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Terra (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018
512 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-23160-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Terra - T.S. Orgel
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In der Zukunft hat sich die Erde in ein ökologisches Wrack verwandelt. Der Mond ist ein einziges Bergwerk, und alle Hoffnungen liegen nun auf der Besiedlung des Mars. Dessen Terraforming ist in vollem Gange, und mit Raumfrachtern werden die Rohstoffe des roten Planeten abtransportiert. Jak ist Mechaniker an Bord eines dieser vollautomatischen Frachter, der gerade mit zwei Millionen Tonnen Erz auf dem Weg zur Erde ist. Was er nicht weiß: Einer der Container ist vollgestopft mit Bomben. Und auch Jak hat ein paar Geheimnisse zu verbergen. Für ihn und seine Schwester Sal, die als Marshal auf dem Mond stationiert ist, beginnt ein gnadenloser Wettlauf gegen die Zeit, bei dem es um nichts weniger geht als um das Schicksal des Planeten Erde ...

Hinter dem Pseudonym T. S. Orgel stehen die beiden Brüder Tom und Stephan Orgel. In einem anderen Leben sind sie als Grafikdesigner und Werbetexter beziehungsweise Verlagskaufmann beschäftigt, doch wenn beide zur Feder greifen, geht es in fantastische Welten. Ihr erster gemeinsamer Roman »Orks vs. Zwerge« wurde mit dem Deutschen Phantastik Preis für das beste deutschsprachige Debüt ausgezeichnet. Seitdem haben sie mit »Die Blausteinkriege«, »Terra« und »Die Schattensammlerin« noch viele weitere Welten erkundet.

NEUNUNDZWANZIG MINUTEN
Drei Tage zuvor


»Du hast noch Sauerstoff für neunundzwanzig Minuten.«

Kaltes Grauen stieg in Charlotte auf. Unwillkürlich klopfte sie gegen die Seite ihres Helms, als würde das genügen, um die Anzeige auf ihrem Display zu verändern. Die Grafik in einer Ecke ihres Helmmonitors zeigte dasselbe an, was die Stimme in ihrem Ohr gerade verkündet hatte. »Audrey, das kann nicht stimmen! Meine Tanks waren voll, als ich sie angelegt habe, und ich bin erst seit einer knappen Stunde draußen. Ich müsste noch für mehr als elf Stunden Sauerstoff haben und nicht für verdammte neunundzwanzig Minuten! Und was ist mit der Energieanzeige los?« Der Balken im Display, der den Füllstand ihrer Batterien anzeigte, hatte bereits die 50%-Marke unterschritten.

»Beruhige dich, Charlotte.« Ihre AVA, ihr Advanced Virtual Assistant, hatte die beruhigend samtige Stimme einer französischen Schauspielerin, die ihre Großmutter zutiefst vergöttert hatte. Sie selbst hatte ihr diese Stimme ausgesucht, genauso wie ihren Namen.

»Sag mir bloß nicht, dass ich mich beruhigen soll, Audrey! Wag es ja nicht, oder ich kratz dich aus dem Speicher und ersetze dich durch …«

Eine Injektionsnadel aus der Med-Einheit in ihrem Helm stach in ihren Nacken. Beinahe sofort breitete sich ein eisiges Gefühl in ihr aus, während das Beruhigungsmittel wirkte.

»Ich bitte um Entschuldigung, doch deine erhöhte Atemfrequenz verbraucht den Restvorrat schneller als notwendig.«

»Fick dich«, murmelte sie, dieses Mal jedoch halbherzig. Dann seufzte sie und atmete tief durch. Diesen Luxus gönnte sie sich. »Welche Möglichkeiten habe ich noch, Audrey?«

»Die Schleusen des zentralen Schachts stehen offen. Bis zum Rig sind es zweihundertfünfzehn Meter. Bis zum habitablen Bereich des Rigs solltest du es in zwölf Minuten schaffen.«

Charlotte hatte das fast übermächtige Bedürfnis, sich die Stirn zu massieren, doch das war ein Luxus, den ein Raumanzug nicht bot. Sie stampfte auf. Die Luke unter ihren Füßen vibrierte und erzeugte ein dumpfes Dröhnen in ihrem Anzug. »Ich wiederhole mich: Ich stehe auf Schott 10-B, und es ist geschlossen wie … etwas verschlossen sein muss, um den verdammten Weltraum draußen zu halten. Oder die Luft drin. Du weißt, was ich meine.«

