Skebyrnok (eBook)
576 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7392-5229-2 (ISBN)
Innerhalb eines guten Jahrzehnts, brachte Michael Rootsey seine eigene, bescheidene Fantasytrilogie zu Papier. Von dem kompletten Handlungsstrang, über insgesamt neunundsechzig Illustrationen, bis zum jeweiligen Cover. Für Inspiration, Recherche und Nervennahrung, bereiste er zahlreiche Burgen, Wälder, Ruinen und Küsten, der verschiedensten Regionen des europäischen Kontinents, sowie besonders gerne der deutschen Heimat.
I. Gewohnheitstier
Schwarz zerstampfte Weiß. Hastig klopfte sich Dontu Napok die Schneereste von den Stiefeln, ehe er das unscheinbare Gebäude an der Ecke der Straßenkreuzung betrat. Supermarket lautete es oben neutral und vielversprechend von der roten, hölzernen Fassade, deren ungeachtet sich hinter den Kulissen nicht mehr als ein modernisierter Tante-Emma-Laden verbarg.
Die Zeit war relativ knapp bemessen, aber dennoch ließ sich Dontu nicht aus der Ruhe bringen.
In wenigen Minuten sollte ein Bus an der Haltestelle eintreffen, der seine letzte Möglichkeit darstellte, auf ein Neues, für einen einzigen Abend aus dem verhassten Ort zu verschwinden: Sørskaget.
Dieses gottverdammte Kaff und seine gottverdammten Einwohner. Wie hatte er es satt. Einfach alles. Trotzdem gab es kein Entkommen.
Lediglich die Wochenenden konnten ihn hin und wieder mit der spärlich befriedigenden Illusion einer temporären Flucht versorgen. Einer Flucht zu seinen sogenannten Freunden, welche ihn allmählich mehr und mehr an das restliche Gesindel erinnerten.
Wenig unterschied diese noch von den herkömmlichen Mitmenschen. Selbstgefällige Möchtegerns, Wichtigtuer, Intriganten.
Immerhin gaukelten sie sich gegenseitig vor, ausschließlich seine favorisierte Musiksparte zu hören: Abnorme Variationen des Metal.
Ein Sammelsurium aus rhythmischem Krach, das sich Außenstehende zunächst eine Weile zu Gemüte führen mussten, um überhaupt Melodien zu erkennen. Dontu war überzeugt davon, dass seine Leute allesamt durchaus anderen Genres Gehör schenkten, ohne dies öffentlich zuzugeben. Hauptsache das aufgesetzte, düstere Image wurde gepflegt und nach außen eine pseudo-exklusive Subkultur zelebriert, die unter der Oberfläche eine eher durchschaubare Freizeitaktivität darstellte.
Aber in dieser Hinsicht kam Dontu in ihrer Gesellschaft auf seine Kosten. Und mehr spielte im Rahmen des oberflächlichen Beisammenseins keine Rolle.
Gute Musik und Alkohol - sozialer Kontakt blieb Mittel zum Zweck.
Um eine mögliche Schlange an der Kasse vorzeitig auszumachen, warf Dontu bereits vom Bürgersteig einen prüfenden Blick Richtung Zahlstelle. Obwohl ihm klar war, dass sich die Leute mit Beginn der kalten Jahreszeit noch seltener aus ihren Häusern begaben, als sie es ohnehin zu tun pflegten. Dies konnte kleine Siedlungen schlagartig wie verschneite Geisterstädte erscheinen lassen und war in solchen Fällen des Zeitmangels zweifelsfrei von Vorteil. Potentielle Kunden blieben dann stets nur jene, die beim Anlegen der Vorräte etwas vergessen hatten. Oder der fortschreitenden Vereinsamung entgegenwirkend Gesprächspartner suchten.
An besagtem Freitag Abend stand eine ungewöhnlich milde Temperatur derart etablierten Routinen natürlich machtlos gegenüber.
