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Das Traumbuch (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
416 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-43784-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Traumbuch -  Nina George
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'Das Traumbuch' von Bestseller-Autorin Nina George ist ein ungewöhnlicher, intensiver Roman, der die Frage stellt, ob es das 'richtige', das perfekte Leben überhaupt gibt - oder ob es nicht die kleinen Momente des Zögerns oder des Mutes sind, die entscheiden, wer wir sind und wer wir werden. 'Verdammt, Henri, was hast du dir dabei gedacht? Du hast mich benutzt, du hast mich zurückgewiesen. Und jetzt liegst du da, im Koma, und ich soll über dein Leben entscheiden? Und wer ist das? Wieso weiß ich nicht, dass du einen dreizehnjährigen, hochbegabten Sohn hast? Ich hätte so gerne mit dir einen Sohn gehabt. Was für Leben hast du noch gelebt, von denen ich nichts weiß?' Das Leben besteht aus der Summe kleinster Entscheidungen. Doch welche führen zu Glück, Liebe, Freundschaft - welche zu Verzweiflung und Einsamkeit? Mit dieser Frage ringen die Verlegerin Eddie, der Kriegsreporter Henri und sein hochbegabter Sohn Sam, als Henri nach einer Rettungsaktion ins Koma fällt. Im unbekannten Zwischenreich von Leben und Tod erfährt er, welche Leben er hätte leben können, wenn er mehr ausgesprochen und weniger gefürchtet hätte. Henri hat nun nur ein Ziel: zurückzukehren, um noch einmal das zu tun, was das Leben ausmacht. Lieben. 'Von einer beeindruckenden Klarheit und Helligkeit. Er ist nie erdenschwer, fast immer federleicht. Er überspringt die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Traum, zwischen Himmel und Erde.' (Christine Westermann WDR Frau TV) 'Ein gewaltiger Bilder- und Gefühlsrausch' Brigitte

Die mehrfach ausgezeichnete internationale Bestsellerautorin Nina George, geboren 1973 in Bielefeld, schreibt seit 1992 Romane, Sachbücher, Essays, Reportagen, Kurzgeschichten, Blogs und Kolumnen. Ihr Roman Das Lavendelzimmer wurde in 36 Sprachen übersetzt und eroberte weltweit die Charts, so etwa die New York Times-Bestsellerliste in den USA. Mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Jens J. Kramer, schreibt Nina George als Jean Bagnol Provencethriller. Sie lebt in Berlin und in der Bretagne. Seit Juni 2019 ist Nina George Präsidentin des European Writers' Council, dem Dachverband von 40 europäischen Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverbänden.

Die mehrfach ausgezeichnete internationale Bestsellerautorin Nina George, geboren 1973 in Bielefeld, schreibt seit 1992 Romane, Sachbücher, Essays, Reportagen, Kurzgeschichten, Blogs und Kolumnen. Ihr Roman Das Lavendelzimmer wurde in 36 Sprachen übersetzt und eroberte weltweit die Charts, so etwa die New York Times-Bestsellerliste in den USA. Mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Jens J. Kramer, schreibt Nina George als Jean Bagnol Provencethriller. Sie lebt in Berlin und in der Bretagne. Seit Juni 2019 ist Nina George Präsidentin des European Writers' Council, dem Dachverband von 40 europäischen Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverbänden.

Tag 15


Sam


14.35 Uhr. Samuel Noam Valentiner.

Besuchter Patient: Henri M. Skinner.

Ich habe das schon vierzehn Mal in die Liste geschrieben.

Aber jeden Tag muss ich mich neu eintragen, und jeden Tag schiebt Mrs. Walker mir das schwarze Klemmbrett zu, auf dessen Formular ich in Druckbuchstaben Uhrzeit, meinen Namen und den Namen des besuchten Patienten schreibe.

Eine Zeile über mir steht: Ed Tomlin. Ed Tomlin besucht ebenfalls meinen Vater, immer ein paar Stunden vor mir, wenn ich in der Schule bin. Wer ist das?

