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Der Fluch von Pendle Hill (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018
512 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-18682-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Fluch von Pendle Hill - Oscar Muriel
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Neujahr 1889. In Edinburghs berüchtigter Irrenanstalt ermordet ein gefährlicher Psychopath eine Krankenschwester. Kurz bevor ihm die Flucht gelingt, unterhält er sich mit einer jungen Patientin, die seit Jahren kein Wort gesprochen hat. Wieso hat sie ihr Schweigen gebrochen? Sind die Gerüchte von schwarzer Magie wahr, die in den Fluren der Anstalt kursieren? Inspector McGray geht der Fall sehr nahe, denn die junge Frau ist seine Schwester. Zusammen mit seinem Partner Ian Frey verfolgt er den Mörder durch das ganze Königreich - bis zum Pendle Hill, Sitz der gefürchteten Hexen von Lancashire, wo die beiden genialen Ermittler einem furchtbaren Geheimnis auf die Spur kommen ...

Oscar de Muriel wurde in Mexico City geboren und zog nach England, um seinen Doktor zu machen. Er ist Chemiker, Übersetzer und Violinist und lebt heute in Cheshire. Mit seiner viktorianischen Krimireihe um das brillante Ermittlerduo Frey und McGray feiert er in seiner neuen Heimat und darüber hinaus große Erfolge.

1883

24. Juni

Adolphus McGray spürte den Schmerz, lang bevor er das sanfte Schaukeln der Kutsche wahrnahm, bevor er das Hufgetrappel vernahm, bevor das morgendliche Licht durch seine geschlossenen Augenlider sickerte.

Es war ein stechender, brennender Schmerz in seiner rechten Hand. Dr. Clouston hatte erklärt, er werde bald nachlassen, aber vielleicht hatte er schlichtweg gelogen. Adolphus hätte es ihm nicht übelgenommen: Der Doktor hatte versucht, ihm alles zu erleichtern, doch Schicksalsschläge wurden nicht leichter durch Nettigkeiten.

Als die Kutsche endlich zum Stehen kam, sagte der Doktor sanft: »Adolphus, wir sind da. Ich habe Sie zu Ihnen nach Hause gebracht.«

Adolphus tat so, als habe er nicht gehört. Er wollte sich dieser Welt noch nicht stellen.

Dr. Clouston seufzte. »In Ordnung, ich werde zuerst Amy helfen und komme dann wieder zurück.«

Adolphus hörte, wie er ausstieg. Seine kleine Schwester – die den Spitznamen Pansy trug, weil ihre großen, fast schwarzen, von langen Wimpern umrahmten Augen an Stiefmütterchen erinnerten, die Lieblingsblumen ihrer Mutter –, war in einer zweiten Kutsche nachgekommen. Clouston hatte ihr eine starke Dosis Laudanum verabreicht, und sie war an Händen und Füßen mit Verbandsstoff gefesselt.

Allein der Gedanke daran trieb Adolphus Tränen in die Augen, und ihm lief ein heftiger Schauder über den Rücken. Instinktiv hob er die rechte Hand, um sich die Tränen abzuwischen, doch dann erblickte er die dicke, blutgetränkte Bandage.

Ein Bild hatte sich in seiner Erinnerung eingeprägt. Nicht das seiner toten Eltern oder das seiner Schwester, die mit dem Messer auf ihn eingestochen hatte, sondern das dieser … Kreatur.

Es konnte nicht real gewesen sein. Ganz und gar nicht.

Er wollte etwas Zeit gewinnen, nur einen Moment, um sich zu beruhigen. Sobald er dann seine Fassung wiedergewonnen hatte, würde er aussteigen und Clouston dabei helfen, Pansy ins Haus zu tragen. Er brauchte nur eine Minute.

Unglücklicherweise bekam er diese Schonfrist nicht. Denn nun hörte er, wie eine dritte Kutsche mit galoppierenden und laut wiehernden Pferden auf dem Moray Place vorfuhr.

Adolphus erhaschte durch seine Kutschentür hindurch einen Blick und erkannte, dass es sich um ein großes Gefährt handelte; es war ein eleganter, glänzend schwarz lackierter Landauer mit aufgeklapptem Verdeck. Seines Schicksalsschlags zum Trotz war es heute ein schöner Sommermorgen.

Unmittelbar darauf vernahm er Gebrüll. George, der alte Butler, stieß Flüche aus, und sogar der kultivierte Dr. Clouston schrie wütend.

