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Die Eleganz des Igels (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
384 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-42991-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Eleganz des Igels -  Muriel Barbery
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Der Bestseller jetzt endlich auch als eBook! Renée ist 54 Jahre alt und lebt seit 27 Jahren als Concierge in der Rue de Grenelle in Paris. Sie ist klein, hässlich, hat Hühneraugen an den Füßen und ist seit längerem Witwe. Paloma ist 12, hat reiche Eltern und wohnt in demselben Stadtpalais. Hinreißend komisch und zuweilen bitterböse erzählen die beiden sehr sympathischen Figuren von ihrem Leben, ihren Nachbarn, von Musik und Mangas, Kunst und Philosophie. Die höchst unterhaltsame und anrührende Geschichte zweier Außenseiter, ein wunderbarer Roman über die Suche nach der Schönheit in der Welt. 

Muriel Barbery wurde 1969 in Casablanca geboren, studierte Philosophie in Frankreich, lebte einige Jahre in Kyoto und wohnt heute wieder in Frankreich. 2000 veröffentlichte sie ihr viel beachtetes Romandebüt  >Die letzte Delikatesse<. Ihr zweiter Roman, >Die Eleganz des Igels<, wurde zu einem großen literarischen Bestseller, in mehr als 30 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Der lang erwartete dritte Roman, >Das Leben der Elfen<, erschien 2015 in Frankreich.

Muriel Barbery wurde 1969 in Casablanca geboren, studierte Philosophie in Frankreich, lebte einige Jahre in Kyoto und wohnt heute wieder in Frankreich. 2000 veröffentlichte sie ihr viel beachtetes Romandebüt  ›Die letzte Delikatesse‹. Ihr zweiter Roman, ›Die Eleganz des Igels‹, wurde zu einem großen literarischen Bestseller, in mehr als 30 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. Der lang erwartete dritte Roman, ›Das Leben der Elfen‹, erschien 2015 in Frankreich.

Tiefgründiger Gedanke Nr. 1


Die Sterne verfolgen
Und dann im Goldfischglas
Enden

Von Zeit zu Zeit nehmen sich die Erwachsenen offenbar Zeit, sich hinzusetzen und die Katastrophe zu betrachten, die ihr Leben ist. Sie jammern dann, ohne zu verstehen, und wie Fliegen, die immer gegen die gleiche Scheibe stoßen, werden sie unruhig, sie leiden, verkümmern, sind deprimiert und fragen sich, welches Räderwerk sie dorthin geführt hat, wohin sie gar nicht wollten. Die intelligentesten machen sogar eine Religion daraus: ja, die verachtenswerte Leere der bürgerlichen Existenz! Es gibt Zyniker dieser Sorte, die an Papas Tisch speisen: »Unsere Jugendträume, wo sind sie geblieben?«, fragen sie mit ernüchterter und zufriedener Miene. »Sie sind verflogen, und das Leben ist ein Hundeleben.« Ich hasse diese falsche Klarsicht der Reife. In Wahrheit sind sie wie die anderen, Kinder, die nicht verstehen, was mit ihnen passiert ist, und die den Abgebrühten herauskehren, obschon sie eigentlich Lust haben zu weinen.

Dabei ist es ganz einfach zu verstehen. Was schiefläuft, ist, daß die Kinder an die Reden der Erwachsenen glauben und daß sie sich, wenn sie selbst erwachsen sind, rächen, indem sie ihre eigenen Kinder irreführen. »Das Leben hat einen Sinn, den die Erwachsenen gepachtet haben«, ist die universelle Lüge, an die alle glauben müssen. Wenn man im Erwachsenenalter merkt, daß das nicht stimmt, ist es zu spät. Das Rätsel bleibt bestehen, doch die ganze verfügbare Energie ist seit langem mit stupiden Aktivitäten verpufft. Es bleibt einem nur noch, sich so gut wie möglich zu betäuben, indem man versucht, vor sich selbst die Tatsache zu vertuschen, daß man in seinem Leben keinen Sinn sieht, und man macht seinen Kindern etwas vor im Versuch, sich selbst wirkungsvoller zu überzeugen.

Von den Personen, mit denen meine Familie Umgang pflegt, haben alle den gleichen Weg beschritten: eine Jugend, in der man seine Intelligenz gewinnbringend anzulegen versucht, in der man das Studienpotential wie eine Zitrone auspreßt und sich eine Spitzenposition sichert, und dann ein ganzes Leben, in dem man sich verblüfft fragt, warum derartige Hoffungen in einer so leeren Existenz gemündet haben. Die Leute meinen, sie verfolgen die Sterne, und dann enden sie wie Goldfische in einem Glas. Ich frage mich, ob es nicht einfacher wäre, den Kindern von Anfang an beizubringen, daß das Leben absurd ist. Das würde zwar die Kindheit um ein paar schöne Momente bringen, doch für den Erwachsenen wäre es ein beträchtlicher Zeitgewinn – ganz abgesehen davon, daß man sich mindestens ein Trauma ersparen würde, dasjenige des Goldfischglases.

