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Thron in Flammen (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2015
Heyne (Verlag)
978-3-641-16873-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Thron in Flammen - Brian Staveley
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Seit sie herausgefunden hat, wer ihren Vater ermordet hat, ist Adare - die Tochter des annurischen Kaisers Sanlitun - auf der Flucht, der Unbehauene Thron ist ihren Feinden in die Hände gefallen. Gleichzeitig verfolgen Adares Brüder, Valyn und Kaden, ihre eigenen Pläne: Valyn geht ein Bündnis mit den verfeindeten Barbarenhorden aus dem Norden ein, und Kaden wandelt auf uralten magischen Pfaden, um das Geheimnis zu ergründen, das Annur seit Jahrhunderten vor dem Bösen beschützt. Ein Geheimnis, von dem das Schicksal der gesamten Menschheit abhängt ...

Brian Staveley studierte Kreatives Schreiben an der University of Boston und unterrichtete Literatur, Geschichte, Philosophie und Religion - Themengebiete, die sein eigenes Schreiben nachhaltig beeinflussen. Mittlerweile arbeitet er als Lektor und Autor und lebt mit seiner Familie in Vermont. Der verlorene Thron war seiner erster Roman.

Als Sioan die Turmspitze erreicht hatte und von der letzten Stufe in die bittere Kälte der Nacht trat, brannte die Luft in ihrer Lunge genauso heftig wie das Feuer, das unten durch die Straßen tobte. Das Klettern hatte viele Stunden in Anspruch genommen – genau genommen sogar die halbe Nacht. Die Wächter, die an ihr vorbeigelaufen waren, hatten keine Anzeichen von Erschöpfung gezeigt, doch schließlich war es die aedolianische Garde gewohnt, einmal im Mond in voller Rüstung die Stufen von Intarras Speer hinaufzulaufen. So bereitete es ihnen keine Mühe, einer Kaiserin in mittlerem Alter und drei kleinen Kindern zu folgen. Doch Sioan fühlte sich, als müsste sie gleich zu Boden sinken. Jeder Treppenabsatz lud sie ein, sich auszuruhen und sich gegen die Holzbalken zu lehnen, von denen die Treppe getragen wurde, dann die Augen zu schließen und einfach einzuschlafen.

Ich bin zu weich geworden, sagte sie sich immer wieder. Der Selbsttadel war das Einzige, was ihre zitternden Beine in Gang hielt. Ich bin zu einer weichen Frau geworden, die inmitten von weichen Dingen lebt.

Doch in Wahrheit machte sie sich größere Sorgen um ihre Kinder als um sich selbst. Sie alle hatten den Speer schon oft erklettern müssen, aber noch nie mit solcher Eile und Dringlichkeit. Ein gewöhnlicher Aufstieg dauerte etwa zwei Tage, wenn man auf dem Weg Pausen einlegte und Erfrischungen zu sich nahm. Tabletts mit Speisen sowie Matratzen waren zuvor stets von einem Voraustrupp aus Köchen und Sklaven bereitgestellt worden. Diese Aufstiege waren angenehm und glichen einer Feier; doch für einen so wilden und raschen Lauf wie heute waren die Kinder zu klein. Aber Sioans Gemahl hatte darauf bestanden, und niemand widersetzte sich dem Kaiser von Annur.

Das ist ihre Stadt, hatte Sanlitun zu ihr gesagt. Sie ist das Herz des Reiches. Sie ist etwas, das sie sehen müssen. Der Aufstieg wird die geringste der Schwierigkeiten sein, denen sie sich später einmal zu stellen haben.

Er musste diesen kentverdammten Turm schließlich nicht besteigen. Ein Kettral-Geschwader – fünf Männer und Frauen mit hartem Blick und schwarzer Kleidung – hatten den Kaiser auf den Krallen ihres massigen, erschreckenden Falken auf die Spitze des Speers getragen. Sioan begriff die Dringlichkeit. Die Flammen tobten durch die Straßen, und ihr Gemahl benötigte einen hoch gelegenen Punkt, um seine Befehle zu geben. Annur konnte es sich also nicht leisten zu warten, bis er Zehntausende Stufen ganz hinaufgeklettert war.