»Wie können Sie es wagen?«, hörte Adolphus ihn brüllen. »Wie können Sie es wagen, ausgerechnet jetzt zu kommen?«

Eine allzu bekannte Frauenstimme gab eine scharfe Erwiderung, und Adolphus schüttelte seinen Kummer notgedrungen ab.

Als er aus der Kutsche sprang, erblickte er die große Gestalt von Lady Glass, die nach wie vor Trauerkleidung trug. Ihr erwachsener Sohn war vor etwa einem halben Jahr ums Leben gekommen. Die Etikette, was die Trauerfarbe anging, hielt sie zwar ein, doch sie trug einen breitkrempigen, mit schwarzen Federn und ausgestopften Vögeln geschmückten Hut.

Alistair Ardglass, ihr dicklicher Neffe, half ihr aus der Kutsche. Die alte Dame schien ebenso bemüht, ihre Knöchel nicht zu zeigen, wie den Straußenfedern ihres extravaganten Fächers keinen Schaden zuzufügen.

»Was wollen Sie?«, rief Adolphus, obwohl er es bereits wusste. Ein Schwall rasender Wut stieg in ihm hoch – sie waren bereits gekommen, um seinen Familiensitz zu plündern.

Der Blick der alten Frau heftete sich auf Adolphus’ Hand. Sie fächerte sich Luft zu, so als wolle sie einen üblen Geruch aus ihrer Nähe beseitigen. »Jüngchen …«

»Kommen Sie mir nicht mit so einer herablassenden Scheiße. Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt.«

Lady Anne lächelte höhnisch. »Na schön, Mr Adolphus Mc… Ach, wie töricht von mir! Sie sind ja jetzt der einzige Mr McGray«, fügte sie voller Genuss hinzu. »Ich komme, um dieses Wohnhaus wieder in meinen Besitz zu nehmen.«

»Verpissen Sie sich!«

Lady Anne geriet ins Straucheln, so als wären die Worte ein Faustschlag gewesen.

»Was ist denn?«, hakte Adolphus nach. »Haben Sie heute früh schon zur Flasche gegriffen, Lady Glass?«

»Dieses Grundstück befindet sich nach wie vor im Besitz meiner Tante«, schaltete sich nun Alistair ein. Seine Stimme klang noch überheblicher als die der alten Frau. »Ihr Vater hat nicht einmal die Hälfte abbezahlt, und da er nun das Zeitliche gesegnet hat, sind wir dazu berechtigt, es wieder in Besitz zu nehmen.«

»Wir haben die Mittel, es abzubezahlen, Sie Fettsack!«

»Darum geht es nicht«, sagte Lady Anne. »Ich will mein Eigentum zurück. Ich bereue es, es Ihresgleichen überhaupt angeboten zu haben.«

»Und mir tut es leid, dass mein Dad jemals Geschäfte mit so einem betrunkenen Weibsstück gemacht hat.«

Alistair fuhr hoch. »Reden Sie nicht so mit meiner Tante, Sie dreckiger Hurensohn.«

Adolphus landete einen Schlag mitten im pausbäckigen Gesicht ihres Neffen. Alistair taumelte und fiel rücklings gegen Lady Annes Busen. Adolphus hätte ihm nun gern eine ordentliche Abreibung verpasst, doch er hatte den Schlag mit seiner verletzten Hand ausgeführt.

»Verdammt!«, schrie er, als er spürte, dass die Nähte gerissen waren. Fast hätte er das Gleichgewicht verloren, doch Clouston stützte ihn.

»Lady Anne«, knurrte der Doktor mit tiefer, drohender Stimme, »wenn Sie nicht alles noch schlimmer machen wollen, dann gehen Sie jetzt lieber!«

»Doktor, zwingen Sie mich nicht, zum Äußersten zu schreiten«, erwiderte sie, ohne groß Notiz von ihrem blutenden Neffen zu nehmen. »Diese Angelegenheit geht Sie nichts an. Wie mein Neffe Alistair schon sagte, sind wir dazu berechtigt, das …«

»Ach, lassen Sie mich mit Ihrem juristischen Geschwafel in Ruhe!«, blaffte Clouston. »Wenn Sie wirklich glauben würden, Sie hätten das Recht auf Ihrer Seite, dann hätten Sie Ihre Anwälte mitgebracht, um es zu bezeugen.«

Die Frau hielt sich den Fächer näher an die Brust.

