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Chrysalis -  Guido Vobig

Chrysalis (eBook)

Ein dissoziativer Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 7. Auflage
268 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7431-6084-2 (ISBN)
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Sechs Bände à sieben Geschichten. 42 Geschichten, die "das Leben, das Universum und so weiter" mal aus EINER ANDEREN Sicht betrachten und so die multiple Entfremdung EINER Spezies von ANDEREM Leben darlegen. Während diese EINE Spezies im Glauben ist, im technologischen Fortschritt EIN Allheilmittel gegen die Folgen der Entfremdung zu finden, trachtet sie ihrer einzigen Therapeutin folgenreich nach dem Leben. Trotz alledem besteht Hoffnung, auch für EINE Spezies, die so ganz anders tickt, als alle ANDEREN Lebewesen, vorausgesetzt, die Therapie kann fortgeführt werden. Eine Therapie namens Menschsein, für die eine praxisorientierte und erfahrene Therapeutin von wesentlicher Bedeutung respektive lebensnotwendig ist. Träumen nur Menschen davon, ein anderes Wesen zu sein? Welches Geheimnis verbirgt sich in dem kleinen Buchladen, in dem nachts Kerzen brennen? Was haben fettleibige Menschen und Einsteins berühmteste Formel gemeinsam? Was führt die Künstliche Intelligenz wirklich im Schilde? Kann sich ein Mensch zu Tode denken? Findet Ähnliches, das sich fremd ist, durch Krieg zueinander? Die Antworten sind einfach ANDERS ...

Jahrgang 1968, Autor im Selbstverlag, lebt mit seiner Familie in der Nähe des Sauerlandes. Bisher erschienen sind: EIN mutierender Roman in der achten Mutation, EIN dissoziativer Roman aus bisher 21 von 42 Kurzgeschichten sowie EIN ungewöhnlicher Dreiteiler aus der Reihe WWW. In Arbeit sind aktuell die neunte Mutation sowie der vierte Band des dissoziativen Romans, mit dem Titel 'ZEITGEIST'. www.ichliebemeinentumor.de

Ein von der Schwerkraft befreites Wesen durch die Lüfte zu tragen, davon träumte ich, seit mich der Gedanke zum ersten Mal mit seinen Möglichkeiten beflügelt hatte. Nicht einer dieser kinderfaustgroßen frechen Federbälle, namens Spatz, Sperling, Meise. Auch keine Amsel, kein Fink, keine dieser Arten, die auf dem Land allgegenwärtig und in der Stadt Landflüchtlinge waren. Nein - in meinem Traum war ich ein Adler. Egal ob Seeadler, Kaiseradler, Schlangenadler, Hauptsache ein Adler. Aufrecht in der Haltung, mit einem eindringlichen Schnabel und einer Spannweite, welche die unbeherrschbaren Lüfte, auf für Menschen unvorstellbare Weise, zu formen verstand. Weit geschickter als EIN blinder Töpfer, der aus nicht sichtbarem Ton Kunstwerke hervorholte. Mein Körper bedeckt von weißen und braunen Federn, die Schärfe meiner schwarzen Augen weitsichtig, um den Fernwelten ganz nahe zu sein.

Wie oft, sei es als Kind oder Mann, der ich war, hatte ich mir vorgestellt, fliegen zu können. Das Rund der Erde unter mir zu lassen, ausgelassen auf unsichtbaren Wellen zu reiten, Sonnenschein offen zu umarmen, die Menschheit und ihr Treiben von oben sich mir darbietend.

Ein Adler zu sein, welch Schwindel erregende Anzahl von Möglichkeiten käme dem gleich? Wie unbedeutend können demnach menschliche Arme werden, verglichen mit den federleichten Schwingen eines solch prächtigen Geschöpfes?

In dem Traum, in dem ich vom Fliegen träumte, hockte ich, vielleicht vom Menschsein noch nicht lassen könnend, auf EINEM Metallgerüst, dem verrosteten Teil EINES heruntergekommenen Hafens, irgendwo in EINER mir unvertrauten Stadt. Abenddämmerung, in leichtfüßiger Art, schlich sich ohne List an die verblassende Umgebung an und genoss den Spaß dabei. Leichter Regen fiel, trotz alledem in EINEM Akt der Störung, für all jene, die dem Boden aus eigenem Vermögen zu entfliehen nicht imstande waren. Der an Schwindsucht darbende Tag hustete, kalter Wind strich ziellos umher.

