Am Ende aller Zeiten (eBook)
432 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403842-1 (ISBN)
Adrian J Walker wurde Mitte der 70er Jahre in einem Vorort von Sydney geboren, verbrachte aber einen guten Teil seiner Jugend in England. Er studierte in Leeds, arbeitete als Informatiker und lebt heute mit seiner Frau und zwei Kindern in London.
Adrian J Walker wurde Mitte der 70er Jahre in einem Vorort von Sydney geboren, verbrachte aber einen guten Teil seiner Jugend in England. Er studierte in Leeds, arbeitete als Informatiker und lebt heute mit seiner Frau und zwei Kindern in London.
Packend und spannend. Besser kann man sowas nicht erzählen.
Adrian J Walker hat DAS Geschenk für Väter geschrieben: »Am Ende aller Zeiten«. […] Post-Apokalypse und pures Adrenalin.
Für mich war ›Am Ende aller Zeiten‹ packend, nicht weil die Action so mitreißend war, sondern weil es in dem Buch menschelt.
[…] ein Endzeit-Roman der Spitzenklasse.
[…] ich bangte mit […] Sehr gern empfehle ich das Buch weiter [...]
AM ENDE ALLER ZEITEN gehört in jede Sammlung von Endzeitromanen.
Für alle, die gern jemanden anfeuern, mitleiden und die Liebe und Hoffnung erleben wollen, in einer düsteren Zeit, ist das genau die richtige Lektüre.
Einige Szenen berührten mich sehr, andere machten mich fassungslos.
Das Ende
Jemand rief meinen Namen. Einmal, zweimal, dann ein drittes Mal, lauter. Ich schreckte hoch. Ich saß mit verschränkten Armen und steifen Gelenken auf einem Stuhl. Um mich herum Lärm und Bewegung. Schreie, vorüberhuschende Farben, irgendetwas zog an meinem Hosenbein. Ich versuchte, mich zu orientieren. Ein hochrotes Gesicht sah fordernd auf mich herab und schrie.
»Ed!«
Ich zog mühsam die Lippen auseinander, versuchte, die Güllegrube zu befeuchten, die einmal mein Mund gewesen war, und krächzte etwas Unverständliches. Allmählich erkannte ich Beth. Sie sah seufzend an mir herunter und blies sich eine verschwitzte Locke aus der Stirn. Eine vage Mischung aus Enttäuschung und Ekel huschte ihr über das Gesicht.
»Pass auf Arthur auf«, sagte sie. Ich runzelte die Stirn. »Unseren Sohn«, sagte sie. »Deinen Stammhalter.« Das letzte Wort stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich schielte zu Arthur runter, der sich an meinem Schienbein hochhangelte und gerade mit weit aufgerissenen Augen dazu ansetzte, seine Zahnleiste in mein Knie zu schlagen. »Ich gehe mit Alice zur großen Rutsche.«
Es war Samstagnachmittag, der Tag, bevor es passierte. Ich hatte vom freitäglichen Feierabendbier einen üblen Kater, und wir waren im Cheeky Monkeys, wahrscheinlich dem schlimmstmöglichen Ort, an dem man sich in meinem Zustand aufhalten konnte. Das Cheeky Monkeys war ein riesiger Indoor-Spielplatz voller Schaumstoff-Klettergerüste, Netze, Plastikrutschen und vor allem voller Kinder. Hundert oder mehr überzuckerte Blagen taumelten, kletterten, krabbelten kreuz und quer und pausenlos schreiend über Leitern und Brücken und durch das gepolsterte Labyrinth. Eltern folgten ihnen auf dem Fuß oder krochen auf allen vieren durch die warmen Ausdünstungen ihrer Sprösslinge wie Verdammte in einem längst vergessenen Höllenkreis. Andere, die kurzzeitig von dieser Marter verschont waren, standen in Grüppchen am Rand und tranken Tee und Energydrinks: Frauen mit dunklen Augenringen, die kichernd übereinander lästerten, und dümmlich grinsende Männer, deren Wampen ihre Teenager-T-Shirts sprengten, wenn sie ihre Handykameras zückten.
Oder sie saßen wie ich in einer Ecke und erholten sich von neun Pints Lager, die immer noch durch ihren ansonsten leeren Magen schwappten.
