Dark Run (eBook)
448 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45156-4 (ISBN)
Mike Brooks wurde in Ipswich in Großbritannien geboren und zog später zum Studium nach Nottingham, wo er heute noch mit seiner Frau, zwei Katzen, zwei Schlangen und einer Sammlung tropischer Fische lebt. Er spielt Gitarre in einer Punkband, legt als DJ auf, liebt Fußball und Naturdokus, und singt, wenn man ihn lässt.
Mike Brooks wurde in Ipswich in Großbritannien geboren und zog später zum Studium nach Nottingham, wo er heute noch mit seiner Frau, zwei Katzen, zwei Schlangen und einer Sammlung tropischer Fische lebt. Er spielt Gitarre in einer Punkband, legt als DJ auf, liebt Fußball und Naturdokus, und singt, wenn man ihn lässt.
Drowning Bend
Randall’s Bar befand sich mindestens eineinhalb Kilometer unter der felsigen Oberfläche von Carmella II und besaß den einladenden Charme eines offenen Abwasserkanals. Das Barschild bestand aus schlichten Neonröhren und nicht aus Holoprojektionen, der Lichtbillardtisch im Inneren hatte Bildstörungen, und die Luft war dünn und sauer, als wäre sie schon durch zu viele Lungen gegangen. Die Bar war von einem Dutzend Männern und halb so vielen Frauen bevölkert. Sie hatten kaum etwas gemeinsam außer der hageren, gefährlichen Ausstrahlung von überarbeiteten und unterernährten Unterseitlern in verschiedenen Stadien der Trunkenheit, doch wie es aussah, waren sie allesamt entschlossen, noch mehr zu trinken. Er war nicht so bescheuert, sich von Randall ein Bier geben zu lassen. Stattdessen nippte er an einem verschmierten Glas, in dem eine klare Flüssigkeit schwappte, die man hätte als Lackentferner durchgehen lassen können, hätte sie nur etwas besser geschmeckt.
Aus eigenem Antrieb hatte er schon weit weniger einladende Etablissements besucht, aber im Moment hatte er Mühe, sich an mehr als ein oder zwei von ihnen zu erinnern.
»Hey!«
Die dünne, schmächtige Stimme stammte von einem Kind.
»Hey, Mister!«
Nichts deutete darauf hin, dass er gemeint sein könnte. Er drehte sich nicht um, sondern hielt den Kopf gesenkt und konzentrierte sich auf das Spirituosenglas in seiner Hand. Dann spürte er das unausweichliche Zupfen an seiner Armaweste.
»Hey, Mister! Sind Sie Ichabod Drift?«
Drift seufzte, sah auf und betrachtete sein Abbild im Spiegel, der hinter der Bar angebracht war: scharf geschnittene Gesichtszüge, schulterlanges, violett gefärbtes Haar, das er sich mit einem Stirnband aus dem Gesicht hielt, und goldbraune Haut, die ihre Farbe einzig seiner Abstammung zu verdanken hatte und nicht dem Umstand, dass sie der ultravioletten Strahlung eines Sterns ausgesetzt gewesen wäre. Er drehte sich auf seinem Stuhl herum und hob geistesabwesend die Hand, um sich an seinem mechanischen rechten Auge zu kratzen, während die Linsen darin schwirrten und den Jungen scharfstellten.
Eine blinde, übergroße Bergbauschutzbrille starrte ihn an. Sie hockte in einem schmutzigen Gesicht unter blonden Haarstoppeln. Das zusammen mit der hohen Stimme und einem formlosen Overall – den die Gestalt wahrscheinlich von einem älteren Geschwister auftrug – machte es Drift unmöglich, mit Bestimmtheit zu sagen, ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelte. Er versuchte es mit einem Lächeln, dasselbe gewinnende Lächeln, das ihm unzählige Male Zugang zu Betten verschafft oder ihm aus Problemen herausgeholfen hatte (und für jemanden wie Ichabod Drift, in dessen Leben Geld eine große Rolle spielte, hatte »unzählig« schon etwas zu bedeuten).
