Atlantia (eBook)
416 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-402998-6 (ISBN)
Ally Condie lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Salt Lake City, USA. Nach dem Studium unterrichtete sie mehrere Jahre lang Englische Literatur in New York, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Die phänomenal fesselnde Serie »Cassia & Ky« wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und war ein überwältigender internationaler Erfolg.
Ally Condie lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Salt Lake City, USA. Nach dem Studium unterrichtete sie mehrere Jahre lang Englische Literatur in New York, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Die phänomenal fesselnde Serie »Cassia & Ky« wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und war ein überwältigender internationaler Erfolg.
Ein packender und futuristischer Roman von der Autorin der Erfolgsserie ›Cassia & Ky‹!
Die Geschichte um Rio ist so filigran umschrieben, dass man als Leser von der ersten Seite an gebannt in ihrer mysteriösen Welt versinkt.
Ein wunderbarer ›Arche Noah‹-Roman mit Zwillingen, die für ein gemeinsames Leben bestimmt sind.
Abtauchen und genießen!
Diese Geschichte überzeugt durch die sehr interessante ›Welt‹, die Ally Condie erschaffen hat, und auch die Hauptfiguren haben ihren Reiz.
Der gelungene All-Ages-Mix aus Fantasy und Dystopie zieht einen magisch in den Bann!
Hier heißt es Mitfiebern von Anfang an
Sowohl auf inhaltlicher wie auch auf sprachlicher Ebene ist der Roman ein wahrer Hit! […] Sehr empfehlenswert!
Kapitel 1
Meine Zwillingsschwester Bay und ich schreiten unter den braun-türkisfarbenen Bannern hindurch, die von der Decke des Tempels herabhängen. Würdenträger sitzen steif auf ihren Stühlen in der Galerie und überblicken von dort aus das Geschehen. Die Bänke im Mittelschiff sind dicht gefüllt. Götterbilder schmücken Wände und Decke, und es scheint, als würden auch sie uns beobachten. Das größte und schönste Fenster des Tempels, das Rosenfenster, wird von hinten beleuchtet, um die Illusion von einfallendem Sonnenlicht zu erzeugen. Das Glas leuchtet, als spendete es uns Segen – bernsteingelb, grün, blau, rosa, violett. Oben die Farben von Blütenblättern; unten die von Korallenformationen.
Der Priester steht am Altar, der mit einem komplizierten Schnitzmuster von geraden Linien und Wirbeln verziert ist. Wellen, die zu Bäumen werden, sind auf dem kostbaren Holz zu sehen. Zwei Schalen stehen oben auf dem Altar – eine gefüllt mit Salzwasser aus dem Ozean, der unsere Stadt umgibt, eine mit dunkler Erde, die von Oben hinuntergebracht wurde.
Bay und ich warten in einer Reihe mit den anderen gleichaltrigen Jugendlichen. Mir tun die anderen leid, weil sie keine Geschwister haben, die mit ihnen zusammen warten. In Atlantia sind Zwillingsgeburten eher selten.
»Hörst du, wie die Stadt atmet?«, flüstert Bay.
Ich weiß, dass es ihr am liebsten wäre, ich würde zustimmen, aber ich schüttele den Kopf. Was wir hören, ist kein Atem. Es ist das immerwährende Säuseln der Luft, die durch die Wände in die Räume gepumpt wird, damit wir überleben können.
Bay weiß das, aber sie hatte schon immer eine etwas seltsame Beziehung zu Atlantia – wobei sie nicht die Einzige ist, die unsere Unterwasserstadt liebt und sie als lebendig bezeichnet. Und tatsächlich gleicht Atlantia einem riesigen Meereslebewesen, das sich auf dem Grund des Ozeans ausgestreckt hat. Die Straßen und Wege erstrecken sich wie Tentakel ausgehend von den größeren Kuppeln der Wohnviertel und Marktplätze. Natürlich ist alles eingekapselt. Wir leben unter Wasser, sind aber dennoch menschlich; wir brauchen daher sowohl Wände als auch Luft, um uns zu schützen.
Der Priester hebt die Hand, und wir werden still.
Bay presst die Lippen zusammen. Normalerweise ist sie ruhig und ausgeglichen, doch heute wirkt sie angespannt. Hat sie Angst, dass ich mein Versprechen brechen werde? Das werde ich nicht. Ich habe es ihr geschworen.
