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Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017
352 Seiten
Albrecht Knaus Verlag
978-3-641-22013-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr - Walter Moers
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Das neue Märchen des Kultautors voller skurriler Charaktere und Komik
Prinzessin Dylia, die sich selbst »Prinzessin Insomnia« nennt, ist die schlafloseste Prinzessin von ganz Zamonien. Eines Nachts erhält sie Besuch von dem alptraumfarbenen Nachtmahr Havarius Opal: Der ebenso beängstigende wie sympathische Gnom kündigt an, sie in den Wahnsinn treiben zu wollen. Vorher nimmt er die Prinzessin aber noch mit auf eine abenteuerliche Reise durch die Welt des Denkens und Träumens, die für beide immer neue und überraschende Wendungen bereithält, bis sie schließlich zum dunklen Herz der Nacht gelangen ...

Walter Moers ist der Schöpfer des fantastischen Kontinents Zamonien und des dort lebenden Erfolgsschriftstellers Hildegunst von Mythenmetz, dessen Werke er vorgibt seit 1999 ins Deutsche zu übersetzen. Dazu gehören u.a. »Die 13 ½ Leben des Käpt´n Blaubär«, »Die Stadt der Träumenden Bücher« und »Die Insel der Tausend Leuchttürme«. Er ist darüber hinaus der geistige Vater von Käpt´n Blaubär, dem Kleinen Arschloch, dem Alten Sack, von Adolf, der Nazisau, dem Fönig und vieler anderer populärer Charaktere. Moers ist eines der großen Multitalente sowohl als Zeichner als auch als Schriftsteller als auch als Drehbuchautor. Seine Auflagen gehen in die Millionen, die Filme nach seinen Büchern waren Blockbuster. Er hat den Grimme- und den Fantastik-Preis gewonnen und wird - weit über den deutschen Sprachraum hinaus - vom breiten Publikum ebenso geschätzt wie von den Feuilletonisten: für seine überbordende Fantasie, seine Fabulierkunst und seinen mal feinen, mal anarchischen Humor.

Secundus


DIE ZWIELICHTIGEN ZWERGE


Prinzessin Dylia konnte sich noch gut an das allererste Mal erinnern, als sie die Existenz der Zwielichtzwerge bemerkt hatte. Sie hatte wieder einmal über eine Woche kein Auge zugetan, als sie frühmorgens auf der Fensterbank ihres Schlafzimmers einige Exemplare dieser kuriosen Gattung wahrnahm. Dabei handelte es sich um zirka daumengroße Wichtel mit regenbogenfarbenen Haaren, deren Körper aus ebenso farbenfrohen, aber komplett durchsichtigen Seifenblasen zu bestehen schienen. Sie sahen so empfindlich und vergänglich aus, dass Prinzessin Dylia befürchtete, sie könnten platzen, wenn sie sie zu intensiv anstarrte. Sie hielten sich vorwiegend in der Nähe der großen Fenster auf, wo sie sich, wie die Prinzessin vermutete, von den letzten beziehungsweise den ersten einfallenden Sonnenlichtstrahlen des Tages ernährten.

Die Prinzessin sah Zwielichtzwerge nämlich nur zu diesen als »magisch« verrufenen Tagesstunden und ausschließlich in der Zeit vom Frühling bis zum Spätsommer. Die Zwielichtzwerge standen, liefen oder torkelten auf den Fensterbänken und Simsen herum, badeten in den Sonnenstrahlen, von denen sie mit offenem Mund zu trinken schienen. Aufgrund ihrer Beschaffenheit waren sie in der Lage, größere Strecken – etwa von Fenstersims zu Fenstersims – zuerst springend und dann schwebend zu bewältigen.

Prinzessin Dylia liebte es, die Zwielichtzwerge dabei zu beobachten, wie sie durch die Luft segelten, tänzerisch begabt wie Ballerinen und flugtauglich wie Pusteblumensamen. Anschließend schrieb und zeichnete sie ihre Notizen und Skizzen – anatomische Zeichnungen der Zwerge, Berechnungen der Flugbahnen und so weiter – in große Hefte, die sie streng chronologisch ordnete.

Es schien sich bei den Zwielichtzwergen um eine nicht besonders ehrgeizige Zwergenrasse zu handeln, denn viel mehr als Sonnenbaden und Lichttrinken taten sie eigentlich nicht. Erst nach einer Weile hatte Prinzessin Dylia bemerkt, dass es zwei Sorten von Zwielichtzwergen zu geben schien: Sonnenaufgangszwielichtzwerge und Sonnenuntergangszwielichtzwerge.

