Der Galgen von Tyburn (eBook)
400 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-42984-9 (ISBN)
Ben Aaronovitch wuchs in einer politisch engagierten, diskussionsfreudigen Familie in Nordlondon auf. Er hat Drehbücher für viele TV-Serien, darunter >Doctor Who<, geschrieben und als Buchhändler gearbeitet. Inzwischen widmet er sich ganz dem Schreiben. Er lebt nach wie vor in London. Seine Fantasy-Reihe um den Londoner Polizisten Peter Grant mit übersinnlichen Kräften eroberte die internationalen Bestsellerlisten im Sturm.
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 24/2017) — Platz 17
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 23/2017) — Platz 14
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 22/2017) — Platz 9
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 21/2017) — Platz 1
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 20/2017) — Platz 1
Ben Aaronovitch wuchs in einer politisch engagierten, diskussionsfreudigen Familie in Nordlondon auf. Er hat Drehbücher für viele TV-Serien, darunter ›Doctor Who‹, geschrieben und als Buchhändler gearbeitet. Inzwischen widmet er sich ganz dem Schreiben. Er lebt nach wie vor in London. Seine Fantasy-Reihe um den Londoner Polizisten Peter Grant mit übersinnlichen Kräften eroberte die internationalen Bestsellerlisten im Sturm.
1 Keine Sternstunde der Architektur
Ich träumte, dass Mr. Punch mir hämisch ins Ohr lachte, aber beim Aufwachen stellte ich fest, dass es mein Handy war. Die angezeigte Nummer war mir bekannt, daher überraschte mich die kühle, kultivierte Stimme am anderen Ende nicht.
»Peter«, sagte Lady Ty, »erinnern Sie sich noch an unser Gespräch am Oxford Circus?«
Ich erinnerte mich sehr gut. Wie sie mich gefunden hatte, als mir das Kunststück gelungen war, unter dem Bahnsteig der U-Bahn verschüttet zu werden. Wie sie sich über mich gebeugt hatte, nachdem man mich ausgegraben hatte, an den Hauch von Muskat und Safran in ihrem Atem.
»Eines Tages werde ich Sie um einen Gefallen bitten, und Sie wissen, was Sie dann zu antworten haben?«
»Natürlich, Ma’am«, sagte ich in Erinnerung daran, was ich damals geantwortet hatte. »Sehr wohl, Ma’am, zu Befehl, Ma’am.«
Es war fünf Uhr morgens, noch dunkel, und Regen plapperte an die Scheibe der Terrassentür am anderen Ende von Beverleys Zimmer. Das einzige nennenswerte Licht kam vom Bildschirm meines Handys. Die andere Seite des breiten Betts war leer – ich war allein.
»Eine Freundin meiner Tochter hatte einen Unfall«, sagte Lady Ty. »Ich möchte, dass Sie dafür sorgen, dass meine Tochter aus allen Ermittlungen herausgehalten wird.«
Oh Mist, dachte ich. Diese Art Gefallen.
Sie nannte mir den Ort und umriss, was sie von den Umständen wusste.
»Ich soll beweisen, dass Ihre Tochter nicht in die Sache verwickelt ist?«
»Sie missverstehen mich. Mir ist egal, ob und wie sie darin verwickelt ist. Ich will, dass sie aus dem Fall herausgehalten wird.«
Sie hatte wirklich keine Ahnung, was sie da verlangte, aber ich verkniff mir jeden Versuch, es ihr zu erklären. »Verstanden.«
»Und Peter«, sagte sie, »kein Wort davon zu Nightingale, ist das klar?«
»Sonnenklar.«
Sobald sie aufgelegt hatte, rief ich im Folly an.
»Ich möchte behaupten, dass ich ohnehin unweigerlich Interesse an dem Fall entwickelt hätte«, sagte Nightingale, sobald ich ihn über alles in Kenntnis gesetzt hatte. »Ich werde mich allerdings bemühen, so zu tun, als wüsste ich von nichts, bis Sie mich brauchen.« Er verstummte und fügte hinzu: »Sie werden es mich wissen lassen, wenn dieser Moment gekommen ist.« Es war keine Frage.
»Ja, Sir«, sagte ich, legte auf und fragte mich, warum heute alle schon so früh am Morgen einen derart nachdrücklichen Ton draufhatten.