Ich fühlte mich warm.

Ich fühlte mich meiner Umgebung gewachsen, obwohl ich als Adler nicht mit ihr zusammen aufgewachsen war. Kein Mensch in der Nähe, ANDEREM Leben schenkte ich, unbeeindruckt, keinerlei Aufmerksamkeit.

Auf der Schwelle zur Sichtbarkeit traten hohe Gebäude unvorsichtig aus dem dunkelgrauen Dunst, EINER Ahnung gleich, die sich persönlich Gewisshaft verschaffen wollte. Auf dem breiten Fluss, der sich zwischen mir und dem äußeren Rand der Stadt dahinschleppte, trottete EIN Tanker durch das dreckige, aufgewühlte Gewässer. Seine Lichter schrien in Rot und Weiß, der Motor erbrach merkwürdige Geräusche im Rhythmus EINES kranken Herzens. Diesel erdrückte die Luft, verkettet mit dem Gestank von Maschinenöl und verdorbenem Tran. Daran etwas zu ändern, mühten sich Regen und Wind vergebens. In der Nähe wurde EIN gelangweiltes Stück Papier über den nassen Asphalt gescheucht, EINE Bierdose versuchte blechernd Schritt zu halten. In halsbrecherischer Manier warfen sich Ketten und Taue gegen Schiffskörper und gegen verwitterte Mauern aus Beton, ihren Anteil zum geräuschvollen Wirrwarr beitragend, während vereinzelte Funken von Neonschildern meinen wachsamen Augen gleißende Streiche spielten.

»Was für EINE verwirrende Welt, wahrgenommen mit den Sinnen eines Greifvogels«, dachte ich und der Mann in mir, stets zugegen, stimmte dem zu:

»Nicht minder verrückt, betrachtet mit den ungleich gewichteten Sinnen der Menschen«, gab er zu bedenken.

Inzwischen war der Tanker, bedingt durch den Wind, außer Hörweite, stattdessen Sirenengeheul, dessen Quelle in der Tiefe der Stadtgrenze gelegen.

»EIN Kojote auf der Jagd«, dachte ich und wieder sprach der Mann in mir:

»Hoffentlich ist sie von Erfolg gekrönt.«

Wir schwiegen und betrachteten die Lichter der Stadt. EIN Gedanke ging mir durch den wendigen Kopf.

»Kannst du sehen, was ich meine?«, fragte ich den Mann. Er bejahte.

Jeder Lichtpunkt, vertikal aufgetürmt und horizontal sich ergießend, erschien mir wie der Traum EINES Menschen. Einer, wie ich EINER war. Je heller, desto deutlicher verkörperte das Licht EINEN Traum, der wahr werden sollte, EIN Traum, der vielleicht EINE Kindheit überlebt hatte und längst nicht mehr die alltäglichen Gedanken bewohnte, sondern sich im Herzen eingenistet hatte.

Zeit verstrich, die der Abend nutzte, um Nacht zu werden.

»Hast du es gesehen?«, fragte mich der Mann aufgeregt.

Kilometer entfernt, in EINEM Cluster vieler Lichter, war EIN einzelnes Licht erloschen. Ich beobachtete die Gebäude und ihre zahlreichen, beleuchteten Fenster. Zwei weitere Lichter verschwanden, drei erschienen.

»Zwei Träume, allein der Dunkelheit überlassen«, dachte ich.

»Drei Träume geboren, die Möglichkeit gegeben, die Nacht zu überleben und vielleicht auch den kommenden Tag«, ergänzte der Mann in mir.

Eine Bewegung in unmittelbarer Nähe lenkte mich ab. Ich drehte meinen Kopf, schnell wie EINE glänzende, aufwendig geschmiedete Klinge, doch war es nur EIN Seil, vom Dach EINER verlassenen Barracke herunterhängend. EIN Windspiel, das keine Gefahr in sich barg.

»Träume«, fügte der Mann hinzu.

»Träume«, wiederholte ich als sein animalisches Echo. Oder er, vielmehr, eine Erinnerung im Voraus?

Kurz darauf ein neues Geräusch, EIN menschliches. Schritte. Schwerfällig, nicht weit entfernt. Zweifellos - jemand kam. Näher.