Ich hob Arthur hoch, stand auf und bekam einen so heftigen Schwindelanfall, dass ich drei stirnrunzelnden Jungmüttern fast den Tisch umstieß. Eine schnalzte missbilligend mit der Zunge. Ich murmelte eine Entschuldigung, wankte weiter, um Arthur in der Babyzone abzusetzen, und sank keuchend wieder auf meinen Stuhl. Ich beobachtete ihn. Er sah sich ein bisschen um, dann krabbelte er zu einem anderen kleinen Jungen und begann eine wortlose Auseinandersetzung um einen Plastikhammer. Ein Mädchen brüllte, als ihr zornroter Bruder sie kopfüber von einem Sitzsack schubste. Wo ich auch hinschaute, gab es Streit, aufgebrachte Kleinkinder, die ihr Revier absteckten, Frontalzusammenstöße winziger Seelen. So viel Lärm und Geschrei; ein Leben, das begann, wie es enden würde – als Kampf. Ich schluckte meine aufsteigenden Magensäfte runter, sah mir das alles eine Weile an und fragte mich, was sich alle Männer ständig fragten: Wie zur Hölle war ich hier bloß reingeraten?
Ich war fünfunddreißig und steckte bereits gründlich fest. Ich betrachtete mich – Edgar Hill, verheiratet und Vater zweier Kinder, Eigenheimbesitzer, Engländer, Vollzeitangestellter eines zweckfreien Konzerns, der schon bald in Rauch aufgehen würde – als Produkt einer kranken Umwelt, einer hoffnungslos gescheiterten Zivilisation. Mir war unbegreiflich, wie es überhaupt so weit hatte kommen können. Es war ein Witz, aber ohne Pointe. Wie sollten wir uns um den Planeten kümmern, wenn wir uns nicht mal um unser Land kümmern konnten, unsere Stadt, unsere Gemeinde?
Um unsere Familien. Uns selbst.
Unsere Körper. Unsere Köpfe.
Ich war erst auf halbem Weg in das Alter, wo es normal ist, lethargisch, kalt, verbittert und verwirrt zu sein, aber genau so fühlte ich mich jede Minute, jeden Tag. Ich war übergewichtig. Ich aß doppelte Portionen, trank noch mehr und bewegte mich nie. Langsam aber sicher blähte ich mich auf wie ein Ballon, den man am aufgedrehten Heliumtank vergessen hat. Mein Leben war mir ein Rätsel – jeder Tag ein nebulöses Durcheinander. Mein Job höhlte mich aus. Meine Ehe nagte an mir. Und meine Kinder … na ja, ich war nicht gerade, was man einen engagierten Vater nennt. Ich erfüllte schon irgendwie meine Pflicht, aber sagen wir es mal so: Wenn man sich vor etwas drücken will, kann es verdammt lange dauern, den Müll rauszubringen. Versteht mich nicht falsch, ich habe meine Frau geliebt, und ich habe unsere Kinder geliebt, aber das heißt nicht, dass ich besonders glücklich gewesen wäre. Ehemann und Vater zu sein erfüllte mich mit einer verheerenden Mischung aus Panik und Erschöpfung. Wie wenn man auf einer Klippe steht, und die Augen fallen einem zu.
Liebe meine Frau. Liebe meine Kinder. Man muss mit den Zeitformen aufpassen, wenn die Welt untergeht.
Später fuhren wir, der Cheeky-Monkeys-Hölle endlich entronnen, auf hitzeflirrenden Straßen nach Hause. Der Himmel hatte jenen grellen, farblosen Glanz, den es nur über den Städten und im Hochsommer gibt. Bei dem Wetter waren dreimal so viele Leute unterwegs wie sonst. Wir blieben vor einem Kreisverkehr hängen, und ich sah durch mein offenes Fenster zu, wie ein Auto nach dem anderen heranbrauste, ohne uns durchzulassen. Es war kein Ende abzusehen; es kamen einfach immer mehr. Alice beschwerte sich auf der Rückbank laut kreischend über irgendwelche Ungerechtigkeiten, und Beth versuchte, sie vom Beifahrersitz aus zu beschwichtigen. Arthur fing an zu heulen. Ungeduldige Fahrer hupten, ohne dass ich irgendetwas hätte tun können. Hilflos eingeklemmt stand ich da, während es sich hinter mir immer weiter staute. Die Kinder schrien immer lauter, und ich spürte, wie Beth die Geduld verlor. Und noch immer strömten die Autos ununterbrochen vor der Windschutzscheibe vorbei, eine Sturzflut fremder Existenzen. Mir verschwamm alles vor den Augen, und das Hupen, Schreien und Röhren der Motoren vermischte sich zu einem einzigen lauten, grellen Brei. Ich schloss die Augen und sah die Erde vom Weltall aus, die Biosphäre wie Frischhaltefolie über ihre Kruste gespannt und darunter die Menschheit, zusammengepresst wie eine dicke Schicht Mayonnaise; eine expandierende Masse ohne Ausweg und Sinn.
