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Keplers Dämon (eBook)

Begegnungen zwischen Literatur, Traum und Wissenschaft
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
400 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403785-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Keplers Dämon -  Elmar Schenkel
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Literatur und Wissenschaft, künstlerische Imagination und rationales Denken zählen zu zwei getrennten Kulturen. Dennoch gibt es Berührungspunkte: Was wäre die Entwicklung der Raumfahrt ohne Jules Verne? Was Sherlock Holmes ohne chemische Kenntnisse? Und umgekehrt: Ist die Wissenschaft ohne Phantasie, ohne literarisch-künstlerische Einflüsse denkbar? Um Episoden, Begegnungen, Schnittpunkte dieser beiden Welten geht es Elmar Schenkel in seinem neuen Buch. Er legt die wechselseitige Beeinflussung von Wissenschaft und Literatur frei und bringt u.a. Marie Curie, René Descartes, Alva Edison, Galileo Galilei, Friedrich August Kekulé oder Dimitri Mendelejew mit Douglas Adams, Flaubert, Calvino, Agatha Christie, Dante, Paul Valéry, Mary Shelley, Jonathan Swift oder Tolkien ins Gespräch. Eine faszinierende und brillant geschriebene Erkundung - voller neuer, überraschender Verbindungen.

Elmar Schenkel, geboren 1953, ist Professor für englische Literatur an der Universität Leipzig und leitete von 2005 bis 2015 das dortige Studium universale. Er ist freier Mitarbeiter bei der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« und war Mitherausgeber der Literaturzeitschrift »Nachtcafé«. Neben Büchern über das Fahrrad in der Literatur, über Exzentriker der Wissenschaft und Biographien von H.G. Wells und Joseph Conrad hat er Erzählungen, Gedichte und Reisebücher veröffentlicht. Für seine literarischen Arbeiten erhielt er u.a. den Förderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung und den Hermann-Hesse-Förderpreis.

Elmar Schenkel, geboren 1953, ist Professor für englische Literatur an der Universität Leipzig und leitete von 2005 bis 2015 das dortige Studium universale. Er ist freier Mitarbeiter bei der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« und war Mitherausgeber der Literaturzeitschrift »Nachtcafé«. Neben Büchern über das Fahrrad in der Literatur, über Exzentriker der Wissenschaft und Biographien von H.G. Wells und Joseph Conrad hat er Erzählungen, Gedichte und Reisebücher veröffentlicht. Für seine literarischen Arbeiten erhielt er u.a. den Förderpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung und den Hermann-Hesse-Förderpreis.

Die Lektüre von Schenkels Buch ist ein literarisches Vergnügen

ein wunderbares Buch

Dem Autor gelingt es […] vorzüglich, dem Leser die Beschäftigung mit der Thematik schmackhaft zu machen

Vorwort: Keplers Dämon


»Wer nichts als Chemie versteht,

versteht auch die nicht recht.«

Lichtenberg

Wenn die Wissenschaften über eine Rose sprechen, reicht es nicht zu sagen, eine Rose ist eine Rose. Sie müssen Aussagen machen über Blütenstände, Pigmente, Wurzelwerk, Gattungszugehörigkeit, über die Zellbiologie und den Stoffwechsel der Pflanze und über Züchtungen und Märkte. Wenn die Dichtung über Rosen spricht, so wird auch sie nicht bei der Feststellung stehenbleiben, es handele sich um eine Rose. Sie ist dann viel mehr: ein Zeichen der Liebe, des Schmerzes, verströmende Romantik, mystisches Symbol. Doch beide streben zu dem Punkt hin, wo wieder gesagt werden kann, diesmal in vollem Wissen: Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose. Angelus Silesius hat es so ausgedrückt:

Die Ros ist ohn Warum.

Sie blühet, weil sie blühet.

Sie acht nicht ihrer selbst,

fragt nicht, ob man sie siehet.

 

Zu jedem Ding, zu jedem Wesen auf dieser Welt gibt es diese beiden Einstellungen und dazu die dritte. Wer zum Beispiel Wolken sieht, kann sie meteorologisch und physikalisch analysieren oder sich von ihnen zu phantastischen Vorstellungen inspirieren lassen. Am deutlichsten sind sich dieses Zwiespaltes jene Menschen bewusst, die für beide Einstellungen offen sind, sagen wir Johann Wolfgang Goethe, Roger Caillois oder Mary Shelley, Johannes Kepler, Jules Verne, George Eliot, Albert Einstein oder Gustav Theodor Fechner.

