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Das Geheimnis des Mandelplaneten (eBook)

Ein Science-Fiction-Roman
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
126 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-688-11277-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Geheimnis des Mandelplaneten -  Françoise d'Eaubonne
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Wir schreiben das 21. Jahrhundert. Die Menschheit hat eine entscheidende Mutation durchlebt; die Männer sind von der Oberfläche der Erde verschwunden. Eine Expedition kühner Frauen bricht auf zum Mandelplaneten, einem unbekannten Himmelskörper voller Wunder. Fasziniert und erschreckt erkundet die Chronistin mit ihren Gefährtinnen rätselhafte Naturerscheinungen - zwei kristallene, gewölbte Seen, die des Nachts überdeckt sind; rosige Abgründe; umwaldete Erhebungen; einen Megalithen, der sich bisweilen pulsierend zu prächtiger Höhe aufrichtet, dann wieder im Dschungel versinkt ...

Françoise d'Eaubonne (1920-2005) war eine französische Autorin und Frauenrechtlerin.

Uli Aumüller übersetzt u. a. Siri Hustvedt, Jeffrey Eugenides, Jean Paul Sartre, Albert Camus und Milan Kundera. Für ihre Übersetzungen erhielt sie den Paul-Celan-Preis und den Jane-Scatcherd-Preis. Françoise d'Eaubonne (1920–2005) war eine französische Autorin und Frauenrechtlerin.

1 Aufgang der Mandelsonne


Bei Aufgang der «Mandelgestirn» genannten Sonne haben wir auf dem sogenannten Planeten X, dem einzigen Satelliten dieses Systems, aufgesetzt, um hier unsere Mission zu erfüllen: nämlich ihn zu erkunden und ihm einen Namen zu geben.

Als Verantwortliche unter den fünf anderen von Eurem Rat ernannten Uranautinnen habe ich am Ende des Tages diesen Bericht für Eure Höchste Instanz verfaßt, um Auskunft zu geben über den Stand dieser unter der Aufsicht der Nestorin Concepcion organisierten Expedition, welche, Euren Anweisungen entsprechend, dieser Unternehmung – trotz der unheilvollen Erinnerung – die Erkenntnisse zur Verfügung stellt, die sie zehn Monate früher im Verlauf der verhängnisvollen Expedition der Semiramis im System der Mandel gewonnen hat.

Sie, als unsere Älteste in uranautischer Wissenschaft, gab daher (dem Beschluß Eures Rates gemäß) unserer Pilotin Solveig die Anweisungen zum Verlangsamen und Landen, damit die Nausikaa auf dem Plateau Klein-a der Zone I aufsetzen konnte; dieses stimmt, wie wir feststellen konnten, in jedem Punkt mit der von Concepcion erstellten und aufgezeichneten Topographie überein, so wie sie sie vor neun Monaten, an jenem 12. Juni des Jahres 100 des Ektogenetischen Zeitalters, der von Eurem Rat benannten Besatzung vor Augen geführt hat.

Trotz der von der Ingenieurin Nefertiti vorgebrachten Bedenken hat die Nausikaa sich genauso tadellos verhalten, wie die Mechanikerin Friedegunde und ich es angesichts der Pläne des Uraniaschiffs vorhergesehen hatten, das nach dem Modell des Urexemplars – bekannt unter dem Namen «Objekt von Antikythera» – rekonstruiert wurde, welches in der Epoche der Finsternis, sechsundachtzig Mondjahre vor dem Ektogenetischen Zeitalter, genauer gesagt im tausendneunhundertsten Sonnenjahr des sogenannten christ-lichen Zeitalters, auf dem im Dodekanes gestrandeten griechischen Schiff gefunden wurde.

In Anbetracht der groben Unwissenheit jener dunklen Zeiten versteht es sich von selbst, daß die Erdbewohner jener versunkenen Welt diese Entdeckung nur als einmaligen «astrologischen Apparat» interpretieren konnten, der sich unter die antiken Bronze- und Marmorskulpturen jenes gestrandeten Schiffes verirrt hatte. Dies geht aus der Studie hervor, welche die Experten des erwähnten prähistorischen Zeitalters der Befruchter diesem Gegenstand gewidmet haben. Diese dokumentarischen Einzelheiten, für deren Wiederholung vor Eurer Höchsten Instanz ich mich entschuldige, sollen unterstreichen, wie wenig begründet die bereits zitierten Bedenken von Nefertiti und dem Ratsmitglied Staël waren.