Ein leiser Signalton ertönte. Dann kehrte die Stimme der AVA zurück. »Das ist nicht möglich. Mir liegen keine Fehlfunktionen vor. Schott 10-B ist geöffnet und gesichert.«

Charlottes Blick zuckte unwillkürlich zur Sauerstoffanzeige. Sechsundzwanzig Minuten. »Wir haben hier offensichtlich mehr als nur ein Problem«, murmelte sie. »Audrey, das Ganze wird langsam unübersichtlich. Mein Anzug hat eine Fehlfunktion. In dem verdammten Container ist etwas anderes, als darin sein sollte, du kannst das Problem nicht sehen, das verdammte Schott hat eine Fehlfunktion, die Kommunikationssysteme sind down, der Lift ist tot, und mir geht die verdammte Luft aus.« Sie atmete tief durch, im vollen Bewusstsein, dass das nicht dazu beitrug, ihre Vorräte zu schonen. »In Ordnung. Audrey, geh einfach davon aus, dass ich nicht durch den Zentralschacht will. Aus welchen Gründen auch immer. Welche Möglichkeiten habe ich dann? Lebend?«

Die AVA schien zu zögern. »Es kommt darauf an, wie lange du ohne Sauerstoff bei Bewusstsein bleiben kannst.«

»Welche Möglichkeiten?«, wiederholte Charlotte eindringlich.

»Du kannst über die Außenhaut gehen.«

»Gut, und wie mache ich das?«

»Geh durch die Container 7-4 und 7-15. Die Schleuse von 7-4 ist bereits geöffnet. In beiden Einheiten sind dicht gepackte Erzlasten mit den vorgesehenen Notgängen.«

Charlotte verschwendete keine Luft auf eine Antwort. Stattdessen begann sie zu klettern. Es waren fünfzehn Meter bis zu den Einstiegsluken in die LastContainer, und der Liftmechanismus funktionierte nicht – egal was Audrey behauptete. Also blieben ihr nur die Leitern in den Wänden des Schachts. Fünfzehn Meter waren vielleicht nicht viel. Aber mehr als genug, wenn man in einem VacSuit mit voller Ausrüstung steckte und offenbar Luft verlor. Selbst wenn man nur gegen ein Drittel der Erdanziehungskraft anzukämpfen hatte.

Als Charlotte die Luken erreichte, hatte sie wertvolle Minuten verloren. Also hielt sie sich nicht damit auf, eine Pause einzulegen, sondern schob sich durch das Schott in Container 7-4. Den Laderaum, in dem ihre Probleme angefangen hatten. Audrey mochte darauf bestehen, dass dieser Container Erz enthielt, doch das, was sie mit ihren eigenen Augen sah, passte ganz und gar nicht dazu. Aber es bereitete ihr Magenschmerzen. Beinahe genauso viele wie der Gedanke daran, dass irgendetwas ihrer AVA permanent falsche Daten lieferte. Nicht nur Sensordaten, sondern auch Kamerabilder und wer wusste was noch. Möglicherweise waren sogar die Daten ihres Displays falsch, und sie hatte mehr Sauerstoff, als sie dachte. Erneut klopfte sie gegen ihren Helm. Das Display blieb unverändert. Aber das war garantiert nichts, worauf sie einfach warten wollte.

Die Astronautin erreichte das gegenüberliegende Schott und gab den Notfallcode ein. Wider Erwarten glitt es sofort beiseite und gleich darauf das nur einen Meter entfernte Gegenstück. Die Notbeleuchtung im angrenzenden Container begann zu glühen. Eilig zog sie sich hindurch. Dieser Container hier enthielt tatsächlich vorraffiniertes, gepresstes Erz, und ihre Magnetstiefel hinterließen bei jedem Schritt Abdrücke in der dicken, rötlichen Staubschicht. Im schummrigen Halbdunkel lag zehn Meter vor ihr, auf der anderen Seite des Doppelstegs, das Außenschott des Containers. Dahinter wartete das Nichts auf sie. Plötzlich empfand Charlotte ein unbestimmtes Grauen. Dafür war sie nicht gemacht. Das war nicht das, wofür sie hier war. Sie hasste das All, das wurde ihr in diesem Augenblick klar. Es war absurd und doch seltsam logisch. Seit acht Jahren flog sie Transportschiffe, davon ein halbes Dutzend Flüge auf der Goldilocks-Route zwischen Erde und Mars, doch bis heute hatte sie die kleine Blechdose an der Spitze der Olympia nie verlassen. Nicht im freien All, außerhalb der Reichweite einer der Raumstationen. Sie war keine Astronautin, sie war nur …

»Du hast noch Sauerstoff für einundzwanzig Minuten.«

Audreys ruhige Stimme durchdrang den chaotischen Wirbel aus Gedanken, den die aufsteigende Panik in ihr erzeugte, und sie biss die Zähne zusammen. Hastig zog sie sich am Geländer der Gangway durch den düsteren Container, auf die ferne Luke zu. Hinter ihr glitt das innere Schott wieder in Position.

