Sie werden lachen (eBook)
198 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-1294-8 (ISBN)
Zwischen Cremetöpfchen und Fettnäpfchen.
Die wirklich ganze Wahrheit über die lustigste Frau Sachsens.
Katrin Weber ist einer der hellsten Sterne am sächsischen Kabaretthimmel. Zusammen mit Bestsellerautor Stefan Schwarz plaudert sie aus ihrem Leben zwischen den Gipfeln und Abgründen des Bühnenlebens - größtenteils ehrlich und umwerfend komisch. Sie werden lachen. Garantiert.
»Katrin Weber ist auf der Bühne eine Diva, die blitzschnell in die Komik kippen kann. Eben ist sie noch eine Frau, die sich total daneben benimmt, und schon glänzt sie als Grande Dame. Ich habe noch nie mit jemandem so viel gelacht wie mit ihr.« Bernd-Lutz Lange.
»Herrlich komisch und höchst spannend.« Das Magazin.
Katrin Weber geboren in Plauen (Vogtland), studierte an der Hochschule für Musik in Dresden. Zahlreiche Hauptrollen, u. a. in 'My Fair Lady', 'Cabaret' und 'Evita'. Neben ihren Kabarett-Soloprogrammen ist sie im MDR als Sängerin und Moderatorin zu sehen.
- Spiegel Jahres-Bestseller: Sachbuch / Hardcover 2017 — Platz 15
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- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Hardcover (Nr. 23/2017) — Platz 13
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- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Hardcover (Nr. 15/2017) — Platz 4
- Spiegel Bestseller: Sachbuch / Hardcover (Nr. 14/2017) — Platz 6
Geboren − angefroren
Meine Geburt ging schon sehr unlangweilig los. Neun Monate später sagt nämlich meine pralle Mutti zum Vati: »Ich glaube, es geht los!« Und was macht der Vati? Er geht los. Und kommt nicht wieder. Meine Mutti liegt in den Wehen, und die Abstände werden immer kleiner, und ihre Sorge wird immer größer. Wo bleibt ihr Klaus? Er wollte doch nur telefonieren gehen?? Einen Krankenwagen holen??? Das kann doch nicht so lange dauern????
Aber halten wir mal kurz inne: Es ist der 15. Januar 1963. Klirrekalter Vogtlandwinter. Nicht so ein verlängerter Herbst wie heutzutage. Dachlawinen verschütten jeden, der die Haustür zu hart ins Schloss fallen lässt. Meterlange Eiszapfen hängen wie Damoklesschwerter von den Regenrinnen. Ist Klaus beim Stapfen durch den Schnee auf eine liegengebliebene Schneeschaufel getreten und liegt nun ohnmächtig in den Schneewehen, während seine Liebste in den ihren liegt? Oder hat er trotz der Stiefel kalte Füße bekommen? Klaus ist noch jung, und so ein Kind heißt ja nicht nur Frank oder Katrin, sondern auch Verantwortung. Ist ihm plötzlich alles zu viel geworden? Will er womöglich rübermachen? In den Westen? Das ostdeutsche Plauen liegt dreißig Kilometer von der westdeutschen Grenzstadt Hof entfernt.
Nein, Vati ist noch da. In der Telefonzelle. Dornenhecken aus Eisblumen haben die Scheiben überwuchert, und das ist auch gut so, denn der angehende Vati verhält sich etwas seltsam. Er krümmt sich und biegt sich. Er knurrt und flucht.
Was hat er denn nur?
Folgendes war geschehen: Schweißnass vor Aufregung und Eile war der Vati in die Telefonzelle gestürmt, hat den Telefonhörer ans Ohr gepresst und die Vermittlung angerufen, und die Vermittlung hatte ihn zum Krankenhaus vemittelt, die Zentrale vom Krankenhaus hatte ihn an die Gynäkologie und die Gynäkologie zur Rettungsstelle weiterverbunden. Aber da war es schon zu spät. Als Vati erleichtert den Telefonhörer sinken lassen wollte, sank der Telefonhörer nicht. Er war nämlich angefroren. Am schweißnassen Ohr. Das war jetzt aber blöd! Beim Notarztrufen selber zum Notfall geworden. Das ist ja, als wenn der Koch in die eigene Suppe fällt. Als wenn ein Metzger sich selber durch den Fleischwolf dreht. Als wenn ein Polizist sich selbst beim Verbrechen ertappt.
Jetzt nicht durchdrehen, lieber Vati. Ein Kind bekommen und dabei ein Ohr verlieren ist ein schlechter Handel. Ohne Ohr ist alles nur halb so schön, und die Brille sitzt immer schief. Doch die Zeit drängt, denn zu Hause hechelt sich die Liebste durch die Wehen und sorgt sich kalten Schweiß auf die Stirn.