Dank der präzisen Berechnungen der Technikerinnen des Expeditionskollegs konnte das Uraniaschiff seine Landung auf Klein-a bewerkstelligen, ohne – wie befürchtet – das Gleichgewicht der mit Zahnrädern ausgestatteten Tierkreismeßgeräte zu beeinträchtigen, die entworfen und ausgeführt wurden, um das Brontë-Zählwerk zu ersetzen; Concepcion hatte die Ratsmitglieder Pompadour und Isolde davon überzeugt, daß dessen Empfindlichkeit verantwortlich war für die Katastrophe der Semiramis, deren einzige Überlebende sie ist.

Die Mandelsonne, die auf unserem Erdplaneten morgens um 3 Uhr 15 Ortszeit über New-Isis (dem ehemaligen Kairo) aufgeht, ist ein halb so großer Stern wie unsere Sonne. Concepcion und Gene Dorothy haben ihr diesen Namen auf Grund ihrer länglichen Eiform gegeben, die durch eine Art doppelten Magnetstrom entsteht und entfernt an unsere «Sonnenflecken» erinnert – ein Phänomen, das wahrscheinlich durch eine dauernde Abfolge von Atomexplosionen ausgelöst wird, die aus einem unbekannten Grund diese spezifische Form angenommen haben. Während die Mandelsonne in der Minute, in der wir in Zone I aufsetzten, noch ein blasses Rosa zeigte, in dem sich der mandelförmige Umriß kaum abzeichnete, sollten wir später beobachten, daß sie am Ende ihrer Umlaufbahn einen ziemlich starken Rot-Ton annimmt, der mit dem unserer irdischen Sonne an Sommerabenden vergleichbar ist, und daß die Zeichnung, von der ich sprach, dann viel dunkler, beinahe schwarz erscheint, ähnlich wie eine Spindel, die von einer zweischaligen Lippenmuschel geformt ist.

Als erste stieg die Funkerin Marie-Claude aus, gefolgt von Margaret, die den Geigerzähler trug; da Concepcion die Zone I nur überflogen hatte, wußte sie nicht, ob dieser Teil des Satelliten durch seine mögliche Radioaktivität gefährlich war. Sobald Margaret uns seine Ungefährlichkeit gemeldet hatte, stiegen wir aus; Concepcion und ich an der Spitze, hinter uns Solveig und Natascha, die den elektronischen Wagen für Verpflegung und Zubehör ausluden. Nachdem wir vier Frieda geholfen hatten, den zerlegbaren Hubschrauber und die Nuklear-Waffen (eine schwere, vier leichte) auszuladen und die hermetische Schleusentür zu schließen, machten wir uns, sobald ich einen Blick in die Runde geworfen hatte, auf mein Signal hin auf den Weg.

Wie Concepcion es Eurer Höchsten Instanz beschrieben hat, ist der Boden in diesem rechteckigen Bereich der Zone I des Planet X genannten Satelliten von einer ziemlich intensiven rosa Fleischfarbe. Klein-a ist ein schön proportioniertes, leicht abfallendes Felsplateau, das im Osten und im Westen von einer überhängenden, abschüssigen Steilwand flankiert wird, wo das Gestein eine bläuliche Maserung aufweist, die von weitem wie flüssig anmutet, so als ob feine Rinnsale das Mineral mit einer auf das Auge angenehm wirkenden Regelmäßigkeit durchzögen. Unten an jeder dieser Steilwände rundet sich der Grat zweier Grotten, die genau symmetrisch sind – ein Phänomen, das uns nach Concepcions Beobachtung noch oft in dieser Landschaft begegnen soll. Der Eingang der Grotten wird von einer weitläufigen Volute aus hauchdünnem Gestein von dunklerem Rosa eingefaßt, die das Spiel der Mandelsonnenstrahlen manchmal in einen durchsichtigen Fächer von rosenroter Färbung verwandelt. In ihrer Mitte öffnet sich ein finsterer Schlund mit einem Durchmesser von ungefähr fünfhundert Metern, der von einigen dieser vereinzelten, rauhen und dunklen Gräser umsäumt ist, die man – wiederum nach Concepcions Beobachtung – nur in drei oder vier Zonen dieses wüstenartigen Satelliten antrifft. Sie verschoben ihre Erkundung auf später. Sie wurden fotografiert, und ich benannte sie Schlund A und Schlund B.