Die Sonnenaufgangszwielichtzwerge waren eher der nervösere, agilere Typus, sie torkelten und tanzten beim Sonnenbad herum, wobei sie zwitschernde und blubbernde Laute von sich gaben. Die Sonnenuntergangszwielichtzwerge waren eher von melancholischem, fast lethargischem Gemüt. Sie lagen und standen meist fast reglos herum und ließen nur gelegentlich ein schwermütig klingendes Glucksen vernehmen.

Aber zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang und zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, in der ganzen restlichen Zeit der Tage und Nächte außerhalb der zwielichtigen Stunden, sah sie die Zwerge nie. Die Fensterbänke blieben leer, so oft Prinzessin Dylia dort auch vorbeikam.

Sie überlegte schon seit geraumer Zeit, sich einen der Zwielichtzwerge zu fangen und ein bisschen unter der Folter zu verhören, so wie es die königlichen Folterknechte im Verlies mit Spionen und unwitzigen Hofnarren machten. Aber diesen Gedanken verwarf sie jetzt als unsittlich und unpraktikabel. So etwas gehörte sich einfach nicht. Und sie wusste ja nicht einmal, wie man Zwielichtzwerge effektiv foltert. Dafür bräuchte sie sicher sehr kleine und subtile Werkzeuge, damit die kleinen Kerlchen während des Verhörs nicht platzten.

Dylia wusste sehr gut, warum sie das befürchtete, denn als Kind hatte sie oft genug versucht, Seifenblasen zu fangen. Die waren jedes Mal zwischen ihren kleinen Fingern explodiert. Genauso gut konnte sie versuchen, einen Regenbogen am Boden festzunageln. Und diese Zwerge schienen nicht einmal über eine richtige Sprache zu verfügen, in der man sie verhören könnte. Sie zwitscherten und glucksten ja nur.

Prinzessin Dylia erwog stattdessen, eine Doktorarbeit über ihre Beobachtungen der Zwielichtzwerge zu schreiben. Aber würden die Kerlchen überhaupt genug hergeben, um eine ordentlich gegliederte, wissenschaftliche Arbeit mit vielen Fußnoten, einem Register und allem Drum und Dran zu rechtfertigen? Vor allen Dingen fürchtete sie, dass man sie aufgrund einer solchen Veröffentlichung einer ernsthaften Hirnerkrankung verdächtigen könnte. Denn es bedurfte ja mindestens sieben bis neun Tage und Nächte konsequenten Schlafentzugs, um Zwielichtzwerge überhaupt wahrnehmen zu können. Welcher mögliche Prüfer nahm das auf sich, nur um Prinzessin Dylias Zurechnungsfähigkeit zu überprüfen? Da lag es doch viel näher, sie einfach für verrückt zu erklären. Akademiker und Kopfdoktoren waren ja notorisch bekannt für ihre Denkfaulheit.

Die Prinzessin benötigte nicht viel von ihrer reizbaren Vorstellungskraft, um sich in einer – übrigens sehr eleganten und mit aparten Applikationen versehenen – Zwangsjacke stecken und von grobschlächtigen Pflegern weggeschleppt zu sehen, während sie mit überschnappender Stimme immer wieder rief: »Da! Da sind sie! Die Zwielichtzwerge! Auf der Fensterbank! Sie zwitschern! Sie glucksen! Sie schweben! Seht doch hin, ihr abgestumpften Vollidioten!« Und so weiter.

Nur kurz nachdem Prinzessin Dylia die Zwielichtzwerge gesehen hatte, schrieb sie das erste Gedicht ihres Lebens. Sie schrieb mit Buntstiften jedes Wort in einer anderen Farbe, weil es ihr sonst zu finster war:

Zwielicht ist ein schönes Licht
Im Zwielicht sieht man nämlich nicht
Wie ringsherum die Welt zerbricht

 

Nebel ist auch wunderschön
Im Nebel kann man nicht mehr seh’n
Wie alle Dinge untergeh’n

 

Am schönsten ist die Dunkelheit
Im Dunkeln sieht man gar kein Leid
Zerträumt sich blind die Einsamkeit

Von der vierhundertvierundvierzigsten Stufe des vierten Schlossturmes trat Prinzessin Dylia nun hinaus auf einen der vielen Balkone und blickte hinab auf die schlafende Stadt. Heute würde es eine helle und klare Vollmondnacht geben.