Was wird er tun?
Über das Ende dieser Kalamität existieren verschiedene Berichte. Die einen sagen, Klaus Weber habe den Telefonhörer kurzerhand abmontiert und sei mit ihm am Ohr wieder nach Hause gelatscht, wo er eine Viertelstunde am Kachelofen habe horchen müssen, bis er wieder frei war. Andere meinen, der mit allen Wassern gewaschene Elektroinstallateur habe den ganzen verdammten Apparat kurzgeschlossen, um die Hörmuschel zum Glühen und damit zum Abfallen zu bringen.
Ich denke, das war ein Vorzeichen. Wir kennen das von Heiligen. Bei deren Geburt fliegen Kometen vorbei, oder das Lamm legt sich zum Löwen. Und bei mir friert dem Vati erst mal das Telefon ans Ohr. Wie sich herausstellen sollte, war das kein Zufall. Es würde so weitergehen. Es wird Missgeschicke prasseln und Peinlichkeiten, dicht an dicht. Und alles nur für einen höheren Zweck.
Was Sie hier in der Hand halten, ist ja nicht nur eine kleine Lebensbeichte, es ist auch ein Stückchen Weisheit. Dieses Buch will Ihnen sagen: Wenn etwas schiefgeht oder Sie vom Weg abkommen, dann manchmal nur, damit Sie nicht geradewegs in Ihr Unglück rennen! Wer dauernd in Fettnäpfchen tritt, bei dem läuft es irgendwann wie geschmiert! Wenn Sie eine einzige Katastrophe sind, dann haben Sie ein Alleinstellungsmerkmal! Also lehnen Sie sich zurück, und genießen Sie meine Lebensreise vom Dussel zur Diva.
So. Erst mal sagen aber alle »Nu wo isse denn? Nu wen hammor denn do?« zu dem kleinen fetten, schwarzen Wonneproppen, der nicht zu übersehen ist, weil ihn Mutti sechsmal am Tag mit dem ostdeutschen Milchpulver Babysan volltankt. Bis zum Rand. (Für alle Spätgeborenen: Nicht aus Not! In den Sechzigern galt es als altmodisch und ungesund, seinem Neugeborenen das olle Zeug aus der Brust anzubieten.) Ich bin bald so pausbäckig, dass ich kaum noch die Augen aufkriege. Meine Schlitzaugen lassen den Vati kurz zweifeln, ob nicht doch eher ein durchreisender Chinese die Zeugung für sich beanspruchen kann. Mehr noch: Babysan-Katrin ist bald so moppelig, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, ich hätte schon im ersten Lebensjahr das Gewicht bekommen, das ich heute noch habe.
Ein Nebeneffekt dieser reichhaltigen Ernährung ist, dass meine Polsterbeine nur schwer in Gang zu bringen sind. Da kann Mutti noch so willkommen in der Zimmermitte hocken und »Komm zur Mutti! Nu komm ner mal her ze mir« locken, Katrin Specki Polsterrolle klammert an der Kommode und weiß, wenn sie jetzt loslässt, liegt sie auf der Gusche. Ein Baby-Rollator, das wär’s jetzt! Bald werde ich einen haben. In Gestalt des Puppenwagens. Wo immer ich ab jetzt hingerufen werde, erscheine ich mit dem Puppenwagen. Überall erzählt man sich, die kleine Webern sei rein närrisch mit ihren Puppen. Aber das stimmt natürlich nicht. Ich brauche einfach was zum Festhalten! Mich muss die Mutti im Garten nicht lange suchen. Entweder stehe ich an einem Baum. Oder ich stehe an der Bank oder an einem Zaun. Ich bin niemals freihändig unterwegs.
Selbst in der Krippe wird man mich noch im Haltegriff an der Kinderwagenseite finden, finster mit den fetten Beinen nebenherstampfend, während alle anderen Krippenkinder brav aufgereiht im Krippenwagen sitzen, die Sonnenmützchen unterm Kinn festgebunden, und das Geschobenwerden genießen wie erst in achtzig Jahren wieder. Ist es nicht eine schreiende Ungerechtigkeit, dass ich, die Einzige weit und breit mit einer veritablen, nicht altersgerechten Gangunsicherheit, nebenherlaufen muss?
