Frag nicht nach Sonnenschein (eBook)
544 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-19143-6 (ISBN)
Sophie Kinsella ist ehemalige Wirtschaftsjournalistin. Ihre romantischen Komödien und Shopaholic-Romane werden von einem Millionenpublikum verschlungen und erobern regelmäßig die Bestsellerlisten. Sie lebt mit ihrer Familie in London.
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 34/2017) — Platz 19
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 33/2017) — Platz 17
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 32/2017) — Platz 17
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 31/2017) — Platz 15
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 30/2017) — Platz 12
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 29/2017) — Platz 11
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- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 22/2017) — Platz 10
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 21/2017) — Platz 11
KAPITEL EINS
Erstens: Es könnte schlimmer sein. Dieses ewige Pendeln zur Arbeit könnte erheblich schlimmer sein – ich muss es mir nur immer wieder sagen. Zweitens: Es ist den Aufwand wert. Ich will in London leben, ich will es einfach, und das Pendeln gehört nun mal dazu. Es gehört zum Abenteuer London wie die Tate Modern Gallery.
(Wobei es allerdings ganz anders ist als die Tate Modern Gallery. Schlechtes Beispiel.)
Mein Dad sagt immer: Wenn du dich nicht traust, mit den großen Hunden zu spielen, dann bleib doch unter der Veranda. Aber ich will mit den großen Hunden spielen. Deshalb bin ich hier.
Wie dem auch sei, mein zwanzigminütiger Weg zum Bahnhof ist nett. Tut sogar gut. Die graue Dezemberluft ist kalt wie Stahl in meiner Brust, aber ich fühle mich bestens. Der Tag hat begonnen. Ich bin unterwegs.
Mein Mantel ist ziemlich warm, obwohl er nur 9 £ gekostet hat und vom Flohmarkt stammt. Auf dem Etikett stand CHRISTIN BIOR, aber das habe ich zu Hause gleich rausgeschnitten. Wenn man da arbeitet, wo ich arbeite, kann man unmöglich einen Mantel tragen, in dem CHRISTIN BIOR steht. Es muss schon ein echtes Etikett von Christian Dior sein. Oder irgendwas Japanisches. Oder vielleicht ganz ohne Etikett, weil man sich seine Kleider selbst näht, aus original Vintage-Stoffen, die man bei Alfies Antiques gefunden hat.
Aber nicht CHRISTIN BIOR.
Als ich mich dem Bahnhof Catford Bridge nähere, wird mir ganz flau im Magen. Ich darf heute auf gar keinen Fall zu spät kommen. In letzter Zeit kriegt meine Chefin ständig einen Anfall, weil die Leute »eintrudeln, wann sie wollen«, also habe ich mich heute extra zwanzig Minuten früher auf den Weg gemacht für den Fall, dass irgendwas dazwischenkommt.
Ich ahne es schon: Heute kommt so richtig was dazwischen.
In letzter Zeit gibt es immer wieder Behinderungen auf unserer Strecke, und Züge fallen ohne Vorwarnung aus. Dabei kann man in der Londoner Rushhour doch nicht einfach so Züge ausfallen lassen! Was sollen denn all die Leute machen, die mit diesen Zügen fahren wollten? Sich in Luft auflösen?
Als ich die Sperre passiere, sehe ich bereits, was sie machen. Dicht an dicht drängen sie sich auf dem Bahnsteig, behalten die Anzeigetafel im Blick, schieben sich vor, spähen die Schienen entlang, ignorieren einander mit finsteren Mienen, alles gleichzeitig.
O Gott. Es müssen mindestens zwei Züge ausgefallen sein, denn da warten bestimmt drei Ladungen von Fahrgästen, die sich bis ganz an die Bahnsteigkante drängeln. Wir haben Mitte Dezember, aber Weihnachtsstimmung herrscht hier nicht gerade. Alle sind viel zu verspannt und verfroren und montagmorgenmäßig. Weihnachtlich sind hier höchstens ein paar mickrige Lichterketten und die Warnhinweise zum öffentlichen Nahverkehr während der Feiertage.
