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Grouse County (eBook)

Romantrilogie

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
795 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-10881-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Grouse County -  Tom Drury
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»Das komischste und aktuellste Epos über die amerikanische Demokratie« Boston Globe Die USA befinden sich im Wandel. Doch in Grouse County, irgendwo im Mittleren Westen, ist die Zeit stehengeblieben. Hier findet man sie noch, die »echten« Amerikaner, die mit Stolz ihr Tageswerk verrichten und sich nicht gern auf den Arm nehmen lassen. Auch nicht von einem trockenen Alkoholiker, der sich zum Sheriff wählen lassen will. »Drury ist ein großer amerikanischer Autor.« Jonathan Franzen Grouse County ist die Heimat der Darlings und anderer liebenswerter Eigenbrötler. Das Leben der Menschen dort zerbröckelt langsam, aber unaufhaltsam, denn sie alle jagen ihren unrealistischen Träumen nach - gleich, was es kostet. Sie sind der Dorn im Auge des örtlichen Sheriffs, Dan Norman, der bestrebt ist, die Harmonie in seinem County zu wahren. Dafür ist er sogar bereit, sich auf einen Wahlkampf um das Amt des Sheriffs einzulassen. Die jüngere Generation sieht dagegen nur einen Ausweg, um dem ländlichen Mief zu entkommen: Grouse County verlassen und nie mehr zurückkehren. Der Band enthält die drei Romane »Das Ende des Vandalismus«, »Die Traumjäger « und den bisher auf Deutsch unveröffentlichten Roman »Pazifik«, mit denen Tom Drury sich in die erste Liga der amerikanischen Romanciers geschrieben hat.   Der Romanteil »Pazifik« war Finalist für den National Book Award

Tom Drury, geboren 1956 in Iowa, zählt zu den wichtigsten amerikanischen Schriftstellern seiner Generation. Seine Romane gelten als moderne Klassiker. Er veröffentlicht unter anderem im »New Yorker« und in »Harper's Magazine«. Drury lebt zur Zeit in Berlin.

Tom Drury, geboren 1956 in Iowa, zählt zu den wichtigsten amerikanischen Schriftstellern seiner Generation. Seine Romane gelten als moderne Klassiker. Er veröffentlicht unter anderem im »New Yorker« und in »Harper's Magazine«. Drury lebt zur Zeit in Berlin.

Eins


Eines Herbstes fand die alljährliche Blutspendeaktion im Geräteschuppen der Feuerwehr von Grafton statt. Sheriff Dan Norman war eigentlich nur als Zeichen seines guten Willens dazugestoßen, aber dann kam eine der Krankenschwestern nicht rechtzeitig, so dass Dan sich bereit erklärte, jedem Blutspender einen Wattebausch in die Armbeuge zu drücken. »Und ich danke Ihnen«, sagte er jedes Mal.

Am frühen Nachmittag kam Louise Darling herein. Dan kannte sie flüchtig. Tiny Darling war auch dabei – ihr Ehemann. Dan nahm an, dass Tiny ein paar Einbrüche in Westey’s Farm Home am Highway 18 begangen hatte. Es gab dafür aber keine stichhaltigen Beweise.

Louise trug ein rotes Tuch über dem Haar. Sie zog ihre Armeejacke aus, damit man ihr Blut abnehmen konnte; darunter trug sie ein dunkelgrünes T-Shirt mit Brusttasche. Dan bewunderte insgeheim ihre schmalen weißen Handgelenke, während er ihr den Wattebausch gegen die Schlagader drückte.

»Ich danke Ihnen, Mrs. Darling«, sagte er.

Dann kam Tiny dran. Er hatte rotes Haar und auf einem Handrücken eine Eule tätowiert. »Ihr solltet das Blut nach Port Gaspar schicken«, sagte er.

»Wohin?«, fragte Dan.

»Nach Port Gaspar«, wiederholte Tiny. »Die Marine hat den Eskimos dort nämlich eine Ladung tiefgefrorenen Lachs verkauft, und es hat sich herausgestellt, dass der vergiftet war. Deswegen sind die jetzt alle krank. Sie haben Blutvergiftung. Und raten Sie mal, was die Marine macht. Die schickt natürlich ein paar Anwälte hin, um die Eskimogemeinde einzuschüchtern.«

»Wo liegt denn Port Gaspar?«, fragte Dan.

