Es klingelte an der Tür (eBook)
248 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-10082-2 (ISBN)
Rex Stout (1886-1975) wurde berühmt durch seine Kriminalromane mit dem übergewichtigen Privatermittler Nero Wolfe. Zwischen 1933 und 1975 verfasste er 33 Romane und zahlreiche Erzählungen dieser Serie. Bevor er mit 46 Jahren seinen ersten Nero-Wolfe-Roman schrieb, war er ein erfolgreicher Geschäftsmann. Zeitlebens trat er für die Wahrung individueller Freiheitsrechte ein und war lange Vorsitzender des amerikanischen Schriftstellerverbands.
Rex Stout (1886-1975) wurde berühmt durch seine Kriminalromane mit dem übergewichtigen Privatermittler Nero Wolfe. Zwischen 1933 und 1975 verfasste er 33 Romane und zahlreiche Erzählungen dieser Serie. Bevor er mit 46 Jahren seinen ersten Nero-Wolfe-Roman schrieb, war er ein erfolgreicher Geschäftsmann. Zeitlebens trat er für die Wahrung individueller Freiheitsrechte ein und war lange Vorsitzender des amerikanischen Schriftstellerverbands.
Kapitel Zwei
Um neun Uhr saßen wir wieder im Büro, Lon in dem roten Ledersessel, Wolfe und ich an unseren Schreibtischen, und Fritz servierte Kaffee und Cognac. Die anderthalb Stunden im Esszimmer auf der gegenüberliegenden Seite des Flures waren bei frittierten Muschelfrikadellen mit Chilisauce, in Rotwein geschmortem Rindfleisch, Kürbis mit Sour Cream und gehacktem Dill, Avocado mit Brunnenkresse, Schwarznusskernen und Liederkranzkäse recht gesellig verlaufen. Das Gespräch hatte sich um den Zustand des Landes im Allgemeinen und des weiblichen Gemüts im Besonderen gedreht, außerdem wurden die Genießbarkeit gegarter Austern, strukturelle Linguistik sowie die Preise von Büchern erörtert. Erhitzt war der Austausch nur in Hinblick auf das weibliche Gemüt, was Lon bewusst provoziert hatte, weil er gespannt war, wie scharf Wolfe darauf reagieren würde.
Lon nahm einen Schluck Cognac und sah auf seine Armbanduhr. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, sagte er, »dann lassen Sie uns zur Sache kommen. Ich muss um zehn Uhr noch woanders hin. Sie erwarten nicht von mir, dass ich mein Essen bezahle, aber ich weiß auch, dass Archie für gewöhnlich einfach anruft oder vorbeischaut, wenn Sie etwas wollen, es muss sich also um etwas Besonderes handeln. Gemessen an diesem Cognac muss es nachgerade phantastisch sein.«
Wolfe nahm einen Zettel von seinem Schreibtisch, sah ihn stirnrunzelnd an und legte ihn wieder hin. Ich hatte ihn eine halbe Stunde zuvor dort platziert. Beim Essen wurde ich durch einen Anruf des Mitarbeiters der Stadtverwaltung unterbrochen, der die gewünschten Information für mich hatte, und bevor ich ins Esszimmer zurückkehrte, hatte ich »FBI« auf dem Schmierblock notiert und Wolfe den Zettel auf seinen Schreibtisch gelegt. Meinem Appetit war das nicht zuträglich gewesen. Hätte Mrs. Bruner sich in Bezug auf ihre Beschatter geirrt, hätten sich großartige Möglichkeiten ergeben, unter anderem eine saftige Gehaltserhöhung für mich in Form eines auf meinen Namen ausgestellten Schecks.
Wolfe trank Kaffee, stellte die Tasse ab und sagte: »Ich habe noch vierzehn Flaschen davon.«
»Guter Gott«, sagte Lon und roch an seinem Cognac. Das war das Seltsame an ihm. Mit dem zurückgekämmten Haar und dem adretten, faltenlosen Gesicht sah er nicht sehr speziell aus, irgendwie schien er aber immer genau dorthin zu passen, wo er war – in seinem Büro im zwanzigsten Stockwerk des Gebäudes, in dem die Gazette untergebracht war, zwei Türen weiter vom Eckzimmer des Verlegers, oder beim Tanz mit einer Dame im Flamingo, oder mit uns am Tisch bei einer Partie Poker in Saul Panzers Apartment. Oder wenn er an einem fünfzig Jahre alten Cognac roch.