Ich straffe die Schultern, stürze mich ins Gewühl und seufze vor Erleichterung, als ein Zug in den Bahnhof einfährt. Nicht dass ich diesen Zug kriegen könnte (den ersten Zug kriegen? Zu schön, um wahr zu sein). Die Fahrgäste werden an die beschlagenen Scheiben gepresst, und als die Türen aufgehen, steigt nur eine einzige Frau aus, und die hat ihre liebe Not, dem Gedränge zu entkommen.
Trotzdem schiebt mich die Menge vorwärts, irgendwie zwängen sich ein paar Leute in den Zug, und als dieser abfährt, bin ich auf dem Bahnsteig ein gutes Stück nach vorn gerückt. Jetzt muss ich nur noch meinen Platz verteidigen und aufpassen, dass sich dieser dürre Typ mit den gegelten Haaren nicht vordrängelt. Ich habe meine Ohrhörer rausgenommen, damit ich die Ansagen verstehen kann und mitbekomme, was um mich herum passiert.
In London ist das Fahren mit der U-Bahn wie ein Krieg, ein unablässiger Kampf um Geländegewinn. Zentimeterweise rückt man vor, ohne jemals nachzugeben. Denn sobald du das tust, schiebt sich jemand an dir vorbei. Oder er schiebt dich einfach weg.
Exakt elf Minuten später fährt der nächste Zug ein. Ich bewege mich mit der Menge vorwärts und achte nicht auf die wütenden Rufe: »Können Sie nicht weiter durchgehen?« »Drinnen ist doch noch Platz!« »Die müssten nur mal weiter durchgehen!«
Mir fällt auf, dass Menschen in Zügen einen völlig anderen Gesichtsausdruck haben als Menschen auf Bahnsteigen – besonders diejenigen, die es geschafft haben, sich einen Sitzplatz zu erobern. Die sind fein raus. Die blicken nicht mal auf. Beschämt, aber trotzig weigern sie sich, auf die Lage anderer einzugehen: Ich weiß, dass du da draußen stehst. Ich weiß, es ist schrecklich, und ich sitze hier drinnen, aber ich habe auch gelitten, also mach mir kein schlechtes Gewissen und lass mich einfach auf meinem Kindle lesen, okay?
Die Leute drängeln und drängeln, und irgendwer schiebt mich allen Ernstes vorwärts – ich kann seine Hand an meinem Rücken spüren –, und plötzlich bin ich fast drinnen. Jetzt muss ich nur noch eine Stange oder einen Haltegriff oder irgendwas zu fassen kriegen, um mich daran reinzuziehen. Hat man erst einen Fuß in der Bahn, ist man drin.
Ein Mann weit hinter mir wird richtig sauer – ich höre ihn laut und heftig fluchen. Und mit einem Mal bäumt sich von hinten eine Woge auf wie ein Tsunami von Menschen. So was habe ich erst ein paarmal erlebt, und es ist echt beängstigend. Ich werde vorwärtsgeschoben, ohne den Boden zu berühren, und als sich die Türen schließen, bin ich eingezwängt zwischen zwei Männern – einer im Anzug, einer in Joggingklamotten – und einem Mädchen, das ein gegrilltes Panini isst.
Wir stehen so eng beieinander, dass sie mir ihr Panini direkt vor die Nase hält. Immer wenn sie abbeißt, riecht alles nach Pesto. Ich gebe mir große Mühe, diesen Umstand zu ignorieren. Und das Mädchen. Und die Männer. Obwohl ich den warmen Oberschenkel von dem Typ im Trainingsanzug spüre und die stoppeligen Haare an seinem Hals zählen kann. Als sich der Zug in Bewegung setzt, werden wir hin und her geworfen, und dennoch wird jeglicher Blickkontakt strikt vermieden. Wahrscheinlich kommt gleich die Polizei, wenn man in der U-Bahn jemandem in die Augen sieht.
