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Massenbierhaltung (eBook)

Die Freuden des einfachen Mannes

(Autor)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Aufl. 2015
204 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7325-1386-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Massenbierhaltung - Volker Keidel
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Volker Keidel führt ein ruhiges Leben nach dem Motto: glückliche Kinder, Bier und Grillwurst, was braucht man mehr!? Doch der Frieden wird vom Optimierungswahn bedroht: Eine Wurst reicht nicht, es muss schon das Steak in Ingwer-Orangen-Marinade sein. Zum Fußball kommen nicht nur die Frauen mit, sondern sie sorgen auch dafür, dass alle Hugo trinken, und wenn Volker mit seinen Kindern eine Wasserschlacht macht, erntet er kritische Blicke - schließlich spielen sie dabei mit Wasserpistolen und das ist ja total unpädagogisch.

Endlich erwachsen


Als ich aufwachte, beschloss ich, vernünftiger zu werden. Schließlich war ich seit einigen Monaten 20 Jahre alt und hasste es mittlerweile, verkatert aufzuwachen.

Meine Augen konnte ich aufgrund der Kopfschmerzen noch nicht öffnen, aber ich hoffte, ein wunderschönes Mädchen würde neben mir liegen. Vielleicht könnte ich sie bitten, meine Frau zu werden und mir Kinder zu schenken.

Ich würde sicher endlich erwachsen werden, wenn ich eine richtige Aufgabe hätte und Verantwortung für etwas übernehmen müsste. Wir würden erst den Dachboden meines Elternhauses ausbauen, und wenn das zweite Kind auf dem Weg wäre, würden wir mit unseren Ersparnissen ein Reihenmittelhaus mit Carport kaufen. Wenn ich mich bemühte, würde ich sicher lernen, Laminat zu verlegen und den Luftfilter unseres Vans zu wechseln. Hach, endlich Familie!

Wie es mich ankotzte, an fünf von sieben Abenden die Woche wegzugehen. Wobei die Abende meistens ganz gut waren, schlimm waren die Morgen danach.

Die Übelkeit, die strafenden Blicke meines Vaters und das schlechte Gewissen, wenn die Erinnerung langsam zurückkehrte.

Oder wenn dich deine sogenannten Freunde nur deshalb anriefen, um einen einzigen Satz loszuwerden: »Ich weiß, was du letzte Nacht getan hast.«

Gott sei Dank würde damit jetzt Schluss sein!

Voller Vorfreude schlug ich die Augen auf. Ich wollte endlich wissen, welche charmante Traumfrau mit mir alsbald durch gute wie durch schlechte Zeiten gehen würde.

Gespannt blickte ich nach links. Gut, sie hatte ein paar Haare auf dem Rücken und war etwas teigig, aber wahre Liebe schert sich nicht um körperliche Defizite.

Ich kuschelte mich an sie, dann erkannte ich Murphy am Geruch.

Erschrocken wich ich zurück. Mühsam richtete ich mich auf und erblickte, zu unseren Füßen liegend, Breiti.

Zu unseren Füßen liegend, der arme Hund!

Wir hatten bestimmt drei Stunden im »Laby« getanzt … ich schloss nicht aus, dass Breiti tot war.

Er wachte jedoch auf, als ich ihm meinen kleinen Zeh in die Nase steckte. Seine Würgelaute weckten Hulge und Klafke, die auf dem Sofa lagen.

»So Jungs!«, rief ich. »Jetzt wird erst mal aufgeräumt, ich kann so nicht mehr weiterleben.«

Überall lagen Brotkrümel und leere Wurstdosen herum, Senf klebte am Tisch. Auf Teller und Besteck hatten wir anscheinend verzichtet, lediglich ein Messer steckte in der Tischplatte.

Tatsächlich halfen alle mit, die Sauerei zu beseitigen. Sie waren zu betrunken, um sich zu wehren.

Und schließlich hofften sie alle, ich hätte die Bierflaschen nicht gesehen. Als Breiti sie klammheimlich einsammelte und ins Waschbecken leeren wollte, trat ich in Aktion.

»Halt!«, brüllte ich und alle zuckten zusammen. Sie wussten, was die Stunde geschlagen hatte.

