Weltmord (eBook)
364 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7528-6360-4 (ISBN)
Michel Seher, geboren in den USA, ist in Deutschland aufgewachsen, studierte und arbeitete in USA und ist seit zwanzig Jahren in deutschen IT-Unternehmen tätig. Er lebt in der Nähe von Köln und hat zwei Kinder. Erste Schritte auf dem Weg zum Autor unternahm er mit der Veröffentlichung von Artikeln in diversen IT-Fachzeitschriften. Mit 'Weltmord - Die Zeit der Machthaber' ist jetzt sein erster Roman erschienen.
1 / DIE NEUE ZEIT DER MACHTHABER
31.12.2138, 23:45 Uhr
Kurz vor Iar 1, Wek 1, Day 1 T 0.0
Jekyll Island, vor der Küste von Georgia gelegen, kannten die Bewohner der Ostküste der United States of North America seit jeher als beliebte Ferieninsel. Im Sommer reisten die Touristen in Scharen an, um das vielseitige Freizeitangebot zu nutzen. Golf oder Wasserski, Sonnen oder Baden, am Pool oder am Strand, oder einfach die Seele baumeln zu lassen, bildeten für die Sommergäste den belebenden Gegensatz zu ihrem täglichen Einerlei. Eine Vielzahl von Geschäften und Restaurants sämtlicher Geschmacksrichtungen rundete das gehobene Freizeiterlebnis ab.
Nach dem Ende der Saison verwandelte der Winter Jekyll Island üblicherweise in eine verlassene Einöde. Abgesehen von einem Restbestand an Personal überwinterten die meisten Häuser verschlossen und menschenleer.
Aber nicht im Winter des Jahres 2138. Es gab eine Veranstaltung zu Silvester. Für den Anlass war das gesamte Golden Flamingo Resort reserviert worden, ein Fünf-Sterne-Grand-Hotel, das in bevorzugter Lage auf einem Hügel über einem der weitläufigen Golfplätze der Insel thronte. Die Organisation der Feier unterlag der höchsten Geheimhaltungsstufe. Umfassende Sicherheitsmaßnahmen des Home-Defense-Ministeriums schlossen das Gelände für die Öffentlichkeit hermetisch ab, denn der Veranstalter war niemand Geringeres als der Hohe Rat selbst.
Im großzügigen Auditorium des Haupthauses erlebten die Mitglieder des Hohen Rates mit ihren Familien ein unvergessliches Fest. Die Norgens, Mortefellows, Van der Bilds, Greenshields, Mandelbaums, sie alle waren gekommen. Eine Viertelstunde vor Mitternacht saßen sie in gelöster Stimmung an den festlich geschmückten Tischen. Das Acht-Gänge-Menü europäischer Sterneköche, begleitet von Champagner und erlesenen Weinen, hatte selbst die kulinarisch anspruchsvollsten Gäste zufrieden gestellt. Viele schwungvolle Reden waren gehalten worden. Und einer der weltweit berühmtesten und bestbezahlten Entertainer des gesamten Show-Business hatte eine begeisternde Performance hingelegt.
Aaron C. Rosen III., der CEO des Hohen Rates, eilte nach vorne auf die Bühne, auf der eine verkleinerte Besetzung des New Yorker Symphonieorchesters ihren Einsatz für Mitternacht vorbereitete. Er hielt bereits ein Glas teuersten Champagners in der Hand, als er an das nostalgische Mikrofon trat. Bereits zum dritten Mal an diesem Abend richtete er das Wort an die Festgemeinschaft: »Liebe Freunde, Mitglieder und Familienangehörige und natürlich auch unser Freund und Ehrengast, der Präsident der Vereinigten Staaten von Nord Amerika, Grant Leville II.!
Ich muss noch einmal zu euch sprechen, um meine intensive Freude zum Ausdruck zu bringen. Wir befinden uns kurz vor einer der größten Errungenschaften, die wir je erreichen konnten.
In ein paar Minuten beginnt eine neue Zeitrechnung, und nicht nur das, wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter! Das wird ein großer Meilenstein der Geschichte der Menschheit an diesem doch bereits so historischen Ort, an dem einst der wichtigste Grundstein für unseren Reichtum gelegt wurde!
Vergessen sollten wir dabei keinesfalls, was für eine lange Zeit harter Arbeit hinter uns liegt! Aber das ist jeden Aufwand wert gewesen. Es war eine Generalprobe unserer Macht, und wir haben sie mit Bravour bestanden!
Man könnte natürlich fragen: Was ist das denn schon? Der Tag hatte bisher vierundzwanzig Stunden mit sechzig Minuten, okay, jetzt hat er aber viel simpler und eindeutiger zehn Hours mit hundert Mins. Das Jahr hatte zwölf Monate. Wofür um alles in der Welt? Das haben wir uns in der Tat gefragt, und sie daraufhin abgeschafft. Wir werden die fantasievollen alten heidnischen Namen wie Januar, Februar usw. eine Zeitlang vermissen. Mich vielleicht sogar eingeschlossen. Nur, welchen Sinn haben sie je gehabt? Ich sage: keinen! Außer, dass wir daran gewöhnt waren. Es war letztendlich alles nur eine historisch überlieferte Verkomplizierung von Zeit- und Datumsangaben!