Um mich abzulenken, versuche ich, den Rest meiner Fahrt durchzuplanen. Wenn ich in Waterloo East aussteige, werde ich gleich nachsehen, welche Linie am schnellsten ist. Ich könnte Jubilee-District nehmen (dauert ewig) oder Jubilee-Central (länger zu laufen) oder Overground (noch länger zu laufen).
Und – ja – wenn ich gewusst hätte, dass ich einen Job in Chiswick finden würde, hätte ich mir keine Wohnung in Catford gesucht. Aber als ich nach London zog, hatte ich ein Praktikum im Osten der Stadt. (In der Anzeige hieß es »Shoreditch«. Es war so was von überhaupt nicht Shoreditch.) Catford war billig und nicht allzu weit weg, und jetzt kann ich mir die Preise im Westen der Stadt einfach nicht leisten. Außerdem ist das Pendeln ja nicht so schlimm …
»Aaaah!«, kreische ich, als plötzlich ein heftiger Ruck durch den Zug geht und ich den Halt verliere. Auch das Mädchen verliert den Halt, seine Hand zuckt meinem Gesicht entgegen, und bevor ich weiß, wie mir geschieht, habe ich das Panini im Mund.
Mmpf.
Vor Schreck kann ich überhaupt nicht reagieren. Mein Mund ist voll mit warmem Brot und geschmolzenem Mozzarella. Wie ist das denn passiert?
Instinktiv beiße ich die Zähne zusammen, was ich im selben Augenblick bereue. Obwohl … was hätte ich sonst tun sollen? Betreten blicke ich auf, mit vollem Mund.
»’tschuldigung«, sage ich, aber es kommt als »Fulliung« heraus.
»Geht’s noch?« Empört wendet sich das Mädchen an die anderen Fahrgäste. »Die klaut mir mein Frühstück!«
Ich fange an zu schwitzen. Das ist peinlich. Ultrapeinlich. Was mache ich denn jetzt? Vom Panini abbeißen? (Nicht gut.) Es einfach aus meinem Mund fallen lassen? (Noch schlimmer. Igitt.) So oder so, ich kann nur verlieren.
Schließlich beiße ich von dem Panini ab, laufe vor Verlegenheit rot an. Jetzt muss ich auch noch dieses klitschige Brot durchkauen, das einem fremden Mädchen gehört, und alle sehen mir dabei zu.
»Tut mir echt leid«, sage ich beschämt, sobald ich runtergeschluckt habe. »Ich hoffe, der Rest schmeckt dir noch.«
»Den will ich jetzt nicht mehr.« Wütend funkelt sie mich an. »Da sind deine Bazillen dran.«
»Na, ich wollte deine Bazillen auch nicht haben! Es war ja nicht meine Schuld. Ich bin da reingestolpert.«
»Du bist reingestolpert«, wiederholt sie dermaßen skeptisch, dass ich sie ungläubig anstarre.
»Ja! Natürlich! Ich meine, was denkst du denn? Dass das Absicht war?«
»Wer weiß?« Schützend hält sie eine Hand vor ihr Panini, als könnte ich mich darauf stürzen und gleich noch ein Stück abbeißen. »In London rennen viele schräge Leute rum!«
»Ich bin nicht schräg!«
»Bei mir darfst du jederzeit ›reinstolpern‹, Süße«, meint der Typ im Trainingsanzug grinsend, und der ganze Wagen lacht. »Nur nicht zubeißen.«
Ich laufe wieder knallrot an, aber ich werde nicht darauf eingehen. Für mich ist dieses Gespräch beendet.
In der folgenden Viertelstunde starre ich ernst vor mich hin und schotte mich innerlich ab. In Waterloo East steigen alle aus, und erleichtert atme ich die...
Erscheint lt. Verlag | 15.5.2017 |
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Übersetzer | Jörn Ingwersen |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | My not so Perfect Life |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Camping • eBooks • Englisches Landleben • Farm • Frauenfreundschaft • Frauenromane • Glamour • Glamping • Karriere und Liebe • Liebesromane • London • Romane für Frauen • Suche nach Glück • Zelten |
ISBN-10 | 3-641-19143-2 / 3641191432 |
ISBN-13 | 978-3-641-19143-6 / 9783641191436 |
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