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Das dreißigste Jahr (eBook)

Erzählungen
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
192 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-97454-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das dreißigste Jahr -  Ingeborg Bachmann
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Mit ihren berühmten Erzählungen bewies Ingeborg Bachmann, dass ihre Prosa die gleiche einmalige Kraft hat wie ihre Lyrik. In ihnen vermag sie mithilfe der Sprache der Bilder und Mythen alles über Liebe, Menschen und Verzweiflung zu sagen. Ihren Gestalten ist eines gemeinsam: das Leiden an der ungeheuerlichen Kränkung, die das Leben ist. »Wenn einer in sein dreißigstes Jahr geht, wird man nicht aufhören, ihn jung zu nennen. Er selber aber, obgleich er keine Veränderungen an sich entdecken kann, wird unsicher; ihm ist, als stünde es ihm nicht mehr zu, sich für jung auszugeben.«

Ingeborg Bachmann gilt als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen und Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts.  Sie wurde am 25. Juni 1926 in Klagenfurt, Österreich geboren. Bachmanns Karriere als Schriftstellerin Nach ihrem ersten Studienjahr in Innsbruck und Graz (1945/46) gelang ihr mit der Erzählung »Die Fähre« die erste Veröffentlichung. Sie setzte ihr Studium der Philosophie, Germanistik und Psychologie in Wien fort, wo sie unter anderen Paul Celan, Hans Weigel, Ilse Aichinger und Victor Kraft traf. Nach ihrer Promotion mit einer Dissertation über »Die kritische Aufnahme der Existentialphilosophie Martin Heideggers« im Jahr 1949 veröffentlichte sie erste Gedichte in der Zeitschrift Lynkeus und Erzählungen in der Wiener Tageszeitung. Bachmann arbeitete auch an einem ersten, unveröffentlichten und verschollenen Roman »Stadt ohne Namen«. Nach ihrem Studium arbeitete sie für den amerikanischen Sender Rot-Weiß-Rot und schrieb Dramen, Rundfunkessays und Hörspiele, darunter »Ein Geschäft mit Träumen« (1952), »Die Zikaden«(1955) und »Der gute Gott von Manhattan« (1958). Bachmanns Überzeugung, dass nur Literatur und Kunst die existenziellen Grunderlebnisse des modernen Menschen ausdrücken können, entstand aus der Perspektive der Wiener Schule, der neopositivistischen Wissenschaftstheorie ihres Doktorvaters Victor Kraft und der Sprachkritik Ludwig Wittgensteins. Ihre Beschäftigung mit Viktor E. Frankls psychotherapeutischer Forschung und ihrer Freundschaft mit dem Dichter Paul Celan, dessen Familie zu den Opfern des Holocaust gehörte, führten zu einer »tiefgreifenden Verwandlung ihres Denkens und Schreibens« im Sinne eines kritischen Ethos. Lyrik und Musik Bachmanns erster Lyrikband »Die gestundete Zeit« (1953), für den sie den renommierten Preis der Gruppe 47 erhielt, appellierte an das kritische Gewissen der Zeitgenossen angesichts des Kalten Krieges und der gesellschaftlichen Restauration. In ihrem zweiten Gedichtband »Anrufung des Großen Bären«(1956) kehrte sie zu traditionelleren lyrischen Formen zurück. Bachmanns Synthese von Zeitkritik, literarischer Moderne und lyrischer Tradition bildete die Grundlage ihres raschen Aufstiegs zur wichtigsten deutschsprachigen Dichterin der Nachkriegszeit. Auf Einladung des Komponisten Hans Werner Henze brach Bachmann im Sommer 1953 nach Italien auf, um dort eine Existenz als freie Schriftstellerin zu begründen. Die Freundschaft und Zusammenarbeit mit Henze, der sie insbesondere in die Welt der Oper einführt, schlägt sich u.a. in den Opernlibretti »Der Prinz von Homburg« (1958) und »Der junge Lord« (1965) sowie in theoretischen Überlegungen zum Verhältnis von Musik und Dichtung nieder. Die Rolle der Literatur in der Nachkriegszeit In den zehn Jahren nach dem Aufbruch aus Wien lebte sie in Rom, München, Neapel und Zürich und eröffnete im Wintersemester 1959/60 die Frankfurter Vorlesungen zur Problematik zeitgenössischer Dichtung. Dabei fasste sie ihre poetologischen Überlegungen erstmals systematisch zusammen und verortete sie im Prozess der Moderne literarhistorisch. Bachmann vertraute der Fähigkeit der Literatur, angesichts der verzweiflungsvollen »Dunkelhaft der Welt« unsere Möglichkeiten zu erweitern. Diese Haltung spiegelt sich in ihren Erzählungen des Bandes »Das dreißigste Jahr« wider. Beziehung mit Max Frisch Zwischen 1958 und 1962 waren sie das Traumpaar der deutschen Literatur. Die Trennung von Max Frisch 1962 fiel mit einer Lebenskrise zusammen, die den Ausgangspunkt für einen literarischen Neuansatz bildete. Die Erfahrungen von Schmerz und existenziellen Krisen fanden sich u.a. in ihrem »Todesarten«-Projekt. Am 17. Oktober 1973 starb Ingeborg Bachmann im Alter von 47 Jahren in Rom an den Folgen eines Brandunfalls.

