Böser Samstag (eBook)
496 Seiten
C. Bertelsmann Verlag
978-3-641-18338-7 (ISBN)
Frieda Klein kann nach den Aufregungen der Vergangenheit endlich aufatmen, glaubt sie, und sich Patienten, Freunden und Hobbys zuwenden. Doch schon bald holt eine offene Schuld sie ein - und wider Willen wird sie in den Fall Hannah Docherty verwickelt. Die über Dreißigjährige soll im Mai 2001 ihre Familie ermordet haben. Seitdem fristet sie ihr Leben, Medikamenten und Misshandlungen ausgesetzt, in einer psychiatrischen Klinik. Schon bald ist Frieda von Hannahs Unschuld überzeugt und setzt alles daran, den Fall neu aufzurollen ... Doch sie hat noch andere Sorgen - Dean Reeve, ihr Feind und Beschützer, ist anscheinend wieder aufgetaucht. Ein packender Thriller um die langen Schatten der Vergangenheit.
Hinter dem Namen Nicci French verbirgt sich das Ehepaar Nicci Gerrard und Sean French. Seit langem sorgen sie mit ihren höchst erfolgreichen Psychothrillern international für Furore. Sie leben im Süden Englands.
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 49/2016) — Platz 10
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 48/2016) — Platz 8
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 47/2016) — Platz 6
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 46/2016) — Platz 4
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Paperback (Nr. 45/2016) — Platz 9
1
Der Wind pfiff die Straße entlang und blies Frieda Klein wie aus einem Tunnel entgegen. Es regnete unablässig. Sie wanderte durch die Dunkelheit, weil sie hoffte, dadurch endlich müde zu werden. Um diese Uhrzeit, in den frühen Morgenstunden, wenn auf den Straßen kaum noch jemand unterwegs war und Füchse die Mülltonnen durchwühlten, hatte sie das Gefühl, dass ihr London ganz allein gehörte. Sie erreichte The Strand und wollte gerade die Straße überqueren, um zur Themse zu gelangen, als in ihrer Tasche das Handy zu vibrieren begann. Wer rief sie um diese Zeit an? Sie holte das Telefon heraus und warf einen Blick auf das Display: Yvette Long. Detective Constable Yvette Long.
»Yvette?«
»Es geht um Karlsson.« Yvettes Stimme klang laut und hart. »Ihm ist etwas passiert.«
»Karlsson? Was denn?«
»Ich weiß es nicht genau.« Yvette klang, als müsste sie die Tränen zurückhalten. »Ich habe es soeben erst erfahren. Jemand wurde verhaftet, und Karlsson ist im Krankenhaus. Er wird gerade operiert. Es klingt ernst. Ich musste einfach jemanden anrufen.«
»In welchem Krankenhaus?«
»St. Dunstan’s.«
»Bin schon unterwegs.«
Sie versenkte das Handy wieder in ihrer Tasche. Das St. Dunstan’s lag in Clerkenwell, mindestens anderthalb Kilometer entfernt, vielleicht sogar noch weiter. Frieda rief ein Taxi. Sie starrte aus dem Fenster, bis sie die rußgeschwärzten oberen Stockwerke des Krankenhauses vor sich auftauchen sah. Die Frau am Empfang fand im Computer niemanden mit dem Namen Karlsson.
»Versuchen Sie es in der Notaufnahme.« Die Frau deutete nach rechts. »Auf der anderen Seite des Hofs. Dieser Gang führt direkt hinüber.«
In der Notaufnahme musste Frieda sich am Ende einer Schlange anstellen. Ganz vorne stand ein Mann, der sich gerade erkundigte, warum noch niemand nach seiner Frau gesehen habe. Sie warte schon zwei Stunden, nein, länger als zwei Stunden. Die Empfangsdame erklärte ihm sehr höflich und langsam, dass die wartenden Patienten nach dem Grad der Dringlichkeit behandelt würden. Frieda warf einen Blick auf ihr Handy. Es war inzwischen zwanzig nach vier Uhr morgens.
Wie es aussah, hatte der Mann nicht vor, das Feld zu räumen. Er wiederholte seine Beschwerde in noch lauterem Ton und begann dann eine Diskussion mit einem hinter ihm wartenden Teenager, der einen Trainingsanzug trug und die rechte Hand mit einem schmuddelig wirkenden Geschirrtuch umwickelt hatte. Der alte Mann vor Frieda wandte sich seufzend zu ihr um. Sein Gesicht hatte einen gräulich-grünlichen Farbton.