Wir stehen Seite an Seite, Hand in Hand. Unser braunes Haar ist mit blauen Bändern zu komplizierten Zöpfen geflochten. Wir haben beide blaue Augen. Wir sind hochgewachsen und haben die gleiche Haltung. Doch wir sind zweieiige Zwillinge, nicht identisch, und so kann man uns problemlos auseinanderhalten.
Obwohl Bay und ich nicht das Spiegelbild des anderen sind, sehen wir uns dennoch so ähnlich, wie es bei zwei unterschiedlichen Menschen möglich ist. Wir haben seit jeher eine enge Bindung zueinander gehabt, und seit dem Tod unserer Mutter sind wir noch näher zusammengerückt.
»Das wird schwer heute«, seufzt Bay.
Ich nicke. Es wird schwer heute, denke ich, weil ich nicht das tun werde, was ich immer tun wollte. Doch ich weiß, dass Bay das nicht meinte.
»Weil sie nicht mehr ist«, sage ich.
Bay nickt.
Bevor unsere Mutter vor sechs Monaten starb, war sie die Priesterin des Tempels und leitete die Zeremonie, die zum Jahrestag der Trennung begangen wird. Bay und ich waren jedes Jahr dabei, wenn Mutter die Eröffnungsrede hielt und dann die Jugendlichen, die das Alter der Wahl erreicht hatten, mit Wasser oder Erde segnete, je nachdem, wie ihre Entscheidung ausgefallen war.
»Glaubst du, Maire ist hier?«, fragt Bay.
»Nein«, antworte ich. Bay meint unsere Tante, unsere einzige noch lebende Verwandte. Ich versuche, neutral zu klingen, aber meine Stimme ist scharf. »Sie gehört nicht hierher.« Unsere Mutter gehörte in den Tempel, und sie und ihre Schwester Maire hatten sich vor langer Zeit voneinander entfremdet. Als Mutter jedoch starb …
Nein, ich darf nicht daran denken.
Der Priester beginnt mit dem Ritual, ich schließe die Augen und stelle mir vor, dass an seiner Stelle unsere Mutter die Andacht leitet. In meinen Gedanken steht sie aufrecht und klein hinter dem Altar. Sie trägt ihren braun-blauen Talar und die Priester-Insignien, die Silberkette mit dem Anhänger, der das gleiche Muster wie die Altarschnitzereien hat. Sie breitet die Arme weit aus und ähnelt dabei einem der Rochen, die manchmal durch die Meeresgärten segeln.
»Welche Gaben wurden jenen geschenkt, die Unten leben?«, fragt der neue Priester.
»Langes Leben, Gesundheit, Stärke und Glück.« Ich skandiere die Worte zusammen mit allen anderen, doch für meine Familie hat sich dies nicht erfüllt. Unsere Eltern sind beide jung gestorben – Vater vor Jahren, als Bay und ich noch Babys waren, an einer Krankheit namens Wasserlunge, und Mutter erst vor kurzer Zeit. Natürlich haben sie länger gelebt, als sie es Oben getan hätten, aber dennoch kürzer als die meisten anderen Leute hier Unten in Atlantia.
Doch unsere Familie war ohnehin nie wie die meisten anderen Familien Atlantias. Früher schaute man zu uns hoch, wir wurden zutiefst beneidet, doch in letzter Zeit überwog das Mitleid. Der Neid wurde durch unser Unglück fortgewaschen. Früher respektierte man Bay und mich, wenn wir die Hallen der Tempelschule durchquerten, weil wir die Töchter von Ozeana, der Priesterin, waren. Nun betrachtet man uns als mitleiderregende Geschöpfe, wir sind die Waisenkinder von Eltern, die zu früh gestorben sind.
»Welcher Fluch liegt auf jenen, die Oben leben?«, fragt der Priester.
»Ein kurzes Leben, Krankheit, Schwäche und Elend.«
Bay drückt tröstend meine Hand. Sie weiß, dass ich mein Versprechen halten und mich anders entscheiden werde als geplant.
»Ist das gerecht?«
»Es ist gerecht. Es ist so, wie es die Götter zur Zeit der Trennung beschlossen haben. Manche müssen Oben bleiben, damit die Menschheit Unten überleben kann.«
»Lasset uns danken.«
»Wir danken den Göttern für das Meer, in dem wir leben, für die Luft, die wir atmen, für unser Leben im Unten.«
»Habt Gnade mit uns.«
»Und mit denen, die Oben leben.«
»Dies«, spricht der Priester, »ist der Weg, den die Götter uns vorgezeichnet haben, seitdem die Welt zerstört wurde und die Trennung stattfinden musste. Die Luft war verschmutzt, und die Menschen konnten Oben nicht länger überleben. Um die Menschheit zu retten, bauten sie Atlantia. Doch nicht jeder konnte hinunter. Viele blieben Oben, damit ihre Angehörigen Unten leben konnten.
