (2007), »Darwins Jim Knopf« (2010) und die Biographie »Hilma af Klint – ›Die Menschheit in Erstaunen versetzen‹« (2020). Heute lehrt sie als Honorarprofessorin an der Leuphana Universität in Lüneburg und arbeitet im Präsidium des Deutschen Historischen Museums. Julia Voss lebt in Berlin.
Diese Biographie wird für lange Zeit ein Standardwerk für die weitere Forschung sein.
Voss' Wissenschaftsprosa ist souverän.
die definitive Biografie über die Erfinderin der abstrakten Malerei
Die erste umfassende Biografie der Pionierin der abstrakten Malerei, Hilma af Klint, ist so faszinierend wie mutig.
Jetzt ist Julia Voss´hinreißendes Buch »Die Menschheit in Erstaunen versetzen« erschienen.
Erzählerisch führt die Autorin durch af Klints Leben, sie versteht es, die Geister als Figuren zu behandeln und leuchtet damit eine lange unbeachtete Leerstelle aus.
geschrieben wie ein mitreißender Roman
eine packende Biografie
Julia Voss hat daraus nun eine Biografie gemacht, und weil diese so enthusiastisch und voller Hingabe geschrieben ist, muss man eigentlich von einem Denkmal sprechen.
Julia Voss würdigt Leben und Werk der vergessenen Pionierin in einer mitreißend geschriebenen Biografie.
Sprachlich fein geschliffen, engagiert, anschaulich und mit viel Sympathie für ihre Protagonistin
eine große, gründlich recherchierte und wunderbar anschaulich geschriebene Biografie
die wegweisende Biografie, die bringt uns die Künstlerin ganz nah
Einleitung
Fünf Dinge, die man über Hilma af Klint wissen sollte
Eine der folgenreichsten Entscheidungen im Leben der schwedischen Künstlerin Hilma af Klint fällt auf einen Tag, dessen genaues Datum wir nicht kennen. Überliefert ist nur der ungefähre Zeitraum, das Geschehen spielt sich in den späten zwanziger Jahren ab. Die Malerin ist fast siebzig Jahre alt, sie trägt dunkle schlichte Kleidung, wie üblich, und verbringt die Sommermonate mal wieder auf Munsö, einer Insel im Mälarsee, wo sich ihr Atelier befindet, neben einem einfachen Ferienhaus, nur wenige Meter vom Wasser entfernt. An diesem Tag lautet die Zusammenfassung der Vorgänge: Hilma af Klint vernichtet frühe Notizbücher und andere Dokumente. Was deren Ablauf anbetrifft, müssen wir uns an Wahrscheinlichkeiten halten. Verbrennt sie die Unterlagen? Oder werden sie zerrissen? Im See versenkt? Ist sie allein, hilft ihr eine Freundin, oder gibt es, im Gegenteil, eine Person, die versucht, sie abzuhalten? Der Zerstörungsprozess kann auf verschiedene Weisen abgelaufen sein. Vielleicht folgt er auf eine plötzliche Entscheidung, eilig, impulsiv, inmitten eines Chaos von aufflatternden Papieren.
Der umgekehrte Fall ist jedoch ebenfalls denkbar: Hilma af Klint sitzt an einem Tisch, ruhig, konzentriert, vor sich einen Stapel mit Notizbüchern und Papieren, den sie durchsehen will, um zu entscheiden, wie sie mit den Unterlagen verfahren soll. Diejenigen, die für das Vergessen bestimmt sind, legt sie auf die eine Seite. Auf die andere Seite solche, die sie der Zukunft vermachen möchte. Aufzeichnungen, die ihr unleserlich oder überarbeitungsbedürftig scheinen, werden noch einmal ins Reine übertragen. Mit Tinte schreibt sie Seite für Seite ab, was sie damals, mehr als zwanzig Jahre zuvor, mit Bleistift notierte. Für Schönschrift blieb keine Zeit, zu groß war die Sorge, etwas von dem zu verpassen, was ihr die Stimmen diktierten. Georg, Gregor, Gidro, Esther, Amaliel oder Ananda heißen die unsichtbaren Wesen, die mit ihr sprechen und sie auf Ideen bringen. Sie haben nie damit aufgehört.
