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Der Schwimmclub der traurigen Heldinnen (eBook)

Eine wahre Geschichte über Liebe und Überleben
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
224 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45152-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Schwimmclub der traurigen Heldinnen -  Ruth Fitzmaurice
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Ein ergreifendes Memoir aus Irland! Eine junge irische Ehefrau und Mutter meistert mit der Kraft ihrer Liebe ein schweres Schicksal: Ihr geliebter Mann leidet an der unheilbaren Motoneuron-Krankheit, an der auch Stephen Hawking leidet. Ein berührendes irisches Familienschicksal! Als Simon die Diagnose Motoneuron-Krankheit erhält, bricht für die junge irische Familie eine Welt zusammen. Die Ärzte geben ihm höchstens noch drei Jahre zu leben. Allen Warnungen zum Trotz, lässt Ruth ihren Mann zu Hause pflegen inmitten ihres Haushalts, der aus fünf Kleinkindern, einem alten Hund und einem Pflegeteam besteht. Für die junge Frau ist die Belastung enorm, doch sie kämpft und findet ihren Platz zum Auftanken. Täglich schwimmt sie mit ihren Freundinnen in der eiskalten Irischen See. Im Wasser ist sie frei, vergisst ihren Schmerz und findet die Kraft, ihr Schicksal zu meistern.

Ruth Fitzmaurice, geboren 1976 in Irland, arbeitete viele Jahre beim Irischen Radio. 2008 erhielt ihr Ehemann Simon die Diagnose Motoneuron-Krankheit, an der auch Stephen Hawking litt. Die Ärzte gaben ihm noch drei Jahre zu leben. Getragen von der Liebe seiner Frau und Kinder überlebte Simon die Diagnose um sechs Jahre. Er starb im Winter 2017 im Kreis seiner Familie.

Ruth Fitzmaurice, geboren 1976 in Irland, arbeitete viele Jahre beim Irischen Radio. 2008 erhielt ihr Ehemann Simon die Diagnose Motoneuron-Krankheit, an der auch Stephen Hawking litt. Die Ärzte gaben ihm noch drei Jahre zu leben. Getragen von der Liebe seiner Frau und Kinder überlebte Simon die Diagnose um sechs Jahre. Er starb im Winter 2017 im Kreis seiner Familie.

Tagträume


Die meiste Zeit meines Lebens habe ich im Tagtraum zugebracht. In Irland kann es so bewölkt und grau sein, dass man das Gefühl hat, jemand habe das Licht ausgeschaltet. Da hilft das Tagträumen. Lichter spielen keine große Rolle, solange deine Träume leuchten. Tagträume kümmert es nicht, ob der Himmel bewölkt ist.

Bestimmte Geschichten über die Kinder werden von den Eltern so lange wieder und wieder erzählt, bis sie zur Tatsache werden. »Du warst immer ein Kind, das gern im Bett war«, sagt meine Mutter noch heute. »Nie bist du herausgeklettert. Wenn du einmal drin warst, dann bliebst du dort bis zum Morgen.« Natürlich. Das Bett ist die Brutstätte von Träumen im Schlaf und im Wachzustand. Das Bett war mein sicherer Hafen, nachdem ich den ganzen Tag durch die dunklen Gewässer der Wirklichkeit navigieren musste.

Als kleines Mädchen verbrachte ich viele zufriedene Nächte und zahllose Stunden am Tag im Refugium meines Bettes. Außerhalb der hell erleuchteten Küche war unser Haus alt, kalt und unheimlich, doch das kümmerte mich nicht. Ich war zu sehr damit beschäftigt, vom Bett aus den Heizkörper zu betrachten. Darauf waren Gesichter. Unendlich viele wunderliche Gesichter, Formen und Geschichten. Sie krochen unter der abgeblätterten Farbe hervor. Mein Heizkörper war wie Lucys Wandschrank. Ein jedes Mal brachte er mich nach Narnia.

»Abendessen!«, rief meine Mutter aus der warmen Küche. Vermutlich ist Essen der einzig vertretbare Grund, einen Tagtraum zu stören. Ich tauchte aus meinem Tagtraum auf, und innerlich jubilierte ich. »Hier bin ich! Ich bin wieder da! Alles ist in Ordnung!« Hat niemand sich gefragt, wo ich gewesen bin? Sind Sekunden verstrichen, Stunden oder Tage? In dem großen, alten, geschäftigen Haus mit sechs Kindern aber hatte niemand etwas bemerkt. Dass niemand etwas bemerkt hatte, machte die Tagträume noch wunderbarer.

 

Tagträume waren einsame Angelegenheiten, bis jemand davon Wind bekam. Simon trat in mein Leben und platzte in meine Tagträume. Simon redete in GROSSBUCHSTABEN. Mit blauen Augen und flatternden Händen schlenderte er herbei. Seine Stimme spazierte geradewegs in meine Tagträume und sah sich alles ganz genau an. Er redete viel, und das gefiel mir. Die Stimme und die Tagträumerin hakten sich unter. Diese Stimme machte die Tagträume so greifbar und sinnlich.