»Ich war gestern auch schon da«, sage ich zu Mrs. Walker.

»Oh, ich weiß, Darling.«

Die Frau hinter der Rezeption des Wellington Hospital lügt. Sie erkennt mich null wieder. Lügen haben einen bestimmten Sound, er ist weißer als die normale Stimme. Auf dem Schild über ihrem linken Busen steht ihr Name in Großbuchstaben: SHEILA WALKER. Und sie nennt mich Darling, weil sie meinen Namen nicht kennt. Engländer sind so, sie verabscheuen es, sich gegenseitig die Wahrheit zu sagen, das ist ihnen zu unfein.

Auf Sheila Walkers Körper lasten Schatten aus vielen Jahren, ich sehe das, weil ich es bei den meisten Leuten sehe. Die einen haben sehr viele Schatten, manche wenige, Kinder kaum einen. Wenn sie Schatten haben, kommen sie aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan, und der Schatten wächst mit ihnen.

Mrs. Walker war oft traurig in ihrem Leben. Und sie übersieht das Heute, weil sie immer noch an früher denkt. Deswegen bin ich für sie nur irgendein Junge in einer Schuluniform und mit einem peinlichen Stimmbruch. Sie sieht mich an – und sieht vielleicht einen Strand und ihre leere Hand, die nicht mehr festgehalten wird.

Dabei war ich auch gestern und vorgestern da. Und vorvorgestern. Und davor elf Tage lang. Ich schwänze mal die eine, mal die andere Stunde, vormittags, nachmittags, heute ist es Französisch bei Madame Lupion. Scott hat gesagt, ich muss die Fehlstunden auf alle Fächer verteilen, damit es nicht so schnell auffällt.

Scott McMillan ist Spezialist. Im Schwänzen, im Googeln, im Dingetun, die sonst kein anderer macht. Außerdem im Schach, Zeichnen und Tadelsammeln. Eigentlich in allem.

Er ist dreizehn, hat einen IQ von 152, kann jede fremde Handschrift fälschen und hat einen reichen Vater, der ihn hasst. Ich habe nur einen IQ von 148, was uns unterscheidet in »genial« und »fast genial«, oder, wie Scott sagen würde: »Moi, le Brainman, und toi, die Besserwisserfachkraft, mon ami.« Scott le Brainman hat gerade seine französische Phase, seit er mit Mandarin und einem Klicklautdialekt aus Afrika durch ist.

Ich bin ebenfalls dreizehn, ein Synästhetiker, vulgo Synnie-Idiot, wie manche Jungs auf meiner Schule mich nennen, und ich habe einen Vater, der seit zwei Wochen im künstlichen Koma liegt. Das ist eine Art lange Narkose, nur dass er dabei kleine Sauger im Gehirn hat, die den Druck abbauen sollen, eine Maschine, die für ihn atmet, eine andere, die sein Blut kühlt, und noch eine, die für ihn isst und pinkelt. Heute soll er aufgeweckt werden.

In der Schule weiß keiner, dass mein Vater im Koma liegt, außer Scott. Was daran liegt, dass auch keiner weiß, dass Steve, der Mann meiner Mutter, nicht mein Vater ist. Außer Scott. Und der sagte mal: »Alter, du würdest schlagartig der interessanteste Junge der Schule sein, zumindest für eine goldene Woche. Überleg’s dir gut, ob du darauf verzichten willst. Das sind Sternstunden des Lebens, einmal der spannendste Typ von allen zu sein. Auch wegen der Girls.« Er meint es nicht so. Girls gibt es eh nicht auf unserer Schule.

Scott und ich sind die einzigen Dreizehnjährigen aus Colet Court, die in den Mensa-Club aufgenommen wurden. Scott nennt den High-IQ-Verein den »Club der Schwachmaten«. Meine Mutter sagt, ich solle stolz auf mich sein, denn ich bin einer von nur zwei Minderjährigen unter den neunhundert »Junior Mensan« in England, aber auf Kommando stolz sein schmeckt wie kauen auf Alupapier.

