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Blutiger Januar (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018
400 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-23402-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Blutiger Januar - Alan Parks
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Januar 1973: Mitten in Glasgow erschießt am helllichten Tag ein Jugendlicher auf offener Straße eine junge Frau, bevor er sich selbst eine Kugel in den Kopf jagt. Detective Harry McCoy, dem der Mord am Tag zuvor im Gefängnis von einem psychotischen Gefangenen angekündigt wurde, steht vor einem Rätsel. Zumal der Gefangene selbst um die Ecke gebracht wird. McCoy nutzt seine alten Verbindungen zu Glasgows Unterwelt, um in den Ermittlungen voranzukommen, legt sich dabei aber schnell mit den Dunlops an, der mächtigsten Familie der Stadt. Und auch sein Boss pfeift ihn zurück. Aber McCoy lässt sich nicht beirren.



Alan Parks studierte an der Universität von Glasgow Philosophie. Nach dem Studium arbeitete er als Creative Director bei London Records und später bei Warner Music, wo er für Acts wie All Saints, New Order, The Streets oder Gnarls Barcley zuständig war. Heute lebt er in Glasgow und London. Nach »Blutiger Januar« und »Tod im Februar« ist »Bobby March forever« der dritte Roman um Detective McCoy.

Eins

McCoy steuerte auf die Treppe zu, seine Schritte klapperten über den stählernen Steg, sein Atem bildete Dunstwolken vor seiner Nase. Barlinnie war unverändert wie eh und je. Eiskalt im Winter, brütend heiß im Sommer. Das alte viktorianische Gebäude würde es nicht mehr lange machen. Für die Anzahl an Häftlingen, die man hier untergebracht hatte, war es nicht gebaut worden. Sie saßen zu dritt, manchmal zu viert, eingepfercht in Zellen, die ursprünglich für zwei gedacht waren. Kein Wunder, dass es im gesamten Gefängnis widerlich stank. Der Geruch nach überlaufenden Gülle-Eimern und abgestandenem Schweiß war so heftig, dass er sich einem in den Rachen setzte, sobald sich die Tore öffneten; wenn man wieder ging, blieb er in den Klamotten hängen.

Seit seiner Anfangszeit bei der Streife kam McCoy schon hierher. Das einzig Gute an Barlinnie war, dass es einem Wege ersparte. Das ganze Spektrum Glasgower Übeltäter landete hier. Angefangen von Vergewaltigern und Mördern, Sexualverbrechern und Kinderschändern bis hin zu verdatterten alten Männern, die sich kurz nach der Beerdigung ihrer Frauen mit zwei Dosen Lachs unter dem Pullover im Co-op hatten erwischen lassen. In Barlinnie war man nicht wählerisch, hier wurden alle genommen.

Er beugte sich über das Geländer und schaute durch das Netz und den Tabakdunst in den Freizeitbereich hinunter. Die üblichen Typen liefen dort in Jeans und weißen Sportschuhen herum.

Ein paar, deren Namen er vergessen hatte, spielten Tischtennis. Rangniedrige Bandenmitglieder aus Milton scharten sich um den Billardtisch, alle mit langen Haaren, Schnurrbärten und Tätowierungen noch aus dem Jugendknast. Einer von ihnen zeigte mit dem Queue auf Jack Thomson, als der vor den Fernseher geschoben wurde, und kicherte. Vor einem Jahr hätte er sich nicht mal getraut, einen wie Thomson auch nur anzuschauen. Jetzt hatte das arme Schwein ein so großes Loch im Kopf, dass man’s von hier oben sah. So ist das, wenn man einen Vorschlaghammer auf die Knie und den Schädel bekommt. Laufen kannst du vergessen, und vor lauter Brei im Hirn weißt du nicht mehr, wo du bist.

Er knöpfte seinen Trenchcoat zu und blies sich in die Hände. Arschkalt war’s. Ein kleiner Dicker in der Runde der Kartenspieler stand auf, schaute nach oben, nickte. Steph Andrews. Bildete sich immer noch ein, niemand wüsste, dass er ein Spitzel war. McCoy kramte in seiner Tasche, zog eins von seinen mitgebrachten Päckchen Regal heraus und ließ es über das Geländer fallen. Steph fing es, steckte es ein und war weg, bevor die anderen es mitbekamen. Erste Regel bei einem Besuch in Barlinnie: Kippen mitbringen. McCoy beugte sich noch ein Stück weiter vor, konnte aber den, dessentwegen er gekommen war, nicht entdecken.