»Si, soy yo«, sagte er gefällig, »aber wer bist du denn? Bisschen jung für einen Richter, was?«
Nicht, dass die Richter gerade nach ihm suchten. Ichabod war vieles, aber kein Gesetzloser … kein richtiger. Vielmehr war er, wie es der alte Kelsier zu sagen pflegte, »interessant«. In welchem Maße interessant und für wen interessant, das hing ganz davon ab, was in letzter Zeit passiert war und ob er für diese Zeit ein passendes Alibi hatte oder nicht.
»Sind Sie der Kerl, der Gideon Xanth getötet hat?«, fragte das Kind. Plötzlich war das Dämmerlicht der Bar von lauerndem Misstrauen erfüllt. Xanths Bande, die Wilden Spinnen, hatte die letzten achtzehn Standardmonate lang die drei Sektoren des gesetzlosen Wabennests aus Gängen, Höhlen und ehemaligen Minenschächten bedroht, die die sogenannte Unterseite des Mondes Carmella II der Vereinigten Staaten von Nordamerika bildeten. Drift hatte drei verschiedene Versionen der Geschichte gehört, wie er zusammen mit seiner Partnerin die Spinnen fertiggemacht und anschließend Gideons Leiche zum Richterbüro in der Oberen Unterseite geschleppt hatte, um das Kopfgeld zu kassieren, das auf seinen verkohlten (und teilweise fehlenden) Kopf ausgesetzt war.
»Das ist ziemlich weit weg von hier passiert«, sagte er und verlagerte beiläufig das Gewicht, sodass er nicht nur seinen jugendlichen Fragesteller, sondern auch die Tür im Blick behielt. Die rechte Hand ließ er schlaff herabbaumeln, damit sie ganz in der Nähe der Pistole an seinem Hüftholster war. »Wundert mich, dass sich die Nachricht so schnell verbreitet hat. Von wem hast du das gehört?«
»In der Stadt ist vorhin ’ne Gruppe Männer aufgekreuzt«, piepste das Kind. »Die haben sich nach Ichabod Drift erkundigt, nach dem Mexikaner, der Gideon Xanth getötet hat. Sie meinten, wer ihnen seinen Aufenthaltsort nennt, kriegt zehn Kröten.«
»Verstehe«, sagte Drift, und in seinem Bauch regte sich eine bittere Vorahnung. Nicht, dass er nicht damit gerechnet hatte, aber trotzdem … Es war ihm wohl anzusehen, denn das Kind wich plötzlich zurück, ging außerhalb seiner Reichweite und hastete zur Tür, als hätte es Angst, jemand könnte es mit Gewalt davon abhalten, die versprochene Belohnung einzustreichen.
»Hey!«, rief Drift der zurückweichenden Gestalt nach. »Hat einer von denen seinen Namen genannt?«
»Nur der Große«, kam die Antwort zurück, und von dem Kind war nur noch der Kopf mit der Schutzbrille zu sehen, der hinter dem Türrahmen hervorlinste. Drift zog die Braue nach oben und bedeutete dem Kind mit einer Handbewegung, dass es ihn nicht länger auf die Folter spannen solle.
»Er sagte, sein Name sei Gideon Xanth.«
Dann verschwand der Kopf. Die Saloontüren schwangen hin und her, und es hing eine erwartungsvolle Spannung in der Luft, die Drift beinahe schmecken konnte. Aber vielleicht war das auch nur die Galle.
»Tja, Scheiße«, bemerkte er an niemanden Bestimmten gerichtet, ließ sich von seinem Stuhl gleiten und kam mit seinen Stiefeln auf dem staubigen Boden zu stehen. Alle Augen in der Bar waren nun auf ihn gerichtet. Demonstrativ strich er sich die Armaweste glatt, rückte sein Stirnband zurecht, überprüfte seine Pistolen und schritt zur Tür. Bruiser, der ältere, aber noch immer imposant wirkende Rausschmeißer, nickte ihm zu, als er an ihm vorbeiging.
»Bist du sicher, dass du da raus willst, Drifty?«
»Das ist bestimmt bloß ein einfaches Missverständnis«, gab Drift mit überzeugender Stimme zurück, doch er glaubte seinen eigenen Worten nicht. Bruiser blickte nach draußen, und zu den Falten auf seiner wettergegerbten Stirn gesellten sich ein paar neue.