Ich bin zwölf Jahre alt, ich wohne in der Rue de Grenelle 7 in einer Wohnung für Reiche. Meine Eltern sind reich, meine Familie ist reich, und meine Schwester und ich sind folglich potentiell reich. Mein Vater ist Abgeordneter, nachdem er Minister war, und er wird vermutlich als Präsident der Nationalversammlung enden und den Weinkeller des »Hôtel de Lassay« leeren. Meine Mutter … Nun, meine Mutter ist nicht gerade eine Leuchte, aber sie ist gebildet. Sie ist Doktor der Sprach- und Literaturwissenschaft. Sie schreibt die Einladungen für ihre Abendgesellschaften fehlerfrei und verbringt ihre Zeit damit, uns mit literarischen Verweisen auf die Nerven zu gehen (»Colombe, spiel nicht die Guermantes«, »Mäuschen, du bist eine echte Sanseverina«).

Trotz alldem, trotz dieses ganzen Glücks und dieses ganzen Reichtums, weiß ich schon lange, daß die Endstation das Goldfischglas ist. Warum ich das weiß? Der Zufall will, daß ich sehr intelligent bin. Außergewöhnlich intelligent sogar. Im Vergleich mit den Kindern meines Alters besteht ein Abgrund. Da ich keine große Lust habe, daß man auf mich aufmerksam wird, und da in einer Familie, in der die Intelligenz das Höchste ist, ein hochbegabtes Kind nie seine Ruhe hätte, versuche ich, meine Leistungen im Collège einzuschränken, doch selbst so bin ich immer noch Klassenbeste. Man könnte meinen, es sei ein leichtes, eine normale Intelligenz vorzuspielen, wenn man wie ich mit zwölf Jahren das Niveau einer Khâgneuse2 hat. Weit gefehlt! Man muß sich ganz schön anstrengen, um sich dümmer zu stellen, als man ist. Aber in gewisser Weise hindert es mich nicht daran, vor Langeweile umzukommen: Die ganze Zeit, die ich nicht damit zubringen muß, zu lernen und zu verstehen, verwende ich darauf, den Stil, die Antworten, die Vorgehensweisen, die Sorgen und die kleinen Fehler der normalguten Schüler nachzuahmen. Ich lese alles, was Constance Baret, die Zweite der Klasse, in Mathe, Französisch und Geschichte schreibt, und so lerne ich, was ich machen muß: in Französisch eine Folge von zusammenhängenden und richtig geschriebenen Wörtern, in Mathe die mechanische Wiedergabe von Operationen ohne Sinn und in Geschichte eine Folge von Tatsachen, die durch logische Elemente miteinander verbunden sind. Doch selbst verglichen mit den Erwachsenen bin ich viel schlauer als die meisten von ihnen. Das ist einfach so. Ich bin nicht sonderlich stolz darauf, denn es ist nicht mein Verdienst. Doch eines ist sicher, ins Goldfischglas gehe ich nicht. Das ist ein wohlüberlegter Entschluß. Selbst für jemanden, der so intelligent ist wie ich, so begabt fürs Lernen, so anders als die andern und den meisten auch so haushoch überlegen, ist das Leben schon vollständig vorgezeichnet, und es ist zum Weinen traurig: Niemand scheint an die Tatsache gedacht zu haben, daß, wenn die Existenz absurd ist, darin zu glänzen und Erfolg zu haben keinen höheren Wert hat, als darin zu scheitern. Es ist nur angenehmer. Wenn überhaupt: Ich glaube, der Scharfblick macht den Erfolg bitter, während die Mittelmäßigkeit immer noch auf etwas hoffen läßt.