Schon vor einiger Zeit hatte ich Chicos uralten Brauch übernommen. Ich hatte einmal bei ihm übernachtet und er hatte mich am Morgen gezwungen, das in der Nacht noch völlig unnötig geöffnete Bier auszutrinken. Diese Absage an die Dekadenz hatte mich schwer beeindruckt.

»Ach Cattle, hör auf«, jammerte Hulge, »ich kann doch jetzt kein lauwarmes Bürgerbräu trinken.«

»Doch, das kannst du«, antwortete ich, »du konntest es ja auch heute Nacht noch öffnen.« Chico wäre sehr stolz auf mich gewesen.

So saßen wir zusammen, nippten an unseren nahezu vollen Bieren, und ich erzählte von meinem Plan, in naher Zukunft eine Familie zu gründen. Auch wenn ich noch nicht wusste mit wem.

Das belustigte alle so sehr, dass wir schnell unseren Kater vergaßen und weitere Flaschen öffneten. Wir tranken sie auch gleich aus, weil wir keine Lust hatten, sie am nächsten Morgen auszutrinken.

Irgendwann am späten Nachmittag fragte Murphy: »Was machen wir heute?«

»Keine Ahnung«, sagte Klafke, »aber wir nehmen auf jeden Fall deinen Teddy mit, Cattle, der muss auch mal raus.«

Mein Teddybär war sehr groß, ich hatte ihn auf einem Volksfest gewonnen.

»Sehr gute Idee«, antwortete ich, »aber er ist ganz nackt. Ziehen wir ihm doch eine Jeansjacke und eine Jeanshose an.«

Es war kühl draußen. Man konnte schon merken, dass ich langsam vernünftiger wurde.

Also fuhren wir ein paar Stunden später frisch geduscht mit Murphys GTI nach Würzburg, der Teddy saß zwischen uns auf der Rückbank.

Vor dem »Green Goose«, einer amerikanischen Diskothek, trafen wir uns mit 20 weiteren Freunden. Aus unseren Autos klang laute Heavy-Metal-Musik, wir trugen Cowboystiefel und Klafke sogar ein weißes Unterhemd. Trotz unseres Erscheinungsbildes führten wir echt intellektuelle Gespräche.

Na gut, das stimmt nicht ganz, aber wir hatten Spaß. Die anderen ein bisschen mehr als ich, schließlich steckte ich mit gerade mal 20 schon mitten in der Midlife-Crisis.

Während meine Freunde kleine Schnapsfläschchen in sich reinschütteten, trank ich lediglich Bier. Das war einfach erwachsener.

Als ich keinen Sinn mehr darin sah, mich grundlos zu betrinken, machte ich einen Vorschlag. Ich weiß bis heute nicht warum.

Jedenfalls sagte ich: »Auf, wir ziehen dem Bären noch diesen Motorradhelm hier über den Kopf, nehmen dieses Seil, hängen ihn an das Gerüst an dieser Kirche gegenüber und täuschen seinen Suizid vor. Die Passanten werden sich ganz schön erschrecken.«

»Geile Idee«, kommentierte Hulge, »du machst dir echt viele Gedanken, seit du spießig geworden bist.«

Durch den Helm knickte der Kopf authentisch zur Seite, durch die Jeans, die von seinen Füßen baumelte, war der Bär ungefähr 1,80 Meter groß.

Scheinbar unbeteiligt stellten wir uns auf die andere Straßenseite und beobachteten die vorbeikommenden Fußgänger.

Unglaublicherweise gingen mindestens zehn Leute an ihm vorbei, obwohl er nur knapp über dem Boden baumelte, schoben ihn sogar kopfschüttelnd zur Seite, aber kein einziger erschrak.

Wir wollten die Aktion schon abblasen, als aus dem Nichts eine Gruppe von 15 Japanern auftauchte. Auch sie erschraken nicht, zückten aber ihre Fotoapparate und schossen an die 40 000 Bilder. Noch heute rätseln wir, was die Urlauber wohl ihren Lieben zu Hause beim Dia-Abend zu dieser Sehenswürdigkeit erzählt und wie diese wohl reagiert haben.