Den Blick fest auf Lady Anne geheftet, zog Clouston Adolphus mit sich.

»Gehen Sie und belästigen Sie diese Familie nicht länger. Ich werde nicht zulassen, dass Sie etwas gegen sie unternehmen.«

»Doktor« – Lady Anne trat auf die beiden zu – »Sie können sich nicht in meine Angelegenheiten einmischen. Sie können nicht …«

»Lady Anne, Sie wissen verdammt genau, dass ich das tun kann!«

Sie blieb abrupt stehen, als wäre sie gegen eine unsichtbare Wand gelaufen, und unverhohlener Zorn machte sich in ihrem Gesicht breit.

»Das würden Sie nicht wagen«, flüsterte sie. Ihr Brust wogte, während sie mit ihren knochigen Händen die schwarzen Federn des Fächers umklammerte.

»Sie«, entgegnete Clouston und trat näher an Sie heran, »würden es nicht wagen, es darauf ankommen zu lassen.«

Nur ganz wenige Menschen hatten Lady Anne jemals so unter Druck gesetzt – und sie war schon etliche Jahre auf der Welt – und für einen kurzen Moment wirkte sie lammfromm.

Adolphus ließ sich von Clouston mit sanfter Gewalt in das Haus geleiten. Er wollte gerade fragen, was Lady Glass so aus der Fassung gebracht hatte, sah dann aber, dass der alte George sich damit abmühte, Pansy anzuheben.

Trotz des quälenden Schmerzes in seiner Hand rannte Adolphus los, um seine Schwester auf die Arme zu nehmen und ins Haus zu tragen. Er wollte nicht, dass die Nachbarn sie in einem derart beklagenswerten Zustand zu Gesicht bekamen.

Die McGrays würden eine ganze Weile lang nichts mehr von Lady Anne zu hören bekommen.

»So, fertig«, murmelte Clouston und befestigte das Ende des frischen Verbands.

Adolphus drehte ihm den Kopf wieder zu, nachdem Clouston ihn aufgefordert hatte wegzuschauen, während er ihn versorgte. Der Verband sah so unförmig aus wie zuvor, doch der Stoff war sauber und die Blutung endlich gestillt.

Der Ringfinger seiner rechten Hand war alles andere als sauber abgetrennt worden. Es war nur noch ein Fingerglied übrig geblieben – eine immerwährende Erinnerung an diesen schrecklichen Abend.

Zudem würde sich die Nachricht wie ein Lauffeuer in der Stadt verbreiten und zur Legende werden. Er würde von nun an für alle Nine-Nails McGray sein.

»Wenigstens kann ich Lady Glass noch immer den Stinkefinger zeigen«, witzelte er mit bitterem Lächeln.

Dr. Clouston war nicht zum Lachen zumute. Stattdessen wirkte er, falls das überhaupt möglich war, nun noch niedergeschlagener.

»Was haben Sie denn?«

Sorgfältig legte der Arzt seine Instrumente wieder zurück in den Koffer. Dann schaute er Adolphus mit beinah verängstigtem Blick an. »Ich muss Ihre Schwester in der Anstalt unterbringen.«

Adolphus verschlug es die Sprache. »Was?«, stieß er schließlich keuchend hervor. »Sie ist doch keine Irre!«

»Es ist nur vorübergehend. Ihnen ist doch klar, dass sie fachgerecht behandelt werden muss.«

Adolphus sprang auf. »Sie dürfen Sie nicht dorthin mitnehmen!«

Clouston war nicht imstande, seinen Blick zu erwidern. »Bitte zwingen Sie mich nicht dazu, laut auszusprechen, was sie getan hat.«

Adolphus lief ein Schauder über den Rücken. Es war, als hätten diese Worte die...

Erscheint lt. Verlag 15.1.2018
Reihe/Serie Ein Fall für Frey und McGray
Ein Fall für Frey und McGray
Übersetzer Peter Beyer
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel A Fever Of the Blood (2)
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Aberglaube • Alter Fluch • Cooles Ermittlerteam • Detektivarbeit • Die Schatten von Edinburgh • eBooks • Hexen • Historische Kriminalromane • Historische Romane • Irrenanstalt • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Rätselhafter Todesfall • Schottland • Scotland Yard • Sherlock Holmes • Viktorianischer Krimi • Witziges Ermittlerduo
ISBN-10 3-641-18682-X / 364118682X
ISBN-13 978-3-641-18682-1 / 9783641186821
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