Die Überarbeitung der alten Dokumente zieht sich über Wochen, Monate und Jahre. Am Ende schichtet af Klint alle Aufzeichnungen übereinander, von denen sie glaubt, dass sie nicht überdauern sollen. Im Garten macht sie ein Feuer und wirft sie hinein. Die Asche trägt sie zum Wasser, den Mälarsee. Sie läuft die Böschung hinunter, es sind nur wenige Schritte. Dann steigt sie über die Felsen, beugt sich nach vorne und lässt die grauen Flocken ins Weite hinausschwimmen.
Könnte es so gewesen sein? Das letzte Szenario ist jedenfalls das wahrscheinlichste. Alle, die die Künstlerin kannten, beschreiben sie als eine nüchterne Person, zurückhaltend, ausgeglichen und freundlich.[1] Zu Ausbrüchen scheint sie nicht geneigt zu haben. Da sie selbst über die Zerstörung Buch führte, wissen wir, dass diese über Jahre hinweg regelmäßig stattfand. Ihr Anfang mag überraschend gekommen sein, irgendwann jedoch müssen die Dinge einen geordneten Gang genommen haben.[2] Im Zuge der Überarbeitung traf die Künstlerin noch eine weitere Entscheidung: »Alle Arbeiten, die 20 Jahre nach meinem Tod geöffnet werden sollen«, schreibt sie im Jahr 1932, »tragen das obenstehende Zeichen.«[3] +x steht darüber (Tafel 1). Die Zeichenkombination hat die Wirkung eines Katapults, sie schleudert das Werk nach vorne, aus der Vergangenheit in die Zukunft, von der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein in die zweite. Fast alle Notizbücher sind mit +x beschriftet.
Die beiden Zeichen sind aber nicht nur eine Anweisung für die Nachwelt. Sie haben auch den Charakter eines Schutzsymbols, wie eine Art Kainsmal im positiven Sinne. In der Bibel gibt Gott Kain das Zeichen, »dass ihn nicht jeder erschlage, der ihn findet«. Auch die Künstlerin will ihr Werk behüten, vor der Gegenwart und dem Urteil ihrer Zeitgenossen. Sie sollen nicht das letzte Wort haben.
Wer ist diese Frau am Mälarsee, die ihr Werk wie in einer Zeitkapsel in die Zukunft schießt? Die auf kommende Generationen vertraut und damit auf Menschen, die noch nicht geboren sind? Aus heutiger Sicht ist sie eine Sensation. Hilma af Klint ist die bedeutendste Wiederentdeckung in der modernen Kunstgeschichte. Bei ihrem Tod hinterlässt sie mehr als 26000 Seiten Text und 1300 Gemälde. Ihr Erbe ist das Museum ihres Lebens, und der Gang hindurch zeigt wieder und wieder, dass sie mit allen Regeln brach, die man versuchte, ihr aufzubürden, als Kunststudentin an der Akademie von Stockholm, als Frau um die Jahrhundertwende oder als Künstlerin der Moderne. Viele Jahre bevor Maler wie Wassily Kandinsky oder Kasimir Malevich die Abstraktion zu ihrer Erfindung erklärten, begann sie damit, ungegenständlich zu arbeiten, zuerst im kleinen Format, dann in enormer Größe. Als die Künstlerin damit anfing, war sie vierundvierzig Jahre alt, und der Kalender zeigte den November 1906 an.