Er nahm einen Schluck. »Was immer Sie wünschen«, sagte er. »Ohne Vorbehalte.«
»Eigentlich«, sagte Wolfe, »ist es gar nichts Besonderes. Schon gar nichts Phantastisches. Zunächst eine Frage: Ist Ihnen ein Zusammenhang bekannt, wie weitläufig auch immer, zwischen Mrs. Lloyd Bruner und dem Federal Bureau of Investigation?«
»Sicher. Wer wüsste das nicht? Sie hat einer Million Personen Fred Cooks Buch geschickt, einschließlich unserem Verleger und Chefredakteur. Das ist das neueste Statussymbol, und verdammt, ich habe keins bekommen. Sie?«
»Nein. Ich habe meines gekauft. Ist Ihnen bekannt, ob das FBI zu Repressalien gegriffen hat? Dieses Gespräch ist übrigens geheim und vertraulich.«
Lon grinste. »Sollte das FBI Maßnahmen ergriffen haben, wären diese ebenfalls geheim und vertraulich. Da müssen Sie schon J. Edgar Hoover fragen – es sei denn, Sie kennen die Antwort bereits. Ist das so?«
»Ja.«
Lons Kinn hob sich unvermittelt. »Zum Teufel! Dann sollten auch die Menschen, die für sein Gehalt aufkommen, davon erfahren.«
Wolfe nickte. »Von Ihrer Warte aus betrachtet, natürlich. Sie sind auf der Suche nach Informationen, um sie zu veröffentlichen; ich aus rein privatem Interesse. Und das besteht im Moment vor allem darin herauszufinden, wo meine Interessen liegen. Ich habe keinen Klienten und keine Verpflichtung, und vielleicht sollte ich auch noch einmal deutlich machen, dass ich, selbst wenn ich mich verpflichte und an die Arbeit begebe, Ihnen wahrscheinlich niemals zur Veröffentlichung geeignete Informationen werde übermitteln können, ganz egal, wie die Sache ausgeht. Wenn ich kann, werde ich es tun, aber ich bezweifle es. Stehen wir in Ihrer Schuld?«
»Nein. Alles in allem stehe ich in Ihrer.«
»Gut. Dann greife ich darauf zurück. Warum hat Mrs. Bruner die Bücher verschickt?«
»Keine Ahnung.« Er trank Cognac und bewegte ihn mit Lippen und Wangen, um ihn vor dem Herunterschlucken im Mund zu verteilen. »Vermutlich als Dienst an der Allgemeinheit. Ich habe selbst fünf Exemplare gekauft und an Personen geschickt, von denen ich dachte, dass sie das Buch lesen sollten, dies von sich aus aber wahrscheinlich nicht tun würden. Ein Bekannter von mir hat dreißig Exemplare zu Weihnachten verschenkt.«
»Wissen Sie, ob es private Gründe für Mrs. Bruners Feindseligkeit gegenüber dem FBI gibt?«
»Nein.«
»Haben Sie je Andeutungen bezüglich einer solchen Feindseligkeit gehört? Oder eine Vermutung?«
»Nein. Aber Sie ganz offensichtlich. Sehen Sie, Mr. Wolfe. Ganz unter uns, wer will Sie engagieren? Wenn ich das wüsste, könnte ich vielleicht ein paar Fakten beisteuern.«
Wolfe schenkte sich nach und stellte die Kanne ab. »Vielleicht lasse ich mich gar nicht engagieren«, sagte er. »Wenn doch, ist es gut möglich, dass Sie niemals erfahren, von wem. Was Fakten angeht, so weiß ich, was ich brauche. Ich brauche eine Liste aller Fälle, an denen FBI-Agenten in letzter Zeit gearbeitet haben und jetzt gerade arbeiten, in und um New York. Können Sie mir eine solche beschaffen?«