Wenn sie wüsste, dass ich hier bin …

Vielleicht wird sie mich zur Adoption freigeben. Vielleicht wird sie nie wieder mit mir reden. Vielleicht komme ich ins Internat. Ich weiß es nicht.

»Danke, Darling.« Sheila Walkers Stimme nimmt wieder ihre normale Farbe an, als sie das Klemmbrett mit der Anmeldeliste vom Tresen zu sich zieht und meinen Namen in den Computer überträgt. Ihre langen Nägel klappern in einem resoluten grünen Ton auf der Tastatur.

»Du musst in den zweiten, Samuel Noam Valentiner«, sagt sie betont, als ob ich das nicht wüsste.

Im zweiten Stock ist die Intensivstation für die Patienten, die die Stille und die Einsamkeit bewohnen. Und die deshalb hierherkommen. Ins Wellington Hospital, Abteilung für Neurologie. London Brain Centre. So was wie die NASA unter den Gehirnabteilungen.

Sheila Walker reicht mir einen Lageplan in DIN A4, er sieht so aus wie der von gestern und der von vorgestern. Sie kreist mit beherzten roten Eddingkringeln ein, wo wir jetzt gerade sind, »hier«, wo ich hinmuss, »dort«, und wie sich diese zwei Punkte am kürzesten verbinden lassen.

»Am besten nimmst du gleich den Lift dort drüben und fährst in den zweiten Stock, Samuel Noam.«

Mrs. Walker könnte auch am Tresen der Tube arbeiten. »Kensington bitte rechts, Darmdurchbrüche geradeaus, Leichenhalle am Getränkeautomaten links. Ihnen noch einen schönen Tag, Mr. Samuel Noam Valentiner.«

»Ihnen auch, M’am«, sage ich, aber da hat sie mich schon vergessen.

Am ersten Tag ist meine Mutter noch mitgekommen. Als wir vor den Aufzügen warteten, sagte sie: »Wir sind deinem Vater nichts schuldig, weißt du? Gar nichts. Wir sind nur hier, weil –«

»Verstehe«, unterbrach ich sie. »Du willst ihn nicht sehen. Du hast es dir selbst versprochen.«

»Warum?«, fragte sie nach einer Weile aufgebracht. »Wieso verstehst du immer alles, Sam? Du bist zu jung dafür!« Sie hielt mir den Lageplan hin. »Tut mir leid. Dein Vater macht mich einfach verrückt. Ach, Sam.«

Ihr gefiel es schon nicht, dass ich ihn heimlich gefragt hatte, ob er am Vater-und-Sohn-Tag Colet Court besucht. »Er kommt doch sowieso nicht«, hatte sie gesagt.

Ihre Stimme flutete mich, ein Klang wie ein Geruch, der Duft von Rosmarin im Regen, traurig, gedämpft. Ich spürte, wie lieb sie mich in diesem Augenblick hatte, ich merkte es daran, dass ich auf einmal atmen konnte, richtig atmen, wie auf dem höchsten Gipfel der Welt. Das nasse Knäuel, das sonst in meiner Brust ist, war fort.

Manchmal liebe ich meine Mutter so sehr, dass ich mir wünsche, ich wäre tot, denn dann würde sie endlich wieder glücklich. Dann hätte sie nur noch ihren Mann Steve und meinen kleinen Bruder Malcolm. Sie wären eine richtige Familie, mit Vater, Mutter, Kind, und nicht mit Vater, Mutter, Kind und mir, dem Typen, der anderen nie in die Augen schaut, zu viel Science-Fiction liest und von einem Mann stammt, den sie nicht ausstehen kann.

»Hör zu«, schlug ich ihr vor. »Wenn ich so lange bei ihm bleibe, wie ich will, aber allein, wartest du dann in der Cafeteria auf mich?«

Sie nahm mich in ihre Arme. Ich konnte spüren, wie sehr sie sich danach sehnte, ja zu sagen, wie sehr sie sich schämte, es zu wollen.