Ingeborg Bachmann wurde am 25. Juni 1926 als erstes von drei Kindern des Volksschullehrers Matthias Bachmann (1895-1973) und seiner Frau Olga (geb. Haas, 1901-1998) in Klagenfurt (Österreich) geboren. Ihre Mutter stammt aus dem an ›Böhmen‹ und Ungarn grenzenden Niederösterreich, ihr Vater aus Obervellach bei Hermagor im Kärntner Gailtal, wo die Familie in Ingeborg Bachmanns Kindheit oft Ferien verbrachte. Dieser Kärntner Grenzraum im Dreiländereck Österreich-Italien-Slowenien repräsentiert für die Autorin später "ein Stück wenig realisiertes Österreich (...), eine Welt, in der viele Sprachen gesprochen werden und viele Grenzen verlaufen" (WIV, 302), und damit die Utopie eines gewaltfreien Miteinanders der Völker, die bereits der ebenfalls in Klagenfurt geborene Autor Robert Musil (1880-1942), Bachmanns wohl wichtigster Bezugspunkt in der literarischen Moderne Österreichs, mythisierend auf das Kaiserreich Österreich-Ungarn als Vielvölkerstaat projiziert hatte. Noch in dem Roman Malina steht dieses "Haus Österreich" als literarische Utopie für eine "geistige Formation", die kritisch gegen die Verkrustungen der österreichischen Nachkriegsgesellschaft und gegen die Verdrängung des österreichischen Anteils an der Katastrophe des Nationalsozialismus gewendet wird, um zugleich gegen die wachsende kulturelle Dominanz Westdeutschlands einen spezifisch österreichischen "Erfahrungsfundus, Empfindungsfundus" zu behaupten.  Rückblickend nach dem Erscheinen des Romans Malina (1971) hat die Autorin den "Einmarsch von Hitlers Truppen in Klagenfurt" (im Rahmen des ›Anschlusses‹ Österreichs an das Deutsche Reich am 12.  März 1938) symbolisch zum biographischen Ausgangspunkt ihres Schreibens erklärt und als "einen zu frühen Schmerz" bezeichnet, mit dem ihre "Erinnerung" anfange. Mit dieser Pointierung unterstreicht sie die moralische Verpflichtung und zeitkritische Ausrichtung ihres literarischen Werks als ein "Schreiben gegen den Krieg" (Höller 2004), das seine "Problemkonstanten" in der Auseinandersetzung mit den Verflechtungen von ›kleiner‹ und "großer GESCHICHTE" (TKA 1, 53), Individual- und Zeitgeschichte im Zeichen gesellschaftlicher Gewalt findet.  Bachmann beginnt schon als Schülerin in Klagenfurt zu schreiben, bis ihr nach ihrem ersten, in Innsbruck und Graz verbrachten Studienjahr (1945/46) mit der Erzählung Die Fähre schließlich die erste Veröffentlichung gelingt. Im September 1946 vollzieht sie den eigentlichen Aufbruch aus der Provinz, indem sie ihr Studium der Philosophie (mit den Nebenfächern Germanistik und Psychologie) in Wien fortsetzt, wo sie zugleich den Kontakt zur Wiener Literaturszene sucht. Aufgrund der offiziellen Anerkennung Österreichs durch die Alliierten als das ›erste Opfer Hitler-Deutschlands‹ konnte das literarische Leben in Wien nach 1945 unmittelbarer als in Deutschland an die Vorkriegszeit anknüpfen, und so haben Repräsentanten der älteren Autorengeneration wie Heimito von Doderer (1896-1966) und jüdische Remigranten wie Hermann Hakel (1911-1987) und Hans Weigel (1908-1991) an Bachmanns literarischem Debüt in den Publikationsorganen der Wiener Nachkriegsliteratur wesentlichen Anteil. Das Jahr 1949 markiert mit Bachmanns Dissertation über Die kritische Aufnahme der Existentialphilosophie Martin Heideggers nicht nur den Abschluss des Studiums, sondern auch die Professionalisierung ihrer schriftstellerischen Arbeit durch die Veröffentlichung erster Gedichte in der Zeitschrift Lynkeus und einer Reihe von Erzählungen in der Wiener Tageszeitung.

