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Sturm und Drang. Ein Schauspiel -  Friedrich Maximilian Klinger

Sturm und Drang. Ein Schauspiel (eBook)

Klinger, Friedrich Maximilian - Deutsch-Lektüre, Deutsche Klassiker der Literatur - 14002
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
192 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-960969-0 (ISBN)
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Klingers 1776 entstandenes Schauspiel Sturm und Drang gab einer kurzen und doch einflussreichen literarischen Epoche der deutschen Literatur den Namen. Treffend bringt der Titel zum Ausdruck, was die junge Autorengeneration damals bewegte: dem leidenschaftlichen Ausdruck den Vorrang zu geben vor strengem Formwillen und gesellschaftlichen Konventionen. Klingers Stück, eine rasante Verwechslungskomödie, in der man unschwer das große Vorbild Shakespeare erkennt, spielt in Amerika zur Zeit des Unabhängigkeitskriegs. Das zum Kernbestand der Universal-Bibliothek zählende Drama liegt mit dieser Neuausgabe in einem aufgefrischten Erscheinungsbild vor. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Friedrich Maximilian Klinger (17.2.1752 Frankfurt a. M. - 25.2.1831 Dorpat, Tartu, Estland) begann ein Jurastudium in Gießen, das er jedoch für eine Karriere als Schriftsteller aufgab. Als erfolgreicher Dramaturg und Schauspieler war er Teil der Theatertruppe Abel Seylers. Klinger gehört zu den bedeutendsten Dramatikern des Sturm und Drang. Seinem gleichnamigen Stück großen Ruhms 'Sturm und Drang' folgten historische Dramen und auf die Gegenwart bezogene Bearbeitungen antiker Stoffe.

Friedrich Maximilian Klinger (17.2.1752 Frankfurt a. M. – 25.2.1831 Dorpat, Tartu, Estland) begann ein Jurastudium in Gießen, das er jedoch für eine Karriere als Schriftsteller aufgab. Als erfolgreicher Dramaturg und Schauspieler war er Teil der Theatertruppe Abel Seylers. Klinger gehört zu den bedeutendsten Dramatikern des Sturm und Drang. Seinem gleichnamigen Stück großen Ruhms "Sturm und Drang" folgten historische Dramen und auf die Gegenwart bezogene Bearbeitungen antiker Stoffe.

Sturm und Drang (1776)

Anhang
Zu dieser Ausgabe
Anmerkungen
Dokumente zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte
Johann Caspar Lavater: Genie
Zeittafel
Bibliographie
Nachwort

[7][(3)] Erster Akt.


Erste Scene.


(Zimmer im Gasthofe.)

Wild. La Feu. Blasius. (treten auf in Reisekleidern.)

 

WILD. Heyda! nun einmal in Tumult und Lermen, daß die Sinnen herumfahren wie Dach-Fahnen beym Sturm. Das wilde Geräusch hat mir schon so viel Wohlseyn entgegen gebrüllt, daß mir’s würklich ein wenig anfängt besser zu werden. So viel Hundert Meilen gereiset um dich in vergessenden Lermen zu bringen – Tolles Herz! du sollst mirs danken! Ha! tobe und spanne dich dann aus, labe dich im Wirrwar! – Wie ists Euch?

[4] BLASIUS. Geh zum Teufel! Kommt meine Donna nach?

LA FEU. Mach dir Illusion Narr! sollt’ mir nicht fehlen, sie von meinem Nagel in mich zu schlürfen, wie einen Tropfen Wasser. Es lebe die Illusion! – Ey! ey, Zauber meiner Phantasie, wandle in den Rosengärten von Phillis Hand geführt –

WILD. Stärk dich Apoll närrischer Junge!

LA FEU. Es soll mir nicht fehlen, das schwarze verrauchte Haus gegen über, mit sammt dem alten Thurm, in ein Feenschloß zu verwandeln. Zauber, Zauber Phantasie! – (lauschend) Welch lieblich, geistige Symphonien treffen mein Ohr? – – Beym Amor! ich will mich in ein alt Weib verlieben, in einem alten, baufälligen Haus wohnen, meinen zarten Leib in stinkenden Mistlachen baden, bloß um meine Phantasie zu scheren. Ist keine alte Hexe da mit der ich scharmiren könnte? Ihre Runzeln sollen [8]mir zu Wellenlinien der Schönheit werden; ihre herausstehende schwarze Zähne, zu marmornen Säulen an Dianens Tempel; ihre herabhangende lederne Zizzen, Helenens Busen übertreffen. Einen so aufzutrocknen, wie mich! – He meine phantastische Göttin! – Wild, ich kann dir sagen, ich hab mich brav ge[5]halten die Tour her. Hab Dinge gesehen, gefühlt, die kein Mund geschmeckt, keine Nase gerochen, kein Aug’ gesehen, kein Geist erschwungen –

WILD. Besonders wenn ich dir die Augen zuband. Ha! Ha!