Wollpullover, in die Stiefel gestopfte Militärhose, auf dem Rücken ein Rucksack - alles komplett in Schwarz. Dazu recht lange Haare, zotteliger Ziegenbart und ein schwarzer Staubmantel, unter dem er ohne zu zögern eine Schrotflinte hervorholen würde. Wenn sie Glück hatte, plünderte er den Laden, legte ein Feuer und verschwand. Wenn sie Pech hatte, schoss er ihr direkt ins Gesicht.
Ein abenteuerlicher Tagtraum überrumpelte die junge, frisch angestellte Kassiererin, als sie Napok draußen entdeckte. Doch durch dieses wohlerzogene Abklopfen seiner Stiefel, war der vermeintliche Nervenkitzel der Träumerei schneller verflogen, als die Impression nachwirkte. Hätte sie sich für das Begaffen von Kunden zu rechtfertigen gehabt, wäre wohl die plausibel anmutende Erklärung der Vorsicht vor einem Überfall zu hören gewesen, welche von ihrer blanken Neugierde hätte ablenken sollen.
Mit einem stark geschminkten Gesicht, lackierten Fingernägeln, lieblos hochgestecktem Haar und einer ebenso billig geschneiderten Uniform, war diese junge Dame jedoch nicht weniger auffällig in Schale geworfen.
Da Dontu als primärer Einzelgänger allgemeine Isolation anstrebte, hatte er beim Eintreten bewusst auf heuchlerische Begrüßungsfloskeln verzichtet.
Die akustische Lücke musste von klimpernden Glöckchen gefüllt werden, denn des überschaubaren Ladens zum Trotz, hatte auch die junge Frau an der Kasse keinerlei Begrüßung getätigt.
Stattdessen hielt sie es wohl für gebräuchlich, gedankenlos ihre Kaugummiblasen platzen zu lassen, durch eine Illustrierte zu blättern und die Dienstleistungsbranche unbewusst neu zu erfinden. Innerhalb weniger Sekunden hatte sich somit eine irrsinnige, distanzierte Stimmung aufgebaut.
Dontu ging zum Kühlregal, welches den Raum als einzig beruhigende Konstante mit einem leisen Surren erfüllte. Ein Radio hätte hier Wunder gewirkt.
Nachdem er sich den ersten Sechserpack importierten Bieres unter seinen Arm geklemmt hatte und mit der rechten Hand den nächsten griff, fiel seine Aufmerksamkeit auf die Heizung, die neben dem Kühlregal auf Hochtouren lief.
Dontu hielt einen Moment inne, warf einen skeptischen Blick auf die verschneite Straße, zurück zur Heizung und auf das künstlich gekühlte Bier in seinen Händen. Der Aufwand hinter diesem Temperatur-Unsinn zauberte ihm ein kurzes Grinsen ins Gesicht, welches auf dem Weg zur Kasse abflaute.
Dort angekommen, legte er zum Bier noch einen Schokoriegel auf das Band. Es wirkte beinahe so, als war alles Bestandteil eines einprogrammierten Ablaufs, der sich jedes Mal in Gang setzte, sobald Dontu einen Laden betrat.
Die junge Frau schien von ihrer Rolle jedoch wenig begeistert zu sein, fragte ihn ohne weiteren Kommentar nach seinem Ausweis und zerstörte somit den Eindruck der Alltäglichkeit.
Napok kramte genervt in seinem Geldbeutel herum und schielte absichtlich merkbar auf ihr Namensschild.
Wer dort saß, hatte ihn bis dahin nicht im Geringsten interessiert - nun stand Marit Lund offiziell auf Dontus Liste entbehrlicher Leute, die möglichst bald unter die Erde sollten.
Mit einundzwanzig Jahren war er sicherlich älter als sie, was die Angelegenheit in der Tat in ein fragwürdigeres Licht rückte.