Die Kettral hatten sich erboten, auch Sioan und die Kinder nach oben zu tragen, aber sie hatte abgelehnt. Sanlitun behauptete, die Vögel seien zahm, aber »zahm« war dasselbe wie »domestiziert«, und sie hatte keineswegs die Absicht, ihre Kinder den Krallen einer Kreatur zu überlassen, die mit einer einzigen Bewegung einen Ochsen in Fetzen reißen konnte.

So quälte sich Sioan die Stufen hoch, während der Kaiser bereits auf dem Dach stand und die Kommandos gab, die zum Löschen der Brände in der Stadt führen sollten. Still verfluchte sie ihren Gemahl, weil er darauf bestanden hatte, dass sie ihn begleiteten. Und sie verfluchte sich selbst, weil sie alt wurde. Die Aedolianer stiegen still und stetig nach oben, aber die Kinder wurden trotz ihres anfänglichen Eifers immer müder. Adare war das älteste und stärkste, aber auch sie war nicht mehr als zehn Jahre alt, und sie befanden sich erst ein wenig oberhalb der spitzen Dächer der anderen, viel niedrigeren Türme, als sie zu keuchen begann. Bei Kaden und Valyn war es noch schlimmer. Die Stufen – eine Konstruktion von Menschenhand, eingelassen in die durchsichtige Eisenglasschale dieses uralten, unendlich erstaunlichen Bauwerks – waren etwas zu hoch für ihre kurzen Beine. Und beide Jungen stolperten immer wieder und stießen mit den Schienbeinen und Ellbogen gegen die Holzträger.

Die hölzernen Stufen wanden sich dreißig Etagen hoch, vorbei an Verwaltungsräumen und Reihen von luxuriösen Gemächern. Die menschlichen Erbauer dieser Räume und Gemächer hatten beim dreißigsten Stockwerk aufgehört. Obwohl das Gehäuse des Turms weiter nach ober reichte und sich in unendlichen Höhen zu verlieren schien, strebte in ihm doch nur noch die Treppe hinauf und wand sich durch das Innere der gewaltigen Leere; sie schwebte gleichsam in der Mitte der unmöglichen Glassäule. Hunderte Schritte weiter oben durchdrang die Treppe den Boden der einsamen Gefängniszelle – ein Boden aus solidem Stahl – und führte höher und höher. Bei Tage war es, als würde man durch eine Säule aus purem Licht aufsteigen. Nachts jedoch machte die umgebende Leere orientierungslos und war sogar beängstigend. Dann gab es nur die Wendeltreppe, die sie einhüllende Finsternis und, hinter den Wänden des Speers, das wütende Lodern des brennenden Annur.

Auch wenn ihr Gemahl darauf bestanden hatte, dass sie sich beeilten, die Stadt würde abbrennen, ob sie und die Kinder nun dabei zusahen oder nicht. Deswegen drängte Sioan sie bei jedem Absatz anzuhalten und sich kurz auszuruhen. Doch Adare würde eher tot zu Boden fallen, als ihren Vater zu enttäuschen, und obwohl Valyn und Kaden offenbar elend zumute war, mühten sie sich weiter hinauf und warfen einander dabei kurze Blicke zu; offensichtlich hoffte jeder, der andere möge aufgeben, nur dass keiner von beiden als Erster dazu bereit war.

Als sie schließlich durch die Falltür hinaustraten, schienen alle drei einer Ohnmacht nahe, und obwohl die Spitze von Intarras Speer von einer niedrigen Mauer umgeben war, streckte Sioan schützend die Arme aus, als der Wind auffrischte. Doch sie hätte sich keine Sorgen machen müssen. Die Aedolianer – Fulton und Birk, Yian und Trell – umringten die Kinder unverzüglich und schützten sie sogar hier vor einer möglicherweise unsichtbaren Bedrohung. Sie wandte sich ihrem Gemahl zu; Flüche lagen ihr bereits auf der Zunge, doch sie schwieg, als sie die Feuersbrunst in der Stadt unter sich toben sah.

