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Revival (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2015
528 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-15346-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Revival - Stephen King
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Revival erzählt die Geschichte des Jungen Jamie und des Predigers Charles Jacobs, deren Wege sich von den Sechzigern bis heute auf unglückselige Weise immer wieder kreuzen. Sie steuert auf ein beängstigendes, auswegloses Ende zu, wie es selbst Stephen King bislang nicht zu Papier gebracht hat, und ist gleichzeitig Abrechnung mit dem Religionsfanatismus in unserem hoch technisierten Zeitalter und Verbeugung vor den Größen des klassischen Horrors.

Stephen King, 1947 in Portland, Maine, geboren, ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Bislang haben sich seine Bücher weltweit über 400 Millionen Mal in mehr als 50 Sprachen verkauft. Für sein Werk bekam er zahlreiche Preise, darunter 2003 den Sonderpreis der National Book Foundation für sein Lebenswerk und 2015 mit dem Edgar Allan Poe Award den bedeutendsten kriminalliterarischen Preis für Mr. Mercedes. 2015 ehrte Präsident Barack Obama ihn zudem mit der National Medal of Arts. 2018 erhielt er den PEN America Literary Service Award für sein Wirken, gegen jedwede Art von Unterdrückung aufzubegehren und die hohen Werte der Humanität zu verteidigen.

Seine Werke erscheinen im Heyne-Verlag.

I

Der Fünfte im Spiel. Der Schädelberg. Der See des Friedens.

In wenigstens einer Hinsicht ist unser Leben wirklich wie ein Film. Die Hauptdarsteller sind unsere Familienmitglieder und Freunde, die Nebenfiguren Nachbarn, Kollegen, Lehrer und Bekannte. Dazu kommen die Kleindarsteller: die junge Frau mit dem hübschen Lächeln, die im Supermarkt an der Kasse sitzt, der freundliche Barkeeper in der Stammkneipe, die Typen, mit denen man dreimal pro Woche im Fitnesscenter trainiert. Und es gibt Tausende Statisten – jene Leute, die durch jedes Leben strömen wie Wasser durch ein Sieb, weil man sie ein einziges Mal sieht und dann nie wieder. Der Teenager, der bei Barnes & Noble vor den Graphic Novels steht, weshalb man sich an ihm vorbeischieben muss (mit einem gemurmelten »’tschuldigung«), um zu den Zeitschriften zu gelangen. Die Frau im Auto nebenan, die vor der roten Ampel ihren Lippenstift nachzieht. Die Mutter, die ihrer Kleinen Eiscreme vom Gesicht wischt, irgendwo in einem Lokal am Straßenrand, wo man zu einem kurzen Imbiss eingekehrt ist. Der Verkäufer, dem man bei einem Baseballspiel einen Beutel Erdnüsse abgekauft hat.

Aber manchmal gerät eine Person in unser Leben, die in keine dieser Kategorien passt. Sie ist der Joker, der über die Jahre hinweg in unregelmäßigen Abständen aus dem Kartenstapel auftaucht, oft an einem entscheidenden Wendepunkt. Im Film wird eine solche Gestalt auch als Fünfter im Spiel oder Katalysator des Wandels bezeichnet. Taucht sie auf, so weiß man, dass sie da ist, weil der Drehbuchautor sie hineingeschrieben hat. Aber wer schreibt das Drehbuch unseres Lebens? Das Schicksal oder der Zufall? Lieber möchte ich Letzteres glauben. Das möchte ich von ganzem Herzen und mit ganzer Seele. Wenn ich an Charles Jacobs denke – meinen Fünften im Spiel, meinen Katalysator, meine Nemesis –, so ist mir die Vorstellung, sein Auftreten in meinem Leben könnte irgendetwas Schicksalhaftes an sich haben, unerträglich. Das würde nämlich bedeuten, dass all die schrecklichen Dinge – diese Gräuel – vorgesehen waren. Ist das der Fall, dann gibt es nichts, was man als Licht bezeichnen könnte, und unser Glauben daran ist eine törichte Illusion. Ist das der Fall, dann leben wir in der Dunkelheit wie Tiere in ihrem Bau oder Ameisen tief unten in ihrem Haufen.

Und wir sind nicht allein.