»Audrey, öffne das äußere Schott.«

»Öffne das äußere Schott«, wiederholte die AVA ihre Anordnung. Die Anzeige vor ihr blinkte träge. Rot.

Blau. Komm schon. Blau! Nichts veränderte sich.

»Audrey, öffne das äußere Schott. Jetzt!«

»Äußeres Schott ist geöffnet, Charlotte.«

Noch immer blinkte das rote Licht. »Einen Scheiß ist es, Audrey! Benutz deine verdammten Kameras.«

»Visuelle Bestätigung. Das äußere Schott ist geöffnet.«

»Merde!« Charlotte schlug so fest gegen das Schott, dass nur der Handschuh ihres VacSuits sie davor bewahrte, sich die Knöchel zu brechen. Öffnen von Hand. Wie ging das noch mal? Sie packte den Nothebel und zerrte ihn nach oben. Vielmehr versuchte sie es und verschwendete dabei wertvolle Sekunden, bis ihr klar wurde, was sie vergessen hatte. Fluchend öffnete sie das Panel und deaktivierte die Elektronik der Verriegelung. Dann zerrte sie erneut am Hebel, und dieses Mal gab er nach. Mit einem dumpfen Klacken lösten sich die Siegel des Schotts. Sie stemmte die Platte beiseite und starrte zum ersten Mal überhaupt in den gigantischen Abgrund zwischen den Welten, nur noch durch das Glas ihres Helms getrennt vom absoluten Nichts. Eine Welle der Übelkeit brandete über sie hinweg und wurde von einer plötzlich einsetzenden Euphorie davongespült, noch bevor sie sich in ihren Helm übergeben konnte. Schließlich blinzelte sie. »Das ist … tatsächlich ist das wunderschön, Audrey.«

»Das kann ich nicht beurteilen. Du hast noch Sauerstoff für neunzehn Minuten.«

»Weißt du was? Das macht es nicht einfacher. Wirklich nicht. Stell die Ansage ab, Audrey. Gib mir einfach Bescheid, wenn wir bei dreißig Sekunden sind.«

»Verstanden. Deine Wegstrecke beträgt zweihundertdreißig Meter bis zur Heckschleuse.«

Charlotte riss den Blick vom unter ihr gähnenden Abgrund los und schloss die Augen. Es ist eine Illusion. Wo hier draußen oben und unten ist, legst allein du fest. Dazu gab es eine Regel im Basistraining, das jeder absolvieren musste, der auf einem Frachter arbeiten wollte. Unten ist, wo deine Füße sind.

Sie zog sich aus dem geöffneten Schott und aktivierte noch beim Aussteigen ihre Magnetstiefel. Sofort spürte sie den vertrauten Zug, der ihre Fußsohlen auf die Außenhaut des Containers zwang, wo sie mit einem satten Geräusch aufschlugen. Einen langen Moment kämpfte sie gegen die irrationale Furcht, das Schott loszulassen und sich in der großen Leere aufzurichten. Beinahe zu groß war die Furcht, einfach haltlos davonzutreiben in die Unendlichkeit, wie ein Sandkorn um die winzige Sonne zu kreisen, die der einzige Stern war, den die Menschheit je erreichen konnte. Alle Instinkte schrien in ihr, dass sie, wenn sie jetzt losließ, davontreiben würde, so als sinke sie in die ewig lichtlose Tiefe eines Meers, von dessen Grund ihr die wundervollen Lichter der Tiefseekreaturen zublinkten. Und sie würde weiter sinken, bis ihr Sauerstoffvorrat zur Neige ging und sie …

Der VacSuit zog sich fester um sie zusammen, und erneut spürte sie eine Injektion in ihren Hals. Der Anzug musste registriert haben, dass sie...

Erscheint lt. Verlag 12.11.2018
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Actionthriller • buch weihnachten • Dystopie • eBooks • Klimakatastrophe • Mars • Mond • Nahe Zukunft • Raumfahrt • Sonnensystem
ISBN-10 3-641-23160-4 / 3641231604
ISBN-13 978-3-641-23160-6 / 9783641231606
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