Natürlich hatten sie die Katastrophe schon vom Innern des Speers aus bemerkt – wütendes Rot war durch die Glaswände gedrungen. Doch von der unfassbaren Höhe der Turmspitze aus erschienen die Straßen und Kanäle der Stadt kaum mehr als Striche auf einer Landkarte. Wenn Sioan die Hand ausstreckte, konnte sie ganze Stadtviertel verdecken – die Gräber oder Niedermarkt, Westhütte oder die Docks. Das Feuer hingegen vermochte sie auf diese Weise nicht auszulöschen. Als sie mit dem Anstieg begonnen hatte, waren die Flammen den Berichten zufolge auf den westlichen Rand der Stadt begrenzt gewesen; eine heftige Feuersbrunst hatte sich über ein halbes Dutzend Häuserblocks erstreckt. Während des endlosen Aufstiegs hatte sie sich dann aber schrecklich schnell ausgebreitet und alles westlich der Geisterstraße verschlungen; danach war das Feuer, angefacht durch einen starken Wind vom westlichen Meer, nach Osten auf das andere Ende des Gottesweges übergesprungen. Sioan versuchte zu berechnen, wie viele Häuser brannten und wie viele Menschen bereits gestorben waren. Es gelang ihr nicht.

Als sie hinter sich hörte, wie die Falltür klappernd zufiel, drehte sie sich um. Selbst nach den vielen Ehejahren erstarrte sie noch immer bei seinem Anblick. Obwohl auch Adare und Kaden die brennende Iris ihres Vaters hatten, war das Feuer in den Augen der Kinder warm, beinahe freundlich, so wie das Licht eines Kamins im Winter oder wie der Glanz der Sonne. Sanlituns Augen hingegen brannten mit einer frostigen, stetigen Flamme; sie verströmten ein Licht ohne Wärme oder Rauch. Keine Gefühlsregung zeigte sich auf seinem Gesicht. Er kämpfte gegen ein Feuer, das seine Stadt zu verzehren drohte, doch wirkte er jetzt eher so, als hätte er die halbe Nacht damit verbracht, den Sternen auf ihrem Weg durch die Finsternis zuzusehen oder das Zittern des Mondlichts auf den Wellen zu beobachten.

Sanlitun sah seine Kinder an, und Sioan spürte, wie sich Adare an ihrer Seite aufrichtete. Das Mädchen würde später in der Abgeschiedenheit ihres Gemachs zusammenbrechen, aber jetzt, in Gegenwart ihres Vaters, weigerte sie sich sogar, bei ihrer Mutter Halt zu suchen, obwohl ihr die Beine von den Anstrengungen des Aufstiegs zitterten. Kadens Augen waren so groß wie Teller, als er auf die Stadt unter ihnen starrte. Er verhielt sich so, als stünde er allein auf dem Dach – ein Kind von sieben Jahren, das einsam auf das Lodern hinuntersah. Nur Valyn ergriff ihre Hand und packte sie mit seinen kleinen Fingern, als er von den Flammen hoch zu seinem Vater und wieder nach unten schaute.

»Ihr seid gerade noch rechtzeitig angekommen«, sagte der Kaiser und deutete auf die dunklen Häuserblocks der Stadt.

»Rechtzeitig wofür?«, wollte Sioan wissen. Vor Wut versagte ihr beinahe die Stimme. »Um zehntausend Menschen brennen zu sehen?«

Ihr Gemahl betrachtete sie kurz, dann nickte er. »Unter anderem, ja«, antwortete er gelassen und wandte sich dem Schreiber an seiner Seite zu.

»Sie sollen ein weiteres Feuer entfachen«, sagte er. »Entlang des Anlatunswegs, von der südlichen Stadtgrenze bis zur nördlichen.«

Der Schreiber bückte sich angespannt und malte die Worte auf das Pergamentblatt. Dann hielt er es kurz in die Luft, damit die Tinte trocknete, rollte es rasch zusammen, steckte es in eine Bambusröhre und warf diese auf eine Rutsche, die in der Mitte des Speers nach unten führte. Sioan hatte die halbe Nacht benötigt, den schaelverdammten Turm zu erklettern; der Befehl des Kaisers dagegen würde den Palast dort unten in wenigen Augenblicken erreichen. Nachdem Sanlitun...

Erscheint lt. Verlag 9.11.2015
Reihe/Serie Thron-Serie
Thron-Serie
Übersetzer Michael Siefener
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Providence of Fire - Chronicle of the Unhewn Throne Book 2
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Barbaren • Bündnis • eBooks • Ermordung • Familie • Fantasy • Feinde • Flucht • Geheimnis • High Fantasy • Königreich • Magie • Menschheit • Prinzessin • Reihe • Rettung • Schutz • Serie • Thron
ISBN-10 3-641-16873-2 / 3641168732
ISBN-13 978-3-641-16873-5 / 9783641168735
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