Ich habe also meinen Entschluß gefaßt. Ich werde die Kindheit bald verlassen, und wenn ich auch genau weiß, daß das Leben eine Farce ist, glaube ich nicht, daß ich bis zum Schluß standhalten könnte. Im Grunde sind wir programmiert, an das zu glauben, was nicht existiert, weil wir Lebewesen sind, die nicht leiden wollen. So wenden wir unsere ganze Kraft auf, uns zu überzeugen, daß es Dinge gibt, die es wert sind, und daß das Leben daher einen Sinn hat. Ich mag noch so intelligent sein, ich weiß nicht, wie lange ich gegen diese biologische Tendenz werde ankämpfen können. Werde ich, wenn ich einmal in das Rennen der Erwachsenen eingestiegen bin, noch fähig sein, dem Gefühl der Absurdität die Stirn zu bieten? Ich glaube nicht. Daher habe ich meinen Entschluß gefaßt: Am Ende dieses Schuljahres, an meinem dreizehnten Geburtstag, am 16. Juni, werde ich Selbstmord begehen. Achtung, ich habe nicht vor, viel Aufhebens davon zu machen, als wäre es eine mutige Tat oder eine Herausforderung. Es liegt übrigens ganz in meinem Interesse, daß niemand Verdacht schöpft. Die Erwachsenen haben eine hysterische Beziehung zum Tod, das nimmt riesige Ausmaße an, man macht viel Theater darum, und dabei ist es doch das banalste Ereignis der Welt. Worauf es mir im Grunde ankommt, ist nicht die Sache an sich, sondern ihr Wie. Meine japanische Seite neigt natürlich zu Seppuku. Wenn ich sage meine japanische Seite, dann meine ich meine Liebe zu Japan. Ich bin in der vierten Klasse am Collège und habe natürlich Japanisch als zweite Sprache genommen. Der Japanischlehrer ist nicht gerade eine Offenbarung, er verschluckt die Wörter auf französisch und kratzt sich die ganze Zeit mit ratloser Miene den Kopf, aber wir haben ein Lehrbuch, das gar nicht so übel ist, und seit Beginn des Schuljahrs habe ich große Fortschritte gemacht. Ich hoffe, daß ich in ein paar Monaten meine Lieblingsmangas im Original lesen kann. Mama versteht nicht, daß ein so-begabtes-kleines-Mädchen-wie-du Mangas lesen kann. Ich habe mir nicht einmal die Mühe gemacht, ihr zu erklären, daß »Manga« auf japanisch lediglich »Comic« heißt. Sie glaubt, daß ich mich mit Subkultur vollsauge, und ich lasse sie in ihrem Glauben. Kurz, in ein paar Monaten kann ich Taniguchi vielleicht auf japanisch lesen. Doch das führt uns wieder zurück zur Sache: Es muß vor dem 16. Juni geschehen, denn am 16. Juni werde ich Selbstmord begehen. Aber kein Seppuku. Das wäre zwar voller Sinn und Schönheit, aber … nun … ich habe nicht die geringste Lust zu leiden. Ja, ich würde es geradezu verabscheuen zu leiden; ich finde, wenn man den Entschluß faßt zu sterben, gerade weil man der Meinung ist, daß es völlig normal ist, muß man das auf sanfte Art tun. Sterben soll ein behutsamer Übergang sein, ein gedämpftes Hinübergleiten in die Ruhe. Es gibt Leute, die begehen Selbstmord, indem sie sich aus dem Fenster des vierten Stocks stürzen oder Javelwasser trinken oder sich erhängen! Das ist völlig unsinnig! Ich finde es sogar obszön. Wozu dient sterben denn, wenn nicht dazu, nicht zu leiden? Ich habe meinen Abgang wohl geplant: Seit einem Jahr nehme ich jeden Monat eine Schlaftablette aus der Schachtel auf Mamas Nachttisch. Sie konsumiert so viele, daß sie es nicht einmal merken würde, wenn ich jeden Tag eine nähme, aber ich habe beschlossen, äußerst vorsichtig zu sein. Man soll nichts dem Zufall überlassen, wenn man einen Entschluß faßt, der wenig Aussichten hat, verstanden zu werden. Man macht sich keine Vorstellung, wie schnell die Leute die Pläne durchkreuzen, die einem am wichtigsten sind, im Namen von abgeschmackten Phrasen wie »der Sinn des Lebens« oder »die Liebe zum Menschen«. Ah ja, und dann: »die Heiligkeit der Kindheit«.

Ich gehe also ruhig auf das Datum des 16. Juni zu, und ich habe keine Angst. Es gibt höchstens ein paar Dinge, um die es mir leid tut, vielleicht. Aber so,...

Erscheint lt. Verlag 18.3.2016
Übersetzer Gabriela Zehnder
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte altkluger Teenager • Außenseiter • Bestseller • Concierge • Die Eleganz der Madame Michel • Einzelgänger • frühreifes Mädchen • Gesellschaftssatire • Hausmeisterin • japanische Kultur • Paris • Ungewöhnliche Freundschaft • Unterhaltungsroman • Verfilmte Bücher
ISBN-10 3-423-42991-7 / 3423429917
ISBN-13 978-3-423-42991-7 / 9783423429917
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