Dann hatte Klafke, immer schon auf Völkerverständigung bedacht, einen schönen Einfall.

»Hopp, denen müssen wir was bieten! Breiti und Murphy, ihr holt das Auto, der Cattle und ich, wir steigen aufs Gerüst, und wenn ihr an den Zebrastreifen hinfahrt, werfen wir den Bär vors Auto. Alle denken dann, es wäre ein Unfall!«

Ja, dachte ich sofort, das klingt vernünftig, das machen wir.

Zwei Minuten später fuhren Murphy und Breiti mit hoher Geschwindigkeit vor, wir warfen den Teddy vom Gerüst, der Helm knallte genau ans Vorderrad, es tat einen Riesenschlag, und der Bär lag am Ende noch mit Helm auf dem Kopf quer über dem Zebrastreifen.

Unsere 20 alten unterfränkischen und die 15 neuen japanischen Freunde kreischten alle durcheinander und machten auf hektische Betriebsamkeit. Man rief um Hilfe, die ersten plädierten für eine Mund-zu-Mund-Beatmung.

Ich musste sehr lachen, bis ich die beiden amerikanischen Türsteher des »Green Goose« sah. Besser gesagt sah ich eigentlich nur noch das blanke Entsetzen in ihren Augen, während sie auf uns zu sprinteten.

Mir war klar, dass sie uns halb totschlagen würden, wenn sie den Grund für ihre Panik erführen.

Ich hatte wirklich Angst und mir kamen zum ersten Mal leichte Zweifel, ob ich denn mental schon bereit für die Ehe wäre.

Zumindest meine Angst vor den beiden GIs war unbegründet, denn nachdem die zwei Muskelberge den Bären erkannt hatten, brüllten sie vor Lachen und begannen sogleich eine Herz-Druck-Massage.

Dann nahmen sie meinen Teddy unter ihre Arme und trugen ihn Richtung Diskothek.

Hey, dachte ich, das sind meine Jeansjacke und meine Jeanshose. Auch den Teddy wollte ich einmal meinen Kindern vermachen. Am Eingang hatte ich sie eingeholt und schnappte mir den Bären. Sie protestierten nicht, ich muss sehr erwachsen aufgetreten sein. Ich hatte mich gerade umgedreht, als hinter mir jemand verkündete: »They’ve called the ambulance!«

Ui, schnell weg, dachte ich, welche Frau will schon einen Mann mit Vorstrafen, und rannte zurück zu den anderen. Ich hoffte, dass der GTI noch lief.

Mitten auf der Kreuzung hielten mich zwei Männer am Oberarm fest.

»Zivilpolizei, kommen Sie bitte mit!«

»Jaja klar«, sagte ich leicht dümmlich, »ihr verarscht mich.«

Ich glaubte ihnen spätestens, als sie unsere Personalien aufnahmen.

Sie erzählten uns, dass sie uns schon geraume Zeit beobachtet hatten, und ließen durchklingen, dass sie uns witzig fanden. Etwas kindisch, aber witzig. Es tat mir weh, als sie »kindisch« sagten.

»Wir sehen von einer Anzeige ab, aber betet zu Gott, dass der Krankenwagen nicht kommt, das würde nämlich 500 Mark kosten. Ich hoffe, wir konnten ihn noch rechtzeitig abbestellen.«

Und der Krankenwagen kam nicht. Das heißt, er kam nicht alleine. Er wurde eskortiert von drei Streifenwagen, allesamt mit Blaulicht und Sirene.

»Kostet ein Streifenwagen auch 500 Euro?«, fragte Breiti. »Oder sind die im Paket günstiger?«

Ein paar Wochen zitterten wir. Keiner wollte zu Hause erzählen, warum wir aller Voraussicht nach 2000 Mark zu zahlen haben würden.

Glücklicherweise kam nie eine Rechnung.

So...

Erscheint lt. Verlag 12.11.2015
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Schlagworte Culture Clash • Humor • Komisch • lustig • lustiges Sachbuch • Unterhaltung • witzig • witzige Bücher
ISBN-10 3-7325-1386-6 / 3732513866
ISBN-13 978-3-7325-1386-4 / 9783732513864
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