»Reine Zeitverschwendung«, bemerkte er. Frieda schwieg. »Meine Frau hat mich gedrängt herzukommen«, fuhr er fort. »Dabei plagt mich bloß mein Arm. Und meine schlechte Verdauung.«
Frieda betrachtete ihn genauer. »Wie fühlt sich das denn an?«
»Es liegt an meiner schlechten Verdauung.«
»Beschreiben Sie es mir.«
»Als würde sich eine Klammer um meine Brust spannen. Ich brauchte nur ein Alka-Seltzer.«
»Kommen Sie mit«, sagte Frieda und zerrte den perplexen Mann nach vorne.
Der dort stehende Mann unterbrach seine Beschwerde und blickte sich um. »Das ist hier eine Warteschlange!«
Frieda schob ihn beiseite. »Er steht kurz vor einem Herzinfarkt«, erklärte sie.
Die Frau am Empfang starrte sie verblüfft an. »Wer sind Sie?«
»Herzinfarkt«, sagte Frieda. »Das ist die Information, auf die Sie sich konzentrieren sollten.«
Die nächsten paar Minuten verliefen hektisch: Laute Anweisungen ertönten, Türen flogen auf und zu. Nachdem man den Mann auf ein Rollbett gelegt hatte, kehrte plötzlich wieder Ruhe ein. Frieda und die Frau am Empfang sahen sich an.
»Ist er Ihr Vater?«
»Ich bin wegen Malcolm Karlsson hier«, erklärte Frieda, »Chief Inspector Malcolm Karlsson.«
»Sind Sie eine Verwandte?«
»Nein.«
»Eine Kollegin?«
»Nein.«
»Dann tut es mir leid. Wir dürfen keine Informationen herausgeben.«
»Genau genommen war ich eine Weile seine Kollegin. Wir haben zusammengearbeitet.«
Die Frau musterte sie skeptisch. »Sind Sie Polizeibeamtin?«
»Ich war bei ihm angestellt, und außerdem ist er ein Freund.«
»Tut mir leid.«
»Sagen Sie mir wenigstens, wie es ihm geht.«
»Seien Sie bitte so gut und treten Sie beiseite. Hier warten Leute, die behandelt werden wollen.«
»Wer ist Ihr Vorgesetzter?«
»Wenn Sie nicht zur Seite treten, rufe ich den Sicherheitsdienst.
»Gut, dann tun Sie das.«
»Frieda.« Sie wandte den Kopf. Yvette wirkte atemlos. Sie fischte ihren Dienstausweis aus der Tasche und zeigte ihn der Frau am Empfang. Frieda bemerkte, dass ihre Hände zitterten. Die Frau nahm den Ausweis entgegen und unterzog ihn einer genauen Prüfung, als könnte es sich um eine Fälschung handeln. Schließlich stieß sie einen Seufzer aus.
»Durch die Tür am hinteren Ende des Wartebereichs. Fragen Sie dort. Gehört diese Dame zu Ihnen?«
»Sozusagen«, antwortete Yvette.
»Bitte nehmen Sie sie mit.«
»Niemand weiß etwas«, erklärte Yvette Frieda im Gehen.
Sie schob eine Schwingtür auf. Beim Verlassen des Wartebereichs stießen die beiden Frauen beinahe mit einem uniformierten Beamten zusammen.
»Ist Karlsson hier?«, fragte Frieda.
Der junge Mann betrachtete Frieda verblüfft. Yvette hielt ihm ihren Ausweis hin.
»Wie geht es ihm?«
»Schwebt er in Lebensgefahr?«
»Lebensgefahr?«, wiederholte der Beamte verdutzt. »Er ist da vorne. In der Kabine ganz am Ende.«
Frieda und Yvette eilten an den anderen Kabinen vorbei. Aus einer drang das Schluchzen einer Frau. Schließlich erreichten sie die letzte Nische, die mit einem blauen Vorhang abgeschirmt war. Yvette bedachte Frieda mit einem fragenden Blick, woraufhin Frieda den Vorhang zurückzog. Zum Vorschein kamen eine junge Ärztin und auf dem Bett Karlsson in halb sitzender Position, bekleidet mit einem weißen Hemd, Krawatte und einer Anzughose, bei der eine Seite fast ganz weggeschnitten war, um ein blutunterlaufenes, geschwollenes Bein freizulegen.
»Ich dachte …«, begann Frieda. »Wir dachten …«
»Ich habe mir das gottverdammte Bein gebrochen«, erklärte Karlsson.