Na ja, nicht unbedingt. Das kleine Wuchtbrummelchen ist ä weng unverträglich. Im Krippenwagen sitzen möchte ich schon, aber nicht mit dem anderen Kleinkinderpack. Die sollen gefälligst raus. Neben mir und vor mir hat gleich überhaupt niemand zu sitzen. Und während die Krippentante noch dem letzten Zögling die Jacke zuknöpft, habe ich im Krippenwagen schon die anderen weggedrückt und weggeschoben, bis alle möglichen Beisitzer im Dreck liegen und plärren. Deswegen muss ich jetzt nebenherlaufen wie die Bodyguards am Cabriolet des Präsidenten.
Als wäre das nicht schon schlimm genug, baumeln die Handschuhe an der Strippe, die durch meine Jackenärmel gezogen ist, weil ich sie sonst immer verliere. Und im Nacken kratzt das Etikett. Alles etwas unschön, finde ich, was deutlich an meiner finsteren Miene abzulesen ist. Ist so das Leben? Dass immer etwas zwickt und kratzt?
Sagte ich schon, dass dies eine Wochenkrippe ist? Ich muss in die Wochenkrippe, weil Mutti Weber von Montag bis Freitag zehn Stunden und Samstag bis Mittag arbeitet und Vati Weber zur Armee eingezogen wurde, um mit der Waffe in der Hand das Land zu beschützen, in dem Muttis ihre Kinder in die Wochenkrippe geben können, um von Montag bis Samstag zu arbeiten. Das ist so ein bisschen wie Kinderheim mit Unterbrechung. Gerade, wenn man vergessen hat, dass man aus einer Familie stammt, holen die Eltern einen ab und machen das ganze Wochenende Spaß mit einem, damit man am nächsten Montag so richtig die Krise kriegt, wenn es wieder für fünf unendliche Tage in die Wochenkrippe geht. Wochenkrippen sind das Geschenk des Ostens an die Psychotherapeuten des Westens.
Gott sei Dank kommt Vati nach anderthalb Jahren zurück von der Armee, und ich kann ganz normal in den Kindergarten gehen. Gemeinsam gehen Mutti und Katrinchen morgens um sechs durch das Werktor, und es gibt ein Küsschen. Die meisten Muttis gehen dann nach rechts und die Kinderchen nach links. Der Kindergarten befindet sich nämlich auf dem Werksgelände. Der rote Klinkerziegelbau mit dem Charme einer kaiserlichen Frankieranstalt führt den seriösen Namen »Kindergarten des VEB NARVA Glühlampenwerks Plauen«. Nicht etwa »Die süßen Leuchtkäfer« oder »Glühwürmchen«, nein, »Kindergarten des VEB NARVA Glühlampenwerks Plauen«! Unnötig zu sagen, dass er nicht den Geist von Maria Montessori atmet. Zweck dieser Tagesstätte ist die trockene und ordnungsgemäße Aufbewahrung des Kindes bis zum Zeitpunkt der Rückforderung durch den rechtmäßigen Eigentümer. Lernziele sind das Stillsitzen und das Stillliegen. Bei Bedarf können Grünpflanzen in einem illustrierten Pappbuch betrachtet werden. Nötiger Sauerstoff wird beim geführten Spaziergang rund um das Fabrikgelände eingeholt. Wer nicht brav ist, kommt in die Gruppe der grausligen Kindergärtnerin Frau Schaarschmidt, bei der man sogar noch den Apfelgriebsch mitessen muss. Sie fragen sich jetzt, woher ich das so genau weiß? Ich war so oft bei Frau Schaarschmidt in der Gruppe, dass ich bis heute zwanghaft die Kerngehäuse von Äpfeln mitesse.
Der »Kindergarten des VEB NARVA Glühlampenwerks« ist der passende Ort für meine sich dynamisch entwickelnden Neurosen, immerhin komme ich schon leicht überspannt aus der Wochenkrippe. Ich bin noch nicht lange Kindergartenkind, als ich schluchzend und schnotternd in der Garderobe sitze, weil meine Sonnenbrille weg ist.
»Mei Sonnebrill is weg. Isch hab scho überall gesucht. In dor Dasch isse aah net«, plärre ich die Kindergartentanten an, die...
Erscheint lt. Verlag | 17.3.2017 |
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Co-Autor | Stefan Schwarz |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Literatur ► Comic / Humor / Manga ► Humor / Satire | |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | Akademixer • Bernd-Lutz Lange • DDR • Dresden • Erinnerungen • Gespräch • Humor • Kabarett • Katrin Weber • Leben • Leipzig • Narva • Sachsen • Stefan Schwarz • Tom Pauls • Uwe Steimle • VEB • VEB Narva Glühlampenwerkes Plauen • Wende |
ISBN-10 | 3-8412-1294-8 / 3841212948 |
ISBN-13 | 978-3-8412-1294-8 / 9783841212948 |
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