Jugend in einer österreichischen Stadt


An schönen Oktobertagen kann man, von der Radetzkystraße kommend, neben dem Stadttheater eine Baumgruppe in der Sonne sehen. Der erste Baum, der vor jenen dunkelroten Kirschbäumen steht, die keine Früchte bringen, ist so entflammt vom Herbst, ein so unmäßiger goldner Fleck, daß er aussieht, als wäre er eine Fackel, die ein Engel fallen gelassen hat. Und nun brennt er, und Herbstwind und Frost können ihn nicht zum Erlöschen bringen.

Wer möchte drum zu mir reden von Blätterfall und vom weißen Tod, angesichts dieses Baums, wer mich hindern, ihn mit Augen zu halten und zu glauben, daß er mir immer leuchten wird wie in dieser Stunde und daß das Gesetz der Welt nicht auf ihm liegt?

In seinem Licht ist jetzt auch die Stadt wieder zu erkennen, mit blassen genesenden Häusern unter dunklen Ziegelschöpfen, und der Kanal, der vom See hin und wieder ein Boot hineinträgt, das in ihrem Herzen anlegt. Wohl ist der Hafen tot, seit die Frachten schneller von Zügen und auf Lastwagen in die Stadt gebracht werden, aber von dem hohen Kai fallen noch Blüten und Obst hinunter aufs vertümpelte Wasser, der Schnee stürzt ab von den Ästen, das Tauwasser läuft lärmend hinunter, und dann schwillt er gern noch einmal an und hebt eine Welle und mit der Welle ein Schiff, dessen buntes Segel bei unserer Ankunft gesetzt wurde.

In diese Stadt ist man selten aus einer anderen Stadt gezogen, weil ihre Verlockungen zu gering waren; man ist aus den Dörfern gekommen, weil die Höfe zu klein wurden, und hat am Stadtrand eine Unterkunft gesucht, wo sie am billigsten war. Dort waren auch noch Felder und Schottergruben, die großen Gärtnereien und die Bauplätze, auf denen jahrelang Rüben, Kraut und Bohnen, das Brot der ärmsten Siedler, geerntet wurden. Diese Siedler hoben ihre Keller selbst aus. Sie standen im Grundwasser. Sie zimmerten ihre Dachbalken selbst an den kurzen Abenden zwischen Frühling und Herbst und weiß Gott, ob sie ein Richtfest gesehen haben vor ihrem Absterben.

Ihren Kindern kam es darauf nicht an, denn die wurden schon eingeweiht in die unbeständigen Gerüche der Ferne, wenn die Kartoffelfeuer brannten und die Zigeuner sich, flüchtig und fremdsprachig, niederließen im Niemandsland zwischen Friedhof und Flugplatz.