Es geht um die Beziehungen zwischen Fächern und Schubladen, und das ist immer auch eine Frage der beteiligten Menschen. Georg Christoph Lichtenbergs Sudelbücher stehen für die Kommode, in denen viele solcher Schubladen zu finden sind. Noch dazu sind sie untereinander verbunden. Doch nicht jeder sieht diese Verbindungen im Schrank. Ein Zeitgenosse Lichtenbergs hatte dies erkannt: »Man könnte die Menschen in zwei Klassen abteilen; in solche, die sich auf eine Metapher, und 2) in solche, die sich auf eine Formel verstehn. Deren, die sich auf beides verstehn, sind zu wenige, sie machen keine Klasse aus.«

Um diese Menschen, die nach Heinrich von Kleist keine Klasse ausmachen, geht es mir in diesem Buch. Sie sind sowohl die Protagonisten als auch hoffentlich Leser und Leserinnen mit Antennen für das jeweilig andere Gebiet.

 

Subjektivität und Objektivität sind ineinander verschachtelt, sie bilden sozusagen ein Kippbild, das immer wieder in ein anderes umschlägt: Hase oder Ente? Alte oder junge Frau? Gesichter oder Kerzenhalter?

In diesem Buch geht es um solche Kippeffekte zwischen Naturwissenschaften und Literatur, oder weiter gefasst, zwischen wissenschaftlichem Denken und literarisch-künstlerischer Imagination. Ich möchte Orte der Begegnungen, Episoden und Schnittpunkte aufsuchen und erkunden, welche Spannungen und fruchtbaren Momente, die Voraussetzungen für Erkenntnis, an diesen entstehen.

Es gibt Zwischenbereiche, gesellschaftliche und subjektive, die so groß sind, dass sie der Aufmerksamkeit entgehen. Sie sind unsichtbar wie die Rasenstücke an der Autobahnauffahrt oder der Bahnsteig auf dem Bahnhof. Man benutzt sie oder sieht sie fortwährend, und dadurch werden sie unauffällig. Ich denke, dies trifft auf das Zusammenspiel von Phantasie und Denken, oder historisch ausgedrückt: von Wissenschaften und literarischer Imagination ganz besonders zu. So hat man sich erst in den letzten Jahrzehnten diesen Gebieten zugewandt. Ist erst einmal der Blick für dieses Zusammenspiel geschärft, so kann man sich kaum noch literarische Werke vorstellen, in die die Wissenschaft nicht hineinspielt; wie soll auch Literatur ohne Wissensformen auskommen? Was wäre Homer ohne die Wissenschaften der Hirten und Krieger? Was ein Sherlock Holmes ohne seine chemischen Kenntnisse? Doch auch umgekehrt stellt sich die Frage: Ist die Wissenschaft ohne Phantasie, ohne literarisch-künstlerische Einflüsse denkbar? Ist nicht Mathematik ästhetisch und sucht Physik nicht nach vereinheitlichenden Gesetzen, wie es die phantastischen Alchemisten taten? Kann man sich einen Entomologen ohne Faszination für das Grauen und die seelenlose Mechanik vorstellen, wie sie dem Schauerroman eigen sind und Autoren von Nabokov bis Ernst Jünger anlockten? Eine Wissenschaft ohne Literatur hätte wenig Anknüpfungspunkte in der Realität der Menschen. Menschen brauchen Erzählungen, und ohne eine gute Erzählung werden sie sich für kaum etwas interessieren lassen, mag es noch so bedeutend sein. Das aber ist die wichtigste Voraussetzung dafür, dass Wissenschaft in der Öffentlichkeit ankommt und diskutiert wird. Denn die Gesellschaft besteht aus Laien: Wer sich Experte in einem Gebiet nennt, ist Laie in hundert anderen, und »wo immer er nicht außerordentlich gelehrt ist, ist er ganz überraschend unwissend«. (G.K. Chesterton)

Deshalb erlaube ich mir auch, als Laie über die Naturwissenschaften zu schreiben, denn uns Nichtfachleuten sind die Schwierigkeiten des Verstehens vertrauter. Der Außenseiter, schreibt der Wissenschaftsphilosoph Peter Pesic, hält die Wissenschaft nicht für selbstverständlich und erkennt eher das Merkwürdige und Bedeutende als jemand, der sich lange an wissenschaftliches Denken gewöhnt hat. Als Beobachter interessiert mich der Zusammenprall, die Osmose, mehr noch – der Dialog zwischen fremden Welten.

In diesem Buch geht es um derartige Zwischenräume, ohne die menschliches Tun und Vorstellen verkümmern würde. In ihnen entstehen oft die entscheidenden Intuitionen und Ideen, hier springen Funken, die sowohl wissenschaftliche Erkenntnis entzünden als auch Romane entfachen. Und hier haben gesellschaftliche und politische Prozesse, die sich die Wissenschaften im Guten wie im Bösen zunutze machen, ihren Ursprung – vom Darwinismus bis zur Raumfahrt, von der Hirnforschung zur Genetik.