»Raubtierfütterung, hm?«

Er drehte sich um und sah Tommy Mullen neben sich am Geländer. Mullen nahm die Kappe ab, kratzte sich am Kopf. Bei McCoys ersten Besuchen in Barlinnie waren seine Haare noch schwarz gewesen. Jetzt waren sie größtenteils grau.

»Wie lange hast du noch, Tommy?«, fragte McCoy.

»Drei verfluchte Wochen. Ich zähl schon die Tage.«

»Bist du nicht traurig, dass du gehst?«

»Machst du Witze? Ich kann’s kaum erwarten. Der Bruder von meiner Frau hat einen kleinen Wohnwagen unten in Girvan gekauft. Frische Luft. Damit ich den Gestank hier aus der Nase bekomme.«

»Was will er denn?«, fragte McCoy. »Ich weiß nur, dass auf der Wache angerufen wurde, ich soll herkommen.«

Mullen zuckte mit den Schultern. »Meinst du, das sagt er mir?« Er nahm eine Selbstgedrehte aus seiner Tabakdose und zündete sie sich an. McCoy schaute erneut über das Geländer, suchte in der Menge.

»Da unten wirst du ihn nicht finden«, sagte Mullen. »Er wurde verlegt. Ist jetzt in der Special Unit.«

McCoy pfiff leise. Die sagenumwobene Special Unit.

Niemand wusste viel darüber oder wie’s damit funktionierte, sie war erst letztes Jahr eingerichtet worden. Im Strafvollzug hatte man ziemlich spät was von den Sechzigern mitbekommen. McCoy erinnerte sich an eine Diskussionsrunde im Fernsehen. Ein Wärter mit finsterer Miene hatte flankiert von zwei professoralen Hippietypen an einem Tisch gesessen. Die Hippies hatten was von Kunsttherapie, positivem Gewahrsam und dem Überwinden von Grenzen gelabert.

Obwohl sie noch ganz am Anfang damit standen, hatte man in den Zeitungsredaktionen schon bei der bloßen Erwähnung der Special Unit mit Schaum vor dem Mund reagiert, bei der Polizei ebenso. Dort war man der Ansicht, die Special Unit sei so was wie ein neu an den Ufern des Clyde entstandenes Sodom und Gomorrha. Dabei handelte es sich den Hippies zufolge nur um einen kleinen Bereich des Gefängnisses, in dem Hochsicherheitsgefangene wie Menschen behandelt werden sollten. McCoy war unentschieden, die althergebrachten Methoden funktionierten schließlich auch nicht. Lästige Insassen wurden verprügelt und in eiskalten, feuchten Kellern in Käfige gesperrt. Seiner Meinung nach wurden diese Irren dadurch nur noch schlimmer; umso mehr bereit, jeden Schließer abzustechen oder zusammenzuschlagen, der sie auch nur komisch ansah.

Mullen und McCoy verließen das Hauptgebäude, zogen sich die Mäntel über die Köpfe und liefen über den Gefängnishof zu der roten Tür ganz hinten. Das Wetter verschlechterte sich erneut, eisiger Schneeregen und ein Wind, der Laub und Abfall über den Hof peitschte. Mullen zog die Tür auf, und schon waren sie drin.

McCoy blieb stehen und sah sich um, betrachtete alles genau. Alice hinter den Spiegeln.

Vor sich hatten sie zwei Gewächshäuser voller Blumen und Tomatenpflanzen. In den Beton waren Beete gegraben und ordentlich mit Gemüsereihen bepflanzt. Große Steinbrocken lagen in einem davon abgetrennten Bereich, halb fertige Gesichter oder Gestalten waren hineingeritzt, der feuchte Granit glänzte. Neben McCoy und Mullen öffnete sich die Tür zu einem kleinen Schuppen, und ein dünner Mann kam heraus, er hatte langes blondes Haar, einen Meißel in der Hand und eine schmutzige Lederschürze umgebunden. Er hob seine Schutzbrille an.

»Alles klar, Tommy?«, fragte er. »Lange nicht gesehen.«

McCoy brauchte ein paar Sekunden, um zu kapieren, wer das war. Bobby Munro. Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Bobby »Razor« Munro stand mit einem Meißel in der Hand in Barlinnie? Kein Wunder, dass die Zeitungen durchdrehten. Musste wohl das erste Mal sein, dass er das Werkzeug dafür benutzte, wofür es eigentlich gedacht war; normalerweise hätte er es jemandem an die Kehle gepresst.