LA FEU. Zum Orkus! du Ungestüm! – Aber sag’ mir nun auch einmal, wo sind wir in der würklichen Welt jetzt. In London doch?

WILD. Freylich. Merktest du denn nicht daß wir uns einschiften? Du warst ja Seekrank.

LA FEU. Weiß von allem nichts, bin an allem unschuldig? – Lebt denn mein Vater noch? Schick doch einmal zu ihm Wild, und laß ihm sagen, sein Sohn lebe noch. Käme so eben von den Pyrenäischen Gebürgen aus Frießland. Weiter nichts.

WILD. Aus Frießland? –

LA FEU. In welchem Viertel der Stadt sind wir dann?

WILD. In einem Feenschloß la Feu! Siehst du nicht den goldnen Himmel? die Amors und Amouretten? die Damen und Zwerchen?

LA FEU. Bind mir die Augen zu! (Wild bindet ihm zu) Wild! Esel! Wild! Ochse! nicht zu hart! [6] (Wild bindet ihn los) He! Blasius, lieber bißiger, kranker Blasius, wo sind wir?

BLASIUS. Was weiß ich.

WILD. Um euch auf einmal aus dem Traum zu helfen, so [9]wißt; daß ich euch aus Rußland nach Spanien führte, weil ich glaubte, der König fange mit dem Mogol Krieg an. Wie aber die Spanische Nation träge ist, so wars auch hier. Ich packte euch also wieder auf, und nun seyd ihr mitten im Krieg in Amerika. Ha laßt michs nur recht fühlen auf Amerikanischen Boden zu stehn, wo alles neu, alles bedeutend ist. Ich trat ans Land – O! daß ich keine Freude rein fühlen kann!

LA FEU. Krieg und Mord! o meine Gebeine! o meine Schutzgeister! – So gieb mir doch ein Feenmärchen! o weh mir!

BLASIUS. Daß dich der Donner erschlug, toller Wild! was hast du wieder gemacht? Ist Donna Isabella noch? He! willst du reden! meine Donna!

WILD. Ha! Ha! Ha! du wirst ja einmal ordentlich aufgebracht.

BLASIUS. Aufgebracht? Einmal aufgebracht? Du sollst mirs mit deinem Leben bezahlen, Wild! [7] Was? bin wenigstens ein freyer Mensch. Geht Freundschaft so weit, daß du in deinen Rasereyen einen durch die Welt schleppst wie Kuppelhunde? Uns in die Kutsche zu binden, die Pistole vor die Stirn zu halten, immer fort, klitsch! klatsch! In der Kutsche essen, trinken, uns für Rasende auszugeben. In Krieg und Getümmel von meiner Paßion weg, das einzige was mir übrig blieb –

WILD. Du liebst ja nichts Blasius.

BLASIUS. Nein, ich lieb nichts. Ich habs so weit gebracht, nichts zu lieben, und im Augenblick alles zu lieben, und im Augenblick alles zu vergessen. Ich betrüg alle Weiber, dafür betrügen und betrogen mich alle Weiber. Sie haben mich geschunden und zusammen gedrückt, das [10]Gott erbarm! Ich hab’ alle Figuren angenommen. Dort war ich Stutzer, dort Wildfang, dort tölpisch, dort empfindsam, dort Engelländer, und meine größte Conquette machte ich, da ich nichts war. Das war bey Donna Isabella. Um wieder zurück zu kommen – deine Pistolen sind geladen –

WILD. Du bist ein Narr, Blasius, und verstehst keinen Spaß.

[8] BLASIUS. Schöner Spaß dies! Greif zu! ich bin dein Feind den Augenblick.

WILD. Mit dir mich schießen! Sieh, Blasius! ich wünschte jetzt in der Welt nichts als mich herum zu schlagen, um meinem Herzen einen Lieblings-Schmauß zu geben. Aber mit dir? Ha! Ha! (hält ihm die Pistole vor) Sieh ins Mundloch und sag, ob dirs nicht größer vorkommt als ein Thor in London? Sey gescheid Freund! Ich brauch und lieb euch, und ihr mich vielleicht auch. Der Teufel konnte keine größre Narren und Unglücks-Vögel zusammen führen, als uns. Deßwegen müssen wir zusammen bleiben, und auch des Spaßes halben. Unser Unglück kommt aus unserer eigenen Stimmung des Herzens, die Welt hat dabey gethan, aber weniger als wir.