»Sie haben den Kerl geschnappt«, berichtete Yvette. »Er sitzt in U-Haft. Er wird dafür bezahlen!«
»Wofür denn?« Karlsson funkelte sie beide finster an. »Ich bin gestürzt. Er wollte davonlaufen, da bin ich ebenfalls losgesprintet und dabei über einen losen Pflasterstein gestolpert. Normalerweise springt man wieder auf, klopft sich den Dreck von der Hose und rennt weiter, aber wie sich nun herausstellt, bin ich mittlerweile ein alter, nutzloser Vollidiot. Ich bin gestürzt, und dabei habe ich ein Knacken gehört, als würde ein Zweig brechen.«
»Yvette hat mich angerufen«, berichtete Frieda. »Wir dachten, etwas ganz Schreckliches sei passiert. Ich meine, richtig schrecklich.«
»Wonach sieht es denn aus?« Karlsson wandte sich an die junge Ärztin. »Sagen Sie es ihnen. Was ist noch mal alles gebrochen?«
»Tibia und Fibula«, antwortete die Ärztin.
»Ich werde operiert«, erklärte Karlsson. »Mit Nägeln und Schrauben.«
»Wir warten auf den zuständigen Facharzt. Er müsste gleich kommen.«
»Tut es weh?«, fragte Yvette.
»Sie haben mir was gegeben. Es ist seltsam, ich kann den Schmerz zwar noch spüren, aber er macht mir nichts aus.« Einen Moment herrschte Schweigen. Karlsson starrte auf sein blutunterlaufenes Schienbein. Erst jetzt registrierte Frieda, dass es nicht mehr ganz gerade war. »Das wird Wochen dauern. Monate.«
Die Ärztin machte ein betretenes Gesicht.
»Ich sehe mal nach, wo der Kollege bleibt«, sagte sie und verließ die Kabine.
»Sollen wir dir was zu essen oder zu trinken holen?«, fragte Yvette.
»Besser nicht«, gab Frieda zu bedenken. »Nicht wenn sie ihn gleich operieren wollen.«
Als Karlsson wieder das Wort ergriff, klang er ein wenig benommen und undeutlich, als würden die Medikamente bereits wirken. »Das ist alles deine Schuld.«
»Meine?«, fragte Frieda. »Ich habe dich doch seit Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen.«
»Du hast dafür gesorgt, dass meine Suspendierung aufgehoben wurde. Du und dein Freund, dieser Levin. Hättet ihr beide euch das verkniffen, säße ich jetzt wohlbehalten zu Hause.«
»Ich glaube nicht, dass man das so …«, begann Frieda, doch Yvette fiel ihr ins Wort.
»Wer ist Levin?«
»Frieda stand eigentlich schon mit einem Fuß im Gefängnis«, antwortete Karlsson. »Das weißt du ja. Und mir drohte ein Disziplinarverfahren oder die Entlassung oder eine Verhaftung – oder alles zusammen. Dass es dann doch nicht dazu kam, haben wir der Tatsache zu verdanken, dass plötzlich ein Kerl namens Levin auftauchte.«
»Von der Met?«, wollte Yvette wissen.
»O nein, der doch nicht.«
»Innenministerium?«
»Das hat er uns nie verraten. Er hatte es auf Frieda abgesehen, interessierte sich ganz brennend für sie. Aber den Grund nannte er uns nie.«
»Er hat gesagt, ich sei ihm einen Gefallen schuldig. Allerdings weiß ich nicht, was das heißen soll.«
»Auf jeden Fall ist es gefährlich«, meinte Karlsson, »jemandem einen Gefallen zu schulden. Ich saß schon Leuten gegenüber, die sagten: ›Ich habe es nur für einen Freund getan.‹ Wenn ich sie dann darauf hinwies, dass sie jemanden umgebracht hatten,...
Erscheint lt. Verlag | 31.10.2016 |
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Reihe/Serie | Psychologin Frieda Klein als Ermittlerin |
Psychotherapeutin Frida Klein ermittelt | Psychotherapeutin Frida Klein ermittelt |
Übersetzer | Birgit Moosmüller |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Saturday Requiem |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Schlagworte | Blauer Montag • Blutroter Sonntag • Dunkler Donnerstag • eBooks • Eisiger Dienstag • Frieda Klein • Krimi • Krimibestenliste • Kriminalromane • Krimis • KrimiZEIT-Bestenliste • London • Mörderischer Freitag • Psychothriller • saturday requiem • Schwarzer Mittwoch • Sommermörder • Spiegel Bestseller 2016 • SPIEGEL-Bestseller 2016 • Thriller |
ISBN-10 | 3-641-18338-3 / 3641183383 |
ISBN-13 | 978-3-641-18338-7 / 9783641183387 |
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