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Der süße Duft der Kobralilie (eBook)

Schauergeschichten
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
156 Seiten
edition subkultur (Verlag)
978-3-943412-75-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der süße Duft der Kobralilie -  Philipp Schaab
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Ein Mann verliebt sich unsterblich in das grünäugige Mädchen vom Nebelsee, eine exotische Pflanze verströmt einen unwiderstehlichen Duft, eine Frau verschwindet nach dem keltischen Samhain-Fest spurlos und ein paar Freunde landen bei einer Pauschalreise nicht in Marokko, sondern ... Philipp Schaabs Figuren werden aus ihrem Alltag gerissen und finden sich plötzlich in absurden und bedrohlichen Sphären wieder. Getrieben von der Sehnsucht nach Liebe oder einem anderen Leben werden sie von rätselhaften Mächten verführet. Mal wehren sie sich, mal geben sie sich bereitwillig hin und verirren sich in den Labyrinthen ihrer Seelen. Zehn Schauergeschichten für alle, die fasziniert sind von der mystischen Welt hinter dem Spiegel.

Meine Hoffnung


„Laß ab von Weinen. Bei den Toten unten

Im Schattenlande werden bald wir wohnen

Und ewig schlafen in den Tiefen drunten,

In den verborgenen Städten der Dämonen.“

Georg Heym – aus: Der Tod der Liebenden

I.

Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich das Mädchen am Nebelsee zum ersten Mal gesehen habe und in ihren Bann geraten bin. Vielleicht mag es Ihnen seltsam erscheinen, dass ich jenen zauberhaften Moment erster Verliebtheit, der so vielen auch nach Jahren und Jahrzehnten noch in jeder Sekunde nachfühlbar ist, inzwischen vergessen habe. Ich ahne schon die Gedanken, die Ihnen durch den Kopf gehen:

„Wenn er es vergessen hat, war es wohl doch nicht so außergewöhnlich.“

„Er ist gar nicht verliebt gewesen.“

„Das muss ziemlich schiefgegangen sein.“

Der letzte Gedanke ist nicht ganz falsch, könnte aber zu Missverständnissen führen, ließe man ihn so stehen. Wenn Sie meiner Geschichte folgen, werden Sie verstehen.

Ich nehme an, Ihnen sind jene häufig genannten Flugzeuge im Bauch noch in bester Erinnerung. Sie erinnern sich vielleicht der Tages- oder gar der Uhrzeit, wissen Jahr, Monat, Woche, Tag, als sei es erst gestern gewesen, dass Sie das Objekt Ihrer Begierde das erste Mal erblickten. Eine solche Erinnerung kann später einmal ein großer Trost und Quelle zum Kraftschöpfen sein. Wenn Vitalität und Leidenschaft von Alter und Enttäuschung gebrochen sind, vermögen die Bilder der untergegangenen Jugend noch einmal für kurze Zeit einen rosigen, wohlriechenden Schleier über den eigenen Verfall zu drapieren, vergessen zu machen, was geschehen ist und was unvermeidlich kommen wird. Und daran ist nichts Schlechtes, denn warum sollten wir uns ob des Unvermeidlichen allzu viel den Kopf zerbrechen und mit melancholischer Grübelei Zeit verschwenden? Hoffnung und Lebensfreude auch in schwierigen Zeiten nicht zu verlieren, ist eine Charaktereigenschaft, der ich heute noch großen Respekt zolle. Ich habe stets versucht, meinen Charakter entsprechend zu schulen, aber ich kann nicht sagen, dass ich dabei erfolgreich war, was nicht zuletzt meiner Beziehung zu dem Mädchen geschuldet ist.

Selbstverständlich trägt das Mädchen nicht die alleinige Verantwortung für meine gegenwärtigen seelischen und körperlichen Probleme. Meine Leidenschaft ihr gegenüber ist trotz allem, was vorgefallen ist, noch nicht erloschen, sondern ist – auf eine gewisse Weise – noch viel stärker geworden. Nicht zuletzt, weil ich heute nichts anderes mehr habe, als diese eine Leidenschaft, die mir noch so etwas wie eine vage Hoffnung gibt. Erwächst die Hoffnung aber aus der Liebe – zu was auch immer –, dann liebe ich jenes Mädchen noch heute so sehr wie nichts anderes auf dieser Welt.