Beverley gehören beide Hälften eines Doppelhauses aus den zwanziger Jahren an der Beverley Avenue in Wimbledon. Das Haus ist ein bisschen seltsam – nur halb eingerichtet und wenig benutzt. Bei meinem ersten Besuch erklärte sie mir, sie hätte es »mehr oder weniger geerbt« und sich noch nicht ganz entschieden, was sie damit machen wolle. Sie schläft im Erdgeschoss in einem Zimmer zum Garten hinaus, in dem außer einem Ikea-Bett mit unaussprechlichem Namen nur zwei nicht zusammenpassende Schränke und eine antike Mahagonikommode stehen. Der Dielenboden ist zur Hälfte mit einem Perserteppich bedeckt.
Ich betastete die leere Hälfte des Bettes. Sie war fast kalt, auf dem Kissen ahnte man noch einen Hauch Haaröl. Beverley musste sich vor Stunden davongemacht haben. Ich seufzte, schlug das warme Federbett zurück und fröstelte. Die Terrassentür stand halb offen, ein kühler Wind wehte den Geruch nach Regen herein. Da das Badezimmer im ersten Stock keine Dusche hatte, vollführte ich meine morgendlichen Waschungen mithilfe eines Eimers in der riesigen ovalen Badewanne, von der ich aus vergnüglicher Erfahrung wusste, dass bequem zwei Leute auf einmal hineinpassten, und zog mich an.
In der Met wird alles, was mit Ermittlungen zu tun hat, genauestens überwacht. Das heißt, man kann sich nicht einfach in seinen AWARE-Account einloggen und nach Informationen schürfen, ohne einen verdammt guten Grund zu haben. Während ich meine Schuhe polierte, telefonierte ich also mit DC Guleed, die, wie ich wusste, diese Woche die Mordbereitschaft-Nachtschicht hatte.
»Hi, Peter«, sagte sie. Im Hintergrund hörte ich gedämpfte Innenraum-Geräusche und polizeilich klingende Stimmen.
Ich fragte sie, ob sie von einem Einsatz in Knightsbridge gehört hatte, verdächtiger Todesfall mit Drogenzusammenhang.
»Warum willst du das wissen?«, fragte sie zurück – woraus ich schloss, dass sie sich exakt am Ort des Geschehens befand.
Jetzt ertönte hinter ihr ein vertrautes dröhnendes Organ mit Manchester-Klangfärbung, das wissen wollte, mit wem zum Teufel sie da redete. Detective Chief Inspector Alexander Seawoll. Der als Chefermittler eigentlich noch nicht mal aufgestanden sein sollte, bis die Mordbereitschaft ihre Arbeit beendet hatte.
»Peter«, informierte sie ihn. »Er erkundigt sich nach unserem verdächtigen Todesfall.«
»Sagen Sie ihm, wenn das nichts mit seiner Sparte zu tun hat, geht es ihn einen Scheiß an.«
»Hast du berechtigtes Interesse daran?«, fragte Guleed mich.
»Es könnte gewisse Verbindungen geben«, sagte ich, was schon irgendwie stimmte, da Tyburns Tochter darin verwickelt war. Guleed gab das weiter. Seawoll brummelte etwas Unfreundliches vor sich hin. »Dann soll er seinen Arsch hierherbewegen, und zwar pronto.«
»Du sollst herkommen«, sagte Guleed und gab mir die genaue Adresse.
Ehe ich ging, schaltete ich mein Handy aus und trat in den Garten hinaus. Aus dem Regen war ein Nieseln geworden, das sofort meine Haare und das Leder meiner Jacke durchfeuchtete. Für Londoner Verhältnisse ist Beverleys Garten riesig: er reicht fünfzig Meter weit zum Fluss hinunter und ist doppelt so breit wie die angrenzenden Gärten. Trotz der Lichtverschmutzung unter der tief hängenden Wolkendecke bestand ein gewisses Risiko, über das wahllos herumstehende Gartenmobiliar zu stolpern, deshalb erschuf ich mir für den Weg ein Werlicht.
Der Beverley Brook entspringt im Worcester Park im Südosten Londons und durchfließt eine erstaunliche Anzahl weiterer Parks, Grünanlagen und Golfplätze, bevor er bei Barn Elms in die Themse mündet. Im Durchschnitt, sagt Beverley, führt sie einen halben Kubikmeter Wasser pro Sekunde, hat es aber auch schon ein paarmal auf über sechs gebracht. Und sofern man ihr nicht genügend Aufmerksamkeit, Fürsorglichkeit und gelegentlich eine Flasche Junipero Gin schenke, werde sie keine Verantwortung dafür übernehmen, wo das überschüssige Wasser lande.
Keine Drohung, natürlich. Aber einen Fluss sollte man nie unterschätzen, glauben Sie mir.