Das Bett mit der Liebe zu teilen war eine Offenbarung. Mit roten Wangen und peinlich berührt begegneten wir am nächsten Morgen unserem Nachbarn. Die Wände der Reihenhäuser waren wie aus Pappe, und das Schlafzimmer jenes armen Mannes grenzte direkt an unseres. Ich brachte es nicht fertig, ihm ins Gesicht zu schauen. Er konnte nichts als Hass auf die lauten Nachbarn empfinden.

Die Stimme und die Tagträumerin unternahmen an Sonntagen lange Spaziergänge und hielten nur inne, um zu essen. Wenn man verliebt ist und mitgerissen von gutem Sex, schmeckt das Essen besser denn je. Sie aßen viel. Sie gingen spazieren und lagen sich in den Armen, sie gingen spazieren und aßen das Beste, was das Land zu bieten hatte.

Sie aßen und schlangen ihre Körper umeinander, dann aßen sie noch etwas und schmiedeten neue, gemeinsame Tagträume. Sie dachten sich Geschichten aus und machten großartige Pläne. Er wollte Filme drehen, und sie wollte Bücher schreiben. Vereint waren diese Stimme und jene Tagträume ein wahr gewordener Schöpfungstraum.

Dein Bett mit dem richtigen Mann zu teilen ist eine herrliche Sache. Sein Geruch und sein Geschmack, umeinander geschlungene, miteinander ringende Gliedmaßen. Anfangs war sogar Simons Spleen, jeden Abend vor dem Einschlafen den Soundtrack von Blade Runner anzuhören, seltsam großartig. Die Liebe war nicht blind, aber in meinem Fall war sie definitiv taub.

 

Tagträume sind wunderbar, weil du sie in die richtige Richtung lenken kannst. Du wählst selbst, wohin sie führen. So ist die Wirklichkeit nie. Ein Tagtraum tritt dir nicht in den Arsch, wenn du nicht einen Arschtrittfetisch hast, und den habe ich nicht. Die Wirklichkeit lässt sich weit weniger leicht steuern. Oft habe ich mich in Tagträume geflüchtet, wenn die Wirklichkeit eine harte Wendung genommen hat.

Ich stehe an einer neongrellen Kreuzung in New York und kaue auf einer Riesenbrezel, und mein Freund benimmt sich merkwürdig. Mir fällt es kaum auf, weil New York so viel Lärm macht. Wir sind für eine Vorführung von Simons Kurzfilm auf einem Filmfestival hergekommen, und ich habe den Eindruck, dass Simon etwas gereizt ist. Er ist nervös wegen des Films, vermute ich. Dann beiße ich noch einmal von der Brezel ab und tauche wieder ein in einen American-Diner-Tagtraum mit hausgemachten Pommes.

Ich bin zu sehr mit meinem Diner-Tagtraum beschäftigt, um zu bemerken, dass Simon direkt vor meinen Augen zwei Schnapsgläser mit »I love New York«-Aufdruck kauft und einen Piccolo Sekt. Als er auf dem Empire State Building auf die Knie sinkt, bin ich geschockt. Ich habe es einfach nicht erwartet. Die Idee war mir gar nicht gekommen.

Auf den Knien ist die Stimme piepsiger und unsicherer, als ich sie je gehört habe, und die Tagträumerin ist verwundert. Ehe? Das war mir nie in den Sinn gekommen. Jetzt aber, wo dem Gedanken eine Stimme gegeben wurde, erscheint es mir wie die beste Idee aller Zeiten in der ganzen weiten Welt einschließlich New York. Sag’s noch mal, mit deiner normalen Stimme, piepse ich zurück, und die Stimme wiederholt es in den üblichen GROSSBUCHSTABEN. »Ruth Patricia O‘Neill, willst du mich heiraten?« »JA!«, schreie ich – ebenfalls in Großbuchstaben, und auf dem Dach dieses Hochhauses umfangen sich Tagtraum und Wirklichkeit, als seien sie schon immer eins gewesen.

 

Meine Kinder sind notorische Bettenwechsler. Immer scheinen sie durch die Nacht zu wandern, und ihre heißen kleinen Körper graben sich auf der Suche nach einem neuen Unterschlupf in mannigfaltige Betten. Je mehr Betten, desto besser.

Mit jedem Jahr unserer Ehe stiegen wir zu größeren und besseren Betten auf. Anspruchsvollere Daunendecken. Ein zuverlässiges Schiff an den Ufern eines gemeinsamen Lebens. Zahlreiche wohlplatzierte dicke Kissen und gemusterte Überwürfe.