BLASIUS. Toller Kerl! ich bin ja ewig am Bratspieß.

LA FEU. Mich haben sie lebendig geschunden, und mit Pfeffer eingepökelt. – Die Hunde!

WILD. Wir sind nun mitten im Krieg hier, die einzige Glückseligkeit die ich kenne, im Krieg zu seyn. Genießt der Scenen, thut was ihr wollt.

LA FEU. Ich bin nicht fürn Krieg.

BLASIUS. Ich bin für nichts.

[9] WILD. Gott mach’ Euch noch matter! – Es ist mir wieder [11]so taub vorm Sinn. So gar dumpf. Ich will mich über eine Trommel spannen lassen, um eine neue Ausdehnung zu kriegen. Mir ist so weh wieder. O könnte ich in dem Raum dieser Pistole existiren, bis mich eine Hand in die Luft knallte. O Unbestimmtheit! wie weit, wie schief führst du den Menschen!

BLASIUS. Was solls aber hier am Ende noch werden?

WILD. Daß Ihr nichts seht! Um aus der gräßlichen Unbehaglichkeit und Unbestimmtheit zu kommen, mußt’ ich fliehen. Ich meinte die Erde wankte unter mir, so ungewiß waren meine Tritte. Alle gute Menschen, die sich für mich intereßirten, hab ich durch meine Gegenwart geplagt, weil sie mir nicht helfen konnten. –

BLASIUS. Sag lieber nicht wollten.

WILD. Ja, sie wollten. Ich mußte überall die Flucht ergreiffen. Bin alles gewesen. Ward Handlanger um was zu seyn. Lebte auf den Alpen, weidete die Ziegen, lag Tag und Nacht unter dem unendlichen Gewölbe des Himmels, von den Winden gekühlt und von innern Feuer gebrannt. Nirgends Ruh, nirgends Rast. Die [10] Edelsten aus Engelland irren verlohren in der Welt. Ach! und ich finde die Herrliche nicht, die einzige, die da steht. – Seht, so strotze ich voll Kraft und Gesundheit, und kann mich nicht aufreiben. Ich will die Kampagne hier mit machen, als Volontair, da kann sich meine Seele ausrecken, und thun sie mir den Dienst, und schießen mich nieder; gut dann! Ihr nehmet meine Baarschaft, und zieht.

BLASIUS. Hohl mich der Teufel! Dich soll keiner todt schießen, edler Wild.

LA FEU. Sie könntens doch thun.

WILD. Können Sie’s besser mit mir meynen? – Stellt Euch [12]vor, als wir uns einschifften, sah ich in der Ferne den Schiffscapitain auf seinem Schiff.

BLASIUS. Der die feindliche Antipathie auf Dich hat. Ich meyn Du hätt’st ihn in Holland todt geschossen.

WILD. Dreymal schon mit ihm auf Leben und Tod gestanden, und noch läßt er mir keine Ruhe, und nie beleidigte ich den Menschen. Ich gab ihm eine Kugel, und er mir einen Stoß. Es ist grausam wie er mich haßt ohne Ursach. Und ich muß gestehen, ich lieb’ ihn. Es ist ein braver, rauher Mann. Weiß der Himmel, was er mit uns vor hat. Laßt mich eine Stunde allein!

[11] DER WIRTH. Die Zimmer sind bereit Mylords. Sonst was gefällig?

WILD. Wo sind meine Leute?

WIRTH. Haben gessen und schlafen.

WILD. Sie lassen sich wohl seyn.

WIRTH. Und Sie befehlen nichts?

WILD. Den stärksten...

Erscheint lt. Verlag 12.2.2020
Reihe/Serie Reclams Universal-Bibliothek
Reclams Universal-Bibliothek
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Amerikanischer Unabhängigkeitskrieg • Aufklärung • Avantgarde • Christoph Kaufmann • Der Wirrwarr • Deutsch • Deutsch-Unterricht • Drama • gelb • gelbe bücher • Genieästhetik • Jakob Michael Reinhold Lenz • Klassenlektüre • klassisches Drama • Komödie • Lektüre • Literatur Klassiker • Originaldichter • Reclam Hefte • Reclams Universal Bibliothek • Schullektüre • Sturm und Drang • Theater • Weltliteratur
ISBN-10 3-15-960969-3 / 3159609693
ISBN-13 978-3-15-960969-0 / 9783159609690
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