»So einfach sieht das in meinen Augen nicht aus.«
»Ach, ich weiß nicht«, piepste Wiesel neben ihm. Wiesel war klein und dürr, und er hatte in Randall’s Bar die Aufgabe, alles in Verwahrung zu nehmen und später wieder auszuhändigen, was Bruiser von den Gästen konfiszierte – was im Grunde jede Feuerwaffe war, die größer als eine Pistole war, denn nur ein Trottel würde auf Carmella unbewaffnet eine Kaschemme betreten. Dabei half Wiesel sein ausgezeichnetes Gedächtnis. »Ich würde sagen, dass Gideon nicht richtig tot ist, ist eine ziemlich einfache Tatsache.«
»Kommt auf den Blickwinkel an«, erwiderte Drift und schlenderte auf den Platz hinaus, der Drowning Bends Zentrum darstellte. In der Luft hing beißender Chemiegeruch, da die Industrieabwasserrohre in der Nähe undicht waren. Jetzt, als er sozusagen wieder draußen war, fraß sich der Gestank in seine Nasenlöcher, während die Lichter hoch über ihm im gewölbten Felsdach der Habitatskuppel für eine andauernde, verlässliche Beleuchtung sorgten. Was in gewisser Weise bedauerlich war. Gerade jetzt wäre ihm ein schattiger Bereich zum Verstecken ziemlich willkommen gewesen.
Die Wilden Spinnen hatten sich auf dem Platz versammelt. In seinem sechsbeinigen, speziell für ihn angefertigten Gehwagen, der Gerüchten zufolge mit echtem Rinderleder gepolstert war, hockte die beeindruckende Gestalt von Gideon Xanth.
Kurz erwog Ichabod Drift, einfach umzudrehen und davonzulaufen, doch dann ertönte ein Ruf. Er war bemerkt worden.
»Drift!«, bellte Xanths donnernder Bass. Er schnippte etwas Großes, Glänzendes von seinem Daumen, und das Kind hechtete, um das versprochene Zehn-Kröten-Stück aufzufangen, bevor es in eine Seitengasse verschwand.
»Hola, Gideon!«, rief Drift zurück und ließ seine Hände auf seinen Pistolen ruhen. Zumindest auf zwei von ihnen. Seine Notfallpistole steckte auf dem Rücken im Gürtel. »Du siehst gut aus!«
»Ich sehe gut aus für eine Leiche, willst du sagen?«, knurrte der Bandenführer. »Jungs, schaut, dass Mr. Drift keine Dummheiten macht, klar?«
Mindestens ein Dutzend Waffen unterschiedlicher Kaliber, aber ungefähr derselben Tödlichkeit ruckten hoch und wurden geradewegs auf Drift gerichtet, was weder einen positiven Einfluss auf seine Gelassenheit noch auf seine Transpiration hatte.
»So ist es besser«, sagte Xanth, fingerte an der Steuerung seines Gehwagens herum und lenkte das scheppernde Gerät nach vorn, während die Wilden Spinnen zu beiden Seiten vorrückten, die Waffen immer noch erhoben und leider, leider auf ihn gerichtet. »Jungs, ihr wisst, dass Mr. Drift schnell zieht und gut schießt. Sollte er also herumzappeln, dann tut euch keinen Zwang an und lüftet ihn mir gut durch, bevor er auf dumme Ideen kommt. Nun, Drift.« Mit gerunzelter Stirn sah die vernarbte Visage des korpulenten Bandenführers von seinem hohen Sitz auf ihn herab. »Ich sitze in einer Bar in der Tiefen Unterseite, denke mir nichts Böses, als mir Neuigkeiten zu Ohren kommen. Wie’s scheint, bin ich tot, und du bist daran schuld.«
»Die Meinungen darüber, ob ich den Abzug gedrückt habe, gehen auseinander«, versetzte Drift und zwang sich, den Blick nicht allzu sehr...
Erscheint lt. Verlag | 26.4.2018 |
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Reihe/Serie | Keiko | Keiko |
Übersetzer | Simon Weinert |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction | |
Schlagworte | Abenteuer • action • Coup • expanse • Firefly • Raumschiff • Science Fiction • Space Opera |
ISBN-10 | 3-426-45156-5 / 3426451565 |
ISBN-13 | 978-3-426-45156-4 / 9783426451564 |
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