»ED! FAHR JETZT! FAHR!«
»Maamiiiiiii!«
Ich fuhr an und würgte den Wagen ab. Ein BMW X5 hielt mit kreischenden Bremsen knapp vor unserer Motorhaube. Die platinblonde Monsterbarbie am Steuer keifte und trommelte mit den Fäusten auf ihr Armaturenbrett. Ihr Mann beugte sich pöbelnd aus dem Fenster und wedelte abschätzig mit der Hand. Wieder Hupen und noch mehr Gebrüll. Ich entschuldigte mich gestenreich und fuhr.
Wenn ich ehrlich bin, hatte ich das alles satt. Es ödete mich an, dieses ganze Gezeter, der Mordskrach einer Welt, die von Tag zu Tag immer weniger Sinn ergab, und dieses Leben, das mich im Schwitzkasten hatte. Wenn ich ehrlich bin, war der Untergang – für mich zumindest – eine Erleichterung.
Vielleicht hört sich das herzlos oder egoistisch an. All diese Menschen, all das Leid und das massenhafte Sterben. Aber ging es wirklich nur mir so? Konnte man nicht fast einen kollektiven Seufzer hören, als wäre der Welt eine Last von den Schultern gefallen? Fandet ihr es etwa nicht tröstlich, dass die Show endlich vorüber war, dass wir nicht mehr gezwungen waren, endlos so weiterzumachen?
Vielleicht ging es wirklich nur mir so – man kann aber auch behaupten, dass es mir nicht gerade blendend ging. Ich hatte ganz schön zu kämpfen. Trotzdem machte ich tapfer weiter. Oder besser: Ich taumelte weiter, setzte reflexhaft einen Fuß vor den anderen, erduldete alles, was das Leben mir zu bieten hatte, fraß alles in mich rein, verachtete alles, wollte nur noch, dass alles verschwindet.
Was es dann ja auch tat.
Ich weiß selbst nicht genau, wie es kam. Es dauerte eine Woche. Nur eine Woche, bis die Stimmung aus der seligen Apathie einer sommerlichen Hitzewelle über leichte Besorgnis in nackte Panik kippte und bis alles schlagartig zu Ende war. Eigentlich ist das nicht plausibel. Ich meine, irgendjemand sollte doch, muss doch früher davon gewusst haben. Wenn wir Galaxien am anderen Ende des Universums beim Sterben zusehen und einen Roboter auf dem Mars aussetzen können (der sich vermutlich gerade wundert, dass alles so still geworden ist), hätten wir doch wohl auch bemerken können, was da auf uns zukam.
Vielleicht hatten diese deutschen Astrophysikstudenten ja recht. Die »Wächter«, oder wie sie sich nannten. Ich habe mir aus den sozialen Medien nie viel gemacht (die einen ständig zwangen, irgendetwas zu liken und zu sharen, upzudaten und upzugraden), also kenne ich nicht alle Details, aber ungefähr ein Jahr bevor es passierte, verkündeten die Wächter auf Twitter, sie hätten eine seltsame Beobachtung gemacht, etwas wirklich Ungewöhnliches. Sie posteten dieses berühmte Foto, auf dem ein verschwommener Fleck auf den Ringen des Saturn zu erkennen war, und dann noch eins, das ein dunkles Etwas vor einem der Jupitermonde zeigte. Das Netz wurde hellhörig. Die NASA dementierte kurz und knackig, aber man spürte, dass da etwas nicht stimmte. Ein paar Promis nahmen sich der Sache an, doch als die NASA beharrlich schwieg, kriegten sich alle wieder ein. Es gab ein paar...
Erscheint lt. Verlag | 25.8.2016 |
---|---|
Übersetzer | Nadine Püschel, Gesine Schröder |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Andy Weir • Apokalypse • Asteroidenschauer • Britische inseln • Cornwall • Dauerlauf • Der Marsianer • Diät • Dystopie • Edinburgh • England • Familie • Familiendrama • Laufen • Meteorit • Postapokalypse • Schottland • Science Fiction • Sinnbuch • Sinn des Lebens • Survival • Thriller • Ultra-Marathon • Unterhaltungsroman • Vater • wastelands • Weltuntergang |
ISBN-10 | 3-10-403842-2 / 3104038422 |
ISBN-13 | 978-3-10-403842-1 / 9783104038421 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 1,1 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich