So, jetzt wär des au g'schwätzt (eBook)
272 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-14670-2 (ISBN)
Können sie wirklich alles außer Hochdeutsch? Haben sie noch andere Ziele im Leben als Bausparen, Häusle bauen und Auto putzen? Und wer steckt tatsächlich hinter der viel zitierten schwäbischen Hausfrau? Christoph Sonntag, der wohl beliebteste schwäbische Kabarettist, erklärt, wie die weltweit verbreiteten und oft belächelten Bewohner des Ländles wirklich ticken. Ein Buch für und über die Schwaben - selbstironisch, frech und messerscharf!
Christoph Sonntag, geb. 1962 in Waiblingen, ist seit über 25 Jahren zu Gast auf deutschen Bühnen und zählt zu den bekanntesten Kabarettisten im Land. Der Durchbruch gelang ihm mit seinem Programm 'AZNZ - Alte Zeiten Neue Zeiten'. Er ist regelmäßig auf SWR3 zu hören und hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht, u.a. Schwäbisch für Anfänger im Langenscheidt Verlag.
Der Schwabe und die Erotik
Bei der Überlegung, wie ich dieses Buch anpacken, schreiben und sortieren soll, fiel die Entscheidung: Ich beginne einfach mit dem Schönsten, was das Leben zu bieten hat – der Erotik. Und schiebe im Folgekapitel das Zweitschönste nach: das Essen. Viele von Ihnen werden die Nase rümpfen und sagen: Schwabe und Erotik? Das hört sich doch an wie Reiner Calmund und Magersucht oder wie Wladimir Putin und sexuelle Vielfalt. Leider kann ich Ihnen bereits im ersten Kapitel dieses Buches nicht voll widersprechen; jahrhundertelang hat der Schwabe bei der Partnerwahl nämlich romantische Gefühle hintangestellt – Werte wie Grundbesitz, ein Eigenheim oder zumindest ein zuteilungsreifer Bausparvertrag waren da schon eher primäre Punkte, die bei der Suche nach dem passenden Partner im Vordergrund standen und selbigen in ein romantisches Licht tauchen konnten. Esoterisch ausgedrückt: Eine dicke Geldbörse versetzt den Besitzer in monetäre Schwingung, und die kommt beim Gegenüber als Sex-Appeal und Attraktivität an.
Auch will der Schwabe bei der entscheidenden Frage gerne auf Nummer sicher gehen und formuliert einen Heiratsantrag daher oft sehr vorausschauend: »Dädsch du mi eventwell möga, wenn i di au möga däd?«
Bei derlei rational gesteuerten Annäherungsversuchen fällt es natürlich schwer, sich den Schwaben im Bereich der Körperlichkeit als feurigen Liebhaber vorzustellen. Und in der Tat: Die Kombination Schwabe und Erotik geht auf den ersten Blick so wenig zusammen wie Sigmar Gabriel und ein Volkshochschulen F-Kurs im »Ausdruckstanz«.
Allerdings scheint es ja doch irgendwie mit der Fortpflanzung zu klappen, denn mit 1,36 Kindern pro Paar (Frage: Wer bekommt bei einer Trennung eigentlich die 0,36 Kinder und wie viel zahlt man laut Düsseldorfer Tabelle so einem Drittels-Balg an Unterhalt?) liegt das Ländle genau im bundesdeutschen Schnitt. Spitzenreiter hier ist übrigens Sachsen mit 1,48 Kindern – verständlich, dass man dort umgehend vom Reden zum Tun kommt, denn zu lange Gespräche im sächsischen Dialekt könnten sicher jede erotische Stimmung im Handumdrehen zerstören.
Wir sehen: Ihrer Pflicht zur Arterhaltung kommen die Schwaben ebenso mehr schlecht als recht nach wie der Rest der Deutschen; ob dies aber auf besonders befriedigende Weise geschieht, das sei mal dahingestellt.
Hier soll es nun also eher um das »Wie« gehen. Auch im Bereich der Liebe hat die Sozialisation durch den Pietismus, über den ich in diesem Buch noch reden werde, natürlich ihre Spuren hinterlassen, denn neben der Arbeit und der Gottgefälligkeit hatten wilde amouröse Vergnügungen bei uns wenig Platz. Und noch heute lebt mancher Schwabe im Spannungsfeld zwischen Erregung und Disziplin, was das erotische Vergnügen angeht.
Auch im Bereich der ehelichen Treue sind die Wurzeln des Pietismus nicht zu verleugnen, denn der Schwabe tut sich hier schwer, aus den vorgegebenen Mustern auszubrechen. Auf die Frage nach Seitensprüngen antwortet er gern: »Oh, wenn no’s schlechte Gwissa net wär.«
Mancher findet aber doch einen Weg, Gewissen und Lustgewinn in Einklang zu bringen: »Meiner Frau bleib i treu – und mit de andere wechsle halt so ab.«
Allzu routiniert scheint der Schwabe aber nicht zu sein, wenn es ums Verbergen von außerehelichen Affären geht: Beide liegen im Bett, als plötzlich das Telefon klingelt. Sie nimmt den Hörer ab und sagt: »Isch in Ordnung, ade.«
»Wer war denn des?«, fragt der Liebhaber.
»Des war mein Mann. Er hot gsagt, er käm später, weil er mit dir no a Viertele trinkt.«
Auch statistisch lässt sich nachweisen, dass der Schwabe im Bereich des Fremdgehens eher zurückhaltend agiert. In der Rangliste der Bundesländer liegt er mit Rheinland-Pfalz und Bremen an vorletzter Stelle. Spitzenreiter ist Brandenburg – klar, was soll man dort abends auch sonst noch groß anderes machen?
Schwabe und Sex – eine Welt voller Widersprüche. Das sieht man allein an der Kleidung. Schon der berühmte Kittelschurz, den die schwäbische Hausfrau früher anscheinend nur beim Zubettgehen ablegte – und vielleicht nicht einmal da – stellt ja ein höchst unerotisches Kleidungsstück dar, das jegliche körperlichen Vorzüge der Frau verbirgt. Man könnte sich vorstellen, dass sich die fanatischen Islamisten bei der Erfindung der Burka am Kittelschurz orientiert und diesen dann weiterentwickelt haben.
Auch über das »Darunter« gibt es viele böse Witze – so wie die Frage, warum schwäbische Frauen keine Stringtangas tragen. Weil man die später nicht noch jahrelang als Putzlappen weiterbenutzen kann! Einzige denkbare Folgenutzung: Zahnseide!
Auf der anderen Seite waren es zwei Schwaben, welche im 19. Jahrhundert im kleinen Ort Heuberg eine Firma gründeten, die heute vor allem für verführerische Unterwäsche steht: Triumph. Der Kaufmann Michael Braun und der Korsettmacher Johann Gottfried Spießhofer eröffneten 1886 dort eine Korsettmanufaktur. Anfangs ging es natürlich eher um das Verhüllen, Wärmen und Schützen, aber schon bald wurden die ersten Dessous entwickelt.
Zwischen Kittelschurz und Strapse – das beschreibt das Spannungsfeld ganz gut, in dem sich der Schwabe erotisch bewegt!
Auch in der schwäbischen Geschichte finden sich durchaus einige Schwerenöter, die sich gern den fleischlichen Genüssen hingegeben haben. So soll Herzog Carl Eugen von Württemberg (1728–1793) es gar so wild getrieben haben, dass die Zahl seiner Nachkommen völlig unüberschaubar gewesen sein soll. Und da er sein Erbgut so nachhaltig verstreut hat, müsste es ja auch irgendwo noch in der schwäbischen Gesellschaft vorhanden sein!
Friedrich Schiller war ebenfalls dem weiblichen Geschlecht ganz und gar nicht abgeneigt, und selbst die baden-württembergischen Ministerpräsidenten haben sich immer bemüht, dem Land Kinder zu schenken. Überraschend allerdings, dass die meisten Kinder ausgerechnet Erwin Teufel in die Welt setzte – ein Mann, der die hocherotische Ausstrahlung einer Nasenscheidewand-OP versprüht!
Sein Vorgänger Lothar Späth trennte sich übrigens nach 51 Ehejahren von seiner Frau. Dazu passt der Witz vom Ehepaar, beide fast 100, die sich scheiden lassen wollen. Der Scheidungsrichter fragt fassungslos: »Ja, warum wollen Sie denn jetzt noch auseinandergehen?« Antworten die beiden unisono: »Mir henn halt gwartet, bis die Kender nehme lebet!«
Manchmal gibt es auch den etwas plumpen Versuch, schwäbische Eigenheiten mit Erotik zu verknüpfen, um ein Geschäft daraus zu machen. So wurde 2009 in Fellbach bei Stuttgart ein sogenanntes Flatrate-Bordell eröffnet. Für 100 Euro sollten die Freier so oft und so lange, bis halt, na ja. Als ich das erste Mal davon gehört habe, hab ich mir spontan einen dicken schwitzigen Mann im All-inklusive-Restaurant vorgestellt, wie er sich am Büfett fünf Wiener Schnitzel auf den Teller lädt und doch schon beim ersten schlapp macht.
Inzwischen ist das Projekt allerdings gescheitert: Es hatten sich Bürgerinitiativen gebildet, und schließlich war dieses Geschäftsmodell auch den Behörden mehr als suspekt. Die Betreiber wurden verhaftet, vor Gericht gestellt und wegen Zuhälterei und weiterer Delikte zu Haftstrafen verurteilt.
Und doch: Manchmal obsiegt beim Schwaben auch heute noch die Aussicht auf einen finanziellen Vorteil über die Lust. Wie bei Frieder S., der nach einem harten Arbeitstag an der Bar sitzt und sich einen Drink genehmigt, einen kuhwarmen Trollinger, als diese wunderschöne und sexy junge Frau hereinkommt. Sie sieht so gut aus, dass Frieder sie nicht aus den Augen lässt und sie mit seinen Blicken verschlingt.
Die Frau bemerkt dies auch gleich und geht direkt zu ihm hin. Noch bevor sich Frieder für sein aufdringliches Benehmen entschuldigen kann, sagt die Frau: »Ich tue alles, absolut alles, was du von mir verlangst, ganz egal, wie ausgefallen deine erotischen Wünsche sind, für 100 Euro und unter einer Bedingung.«
Überrascht fragt der Frieder: »Was wär des no fir a Bedingung?«
Die Frau antwortet unumwunden: »Du musst das, was du von mir wünschst, in nur drei Worten sagen.« Frieder überlegt für einen Moment, holt seine Brieftasche heraus, blättert langsam zwei 50 Euroscheine auf den Tisch und gibt sie der Frau. Dann schaut er tief in ihre Augen und sagt mit sonorer, warmer Stimme: »Streich – mei – Haus!«
Nun sollen einige Beispiele aber noch zeigen, dass der Schwabe inzwischen durchaus auf einem guten Weg ist, die traditionelle Verklemmtheit der Vergangenheit abzulegen, und sich auch einfach mal fallen lassen kann. In Stuttgarter Clubs und Discos und auf den Volksfesten geht es mittlerweile nicht minder zur Sache als in anderen Metropolen. Darüber hinaus gibt es im Ländle noch ein paar besonders interessante Einfälle in Sachen erotisches Vergnügen.
So existiert ein Schiff mit dem sinnigen Namen MS Schwaben, welches normalerweise entspannte Fahrten für Rentner und Familien über den Bodensee anbietet. Zweimal im Jahr allerdings verwandelt es sich in einen schippernden Swingerklub. Einmal spricht es dabei sogar Freunde der härteren Gangart aus dem SM-Bereich an und sticht dann als »Torture ship« in See – ob es an diesem Tag dann in »SM Schwaben« umgetauft wird, ist allerdings nicht bekannt.
Inzwischen haben sich allerdings auch hier kritische Geister zu Wort gemeldet, die das schwäbische Love-Boat allzu unzüchtig finden. Dabei passt die ganze Sache doch gut nach Konstanz, welches schon früh bewiesen hat, gar keine so lustfeindliche Stadt zu sein. Während des Konstanzer Konzils vor 600 Jahren...
Erscheint lt. Verlag | 8.12.2014 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Comic / Humor / Manga ► Humor / Satire |
Schlagworte | Comedy • eBooks • Kabarett • Kabarett, Comedy, Satire, Schwaben, Schwäbisches Kabarett, König des schwäbischen Kabaretts • König des schwäbischen Kabaretts • Reisen • Satire • Schwaben • Schwäbisches Kabarett |
ISBN-10 | 3-641-14670-4 / 3641146704 |
ISBN-13 | 978-3-641-14670-2 / 9783641146702 |
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Größe: 704 KB
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