Zum sechsten Geburtstag hatte ich von Claire eine Armee bekommen, und an einem Samstag im Oktober 1962 bereitete ich mich auf eine große Schlacht vor.

Ich stamme aus einer großen Familie – vier Jungen, ein Mädchen –, und als Jüngster bekam ich immer viele Geschenke, aber die von Claire waren die besten. Ich weiß nicht, ob das daran lag, dass sie die Älteste von uns war oder das einzige Mädchen oder beides. Von allen großartigen Geschenken, die sie mir im Lauf der Jahre machte, war diese Armee mit Abstand das tollste. Sie bestand aus zweihundert grünen Plastiksoldaten, manche mit Gewehren, andere mit Maschinengewehren, und etwa ein Dutzend waren an röhrenähnliche Dinger geschweißt, bei denen es sich laut Claire um Mörser handelte. Dabei waren außerdem acht Lastwagen und zwölf Jeeps. Das vielleicht Coolste an der Armee war der Karton, in dem sie untergebracht war, eine Feldkiste aus Pappe, die mit grün-brauner Tarnfarbe bedruckt war. An der Vorderseite stand in Schablonenschrift EIGENTUM DER U.S. ARMY. Darunter hatte Claire im selben Stil eine zusätzliche Aufschrift angebracht: JAMIE MORTON, KOMMANDANT.

Das war ich.

»Ich hab in einem von Terrys Comicheften eine Anzeige dafür gesehen«, sagte sie, als ich mein begeistertes Kreischen eingestellt hatte. »Der hat sie mich allerdings nicht ausschneiden lassen, weil er ein Nasenpopler ist …«

»Genau«, sagte Terry. Er war acht. »Ich bin ein großer Nasenpopler.« Er spreizte Zeige- und Mittelfinger und steckte sie in die Nasenlöcher.

»Schluss jetzt«, sagte unsere Mutter. »Kein Geschwisterzoff an Geburtstagen, bitte sehr und danke schön. Terry, nimm die Finger aus der Nase.«

»Jedenfalls hab ich den Bestellzettel kopiert und eingeschickt«, sagte Claire. »Ich hatte schon Angst, das Zeug kommt nicht mehr rechtzeitig, aber es hat geklappt. Schön, dass es dir gefällt.« Damit gab sie mir einen Kuss auf die Schläfe. Dort küsste sie mich immer hin. Obwohl das schon so lange her ist, spüre ich diese zarten Küsse immer noch.

»Das ist ganz toll!«, sagte ich und presste die Feldkiste an die Brust. »Und das wird für immer und ewig toll bleiben!«

Es war nach dem Frühstück, bei dem es Blaubeerpfannkuchen mit Frühstücksspeck gegeben hatte, was ich am liebsten aß. Am Geburtstag bekamen wir alle unser Leibgericht, und die Geschenke wurden immer nach dem Frühstück überreicht, in der Küche mit ihrem Holzofen, dem langen Tisch und unserer riesigen Waschmaschine, die ständig kaputt war.

»Für immer und ewig dauert bei Jamie wahrscheinlich gerade mal fünf Tage«, sagte Con. Er war zehn Jahre alt, schlank (später nahm er allerdings zu) und schon damals naturwissenschaftlich interessiert.

»Netter Spruch, Conrad«, sagte unser Vater. Er hatte seine Arbeitsklamotten an, einen sauberen Overall, auf dessen linker Brusttasche mit Goldfaden sein Name – RICHARD – eingestickt war. Auf der rechten Seite stand MORTON HEIZÖL. »Ich bin beeindruckt.«

»Danke, Daddy!«

»Dein großes Mundwerk verschafft dir die Gelegenheit, deiner Mutter beim Abwaschen zu helfen.«

»Heute ist Andy dran!«

»Das war einmal«, sagte Vater und goss Sirup auf den letzten Pfannkuchen. »Hol dir ein Geschirrtuch, du Sprücheklopfer. Und pass auf, dass nichts kaputtgeht.«

»Du verwöhnst ihn noch total«, sagte Con, griff sich jedoch trotzdem ein Geschirrtuch.