Lange hatte ich sie nicht verstanden und haderte mit meinem Leichtsinn, mit dem ich mich ihren Armen überantwortet hatte, nach gerade einmal drei Tagen, die wir uns kannten. Nun jedoch lebe ich schon eine gewisse Zeit in ihrer Heimat und ich habe einige Dinge erlebt an ihrer Seite, die den Beginn unserer Beziehung geradezu schal und langweilig erscheinen lassen. So verblassen allmählich die Bilder an jenen wundersamen Tag, als ich der schmalen Gestalt des Mädchens, ihrer hellen, blassen Haut, ihres dunklen, grünlich schimmernden Haares an den baumumwucherten Ufern des abgelegenen Nebelsees am Rande des Moores das erste Mal gewahr wurde. Und was ich heute noch berichten kann, ist wahrscheinlich schon von einem Urwald an Phantasien und Wunschvorstellungen überwuchert und bis zur Unendlichkeit entstellt. Wäre ich nicht in der Situation, in der ich heute bin, dann müsste ich die vergangenen Ereignisse als reine Einbildung oder als Traum oder Trip abtun, aber wenn dem wirklich so ist, dann schreibe ich Ihnen direkt aus dieser Imagination heraus.

Mein Bericht wird an manchen Stellen zynisch klingen, aber das sollte nicht überbewertet werden, denn ein Fünkchen Hoffnung trage ich noch immer in mir.

II.

Was ich aus der Schutthalde meiner Erinnerungen noch entnehmen kann, ist das Bild eines idyllischen Sommerabends, an dem ich jenen Nebelsee aufsuchte, um mich in dessen Wasser zu erfrischen. Ich war lange im angenehm kühlen Wasser geschwommen und hatte später noch eine ganze Weile die kleinen Wellen und das Schilfgras beobachtet, die durch einen leichten Wind in sanftem Aufruhr waren und in ihren gemächlichen, harmonischen Bewegungen ein Gefühl unbeschreiblicher Behaglichkeit vermittelten. Das Singen der Vögel, das Quaken der Frösche und das Zirpen der Grillen verschmolzen zu einem Chor und trugen bei zur friedlichen Atmosphäre dieses Abends.

Zu fortgeschrittener Stunde begab ich mich auf dem schmalen Waldpfad entlang des Sees zurück zu meinem Auto. Da erblickte ich das Mädchen, als es am Ufer einer kleinen, schattigen Bucht am Stamm einer mächtigen Esche lehnte, wo sie, wie zuvor auch ich, die Wellen beobachtete, die sich am Wurzelwerk der Uferböschung brachen. Ganz leise summte sie eine mir unbekannte Melodie, die mir ein Gefühl von süßer Traurigkeit vermittelte und mich bezauberte.

Sie verstummte, als sie mich bemerkte. Wir waren die letzten Besucher, die noch am Ufer waren. Die Schatten des Waldes zogen sich immer weiter über den See und deckten ihn zu mit ihrem schwarzen Tuch. Der Gesang der Vögel, der Insekten und der Frösche war nun fast verstummt, nur das ferne Rauschen des Straßenverkehrs und der Gesang einer einsamen Amsel waren zu hören. Das Mädchen wirkte verloren und unsicher und schlang die knochigen Arme um den schlanken Leib. Ihre grünen Augen flammten auf, als sie sich mir zuwandte. So schwach und hilflos sie auch wirkte, ihre Augen funkelten voller Kraft, strahlten so sehr, dass ich wie geblendet, ja hypnotisiert von ihrem Blick war. Als sie zu mir trat, konnte ich nur stammeln wie ein Kind.

Ihr Haar und ihr ganzer Leib waren feucht und ich atmete den modrigen Geruch von Algen und Moorwasser. Manchmal glaube ich, mich des Glanzes ihrer Lippen entsinnen zu können. Es schien, als ob der Tau des nahenden Abends sie benetzte. Ich wollte ihr ein Handtuch geben, denn ich fürchtete, sie könnte sich in der kühler werdenden Abendluft erkälten, aber sie schob meine Hand, mit welcher ich ihr das Tuch reichen wollte, lächelnd beiseite. Sie bedankte sich, drehte sich zur Seite und hieß mir mit ihrer anderen Hand, ein wenig mit ihr spazieren zu gehen. Alle vermeintliche Schwachheit war von ihr abgeglitten wie ein Tropfen Wasser von trockener Haut.