Das Flussufer am Ende des Gartens war mit jungen Erlen und Eschen bewachsen. Fast überall ist der Beverley Brook so flach, dass man bis auf den Grund sehen kann, aber hier gab es im Schatten einer Trauerweide ein tiefes Becken. Mein milchig blaues Werlicht, das langsam um mich herumgaukelte, spiegelte sich kalt auf der pechschwarzen Wasseroberfläche.
»Hey, Bev«, rief ich. »Bist du da drin?«
Sie konnte genauso gut kilometerweit weg sein, bei ihrer Mutter in Wapping zum Beispiel. Oder sie suchte mit ihren Schwestern die Themse nach Strandgut und Selbstmördern ab oder was immer sie da so trieben.
Aber manchmal war sie auch schon aufgetaucht, wenn ich sie gerufen hatte. Einmal war sie mir sogar wie ein Lachs direkt in die Arme gesprungen, nackt und nassglänzend – es war also auf jeden Fall einen Versuch wert.
Diesmal blieb eine Antwort jedoch aus. Da war nur der Nieselregen und das leise Dröhnen der Umgehungsstraße von Kingston jenseits des Flusses. Ich wartete etwa eine Minute, so dass ich später behaupten konnte, ich hätte fünf gewartet, dann wanderte ich zurück.
Durch die Gartenpforte trat ich auf die Straße hinaus und ging an Beverleys Kia Picanto vorbei zu meinem orangefarbenen Asbo. Ich prüfte nach, ob ich mein Beweisentnahmeset dabeihatte und das Ladekabel des Airwave am Netz war. Dann startete ich den Motor und fuhr nach Knightsbridge.
Hyde Park Nummer Eins hockte neben dem Mandarin Oriental Hotel wie ein Stapel Büromöbel. Es besaß die Eleganz und den Charme eines Kopiergeräts – na gut, sagen wir: einer ultramodernen Kopier-Scanner-Fax-Kombination. Sicher, wie Beverley so schön sagt, habe ich gewisse Ansichten, was Architektur angeht. Aber manche modernen Gebäude gefallen mir. Das »Gherkin«. Das Lloyd’s Building. Selbst der Shard, auch wenn ich immer das nagende Gefühl habe, dass auf der Spitze womöglich Nazgûl hausen. Hyde Park Nummer Eins hingegen hatte der gute Richard Rogers wirklich nur gemacht, damit die Kohle stimmte. Richtig hässlich konnte man es nicht nennen – es war einfach gar nichts. Berühmt war es dafür, die teuersten Wohnungen Großbritanniens aufzuweisen, was mal wieder zeigt, dass bei Immobilien allein die Lage zählt.
Das Gebäude besteht aus vier Blocks – in den Broschüren heißen sie Pavillons – zwischen dem Mandarin Oriental Hotel im Osten und dem Parkeingang Edinburgh Gate im Westen. Die Nord- und Südfront der Pavillons sind jeweils keilförmig angelegt, um das Tageslicht optimal zu nutzen, folglich sieht das Ganze im Grundriss aus wie zwei beim Manöver ineinandergerasselte Sternenzerstörer. Als ich mich auf der A4 näherte, war der gesamte Komplex stockfinster bis auf eine Wohnung auf mittlerer Höhe im zweiten Block von links. Kein Problem also, den Tatort zu finden.
Mit einem Parkplatz war es da schon schwieriger. Aber der Trick, als Polizist einen Strafzettel zu vermeiden, liegt darin, dein unscheinbares Zivilfahrzeug zwischen die battenbergkarierten Streifenwagen und Sprinter zu schmuggeln, die sich unvermeidlich vor jedem Tatort...
Erscheint lt. Verlag | 5.5.2017 |
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Reihe/Serie | Die Flüsse-von-London-Reihe (Peter Grant) | Die Flüsse-von-London-Reihe (Peter Grant) |
Übersetzer | Christine Blum |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | 6. Fall • Alchemie • Alex Verus • benedict jacka • Bestseller • Der Gefangene von London • der Gesichtslose • Ewiges Leben • Fantasy • Fantasy-Krimi • Fantasyliteratur • Flussgötter • folly • Harry Dresden • Harry Potter für Erwachsene • Jim Butcher • Kevin Hearne • Krimi • Kriminalroman • kulturpass • Lady Tyburn • Lesley Beverly • London • Peter Grant • Schwarze Magie • sechster Fall • Thomas Nightingale • Tinte und Siegel • Urban Fantasy • Urban-Fantasy-Serie • verschollenes Buch • Zauberlehrling |
ISBN-10 | 3-423-42984-4 / 3423429844 |
ISBN-13 | 978-3-423-42984-9 / 9783423429849 |
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