Die Erinnerung an diese Werke wurde nach ihrem Tod gelöscht und es hat fast ein Jahrhundert gebraucht, sie zurückzubringen. »Die Versuche, die ich unternommen habe«, schreibt Hilma af Klint im selben Jahr, als sie sich auf den neuen Weg begibt, »werden die Menschheit in Erstaunen versetzen«.[4] Warum hat die Wiederentdeckung so lange gedauert? Wie die Malerin es vorausgesehen hat, ist die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts durch ihre Gemälde kräftig durchgeschüttelt worden. Tiefgreifende Veränderungen gehen häufig mit heftiger Ablehnung einher, und wie zäh der Widerstand auch in ihrem Fall sein sollte, zeichnete sich bereits ab, als ihr Schaffen das erste Mal einer großen Öffentlichkeit vorgestellt wurde: 1986 in Los Angeles, mehr als vierzig Jahre nachdem sie gestorben war. Die Schau im Los Angeles County Museum trug den Titel »The Spiritual in Art: Abstract Painting 1890–1985« und bot einen neuartigen Überblick zur Geschichte der ungegenständlichen Malerei. In Katalog und Ausstellung wurde die Abstraktion zu den vielseitigen spirituellen Bewegungen in Beziehung gesetzt, die sich um die Jahrhundertwende im Westen ausgebreitet hatten. Die Leihgaben kamen aus renommierten Institutionen, Museen in München, Paris, Moskau oder New York hatten ihre Meisterwerke geschickt, darunter Meilensteine der Abstraktion; aus dem Solomon R. Guggenheim Museum zum Beispiel stammte Kandinskys »Bild mit weißem Rand« von 1913. In diesen Kanon schlugen af Klints Gemälde wie Meteoriten ein. Plötzlich hingen ihre riesigen Leinwände Seite an Seite mit denen von Kandinsky, Kupka, Malevich oder Mondrian. Die Werke der bis dahin völlig unbekannten Schwedin schienen aus dem Nichts zu kommen, und das Urteil fiel negativ aus.[5] Der amerikanische Kunstkritiker Hilton Kramer schrieb abschätzig:
Hilma af Klints Gemälde sind im Grunde bunte Diagramme. Ihnen einen Ehrenplatz neben den Werken von Kandinsky, Mondrian, Malevich und Kupka zu geben ist absurd. Af Klint ist einfach keine Künstlerin in dieser Klasse und – darf man es sagen? – würde nie diese inflationäre Aufmerksamkeit erhalten, wenn sie keine Frau gewesen wäre.[6]
Nach Hilton Kramer sollte die Kunstgeschichte bleiben, wie sie war, mit den bekannten Männern an ihrer Spitze. Er war nicht der Einzige, der so dachte. Um Hilma af Klint wurde es wieder still.[7]
Es dauerte weitere drei Jahrzehnte, bis das Moderna Museet in Stockholm den großangelegten Vorstoß unternahm, der Künstlerin doch noch einen Platz im Kanon der ungegenständlichen Malerei zu sichern, als »Pionierin der Abstraktion«. Im Jahr 2013 zeigte die Institution die größte Ausstellung zu ihrem Werk, die es bis dahin gegeben hatte, und schickte die Schau über mehrere Stationen durch Europa, auch nach Berlin, in den Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart.[8] Wieder stieß Hilma af Klints Malerei auf Widerstand. Wieder gab es Stimmen, die behaupteten, die Werke hätten in der Geschichte der ungegenständlichen Kunst nichts zu suchen. Die Einwände wurden nun vorsichtiger formuliert, leiser und abwägender, aber sie kamen von prominenter Seite. Aus New York, dem Museum of Modern Art, hieß es von der Kuratorin Leah Dickerman:
Hilma af Klint malte in Abgeschiedenheit, sie stellte nicht aus und nahm keinen Anteil an den öffentlichen Diskussionen ihrer Zeit. Ich finde, was sie tat, ist absolut faszinierend, aber ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie selbst ihre Gemälde für Kunstwerke hielt.[9]
Es brauchte einen dritten Anlauf, wie im Märchen, um der Geschichte eine neue Wendung zu geben. Als das Solomon R. Guggenheim Museum in New York im Jahr 2018 eine Retrospektive ausrichtete, mit dem Titel »Hilma af Klint. Paintings for the Future«, wurden alle Rekorde gebrochen. Mehr als 600000 Besucher kamen, um die Bilder zu sehen, so viele wie zu keiner anderen Ausstellung seit den Gründungstagen des Museums. Der Katalog stieg zur meistverkauften Publikation des Hauses auf. Die »New York Times« titelte: »Hilma who? No More!«[10] Seit Oktober 2019 zeigt das MoMA eines von af Klints Bildern in der neugehängten Sammlung – eine Leihgabe. Die Außenseiterin der Kunstgeschichte ist zum Star aufgestiegen.
Der Künstlerin hätte gefallen, dass über ihren Erfolg nicht zuletzt mit den Füßen...
Erscheint lt. Verlag | 26.2.2020 |
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Zusatzinfo | 46 s/w-Abbildungen 24 Seiten Tafelteil mit 43 farbigen Abbildungen |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Schlagworte | Abstrakte Kunst • Abstrakte Malerei • Bildende Kunst • Biographie • Camille Claudel • Frida Kahlo • Hilma af Klint • Julia Voss • Kandinsky • Kunst • Kunstbetrieb • Künstlerin • Malerin • Moderne Kunst • Mondrian • Okkultismus • Schweden • Spiritualität • Starke Frau |
ISBN-10 | 3-10-490715-3 / 3104907153 |
ISBN-13 | 978-3-10-490715-4 / 9783104907154 |
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