»Alles gut«, sagte Mullen. »Wir suchen Howie.«

»Hängt bestimmt vor der Glotze, wie immer.« Er zeigte auf eine Tür. »Da lang.«

»Dann bist du jetzt also ›Tommy‹?«, fragte McCoy. »Beste Freunde, oder wie?«

»Fang bloß nicht an«, sagte Mullen, als sie durch die Tür gingen. »Hat ganz schön gedauert, bis ich mich dran gewöhnt hab, das kann ich dir sagen. ›Die Verwendung von Nachnamen ist herabwürdigend und entpersönlichend und daher zu unterlassen‹«, zitierte er mit vornehmem Akzent. »Blödes Geschwätz.«

Bei McCoys letztem Besuch im Waschhaus hatten dort Industriemaschinen gestanden, und Männer, kaum zu erkennen im feuchtkalten Dunst, hatten große elektrische Bügelmaschinen bedient. Jetzt nicht mehr. Jetzt war der Raum fast leer, weiß gestrichen, an den Wänden hingen gerahmte Bilder und Plakate, mittendrin riesige Metallskulpturen. Soweit McCoy das beurteilen konnte, handelte es sich um zwei Hunde mit menschlichen Gesichtern, die gegeneinander kämpften oder vielleicht auch miteinander fickten, so genau ließ sich das nicht feststellen. Mullen zeigte auf eine Tür in der Ecke.

»Das Wohnzimmer ist da drüben.«

McCoy ging weiter. Er wusste nicht, was er erwartet hatte, aber das jedenfalls nicht: als würde er in die gemütliche gute Stube seiner Tante treten. Geometrisch gemusterte Tapete, ein heimeliges Gasfeuer und eine dreiteilige Sitzgarnitur mit hölzernen Armlehnen vor einem Farbfernseher. Es stank nicht mal nach Gülle-Eimern. Nur eines verdarb die heimelige Atmosphäre: Howie Nairn. Er fläzte sich auf dem Sofa. In der Special Unit trugen die Häftlinge keine Jeans und keine weißen Sportschuhe, sondern ihre eigene Kleidung. In Nairns Fall war das nicht unbedingt besser. Ein schmutziges Che-Guevara-T-Shirt, ein karierter Schal um den Hals, Jeans mit Schlag und das lange, lockige kastanienbraune Haar zum Pferdeschwanz gebunden. Sogar Hausschuhe hatte er an. Er war ein bisschen dünner, sah aber im Prinzip noch genauso aus wie bei seiner letzten Begegnung mit McCoy. Vor allem eins hatte sich nicht verändert: die wulstigen, gezackten Narben am Hals, die im Kragen seines T-Shirts verschwanden.

»Der scheiß Schließer soll sich verpissen«, sagte Nairn, wandte dabei den Blick nicht vom Fernseher ab. »Der darf hier gar nicht rein.«

»Wie du willst«, sagte Mullen. »McCoy?«

Er nickte, und Mullen verzog sich. »Dann lasse ich euch alleine. Sagt Bescheid, wenn ihr fertig seid.«

McCoy setzte sich auf die Sofalehne, legte ein Päckchen Regal auf das mosaikverzierte Beistelltischchen. Wartete. Er war sicher, dass er Dope roch. Würde ihn nicht wundern. Hier wunderte ihn gar nichts mehr. Nairn sagte nichts, hielt den Blick fest auf den Fernseher gerichtet. Also war’s an McCoy.

»Hab die Nachricht bekommen. Muss mich wohl geehrt fühlen, oder wie?«

Nairn brummte. »Bild dir bloß nichts ein, McCoy. Du warst der einzige scheiß Polizist, dessen Name mir eingefallen ist.«

McCoy betrachtete die mit Tesafilm an der Wand befestigten Plakate. Nicht wie sonst überall Mädchen...

Erscheint lt. Verlag 3.9.2018
Reihe/Serie Die Harry McCoy-Serie
Die Harry McCoy-Serie
Übersetzer Conny Lösch
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Bloody January
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte 1973 • Detective Harry McCoy • eBooks • Glasgow • Ian Rankin • Krimi • Kriminalroman • Kriminalromane • Krimis • Krimiserie • Noir • Schottischer Kriminalroman • Schottland
ISBN-10 3-641-23402-6 / 3641234026
ISBN-13 978-3-641-23402-7 / 9783641234027
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