Sie erzählte, sie sei gerade ihrer Arbeit nachgegangen, dem Schutz und der Beaufsichtigung des Nebelsees und des ihn umgebenden Waldgebietes, welches sich am anderen Seeufer noch über viele Kilometer erstreckte und in ein kleines Moor überging. Sehr viel mehr erfuhr ich in dieser Nacht nicht von ihr. Wir redeten nicht viel, denn ich brachte vor Verlegenheit kaum einen Ton hervor, und auch sie bevorzugte es zu schweigen, während wir im Licht der untergehenden Sonne am Seeufer entlangflanierten. Sie lächelte still, während mein Puls raste und mein Blut kochte wie die Feuer des Phlegeton.

Einmal fragte ich, mehr aus Verlegenheit denn aus wirklichem Interesse, ob sie denn Försterin sei, und biss mir sofort auf die Lippen, weil mir die Frage so albern erschien. Aber sie lachte nur und meinte, sie sei etwas Ähnliches. Wir schwiegen wieder, während wir den restlichen Weg zurück zum Ausgangspunkt unseres Spaziergangs zurücklegten, aber ich empfand das Schweigen bald nicht mehr als unangenehm oder gar peinlich, so rasch war ein Gefühl der Vertrautheit zwischen uns entstanden.

Inzwischen war das Licht der Sonne fast gänzlich verschwunden, die schmale Sichel eines abnehmenden Mondes schob sich über die Scherenschnitt-Silhouette der Baumkronen in den Sternenhimmel.

Da ich am nächsten Tag früh arbeiten musste, verabschiedete ich mich von ihr schweren Herzens, und auch sie schien dies zu bedauern. Denn nun fing sie an zu erzählen. Sie sei ein Kind der Natur und vermeide den Besuch größerer Siedlungen, wann immer es ging. Die meisten Leute hielten sie wohl für absonderlich oder mieden den Nebelsee wegen der Unfälle, sie sei oft einsam und sehne sich nach Abenden in angenehmer Gesellschaft wie der meinigen.

Ich schluckte, war berührt von diesem Kompliment, das mir noch kein Mädchen vorher gemacht hatte. Sie bemerkte meine Erregung, ergriff meinen Arm und fragte: „Sag, magst du mich?“

Ich war ob dieser direkten Frage zunächst ein wenig verwirrt, beantwortete sie aber rasch mit einem überzeugten Ja.

Sie lachte glockenklar auf und ich war tief beeindruckt von ihrer offenen und ehrlichen Freude. Sie bat mich, so bald wie möglich wiederzukommen. Dann wandte sie sich von mir ab und verschwand in der Dunkelheit. Ich fuhr zurück in die Stadt, die nicht weit entfernt lag, und fühlte mich furchtbar elend, weil ich sie allein am See zurückgelassen hatte.

III.

Der hypnotisierende Blick des Mädchens ließ mich die ganze Nacht nicht zur Ruhe kommen, ihre leuchtenden Augen verfolgten mich. Im Schlaf wie auch im Wachzustand glaubte ich sie immer hinter mir, riesenhaft, furchterregend, in der leeren Dunkelheit einer weiten Ödnis, aber zugleich spiegelten sich in ihrem zyklopenhaften Antlitz auch tiefe Trauer und Einsamkeit, und als ich mich ihr zuwandte und ihrer Sehnsucht nach Zweisamkeit gewahr wurde, fiel alles Monströse von ihr ab und ich hatte wieder das süße Mädchen vor mir; immer wieder fühlte ich ihre Hand auf meinem Unterarm und nahm wieder den unvergesslichen Geruch ihrer feuchten, weichen Haut wahr.

Ich schlief trotz dieses intensiven Traumes...

Erscheint lt. Verlag 29.4.2016
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Erzählungen • Gruselgeschichten • Horror • Magie • Mystik • Odenwald • Realitätsflucht • Spuk • Symbolismus
ISBN-10 3-943412-75-X / 394341275X
ISBN-13 978-3-943412-75-8 / 9783943412758
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