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Geronimo -  Leon de Winter

Geronimo (eBook)

Spiegel-Bestseller
eBook Download: EPUB
2016 | 2. Auflage
448 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60716-1 (ISBN)
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»Geronimo« lautete das Codewort, das die Männer vom Seals Team 6 durchgeben sollten, wenn sie Osama bin Laden gefunden hatten. Doch ist die spektakuläre Jagd nach dem meistgesuchten Mann der Welt wirklich so verlaufen, wie man uns glauben macht? Ein atemberaubender Roman über geniale Heldentaten und tragisches Scheitern, über die Vollkommenheit der Musik und die Unvollkommenheit der Welt, über Liebe und Verlust.

Leon de Winter, geboren 1954 in 's-Hertogenbosch als Sohn niederländischer Juden, arbeitet seit 1976 als freier Schriftsteller und Filmemacher und lebt in den Niederlanden. 2002 erhielt er den ?Welt?-Literaturpreis, 2006 die Buber-Rosenzweig-Medaille für seinen Kampf gegen Antisemitismus, und 2009 wurde er mit dem Literaturpreis der Provinz Brabant für Das Recht auf Rückkehr ausgezeichnet. Seine Romane wurden in 20 Sprachen übersetzt, zuletzt erschienen bei Diogenes ?Ein gutes Herz? (2013) und ?Geronimo? (2016).

{9}Telefongespräche Februar 2012


TOM JOHNSON und VERA BARRANCO

V:

Vera Barranco.

T:

Hallo, Vera.

V:

Tom?

T:

Ja, hi.

V:

He, Tom, ich dachte mir schon, dass du um diese Zeit herum anrufen würdest.

T:

Ja, ich dachte, ich will dich mal kurz anrufen.

V:

Ja, schön. Gut. Puh, ich muss kurz umschalten.

T:

Warst du gerade mit irgendwas beschäftigt?

V:

Ich erwarte gleich einen wichtigen Kunden. Aber ein Minütchen habe ich schon noch für dich. Wie geht’s? Was machst du? Wohnst du noch in London?

T:

Alles okay. Ich schau mich ein bisschen um. Ganz entspannt, glaube ich.

V:

Was ist das für eine Nummer? Von wo rufst du an?

T:

Ich bin jetzt in Israel.

V:

Ach. In Tel Aviv?

T:

Ja, für ein paar Wochen.

V:

Da tut sich viel in der Kunstszene, ich müsste eigentlich auch mal für ein paar Wochen hin. Aber dich sehe ich nicht unbedingt die Galerien ablaufen.

T:

Unterschätz mich nicht.

{10}V:

Habe ich nie getan.

T:

Und du, alles gut?

V:

Ja. Wirklich gut.

T:

Und deine Tochter? Wie alt ist sie jetzt? Ein Jahr, nicht?

V:

Ja, sie ist gerade ein Jahr alt geworden. Sie ist ein Segen. Ich habe deinen Eltern Fotos gemailt, hast du sie gesehen?

T:

Nein, nein.

V:

Ich mail sie dir. Habe ich deine Mailadresse?

T:

Die alte AOL-Adresse tut’s noch.

V:

Sie ist ganz ihr Vater. Oder hätte ich das nicht sagen dürfen?

T:

Wir sind schon sechs Jahre geschieden, du kannst alles sagen.

V:

Was hast du gestern gemacht?

T:

Nichts Besonderes.

V:

Wirklich nicht?

T:

Nein, nichts. Ich hatte nur so eine Idee …

V:

Was?

T:

Es ist viel passiert in den letzten drei, vier Jahren, oder eigentlich schon seit damals natürlich, mit uns und … und mit Sarah, und ich dachte, ich schreibe das mal alles auf.

V:

Warum?

T:

Um das Ganze abzurunden.

V:

Für ein Buch?

T:

Nein, nur für mich. Zur Vervollständigung. Um Klarheit zu gewinnen.

V:

Aber doch wohl kein Buch, oder?

T:

Kein Buch. Nur so etwas wie buchhälterische Vollständigkeit.

{11}V:

Wenn das hilf‌t, ja, warum nicht?

T:

Das dachte ich auch. Nicht, um es zu veröffentlichen.

V:

Wozu sollte das gut sein?

T:

Eben. Was hast du gestern gemacht?

V:

Ganz normal gearbeitet. Zwischendrin geweint. Sonst nichts Besonderes.

T:

Sie wäre neun geworden.

V:

Ich weiß, Tom.

T:

Ich hätte doch gern noch einmal …

V:

Noch einmal was?

T:

Es ist schiefgelaufen zwischen uns, weil wir vielleicht nicht genug darüber geredet haben.

V:

Du klingst jetzt ein bisschen wie ’ne zickige Psychotante. Entschuldige, wenn ich das sage.

T:

Wir haben nie richtig darüber geredet.

V:

Wir haben bis zum Umfallen darüber geredet.

T:

Für mein Empfinden nicht. Ich hab’s nicht kapiert.

V:

Wir haben geredet und geredet und geredet. Wir wissen, woran es zerbrochen ist, mein Lieber.

T:

Woran?

V:

Schuldgefühle. Daran ist alles zerbrochen. Bei jedem von uns auf seine Weise. Aber für mich ist das passé. Ich habe gestern sehr, sehr lange geweint und an Sarah gedacht, und zwischendrin habe ich mein Baby an mich gedrückt. [Ja, ich komme!] Mein Kunde ist da, Tom, tut mir leid. Rufst du ein andermal an?

T:

Mach ich. Viel, viel, whatever, Glück, Erfolg!

V:

Dir auch!

*

{12}V:

Tom?

T:

Vera? Hallo.