Zu den unbestreitbaren Vorzügen des schlaflosen Nachtlebens gehörte auch, dass Dylia ausgiebige Mondlichtbäder nehmen konnte. Ein Mondlichtbad bereitet völlig andere, wesentlich subtilere Genüsse als ein Sonnenlichtbad. Es birgt zunächst den unbestreitbaren gesundheitlichen Vorteil, dass man davon weder einen Sonnenbrand noch tödliche Hautkrankheiten bekommen kann. Die Haut erhält davon auch nicht diese ordinäre Bratwurstbräune notorischer Sonnenanbeter, sondern wird auf eine vornehme Weise immer bleicher, bis sie poliertem Elfenbein oder edlem Porzellan ähnelt.

Das Gehirn schüttet, das wusste die Prinzessin, unter der Bestrahlung von vollem Mondlicht eine körpereigene Droge aus, die von zamonischen Alchemisten Insomnilin genannt wird. Durch die anhaltende Ausschüttung von Insomnilin-Molekülen kann man in einen regelrechten Rausch, die sogenannte Nocturne Melancholie, geraten, der gewöhnlichen Räuschen und Glückszuständen an Subtilität turmhoch überlegen ist. Unter der Wirkung des Insomnilins bleibt man äußerlich völlig gelassen, fast wie in Leichenstarre.

Es ist ein extrem kontrollierter, eleganter und salopper Rausch – als würde man mit Lichtgeschwindigkeit auf einem Teppich aus gesponnenen Traumfäden durch das Universum reisen, dabei aber völlig entspannt in seinem Lieblingssessel sitzen und mit abgespreiztem Finger perfekt temperierten grünen Tee aus einer hauchdünnen Tasse aus florinthischem Porzellan schlürfen. »So oder ähnlich«, dachte Prinzessin Dylia einmal anlässlich einer mittelschweren Mondlichtekstase, die man ihr äußerlich kein bisschen ansehen konnte, »muss sich der Mond auf seiner sonnenbestrahlten Seite fühlen. So erleuchtet! Und dennoch schwermütig. Schwermütig – aber trotzdem unbekümmert. Wie wohl seine Gefühle auf der dunklen Seite sein mögen?«

Bei jeder Mondlichtekstase memorierte die Prinzessin im Stillen die Namen ihrer Lieblingsmondkrater, alphabetisch und nach Farben streng geordnet, denn Ordnung musste für Dylia auch in einem Mondlichtrausch sein: Abenezra, Abul Wafa, Agatharchides, Anaxagoras, Aryabhata, Avogadro, Babakin, Belkovich, Belopolskiy, Bhabha, Bombelli, Bronk, Calippus, Cannizzaro, Capuanus, Celsius, Censorinus, Chaplygin, Chladni, Cleomedes, Crocco, Ctesibius, Daedalus, Dobrovolskiy, Drude, Dubyago, Endymion, Eötvös, Epimenides, Erro, Espin, Evdokimov, Faustini, Feoktistov, Finsen, Flammarion, Fontenelle, Fra Mauro, Frost, Fryxell, Gadomski, Gaudibert, Gemma Frisius, Glazenap, Grotrian, Guthnick, Harkhebi, Harpalus, Hatanaka, Heinsius, Hirayama, Hogg, Hommel, Hypatia, Ibn Battuta, Icarus, lnghirami, Isidorus, Jarvis, Joliot, Jomo, Kao, Karpinskiy, Kekule, Kidinnu, Kreiken, Krishna, Krusenstern, Lagalla, Lebedinskiy, Leeuwenhoek, Longomontanus, Macrobius, Mandelstam, Maskelyne, Maurolycus, Melissa, Messala, Möbius, Montanari, Nagaoka, Naonobu, Nasireddin, Necho, Nobili, Nunn, Oenopides, Oken, Onizuka, Osiris, Pannekoek, Paraskevopoulos,...

Erscheint lt. Verlag 28.8.2017
Illustrationen Lydia Rode
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller • Chronisches Fatiguesyndrom • das kleine Arschloch • Das Labyrinth der träumenden Bücher • Das Schloss der Träumenden Bücher • Der Fönig • Die Stadt der Träumenden Bücher • eBooks • Fantasy • Hildegunst von Mythenmetz • Liebesromane • Medizin • Schlaf • Schlaflosigkeit • Zamonien • Zamonien 8
ISBN-10 3-641-22013-0 / 3641220130
ISBN-13 978-3-641-22013-6 / 9783641220136
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