Wir unter Wasser im Unten haben ein langes, schönes Leben. Wir arbeiten hart, aber nicht annähernd so hart wie diejenigen an Land. Wir haben Zeit für Muße. Wir müssen keine verschmutzte Luft atmen, und der Krebs zerfrisst nicht unsere Lungen.
Die Menschen Oben arbeiten ihr Leben lang, um uns hier Unten zu unterstützen. Ihre Lungen zersetzen sich, und sie leiden furchtbare Schmerzen. Doch sie werden später dafür belohnt werden, im Leben danach.
Die Entscheidung, den Fortbestand der Menschheit auf diese Weise zu retten, wurde von den Göttern und von unseren Ahnen getroffen. Wir akzeptieren sie. Der heutige Tag ist eine Ausnahme, da wir unsere eigene Entscheidung treffen können. Obwohl wir daran glauben, dass uns die Götter aus einem bestimmten Grund nach Unten geschickt haben, dürfen wir auch nach Oben gehen, wenn wir es wünschen, und unser Leben opfern.«
Der Priester hat seine Predigt beendet. Ich öffne die Augen.
Er ist ein hochgewachsener Mann namens Nevio. Ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, die Priester-Insignien um seinen Hals hängen zu sehen. Mir ist, als gehörten sie unserer Mutter.
»Warum sollte sich irgendjemand dafür entscheiden, nach Oben zu gehen, wo man jung stirbt und schrecklich hart arbeiten muss?«, fragten die Kinder von Unten, als sie kleiner waren. Ich beteiligte mich bei diesen Fragen nie, sondern behielt die lange Liste der Gründe für mich, die dafür sprachen, nach Oben zu gehen: Man kann die Sterne sehen. Man kann die Sonne auf dem Gesicht spüren. Man kann einen Baum berühren, der in richtiger Erde wurzelt. Man kann meilenweit gehen, ohne je an den Rand seiner Welt zu gelangen.
»Tritt vor«, sagt Nevio zu der Ersten in der Reihe.
»Ich akzeptiere mein Schicksal im Unten«, antwortet das Mädchen.
Ein zustimmendes Gemurmel steigt von der Menge auf. Denn trotz all der großen Reden über die Tugenden des Sich-Opferns begrüßen es die Bewohner von Atlantia, wenn die jungen Leute die Wahl ihrer Verwandten, Unten zu bleiben, anerkennen, indem sie sich genauso entscheiden. Nevio, der Priester, nickt und taucht die Finger in die Schale mit Salzwasser und sprenkelt es auf das Mädchen, spritzt ihr Tropfen ins Gesicht, die kleiner sind als Tränen. Ich frage mich, ob es brennt.
Als der erste junge Mann das Oben wählt, nehmen ihn die Friedenswächter in ihre Mitte und führen ihn weg. Es gibt keine Möglichkeit, sich noch von Freunden und Familie zu verabschieden. Nach dem Ende der Zeremonie verfrachten die Friedenswächter alle, die das Oben gewählt haben, für einen Transport an die Oberfläche. Die Endgültigkeit dieser Entscheidung hat mich seit jeher beschäftigt – keine Möglichkeit, noch irgendetwas zu erledigen, nur abrupte Trennung. Ich habe immer gewusst, dass es schwer sein würde, in dem Moment der Entscheidung in das Gesicht meiner Mutter zu blicken, aber sie hätte ja noch Bay...
Erscheint lt. Verlag | 11.2.2015 |
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Übersetzer | Stefanie Schäfer |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Atlantia • Fantasy • fen • Gesang • Geschwisterliebe • Kampf • Liebe • Rettung • Rio • Roman • Schwester • Schwestern • Sirene • Tiefmarkt • Tod • Trennung • True • Unterwasserwelt • Versprechen • Zwilling • Zwillinge • Zwillingsschwestern |
ISBN-10 | 3-10-402998-9 / 3104029989 |
ISBN-13 | 978-3-10-402998-6 / 9783104029986 |
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