Meine Mutter war nicht immer so. Es gab eine Zeit, in der sie als Fotografin arbeitete und in die Kriege ging. Als sie sich vor nichts fürchtete, vor nichts und niemandem. Aber dann passierte etwas, ich passierte ihr, wie ein Unfall, und alles wurde anders. Jetzt versucht sie, so unauffällig wie möglich durch ihr eigenes Leben zu gehen. Als ob sie vermeiden will, dass das Unglück auf sie aufmerksam wird.

»Bitte«, sagte ich. »ich bin fast vierzehn. Ich bin kein Kind mehr, maman

Meine Mutter ging schließlich in die Cafeteria, und ich fuhr allein in den zweiten Stock und zu dem Mann, der mein Vater ist, weil meine Mutter in einer Nacht, die sie »den peinlichen Moment« nennt, mit ihm geschlafen hat. Sie hat mir nie erzählt, wo und warum es passiert ist.

Sheila Walker sieht mir nicht nach, als ich zum Lift gehe und in den zweiten Stock fahre. Als Erstes muss ich einen Schutzkittel über mein Schuljackett anziehen, mir die Hände und Unterarme desinfizieren und eine ovale weiße Maske über Mund und Nase stülpen.

Die Intensivstation des Gehirnzentrums wirkt wie eine große, hell beleuchtete Lagerhalle. An drei langen Wänden – A, B und C – stehen Betten, und unter der Decke laufen Vorhangleisten entlang, um jedes Bett ringsum mit blauen Vorhängen zu einem Fach abtrennen zu können. In der Mitte der Halle ist eine erhöhte Plattform, darauf Tresen mit Computermonitoren und Reglertischen, an denen Ärzte und Ärztinnen sitzen, die Monitore beobachten oder telefonieren. Jeder Patient hat einen eigenen Pfleger oder eine eigene Krankenschwester. Es sieht aus wie ein Menschenlager, denn die Komapatienten haben Buchstaben und Nummern, keine Namen mehr. »A3 Glucoseabfall«, »B9 agitiert«. Niemand ist mehr wirklich.

Mein Vater ist C7 unter den Unwirklichen.

Am ersten Tag war sein Schädel auf der rechten Seite rasiert und mit orangerotem Jod bepinselt. Im Gesicht klebten breite weiße Heftpflaster, die den Beatmungsschlauch festhielten, und seine Haut war blau und grün und violett. Die Farben von Nacht, Stärke, Traum. Als ich den Raum das erste Mal betrat, war es, als hätte ich einen Ball aus nassem, flüssigem Beton geschluckt, der sich bei jedem Atemzug in meinem Bauch verhärtete. Diesen Betonball trage ich seitdem mit mir herum.

Ich sagte schon, dass ich ein Synnie-Idiot bin. Ich empfinde die Welt auf andere Weise als andere. Ich sehe Klänge,...

Erscheint lt. Verlag 17.3.2016
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller-Autorin • Bretagne • dramatische Romane • Eddie Tomlin • Familiengeschichte • Frauenroman • Henri Skinner • Koma • Lavendelzimmer • Liebe • Liebes-Geschichte • Liebesgeschichte für Erwachsene • Liebes-Roman • London • Meer • Mondspielerin • Nina George Bücher • Nina Goerge • Oxford • Paar-Beziehung • poetische Romane • psychologische Romane • Romane Bretagne • Romane Drama • Romane England • romane frankreich • Romane für Frauen • Romane Liebe • Romane London • Roman für Frauen • Roman spirituell • Roman Trauer • Roman über das Leben • Schönheit der Nacht • Sinnsuche Roman • spirituelle Romane • Tango • Tanz • Taschenbuch-Neuerscheinungen 2018 • tiefgründige Bücher • Tod • Trauer • unehelicher Sohn • Uneheliches Kind • Vaterschaft • Vaterverlust • Weisheit Romane
ISBN-10 3-426-43784-8 / 3426437848
ISBN-13 978-3-426-43784-1 / 9783426437841
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