In dem Mietshaus in der Durchlaßstraße müssen die Kinder die Schuhe ausziehen und in Strümpfen spielen, weil sie über dem Hausherrn wohnen. Sie dürfen nur flüstern und werden sich das Flüstern nicht mehr abgewöhnen in diesem Leben. In der Schule sagen die Lehrer zu ihnen: Schlagen sollte man euch, bis ihr den Mund auftut. Schlagen … Zwischen dem Vorwurf, zu laut zu sein, und dem Vorwurf, zu leise zu sein, richten sie sich schweigend ein.

Die Durchlaßstraße hat ihren Namen nicht von dem Spiel, in dem die Räuber durchmarschieren, aber die Kinder dachten lange, das wäre so. Erst später, als die Beine sie weiter trugen, haben sie den Durchlaß gesehen, die kleine Unterführung, über die der Zug nach Wien fährt. Hier mußten die Neugierigen hindurch, die zum Flugfeld wollten, über die Felder, quer durch die Herbststickereien. Jemand ist auf die Idee gekommen, den Flugplatz neben den Friedhof zu legen, und die Leute in K. meinten, es sei günstig für die Beerdigung der Piloten, die eine Zeitlang Übungsflüge machten. Die Piloten taten niemand den Gefallen, abzustürzen. Die Kinder brüllten immer: Ein Flieger! Ein Flieger! Sie hoben ihnen die Arme entgegen, als wollten sie sie einfangen, und starrten in den Wolkenzoo, in dem sich die Flieger zwischen Tierköpfen und Larven bewegten.

Die Kinder lösen von den Schokoladetafeln das Silberpapier und flöten darauf ›Das Maria Saaler G’läut‹. Die Kinder lassen sich in der Schule von einer Ärztin den Kopf nach Läusen absuchen. Die Kinder wissen nicht, wieviel es geschlagen hat, denn die Uhr auf der Stadtpfarrkirche ist stehengeblieben. Sie kommen immer zu spät von der Schule heim. Die Kinder! (Sie wissen zur Not, wie sie heißen, aber sie horchen nur auf, wenn man sie »Kinder« ruft.)

Aufgaben: Unter- und Oberlängen, steilschriftig, Übungen im Horizontgewinn und Traumverlust, auswendig Gelerntes auf Gedächtnisstützen. In der Ausdünstung von Ölböden, von ein paar Hundert Kinderleben, Zwergenmänteln, verbranntem Radiergummi, zwischen Tränen und Tadel, Eckenstehen, Knien und unstillbarem Schwätzen sind zu leisten: ein Alphabet und das Einmaleins, eine Rechtschreibung und zehn Gebote.

Die Kinder legen alte Worte ab und neue an. Sie hören vom Berg Sinai und sie sehen den Ulrichsberg mit seinen Rübenfeldern, Lärchen und Fichten, von Zeder und Dornbusch verwirrt, und sie essen Sauerampfer und nagen die Maiskolben ab, eh sie hart und reif werden, oder tragen sie nach Hause, um sie auf der Holzglut zu rösten. Die nackten Kolben verschwinden in der Hoizkiste und werden zum Unterzünden verwendet, und Zeder und Ölbaum wurden nachgelegt, schwelten darauf, wärmten aus der Ferne und warfen Schatten auf die Wand.

Zeit der Trophäen, Zeit der Weihnachten, ohne Blick voraus, ohne Blick zurück, Zeit der Kürbisnächte, der Geister und Schrecken ohne Ende. Im Guten, im Bösen: hoffnungslos.

Die Kinder haben keine Zukunft. Sie fürchten sich vor der ganzen Welt. Sie machen sich kein Bild von ihr, nur von dem Hüben und Drüben, denn es läßt sich mit Kreidestrichen begrenzen. Sie hüpfen auf einem Bein in die Hölle und springen mit beiden Beinen in den Himmel.