Was meine Vorstellung der Ewigkeit anging, hatte Connie nicht ganz unrecht. Fünf Tage später sammelten sich unter meinem Bett auf dem Geschicklichkeitsspiel, das Andy mir geschenkt hatte, bereits die Staubmäuse (ohnehin fehlten einige wichtige Teile; Andy hatte es für einen Vierteldollar beim Wohltätigkeitsbasar erstanden). Den Puzzles, die ich von Terry bekommen hatte, erging es ebenso. Con hatte mir einen View-Master geschenkt, der sich ein bisschen länger hielt, irgendwann jedoch in meinem Kleiderschrank landete und nie wieder in die Hand genommen wurde.

Von meinen Eltern kriegte ich Klamotten, weil mein Geburtstag Ende August ist und ich in jenem Jahr in die erste Klasse kam. Ich packte neue Hosen und Oberteile aus, die in etwa so aufregend waren wie ein Testbild im Fernsehen, gab mir aber Mühe, mich begeistert zu bedanken. Ich vermute, dass sie das problemlos durchschaut haben; einem Sechsjährigen fällt es nicht gerade leicht, Begeisterung vorzutäuschen … wenngleich das bedauerlicherweise etwas ist, was wir meistens ziemlich schnell lernen. Jedenfalls kamen die Sachen in die riesige Waschmaschine, wurden im Garten auf die Wäscheleine gehängt und schließlich gefaltet in den Schubladen meiner Kommode deponiert. Wahrscheinlich müsste ich nicht erwähnen, dass sie dort ungestört ihr Dasein fristeten, bis der September kam und es unumgänglich war, sie anzuziehen. Wie ich mich erinnere, war ein Pullover dabei, der eigentlich ziemlich cool war – er war braun mit gelben Streifen. Wenn ich ihn trug, tat ich so, als wäre ich ein Superheld mit Namen Wespenmann: Ihr Bösewichte, hütet euch vor meinem Stachel!

Was die Feldkiste mit der Armee betraf, lag Con jedoch falsch. Mit den Figuren spielte ich den lieben langen Tag, normalerweise am Rand des Vorgartens, wo zwischen unserem Rasen und der Methodist Road ein unbefestigter Gehweg verlief. Die Straße selbst war damals ebenfalls nicht geteert. Mit Ausnahme der Route 9 und der zweispurigen Straße zum Goat Mountain, wo sich ein Resort für reiche Leute befand, waren alle Straßen in Harlow damals unbefestigt. Ich erinnere mich, wie meine Mutter mehrfach über den ganzen Staub weinte, der an trockenen Sommertagen ins Haus wehte.

An vielen Nachmittagen spielten Billy Paquette und Al Knowles – meine zwei besten Freunde – mit mir Krieg, aber an dem Tag, an dem Charles Jacobs zum ersten Mal in mein Leben trat, war ich allein. Ich weiß nicht mehr, wieso Billy und Al nicht dabei waren, aber ich erinnere mich, dass ich es genoss, ausnahmsweise für mich zu sein. Zum einen war es dadurch nicht nötig, die Armee in drei Divisionen aufzuteilen. Zum anderen – was wichtiger war – musste ich mich mit den beiden nicht darum streiten, wer mit Siegen dran war. Eigentlich kam es mir unfair vor, überhaupt jemals verlieren zu müssen; schließlich waren es meine Soldaten, und es war meine Feldkiste.

Als ich dieses Thema kurz nach meinem Geburtstag an einem heißen Spätsommertag mit meiner Mutter besprach, nahm sie mich bei den Schultern und sah mir in die Augen, ein klarer Hinweis darauf, dass mir eine weitere Lektion fürs Leben bevorstand. »Dieses Das ist meins! ist eines der größten Probleme auf der Welt, Jamie. Wenn du mit deinen Freunden spielst, gehören die Soldaten euch allen.«

»Selbst wenn wir dabei gegeneinander...

Erscheint lt. Verlag 2.3.2015
Übersetzer Bernhard Kleinschmidt
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Revival
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerika • Atheismus • Carrie • Drogensucht • eBooks • Elektrizität • Frankenstein • Fundamentalismus • Horror • Methodisten • New York Times Bestseller • Religion • Rock and Roll • spiegel bestseller • spiegel bestseller, new york times bestseller, Religion, Atheismus, Rock and Roll, Frankenstein, Drogensucht, Elektrizität, Amerika, Carrie
ISBN-10 3-641-15346-8 / 3641153468
ISBN-13 978-3-641-15346-5 / 9783641153465
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