V:

Oh, entschuldige, mir fällt plötzlich ein, shit, bei dir muss es ja mitten in der Nacht sein. Wie spät ist es dort jetzt?

T:

Mal schauen. Halb fünf. Morgens.

V:

Oh, das tut mir leid, daran habe ich überhaupt nicht gedacht.

T:

Macht nichts. Ich bin immer früh auf. Gehe hier um sechs Uhr raus, am Strand spazieren.

V:

Wohnst du in einem schönen Hotel?

T:

Ich hab über Airbnb ein kleines Apartment gemietet.

V:

Ist das gut? Hab ich noch nie gemacht.

T:

Warum solltest du auch, du bist ja steinreich. Aber einfache Landstreicher wie ich müssen das wohl oder übel, wenn sie irgendwo ein paar Wochen bleiben wollen. Man muss genau hingucken, wenn man sich etwas aussucht, aber ansonsten geht das prima. Ich wohne ganz zentral, mit schöner Dachterrasse und Blick über die Stadt. Hab keine Vorhänge im Schlafzimmer, das ist doof, aber sonst alles okay. Woher hast du meine Telefonnummer?

V:

War in der Anrufliste von heute morgen.

T:

Wie ist es gelaufen mit deinem Kunden?

V:

Ich habe ihm die Arbeiten eines jungen Malers gezeigt. Einer von hier. Großes Talent. Indianische roots. Halb abstrakt, halb figurativ. Der Kunde ist ein großer Sammler. Er kommt morgen noch mal wieder. Macht eine kleine Tour durch die Galerien hier. Ich bin zuversichtlich. Der Künstler wird selbst dabei sein. Er hätte {13}eigentlich heute Morgen schon dabei sein sollen, aber da hat er im Guesthouse seinen Rausch ausgeschlafen.

T:

Deinem Guesthouse?

V:

Ja, wir haben ein Guesthouse. Und nicht nur eines, sondern drei. Ist nicht ungewöhnlich in Ricks Gesellschaftsschicht.

T:

Hast du einen Chauffeur?

V:

Nein, ich fahre selbst, Tom. Höre ich da so etwas wie Neid?

T:

Ich gönne es dir. Wie Rick das geschafft hat, ist mir ein Rätsel. Phantastisch.

V:

Ja, er ist unglaublich.

T:

Ja.

V:

Ja.

T:

Wie gut, dass du anrufst.

V:

Ja, ich dachte, ich ruf dich zurück. Das Gespräch heute Morgen war ja doch ein bisschen komisch.

T:

Ja. Ich dachte, ich muss dich anrufen, Sarahs Geburtstag, wie sonst.

V:

Ja, ist gut, ist nicht schlimm, wirklich.

T:

Ich hocke hier rum und starre irgendwie monomanisch vor mich hin, und da dachte ich …

V:

Kennst du denn dort niemanden?

T:

Doch, doch. Ich habe Kontakte und so. Ich brauche mich nicht zu langweilen.

V:

Du wolltest Dinge aufschreiben.

T:

Ja, aber das klingt so offiziell. Es ist einfach nur für mich. Nichts Besonderes.

V:

Über damals?

T:

Ja. Damals.

{14}V:

Du musst nach vorne sehen, Tommy. Wirklich. Wie steht es um deine Gesundheit?

T:

Geht. Alles funktioniert. Aber wenn ich ein paar Stunden auf den Beinen war, bin ich echt müde. Ich fahre viel Fahrrad.

V:

Ach. Da kann man Fahrrad fahren?

T:

Ja, eine echt gute Stadt zum Radfahren. Echt gut. Es gibt auch einen schönen Weg am Strand entlang. Fährst du da drüben auch Rad?

V:

Nein. Wenn wir in L.A. sind, schon, aber nicht hier.

T:

Habt ihr auch ein Haus in L.A.?

V:

In den Palisades, ja. Mit Blick auf den Pazifik. Bin gern dort.

T:

Das kann ich mir vorstellen.

V:

Und, äh, hast du schon angefangen zu schreiben?

T:

Nein, noch nicht.

V:

Ich möchte eigentlich nicht mehr daran denken, Tom. Gestern schon, natürlich. Dann denke ich nur an sie. Aber sonst … So wenig wie möglich. Und das heißt nicht, dass ich Sarah nicht geliebt habe. Im Gegenteil. Alles tut weh.

T:

Das verstehe ich, Liebling.

V:

Aber durch deinen Anruf, verstehst du?

T:

Verstehe ich.

V:

Es gibt wirklich Wochen, in denen ich keine Sekunde daran denke, dass sie nicht mehr da ist.

T:

Ja, wie gut.

V:

Manchmal schon. Tagelang. Aber manchmal auch nicht. Dann ist er weg, der Schmerz.

T:

Das machst du gut.

{15}V:

Ich weiß nicht. Es geht von selbst. Und du?

T:

Weniger, glaube ich.

V:

Weniger?

T:

Ja. Es gibt so Phasen. Da überfällt es mich richtig, da ist es wieder da. Alles.

V:

Ja?

T:

Ja.

V:

Du hast niemanden.

T:

Wie meinst du das?

V:

Ich meine: Vielleicht hättest du auch wieder heiraten sollen. Oder klingt das...

Erscheint lt. Verlag 24.8.2016
Übersetzer Hanni Ehlers
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Afghanistan • Bach • Bach, Johann Sebastian • Barack • CIA • Flüchtling • Goldberg-Variationen • Johann Sebastian • Kill or capture • Liebesgeschichte • Niederlande • Obama • Obama, Barack • Operation Neptune`s Spear • Osama bin Laden • Pakistan • Politthriller • Seals Team 6 • Spannung • Taliban
ISBN-10 3-257-60716-4 / 3257607164
ISBN-13 978-3-257-60716-1 / 9783257607161
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