Eines Tages ziehen die Kinder um in die Henselstraße. In ein Haus ohne Hausherr, in eine Siedlung, die unter Hypotheken zahm und engherzig ausgekrochen ist. Sie wohnen zwei Straßen weit von der Beethovenstraße, in der alle Häuser geräumig und zentralgeheizt sind, und eine Straße weit von der Radetzkystraße, durch die, elektrischrot und großmäulig, die Straßenbahn fährt. Sie sind Besitzer eines Gartens geworden, in dem vorne Rosen gepflanzt werden und hinten kleine Apfelbäume und Ribiselsträucher. Die Bäume sind nicht größer als sie selber, und sie sollen miteinander groß werden. Sie haben links eine Nachbarschaft mit Boxerhund und rechts Kinder, die Bananen essen, Reck und Ringe im Garten aufgemacht haben und schwingend den Tag verbringen. Sie freunden sich mit dem Hund Ali an und rivalisieren mit den Nachbarskindem, die alles besser können und besser wissen.

Noch lieber sind sie unter sich, nisten sich auf dem Dachboden ein und schreien manchmal laut im Versteck, um ihre verkrüppelten Stimmen auszuprobieren. Sie stoßen leise kleine Rebellenschreie vor Spinnennetzen aus.

Der Keller ist ihnen verleidet von Mäusen und vom Apfelgeruch. Jeden Tag hinuntergehen, die faulen Bluter heraussuchen, ausschneiden und essen! Weil der Tag nie kommt, an dem alle faulen Apfel gegessen sind, weil immer Äpfel nachfaulen und nichts weggeworfen werden darf, hungert sie nach einer fremden verbotenen Frucht. Sie mögen die Äpfel nicht, die Verwandten und die Sonntage, an denen sie auf dem Kreuzberg über dem Haus spazierengehen müssen, Blumen bestimmend, Vögel bestimmend.

Im Sommer blinzeln die Kinder durch grüne Läden in die Sonne, im Winter bauen sie einen Schneemann und stecken ihm Kohlenstücke an Augenstatt. Sie lernen Französisch. Madeleine est une petite fille. Elle est à la fenêtre. Elle regarde la rue. Sie spielen Klavier. Das Champagnerlied. Des Sommers letzte Rose. Frühlingsrauschen.

Sie buchstabieren nicht mehr. Sie lesen Zeitungen, aus denen der Lustmörder entspringt. Er wird zum Schatten, den die Bäume in der Dämmerung werfen, wenn man von der Religionsstunde heimkommt, und er ruft das Geräusch des bewegten Flieders längs der Vorgärten hervor; die Schneeballbüsche und der Phlox teilen sich und geben einen Augenblick lang seine Gestalt preis. Sie fühlen den Griff des Würgers, das Geheimnis, das sich im Wort Lust verbirgt und das mehr zu fürchten ist als der Mörder.

Die Kinder lesen sich die Augen wund. Sie sind übernächtig, weil sie abends zu lang im wilden Kurdistan waren oder bei den Goldgräbern in Alaska. Sie liegen auf der Lauer bei einem Liebesdialog und möchten ein Wörterbuch haben für die unverständliche Sprache. Sie zerbrechen sich den Kopf über ihre Körper und einen nächtlichen Streit im Elternzimmer. Sie lachen bei jeder Gelegenheit, sie können sich kaum halten und fallen von der Bank vor Lachen, stehen auf und lachen weiter, bis sie Krämpfe bekommen.

Der Lustmörder wird aber bald in einem Dorf gefunden, im Rosental, in einem Schuppen, mit Heufransen und dem grauen Fotonebel im Gesicht, der ihn für immer unerkennbar macht, nicht nur in der Morgenzeitung.

Es ist kein Geld im Haus. Keine Münze fällt mehr ins Sparschwein. Vor Kindern spricht man nur in Andeutungen. Sie können nicht...

Erscheint lt. Verlag 24.6.2016
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Beobachtungen • Buch • Bücher • Deutsche Literatur nach 45 • Erzählungen • Gruppe 47 • Ingeborg Bachmann • Kanon • Klagenfurt • Klassiker • Leben • Liebe • Nachkriegszeit • Prosa • Verzweiflung
ISBN-10 3-492-97454-6 / 3492974546
ISBN-13 978-3-492-97454-7 / 9783492974547
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