»Verdammt, bestimmt nicht.« Lon grinste. »Ich fasse es nicht. Ich dachte – unglaublich, aber ich dachte, oder habe mich vielmehr gefragt, ob es sein kann, dass Hoover Sie auf Mrs. Bruner ansetzen will. Das wäre tatsächlich eine Meldung wert. Aber wenn Sie – ich fass es nicht.« Seine Augen verengten sich. »Wollen Sie der Allgemeinheit einen Dienst erweisen?«
»Nein. Und vielleicht auch nicht einmal einer Privatperson. Ich denke darüber nach. Wissen Sie, woher ich eine solche Liste bekommen könnte?«
»Gar nicht. Natürlich ist es in einigen Fällen kein Geheimnis, dass das FBI sich damit befasst, wie zum Beispiel dem Juwelenraub im Naturkundemuseum und dem Geldtransporter in dieser Kirche in Jersey – eine halbe Million in kleinen Scheinen. Aber andere sind keineswegs öffentlich bekannt. Sie haben das Buch gelesen. Selbstverständlich wird geredet, geredet wird immer, aber Schriftliches gibt es nicht. Würde das trotzdem helfen?«
»Kann sein, besonders wenn es Fragwürdiges beträfe, möglicherweise nicht ganz Legales. Ist das so?«
»Mit Sicherheit. Wäre es nicht fragwürdig, würde es keinen Spaß machen, darüber zu reden.« Er blickte auf die Armbanduhr. »Zwanzig Minuten habe ich noch. Wenn ich einen weiteren kleinen Schluck von dem Cognac haben dürfte und wir uns darin einig sind, dass alles unter uns bleibt, und Sie vorhaben, was ich glaube, dass Sie vorhaben, dann will ich gerne meinen Beitrag leisten.« Er sah mich an. »Sie werden Ihr Notizbuch brauchen, Archie.«
Zwanzig Minuten später war sein Glas erneut leer, ich hatte fünf Seiten meines Notizbuchs vollgeschrieben, und er war gegangen. Was auf den fünf Seiten stand, werde ich nicht berichten, denn nur sehr wenig davon wurde je verwendet, und einige der in diesem Zusammenhang genannten Leute wären nicht erfreut darüber. Als ich Lon zur Tür gebracht hatte und ins Büro zurückkehrte, dachte ich an Wolfe, nicht an das Notizbuch. War er im Ernst dabei, es sich zu überlegen? Nein. Unmöglich. Er hatte sich lediglich die Zeit vertreiben und mich selbstverständlich zu einer Reaktion verleiten wollen. Die Frage lautete, wie damit umgehen? Wahrscheinlich erwartete er, dass ich hochging. Also schlenderte ich zu meinem Schreibtisch, grinste ihn an und sagte: »Das war lustig«, riss die fünf Seiten aus dem Notizbuch und diese einmal in der Mitte durch, und als ich sie ein weiteres Mal halbieren wollte, brüllte er: »Aufhören!«
Ich zog eine Augenbraue hoch, was er nicht kann. »Verzeihung«, sagte ich vollkommen freundlich. »Ein Andenken?«
»Nein. Bitte setzen Sie sich.«
Ich setzte mich. »Habe ich etwas übersehen?«
»Das bezweifle ich. Sie übersehen selten etwas. Eine rein hypothetische Frage: Wenn ich Ihnen erklären würde, dass ich...
| Erscheint lt. Verlag | 3.3.2017 |
|---|---|
| Übersetzer | Conny Lösch |
| Verlagsort | Stuttgart |
| Sprache | deutsch |
| Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
| Schlagworte | Archie Goodwin • Billig • Buch • eBook • E-Book • FBI • günstig • J. Edgar Hoover • Kostenlos • Kriminalroman • Mord • Nero Wolfe • Orchideen • Preisaktion • Privatdetektiv • Spannung • Überwachung • USA |
| ISBN-10 | 3-608-10082-2 / 3608100822 |
| ISBN-13 | 978-3-608-10082-2 / 9783608100822 |
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