»Im Südpol oder so«, sagte Louise. Sie hatte große grüne Augen und ganz zarte Sommersprossen. »Wir haben einen Bericht darüber im Radio gehört. Vielleicht war es ja auch gar nicht die Marine, aber sie sind mit Schiffen von der Marine gekommen.«

»Als Beobachter«, ergänzte Tiny. »Sie sind an Deck hingefahren, in einem eigenen kleinen Bereich, der mit Seilen abgesperrt war. Jetzt müssen die Eskimos alle ihr Blut waschen lassen.«

Sheriff Dan Norman ließ Tinys Arm los und wandte sich an Schwester Barbara Jones. »Wo geht dieses Blut denn nun hin? Alles ans Rote Kreuz?«

»Genau«, sagte sie. »Aber ich will Ihnen was sagen. Meine Großcousine hatte mal eine Blutvergiftung. Damit ist nicht zu spaßen. Dan, die kennen Sie doch – meine Cousine Mary.«

»Mary Ross«, sagte Dan.

»Mary Jewell«, erwiderte die Schwester. »Also, ihre Mutter war eine Ross, Viola Ross. Sie war eine Cousine ersten Grades von Kenny Ross, der dann nach Korea gegangen ist. Also, sie schaffte es damals nicht mal mehr vom Bett bis zum Tisch.«

Louise Darling zog sich die Jacke glatt und warf den Kopf zur Seite. »Ich bin gar nicht sicher, ob es wirklich Eskimos waren.«

»Es war dort jedenfalls so kalt, dass es Eskimos gewesen sein könnten«, sagte Tiny. »Diese Anwälte haben nämlich gesagt: ›Noch eine einzige Beschwerde, und wir machen die ganze Stadt mit dem Schneepflug platt.‹«

»Ihre Häuser waren also aus Schnee«, sagte Dan.

»Sieht so aus«, meinte Tiny.

Das nächste Mal traf Dan Norman mit Tiny Darling zusammen, als es eines Sonntagabends zu einer Schlägerei im Kalkeimer kam. Kneipenschlägereien waren Dan besonders zuwider, seit er einmal mit einem Billardqueue am Rücken erwischt worden war und daraufhin den Sommer bei einem Chiropraktiker verbringen musste, statt draußen sein zu können. Der Chiropraktiker hatte eine Flasche Wodka auf dem großen Safe hinter seinem Schreibtisch stehen und legte Wert darauf, Dr. Young Jim genannt zu werden, weil sein verstorbener Vater, wie er sagte, als Dr. Old Jim bekannt gewesen sei. Bei der jetzigen Schlägerei hielt Tiny Bob Becker an der Kapuze seines roten Sweatshirt fest und stieß ihn mit dem Kopf immer wieder gegen die Griffe des Kickertischs.

Dan schnappte sich Tiny und zerrte ihn nach draußen. Es fiel gerade der erste Schnee, und sie sahen ihn schräg auf die leere Straße niedersinken. Tiny war schon ziemlich betrunken, aber noch ganz munter. So viel Dan mitbekommen hatte, war es bei dem Streit darum gegangen, ob die Country-Sängerin Tanya Tucker abgewirtschaftet habe, und Tiny war nicht dieser Ansicht gewesen.

Im Streifenwagen des Sheriffs fuhren Dan und Tiny auf der Straße von Pinville Richtung Südwesten zum Gefängnis von Morrisville. Auf halbem Weg versuchte Tiny, Dan einen Schwinger zu versetzen, und Dan musste anhalten, Tiny aussteigen lassen, ihm Handschellen anlegen und ihn in den hinteren Teil des Streifenwagens verfrachten.

»Ich dachte immer, du bist gescheit«, sagte Dan durch das Gitter. »Sieht aber so aus, als hätte ich mich da leider getäuscht.«

»Gleich kugelt es mir die Arme aus«, sagte Tiny.

»Das nächste Mal kannst du ja deinen eigenen Kopf gegen die Griffe knallen.«

Es folgte ein langes Schweigen. »Sie haben Schnee auf der Mütze«, sagte Tiny.