EIN Schatten, mir nun sehr nahe, bewegte sich aus der Versammlung all der anderen Schatten im Hafen heraus. Schwankend betrat EIN untersetzter Mann mein Blickfeld, eine glühende Zigarette zwischen schmale Lippen geklemmt. Er steuerte auf das Metallgerüst zu, auf welchem ich, als Meisterwerk EINES Tierpräparators, bewegungslos verweilte. Kraftvoll ergriff er die oberste Stange. EIN Zittern ging durch das Metall. Er lehnte sich gegen das Gerüst, nahm den Stummel aus seinem Mund und warf ihn in den Fluss. Schließlich öffnete er seine Hose und in einem weiten Bogen folgte sein Urin dem Zigarettenrest in das ungemachte Bett des Flusses. Ich blieb bewegungslos, meine Flügel angelegt. Der Mann sah zu mir herüber, die Finger an der Hose abwischend. Seine schmalen Augen fanden meine runden. Ich, der Adler, offenbarte keine Spur von Furcht. In den schwarzen Spiegeln seiner Pupillen erblickte ich die Lichter der Stadt - und abgrundtiefen Hass.

Ich vertraute mich meinem Körpervermögen an, zu welchem der unverfälschte Instinkt und das Fliegen gehörten. Zudem hatte ich die Gewissheit in einem Traum zu sein, den ich jederzeit beenden konnte, indem ich mein eigenes Licht ausknipste. Unvermindert hielt ich an der Gestalt des Adlers fest, obwohl der Mann in mir darauf bestand die Hülle bereits wieder fallen zu lassen, gepeinigt vom Hass in den Augen des Fremden.

»Nein«, erwiderte ich.

»Bitte«, wimmerte er.

Ich blieb unnachgiebig, die besonderen Eigenschaften von Träumen mein stets zugänglicher Fluchtweg.

»Warum nicht?«

»Weil ich nicht EINES dieser Lichter bin, die ihren Traum so einfach zu Grabe tragen.«

Es genügte, um den Mann in mir vorerst zum Schweigen zu bringen.

Der Fremde hatte sich kaum mehr bewegt. Ohne Warnung trat er plötzlich auf mich zu.

»Diesmal entwischst du mir nicht«, schrie er, jenseits jeglicher Kontrolle, Speichel mit Regen mischend.

Fünfzehn Schritte EINES Kindes zwischen uns. Aus der Tasche seiner verschlissenen Jacke zog er eine flache Flasche, halbgefüllt, und schwang sie drohend über seinem wirren Kopf. Er stolperte, konnte sich aber erstaunlich rasch fangen. Fünf Schritte selbigen Kindes nun zwischen dem harten, wutentbrannten Glas der Flasche und meinem weichen Körper.

»Diesmal töte ich dich endgültig!«, brüllte er. Bluthunden gleich, sprangen seine Worte tollwütig über den morschen Zaun seiner Zähne. Die Flasche schoss nieder. Der Mann in mir schrie auf, sowie der Mann, der sich drohend vor mir aufbaute. Ich spannte meine Muskeln, stieß mich vom Geländer ab, zugleich die Schwingen ausbreitend. Ich spürte noch den Luftzug der Flasche, die mit lautem Knall auf der obersten Metallsprosse zerbarst, auf welcher ich Bruchteile zuvor noch anwesend gewesen war. Kleinste Glassplitter stoben in sämtliche Richtungen davon, größere fielen direkt hörbar auf den nassen Beton. Die Spitze eines Flügels berührte das raubärtige Kinn des Fremden, während ich mich in einem Halbkreis hinter ihn bewegte und auf seinem Rücken festkrallte. Meine Krallen gruben sich in das Gewebe der Jacke. Sie gruben tiefer, fanden das Fleisch, das sie gesucht hatten. Vergebens mühte sich der Mann, mich von seinem breiten Rücken abzuschütteln, als versuchte er eigene Flügel daran zu hindern aus der Haut seines Rückens hervorzusprießen. Ich flatterte mit ausgefächerten Schwingen und ließ letztlich von ihm ab, mich von ihm fortbewegend und an Höhe gewinnend, der Dunkelheit entgegen. Ein weiteres Mal schrie der Fremde. Keines seiner...

Erscheint lt. Verlag 18.4.2017
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
ISBN-10 3-7431-6084-6 / 3743160846
ISBN-13 978-3-7431-6084-2 / 9783743160842
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