Der Titel Keplers Dämon bedarf der Erklärung. Kepler beschrieb 1609 einen Traum über eine Reise zum Mond (Näheres dazu →2. Keplers Dämon). Diese Traumgeschichte besprenkelte er über die nächsten Jahre hin mit vielen Fußnoten wissenschaftlicher, autobiographischer und verspielter Art. Man könnte diesen Text als das erste Werk der Science-Fiction bezeichnen, denn hier wird erstmals eine fast mittelalterliche Traumvision mit der neuen kopernikanischen Wissenschaft verbunden. Die zwei Kulturen, die C.P. Snow im 20. Jahrhundert in seiner berühmten Rede diagnostizierte, die Welten der Geistes- und Naturwissenschaften, werden hier in ein Gespräch gebracht. Kepler erträumt dazu einen Dämon, der seinem Helden erklärt, wie man auf den Mond fliegt und was man dort vorfindet. Verstehen kann aber den Dämon erst einer, der sich die kopernikanische Astronomie zu eigen macht. Der Dämon verbindet wie Kepler selbst (er hat ja auch Horoskope gestellt) Welten, die sich durch jeweilige Spezialisierungen immer weiter entfernen sollten: Erde und Mond, Mittelalter und Neuzeit, Wissenschaft und Imagination, Metapher und Kalkül, Emotion und Messung. Daher möge er diesem Buch gleichsam als Wappen dienen.

Keplers Traum ist ein Ausgangspunkt für die Expeditionen, die ich im vorliegenden Buch in das teils unbekannte, teils vergessene Terrain machen möchte. Es sind Routen unterschiedlichster Art. Mal führen sie in den Kriminalroman, mal in die Poesie. Einige beginnen in der Frühzeit des Menschen und enden im 21. Jahrhundert, andere beschränken sich auf die Lebensdaten von Autoren oder bleiben bei einem Werk oder in einem Land unterwegs. Es gibt nicht den Königsweg in diesem spannenden Gebiet zwischen Literatur und den Wissenschaften, sondern viele Pfade und Wege, auf denen man zu den verschiedensten Aussichten kommt. Daher ist auch die Gliederung eher notwendiges Spiel: Hier Mensch, dort Materie, das geht von der Anlage des Buches aus gesehen eigentlich nicht. Beide sind ineinander verwoben, und die Technik kann als Vermittlerin stehen. Und wie lassen sich überhaupt Raum und Zeit ohne Mensch und Materie denken? Diese Widersprüchlichkeiten sind der Natur der Sache einbeschrieben; die Einteilung ist also nichts als ein Vergrößerungsglas, das man schnell wieder weglegen kann. Vielleicht hilft sie aber auch bei dem Erkennen von roten Fäden. Die Kapitel sind daher im Sinne eines Puzzles angelegt; keine einfache Linie durch die Zeit, sondern sich ineinander verfugende Teile eines großen Bildes, das hier in seinen Umfängen nur angedeutet werden kann.

Mir hat die Suche und das Schreiben an dem Buch viel Spaß gemacht, und es wäre mir eine Freude, wenn der Funke zum Leser überspringt und er oder sie es als Einstimmung auf ihr eigenes Suchen und Forschen zwischen den Wissenschaften und der Imagination aufgreifen würde. Ich hätte gerne weitergeschrieben, denn die Desiderata wachsen, je tiefer man in die Materie eindringt. Was hätte nicht alles gesagt werden können über: Poe (Mesmerismus, Phrenologie, Ballonfahrt), die Herzogin von Newcastle, die die Physik ihrer Zeit in Utopien verwandelte, Strindberg, als Alchemist, Soziologe, Linguist und Naturkundler oder Thomas Manns Professor Kuckuck aus Felix Krull; Themen wie die Quantenphysik und Chaostheorie, Elektrizität und Licht. Es gibt ein starkes Interesse an diesen Zwischenbereichen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur – von Heinar Kipphardt bis zu Ulrike Draesner, Daniel Kehlmann, Ralf Bönt und Judith Schalansky. Aus anderen Ländern wären zu nennen: Thomas Pynchon, Lavinia Greenlaw, Richard Powers oder Tom Bullough, Jorge Volpi (Das Klingsor-Paradox) oder Jean Echenoz (Blitze). Oder eine Entdeckung, die ich gern geteilt hätte:...

Erscheint lt. Verlag 22.3.2016
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Geisteswissenschaften Religion / Theologie
Schlagworte Abbott • Alchemie • Charles Darwin • Chemie • C. P. Snow • Dante Alighieri • Der Herr der Ringe • Douglas Adam • Dritte Kultur • Flächenland • Frankenstein • Goethe • Göttliche Komödie • Gustave Flaubert • Johann Wolfgang Goethe • Jules Verne • Literatur • Medizin • Mondreise • Paul Valéry • Per Anhalter durch die Galaxis • Phantasie • Primo Levi • Rationalität • Raumfahrt • Rosalind Franklin • Sachbuch • Verne • Wernher von Braun • Wissenschaft • zwei Kulturen
ISBN-10 3-10-403785-X / 310403785X
ISBN-13 978-3-10-403785-1 / 9783104037851
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