Dan bremste für einen Waschbären, der gerade über die Straße tapste. »Wir wissen, dass du das warst, das mit den Einbrüchen bei Westey’s«, sagte Dan. »Übrigens, mit der Tür dort hast du dich ja ziemlich blöd angestellt. Aber das spielt keine Rolle, weil wir es nicht weiter verfolgen, also, ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt damit anfange.«

Tiny lachte. »Wie hoch ist dieser Streifenwagen eigentlich? Anderthalb Fuß?«

Im Gefängnis von Morrisville war es dämmerig, und drinnen projizierten die beiden Hilfssheriffs gerade zusammen mit ein paar Freunden Dias von nackten Frauen auf eine Karte des Bezirks. »Wäre das schön, wenn ich heute Abend auf der Farm von Floyd Coffee sein könnte«, sagte Deputy Earl Kellogg Junior soeben. Dan befahl ihnen, sofort damit aufzuhören und sich um Tiny Darling zu kümmern und ihn in eine Zelle zu stecken. Dann setzte er sich, um den Schreibkram zu erledigen.

»Da draußen gibt es eine Menge Dealer, die Dope unter die Leute bringen«, sagte Tiny. »Irgendjemand hat kürzlich sogar diesen Typen in der Gasse hinter der Bank niedergestochen. Und ausgerechnet ich hock jetzt hier – wo ich doch Blut gespendet habe.«

»Wie heißt du richtig, Tiny?«, fragte Dan.

»Charles«, antwortete Tiny. »Ich arbeite als Klempner.«

»Glatte Lüge«, sagte Earl Kellog. »Dan, die Tochter von Ted Jewell hat angerufen. Ich hab ihren Namen vergessen.«

»Das kann Shea oder Antonia sein«, sagte Ed Aiken, der zweite Deputy.

»Ach ja, genau«, sagte Earl. »Die vorletzte Klasse in Morrisville-Wylie veranstaltet einen Tanzabend gegen Vandalismus, und diese Shea Jewell hat gesagt, sie hätten gerne, dass du die Schirmherrschaft übernimmst. Eigentlich sollte das Rollie Wilson von den Rettungssanitätern machen, aber du weißt ja, bei Wilson hat es gebrannt.«

»Mal sehen«, meinte Dan.

»Es ist nur halb offiziell.«

Dan zog den Stecker des Projektors, packte die Dias ein und ging. Es schneite noch immer. Er nahm einen Umweg zurück nach Grafton und ertappte sich dabei, dass er am Haus von Tiny und Louise vorbeikam. Das Hoflicht schimmerte durch die Bäume. Tiny und Louise hatten das weiße Farmhaus gemietet, in dem früher Harvey und Iris Klar gewohnt hatten und das jetzt Jean, der Tochter der Klars, gehörte, die dreißig Meilen entfernt in Reinbeck wohnte und irgendwie bei der dortigen Ziegelei beschäftigt war.

Dan fuhr in die Einfahrt und stieg aus. Ein weißer Hund mit quadratischem Kopf tauchte aus dem Werkzeugschuppen auf und kam über die dünne bläuliche Schneedecke gesprungen. Der Hund gab fast keinen Laut von sich, und Dan redete ihm zu, dass er wieder in den Schuppen gehen solle. Inzwischen hatte Louise Darling die Vordertür geöffnet. Dan ging zum Haus. Jemand hatte Heuballen rings um das Fundament gelegt – das fand er gut. Louise trug Jeans und ein weißes Sweatshirt. Dan trat ein, schloss die Tür und bemerkte dabei, dass Louise weder Schuhe noch Socken anhatte. Im Wohnzimmer war es dunkel, bis auf das violette Licht des Fernsehers.

Louise schaltete eine Tischlampe ein. »Wo ist Tiny?« Sie hatte langes, volles braunes Haar, das sie seitlich gescheitelt trug. In der Ecke stand ein Stativ mit einer Kamera darauf. Louise arbeitete für das Fotostudio Kleeborg in Stone City.

»Tiny hatte im Kalkeimer eine Schlägerei mit Bob Becker«, sagte Dan. »Ihm geht es gut, aber er ist betrunken, deswegen habe ich ihn für heute Nacht in Morrisville ins Gefängnis gesteckt.«

»Er ist aber nicht verletzt?«, fragte Louise.

»Nein. Wie gesagt, er hat den Kampf gewonnen.«

»Was für eine...

Erscheint lt. Verlag 1.8.2017
Übersetzer Gerhard Falkner, Nora Matocza
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerika • Gesellschaft • Kleinstadt • Leben • Mittlerer Westen • National Book Award • Pazifik • Roman • USA
ISBN-10 3-608-10881-5 / 3608108815
ISBN-13 978-3-608-10881-1 / 9783608108811
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