Zu Anfang lebten wir auf dem Land in Louth. Nach drei Jahren Ehe erreichte unser gemeinsames Leben ein glorreiches Crescendo mit der Mutter aller Schiffskojen. Ein mehr als zwei Meter breiter Koloss, ein märchenhaftes Ungeheuer aus dunklem Holz und unendliche Weiten Matratze. Wir besaßen Hunderte Kissen, und die gesamte vierköpfige Familie passte hinein. Auch ein unruhiger Wurm und ein kleines Faultier fügten sich hervorragend ein. Manche Kinder winden sich ununterbrochen, und die ganze Nacht spürst du die kratzigen, plumpen Zehen an deinem Rücken. Andere sind robuste Wärmflaschen, die sich nicht mehr rühren, sobald sie ihren Platz gefunden haben. Wir hatten beiderlei.

Dieses Zweimeterbett wurde in Sonnenlicht getaucht, das durch die Glastüren von der Terrasse hereinfiel. Davor lag ein ländliches Paradies aus meilenweiten runden grünen Feldern. Trotz des regen Verkehrsaufkommens an Kleinkindern war mein Schlaf immer ruhig und gut. Selbst in turbulenten Babynächten fand ich zurück in einen traumreichen Schlaf. Ich schmiegte mich an die milchige Haut eines Kleinkinds oder rollte sie zur Seite, auf der Suche nach Männerhaut und langen Gliedern und einem Nacken, in den man sein Gesicht drücken und tief einatmen konnte.

 

Wir leben noch immer auf dem Land, ich bin das dritte Mal schwanger, sitze in der Praxis eines Neurologen und warte auf Simon. Mein grünes Oberteil lässt meinen Bauch aussehen wie einen prächtigen runden Hügel an der Grenze zwischen Louth und Monaghan. In Gedanken male ich ein Kinderbild mit Drumlins unter einer Bilderbuchsonne. Mein Dad hat das Auto geparkt und gesellt sich zu mir ins Wartezimmer. Oh, zum Grashügel ist eine Menge Lehm hinzugekommen, denke ich vergnügt, als seine verdreckten Schuhe dicke Spuren auf dem Boden hinterlassen. Er ist peinlich berührt, aber ich kann nicht aufhören zu kichern.

Im Rückblick wird es das erste Mal sein, dass ich einen Tagtraum bereue. Warum war ich nicht mit mehr Aufmerksamkeit bei der Sache? Warum war ich nicht besser vorbereitet auf den Schlag? Ich bin dabei, mir Figuren in den Fußspuren von Dad auszumalen, als der Neurologe mich hereinruft. Simon steht auf, sein Gesicht unendlich blass. Meine Ohren werden taub, als der Arzt hinter seinem Schreibtisch zu sprechen beginnt. »Es tut mir leid, aber ich habe keine guten Nachrichten.« Simon spricht nicht länger in Großbuchstaben. »Wie ist die Prognose?«, frage ich, meine Stimme nur mehr ein Wimmern. Er hat noch drei bis vier Jahre zu leben, lautet die Antwort. ZU LEBEN?, brüllt es in Großbuchstaben in meinem Kopf. ALS ist kein vertretbarer Grund, um einen Tagtraum zu zerstören, und nun will sie sogar ein Leben zerstören.

Die Mutter aller Betten konnte die Familie wunderbar beherbergen, bis ein ungebetener Bettgefährte aufkreuzte. Die ALS war ein hinterhältiger Gast. Anfangs wollte sie nur ein paar Extrakissen. Die dicken Kissen hatten nun einen anderen Zweck, als nur hübsche Accessoires zu sein. Nach einer Weile verlangte die ALS nach einem Rutschbrett, damit Simon überhaupt ins Bett kam. Wir hatten bananenförmige und flexible, das beste aber war ein einfaches Holzbrett, das ich wie eine Wippe unter ihn schob, um ihn dann mit Schwung hinuntergleiten zu lassen. An meinen Armen zeichneten sich Muskeln ab. Das Bett war jetzt nicht mehr so geräumig, doch noch waren wir alle an Bord.

Weiterhin wurde der Morgen vom Sonnenlicht erleuchtet, aber das ganze Hin und Her ließ...

Erscheint lt. Verlag 1.7.2018
Übersetzer Maria Hochsieder
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 5 Dinge • 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen • Abschiednehmen • Autobiografie • Barbara Pachl-Eberhardt • Bevor ich jetzt gehe • Bronnie Ware • Das Schicksal ist ein mieser Verräter • die Sterbende am meisten bereuen • Familienkrise • Frauenschicksal • Häusliche Pflege • Irische See • Irland • John Green • Krankheit • Lebensgeschichte • Lucinda Riley • Maeve Binchy • Memoir • Motoneuron • Motoneuron-Krankheit • My name is Emily • Nicole Staudinger • Paul Kalanithi • Pflege Angehöriger • Resilienz • Schicksalsschlag • Schwimmen • Simon Fitzmaurice • Starke Frau • Stephen Hawking • Wahre GEschichte • Wahre Geschichten Lebensschicksal
ISBN-10 3-426-45152-2 / 3426451522
ISBN-13 978-3-426-45152-6 / 9783426451526
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