Gemäß der Topographie, die damals von der fliegenden Semiramis aus erstellt wurde, breitet sich im Norden von Klein-a der Einzige Wald aus. An seinem Saum hatte Solveig unsere Nausikaa mit einem äußerst geschickten Manöver aufgesetzt. Im Süden, wohin wir uns bewegten, erstrecken sich die beiden schmalen Wiesen, die den Kamm der Seensteilküsten bilden. Wir erreichten sie nach ungefähr einer Wegstunde, ohne der geringsten Spur von Fauna oder irgendeiner Besonderheit des Geländes begegnet zu sein, während die Mandelsonne zunehmend heißer brannte. Der Boden ist hier sandig und glatt, und die Hitze, die er ausstrahlt, wird sich im Sommer sicherlich noch verstärken.

Die beiden jeweils einen Kilometer langen Wiesen bestehen aus dem gleichen Gras, wie wir es bereits durch unser Fernglas an der Mündung der Schlünde A und B sehen konnten, nur ist es hier sehr viel üppiger. Es ist sehr dunkel und schimmert mitunter orangefarben. Es ist so hoch, daß es einer Frau bis an die Taille reicht. Diese Pflanzen wiesen keine Besonderheit auf, außer daß sie alle, wie unter einem ständigen Winddruck, in dieselbe Richtung geneigt zu sein scheinen und nicht struppig sind, wie die bereits beobachteten.

Die beiden geradlinigen Vegetationsstreifen rahmen den Fuß der Erhebung ein, die von dieser Begrenzung des Plateaus an aufsteigt und die Zone II beherrscht. In dem Maße, wie wir uns ihr näherten, wuchs am Horizont von Klein-a dieses Relief an, das ihn so exakt wie eine Zäsur zwischen den zwei Halbversen einer Gedichtzeile der Ratsnestorin Penelope teilt. Als wir bei den zwei jeweils etwa dreihundert Meter breiten Wiesen angekommen waren, entpuppte sich dieses Relief als steil abfallender Hügel mit einem schmalen Grat, der – bei einer relativ geringen Höhe – ungefähr zweihundertfünfzig bis dreihundert Meter breit und fünf Kilometer lang ist und damit etwa der Länge des Plateaus entspricht. Da mir bekannt war, daß die Erhebung den Zone II genannten Bereich überragt, in dem die beiden Seen mit ihren abschüssigen Steilküsten liegen, und da ich wußte, daß wir nur dort das für einen längeren Aufenthalt notwendige Süßwasser finden konnten, gab ich Anweisung, am äußersten Ende, einer schmalen, rechteckigen Terrasse, haltzumachen. Während ich das neue Panorama mit dem Fernglas untersuchte, überzeugte sich Margaret davon, daß keinerlei Radioaktivität festzustellen war, und Natascha überprüfte die Funktionstüchtigkeit des Wagens und des Hubschraubers.

Das Gehen auf diesem Boden ist leicht, und es wäre von Vorteil gewesen, etwas leichtere Bleisohlen unter unseren Stiefeln zu haben, da das spezifische Gewicht dieses Satelliten dem des Mars-Systems – an dem wir uns gewöhnlich orientieren – ähnlicher ist, als wir nach Concepcions Bericht angenommen hatten. Sie gab es zu, und ich antwortete ihr, daß dies die einzige Ungenauigkeit sei, die ich bisher in ihrer Ortsbeschreibung feststellen konnte.

«Ich muß mich in meinen Berechnungen wohl geirrt haben», sagte die alte Topographin zu mir, «denn ich bemerke in der Tat, daß dieser Satellit, wenn man die Proportionen auf der Erde zugrundelegt, gut und gern einen Umfang von annähernd zehntausend Kilometern haben muß und daß sein Gewicht folglich etwas...

Erscheint lt. Verlag 17.8.2018
Übersetzer Uli Aumüller
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Expedition • Frauen • Menschheit • Mutation • Wunder
ISBN-10 3-688-11277-6 / 3688112776
ISBN-13 978-3-688-11277-7 / 9783688112777
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