Mit dem Fortzählen der Wochen sind wir wesentlich logischer, wirtschaftlicher und zukunftsorientierter aufgestellt. Ab jetzt denken wir in Kalenderwochen. Den Monaten brauchen wir keine Träne hinterher zu weinen, wenn sie ab morgen der Vergangenheit angehören.«
Aaron erhob mahnend den rechten Zeigefinger. »Wir dürfen nicht unterschätzen, was für einen Ausdruck von Macht es bedeutet, dass wir auf der ganzen Welt eine neue Zeitrechnung einführen konnten! Millionen verfluchten uns, Tausende setzten sich überall auf der Welt wortgewaltig gegen diese Änderung zur Wehr. Hat uns das aufhalten können? Nein, natürlich nicht!« Er wies mit dem Finger auf seine eigene Brust. »Wir haben unser Ziel erreicht, weil wir die Macht in der Hand halten. Die Macht der Päpste, die Macht der Legionen und die Macht des Reichtums!
Ich trinke gleich mit größtem Respekt auf die Mitglieder des Hohen Rates, die diese Aufgabe gelöst haben. Sie weilen heute Abend unter uns, hier in diesem schönen Saal. Bitte steht alle auf, kommt jetzt, hoch mit euch!«
Applaus brandete auf, als sich die zwölf anderen Ratsmitglieder von ihren Stühlen erhoben. Aaron klatschte ebenfalls. Nach etwa einer Minute gestikulierte er beschwichtigend mit der Hand, um seine kurze Rede rechtzeitig vor Mitternacht zu Ende zu bringen. Die Mitglieder des Hohen Rates nahmen wieder Platz.
»In ein paar Augenblicken ist es so weit, liebe Freunde. Dann schließen wir mit der Vergangenheit endgültig ab!
Das Zeitalter, das gleich endet, hat über tausende von Jahren hinweg für die Menschheit nichts anderes bedeutet als Finsternis und Chaos!
Doch auf Schatten folgt Licht. Freuen wir uns darauf, dass gleich, um Schlag Mitternacht, die Zeitrechnung kommt, die wir geschaffen haben. Und gleichzeitig beginnt damit ein neues Zeitalter, das Zeitalter der Ordnung, UNSERER Ordnung!« Als nach diesen Worten erneut Applaus aufkam, wehrte Aaron ihn mit einer Handbewegung ab. Es gab einen zusätzlichen Gedanken, den er den Feiergästen mit auf den Weg in die Zukunft geben wollte: »Das ist noch nicht alles. Der Mensch ist eine Spezies, die Werkzeuge benutzt. Über Jahrtausende hinweg erfanden und perfektionierten wir Arbeitsmittel. Zuerst ließen die Fortschritte von einer Erfindung bis zur nächsten vergleichsweise lange auf sich warten. Dann aber erfolgten sie in immer kürzeren Zeitabständen. Und wurden dabei ständig bedeutender. Vom Faustkeil zum Rad zur Atombombe zum ID-Chip. Heute stehen uns endlich Instrumente und Werkzeuge zur Verfügung, die so mächtig sind, dass wir mit ihnen die Zukunft der Menschheit unserer Vorsehung entsprechend planen, gestalten und herstellen können.
Ja, es kommen noch weitere Stufen auf uns zu, die wir erklimmen müssen. Doch ich bin zuversichtlich, dass wir, der Hohe Rat, auch diese Herausforderungen meistern werden.
Ich sage: Die Menschheit legt ab morgen, wenn die neue Zeit begonnen hat, zielsicher auch noch die letzten Schritte bis zum Ziel zurück. Wir sind hier, um das Werk Gottes zu vollenden!«
Erneut applaudierte die Zuhörerschaft frenetisch. Aaron hätte den begeisterten Ausdruck in den Gesichtern gerne länger genossen, doch ein Blick auf die goldene Uhr mit dem alten Zifferblatt an einer der Säulen sagte ihm, dass es Zeit war, zum Ende zu kommen. »Ich sehe, es ist gleich soweit. Während jetzt die letzten Sekunden der alten Zeitrechnung vorüber ticken: Erheben wir alle die Gläser, liebe Freunde, Mitglieder des Hohen Rates und ihre Familien, lieber Herr Präsident der USNA. Und dann begrüßen Sie zusammen mit mir die neue Zeitrechnung. Und das neue Zeitalter, das Zeitalter der Ordnung! Ein dreifaches Hoch!«
Alle Anwesenden jubelten ihm zu, klatschten begeistert in die Hände und riefen: »Hoch! Hoch! Hoch!«
Ein paar Sekunden später, um Punkt Mitternacht, erfüllten die Lautsprecher den Saal mit dem Glockenklang einer Kathedrale. Und wie es die Tradition verlangte, spielten die Musiker des New York Symphony Orchestra für die Feiergemeinschaft die amerikanische Nationalhymne zum Mitsingen.
Nachdem der letzte Ton verklungen war, ergriff Aaron sofort wieder das Mikrofon und sagte: »So, liebe Freunde, es ist Iar 1, Wek 1, Day 1, T 0.1 des neuen Zeitalters, und nun lasst uns hinausgehen und seine Geburt mit einem Feuerwerk feiern!«
In schwarze Livree gekleidete Bedienstete öffneten die Außentüren des Festsaals. Unmittelbar vom Auditorium aus konnte man die große Terrasse vor dem Haupthaus betreten. Daran direkt angrenzend ruhte unter dem Nachthimmel ein naturbelassener See mit einer Oberfläche wie aus schwarzem Glas, in dem sich das Firmament funkelnd spiegelte.
Sobald sich die Festgesellschaft im Freien versammelt hatte, entfesselten die besten Feuerwerker des Landes über Jekyll Island ein gigantisches Spektakel.
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0 Uhr | T0.00 |
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Erscheint lt. Verlag | 3.5.2018 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur |
ISBN-10 | 3-7528-6360-9 / 3752863609 |
ISBN-13 | 978-3-7528-6360-4 / 9783752863604 |
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