Recht und Ordnung. Nonsens.
Zu Marit Lunds amateurhaftem Eintippen der Preise, steckte Dontu seine offizielle Genehmigung wieder weg und begann nach passendem Kleingeld zu suchen. War ein Verkneifen des Glotzens zu viel verlangt?
Der Einsatz schwarzer Lederhandschuhe machte für Marit offensichtlich sogar Belanglosigkeiten zu einem fesselnden Erlebnis. Nachdem das Bargeld erfolgreich die Besitzer gewechselt hatte, trennte Dontu eine Flasche aus der Pappschachtel und verstaute die restliche Ware in seinem Rucksack, was Frau Lund erneut mit platzenden Kaugummiblasen begleitete und dem Bild von Unprofessionalität somit den letzten Schliff verpasste.
Den Schokoriegel ließ Dontu schließlich in seiner Hosentasche verschwinden.
Dass sich in seinem Bündel ein brünierter Revolver befand, war Marit in einem entscheidenden Moment der Unaufmerksamkeit natürlich entgangen. Immerhin lag ihr Tagtraum somit näher an der Grenze zur Realität, als ihr lieb sein konnte.
Napok schnürte rasch seine Habseligkeiten zusammen, steckte die Schnallen ineinander und begab sich ohne ein Wort des Abschieds zurück zum Ausgang.
Die einfache Ladentür fiel unter Glöckchengeklimper ins Schloss und der düster gekleidete Kunde öffnete sich an der frischen Luft das separierte Bier.
Wegzehrung nannte er das - eine schöngeredete Variante schlechter Angewohnheit. Auch wenn diese Form des Konsums im Inland, in aller Öffentlichkeit, an Anarchie grenzte. Oder gerade deswegen.
Gelassen tauschte Dontu in der Hosentasche den Schlüsselbund samt Flaschenöffner gegen seinen Mp3-Player aus. Er wickelte die aufgerollten Kopfhörer aus, versenkte sie in seinem Gehörgang und drückte auf das Play-Symbol. Durch seinen Kopf rauschte ein Lied in flottem Tempo, mit Gitarren und Schlagzeug gespielt, ohne jeglichen Gesang und in einer einsamen, kalten Atmosphäre.
Passender ging es kaum. Die Umwelt war erfolgreich ausgeblendet. Herz und Melodie arbeiteten in unverwüstlichem Einklang, zerrissen die Realität und schickten schwarze Wolken und Wurzeln direkt vom Gehör ins Gehirn.
Er warf den Kronkorken in den Mülleimer an der Ampel, nahm einen ordentlichen Schluck Bier und marschierte herüber zur anderen Straßenseite.
Die letzten Sonnenstrahlen des Abends durchfluteten den verschlafenen Ort mit einem sanften Orange, welches ohne den eisigen Schnee beinahe sommerlich gewirkt hätte. An der Bushaltestelle unweit des Supermarktes blieb Dontu schließlich stehen. War er zu spät?
Er riskierte einen Blick auf die Armbanduhr. Einen sorglosen Atemzug später öffneten sich auch schon die Türen des steinalten Busses vor Dontus Nase, der ihn weitesgehend ans Ziel befördern sollte.
Der Fahrerin war es offenbar gleichgültig, dass er eine Flasche Bier in seiner Hand hielt. So warf er fünfundzwanzig Kronen auf die Rechenmaschine und ging bis zur vorletzten Sitzreihe.
Ein älterer Herr, der abzüglich Dontu der einzige Fahrgast war, blickte bei...
Erscheint lt. Verlag | 5.10.2015 |
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Reihe/Serie | Skebyrnok |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction | |
Schlagworte | Fantasy Horror • Metal • Nordische Mythologie • Norwegen • Skandinavien |
ISBN-10 | 3-7392-5229-4 / 3739252294 |
ISBN-13 | 978-3-7392-5229-2 / 9783739252292 |
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