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Verwandt in alle Ewigkeit (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2014
432 Seiten
Diana (Verlag)
978-3-641-12278-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Verwandt in alle Ewigkeit - Hera Lind
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Die eigene Familie ist nichts für Feiglinge
Lisa schwor sich einst, nie in die hässliche Kleinstadt zurückzukehren, in der ihre spießige Zwillingsschwester freiwillig blieb. Doch als Lisas Mann sich eine Jüngere schnappt, kommt sie mit ihrer 17-jährigen Tochter am Steuer im zweiten Gang buchstäblich wieder angekrochen. Sie findet eine überarbeitete Schwester und eine verwirrte Mutter vor. Hannah braucht Urlaub, und Lisa behauptet, sie komme schon klar. Doch Ursula hat Alzheimer, und Lisa versteht nicht, was sie ihr mitteilen will. Erst ein altes Tagebuch offenbart ein gut gehütetes Geheimnis der Mutter, und so kommt Lisa auf die Idee, dem Schicksal auf die Sprünge zu helfen ...

Hera Lind studierte Germanistik, Musik und Theologie und war Sängerin, bevor sie mit zahlreichen Romanen sensationellen Erfolg hatte. Seit einigen Jahren schreibt sie ausschließlich Tatsachenromane, ein Genre, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Mit diesen Romanen erobert sie immer wieder die SPIEGEL-Bestsellerliste. Hera Lind lebt mit ihrem Mann in Salzburg, wo sie auch gemeinsam Schreibseminare geben.

Lisa

Salzburg, Juni 2013

Nebenan flog die Tür ins Schloss.

»Eh, Mama, heulst du etwa?«

Ronja warf ihre Schultasche auf die Bank im Flur, drehte sich vor dem großen Spiegel, kontrollierte kritisch ihre Wimperntusche und den Sitz ihrer steifen Dreadlocks und ließ sich dann zu mir aufs weiße Wohnzimmersofa herabsinken: »Was ist los? Ist jemand gestorben?«

»Dein Vater hat uns verlassen.« Schluchzend umklammerte ich das Sofakissen.

Ronja richtete sich auf. »Hat er’s dir also endlich gesagt.«

»Was? Du hast gewusst, dass …?!« Das war ja wohl der Gipfel! Rotfleckig, verheult und verquollen, am absoluten Nullpunkt meines weiblichen Selbstbewusstseins starrte ich es an – mein eigen Fleisch und Blut.

»Ach, Mamilein …« Ronja wischte mir zärtlich die Tränen von den Wangen. »Du bist wirklich blind wie ein Maulwurf und taub wie Beethoven! Dass der Papa was mit Sandra hat, wusste fast schon die ganze Stadt!«

»Ich aber nicht«, begehrte ich auf. »Und keiner hat es mir gesagt!« Wütend boxte ich auf das Sofakissen ein. Nur mein angeborener Mutterinstinkt hinderte mich daran, auf meine Tochter einzuschlagen. »Schöne Freundinnen habe ich! Und du bist auch nicht besser!«

»Mamilein, ich wusste auch nicht, was ich machen sollte!« Ronja strich mir ein paar nass geweinte Haarsträhnen aus der Stirn. »Ich hab dich lieb, ich hab Papa lieb, und die Sandra hab ich auch irgendwie lieb!«

Das gab mir den Rest. »Du hast die Sandra lieb?«, schnauzte ich sie an. »Die falsche, hinterhältige Schlampe?«

»Na ja, du hast sie mir doch als Babysitterin vor die Nase gesetzt, als ich gerade mal drei war!« Da hatte Ronja leider recht. Ich hatte einfach nicht einsehen wollen, dass ich von früh bis spät bei meinem Krabbelkind sitzen, Papierblumen falten, Knetgummiwürste rollen, Laternen basteln und Dinkelplätzchen backen sollte. Da ich Tourismus und Sprachen studiert hatte, wollte ich über kurz oder lang in meinen Traumberuf zurückkehren und hatte die nette blonde Fünfzehnjährige als Babysitterin eingestellt!

Kann man doch nicht ahnen, dass sie sich irgendwann an den eigenen Ehemann heranmacht!

Ich griff nach dem letzten Blatt der Küchenrolle und schnäuzte hinein.

»Aber deshalb kann sie doch nicht einfach so – ihre Kompetenzen überschreiten!«

Ronja nahm meinen Arm. »Also von ›einfach so‹ kann keine Rede sein. Du wolltest mit Papa viel verreisen – hast du gemacht. Du wolltest dir keine Sorgen um mich machen – musstest du auch nicht. Du hattest einen Riesenspaß – klasse für dich. Du hast super Kohle verdient in eurem Reisebüro – habe ich dir immer gegönnt.«

»Ich weiß, Süße!« Gebeugt vor Gram und Scham tätschelte ich ihre Hand.

»Ich war eine Rabenmutter, und das ist jetzt die Strafe!«

»Ach Quatsch, Mama. Hör auf mit dem Selbstmitleid.«

»Ist es etwa kein Schicksal?«, fragte ich theatralisch. »Du kriegst vom Leben immer zurück, was du dem Geringsten deiner Mitmenschen angetan hast! Das steht schon in der Bibel!«

»Also bin ich das Geringste?«

»Nein«, ruderte ich eifrig zurück. »Du bist das Kostbarste, was ich habe!«

»Ich geh dir ja nicht verloren! Aber jetzt, wo Papa sich in Sandra verliebt hat, da … Na ja, ich würde sagen, dumm gelaufen.« Sie nahm mich mitfühlend in die Arme und schmiegte sich an mich.

Ich schluchzte wie eine Fünfjährige: Man muss sich das mal vorstellen: Frank und ich hatten das exklusivste, trendigste Reisebüro weit und breit! Frank, mein zukünftiger Exmann, hatte meinen Mädchennamen »Klüger« angenommen, weil sich das so toll machte auf unseren Werbeplakaten: »Klüger Reisen!« Das Logo war so gestaltet, dass die Pünktchen auf dem »ü« wie zwei kleine weiße Wölkchen aussahen, die aus den Schornsteinen eines Luxusschiffes herauskamen und sich im strahlend blauen Himmel verloren. Wir versprachen den Menschen, die es sich leisten konnten, den Super-Mega-Traumurlaub mit Rundum-sorglos-Paket. An Südseestränden, in Afrika, in den aufregendsten Metropolen dieser Welt. Die Konkurrenz konnte da nicht mithalten. Jetzt wurde ich für meinen Hochmut bestraft: »Klüger Reisen.« Wie zynisch für alle, die sich »Klüger Reisen« nicht leisten konnten! Die kamen sich dann ja automatisch dümmer vor! Die ganze Stadt musste ständig auf meine Werbeplakate starren und sich grün und blau ärgern vor Neid. Jetzt würde man sich die Hände reiben vor Schadenfreude!

Frau Klüger von »Klüger Reisen« ist eine gehörnte dumme Ziege!

Ronja streute zusätzlich Salz in meine Wunden.

»Weißt du, die Sandra ist wirklich total nett! Das findet eben auch der Papa! Das darf man ihm noch nicht mal übel nehmen!«

Ja, ich selten dumme Nuss hatte Sandra sogar noch geraten, ebenfalls ins Tourismusgeschäft einzusteigen! Ich hatte sie mit den vielen tollen Reisen gelockt, die man in unserer Branche macht.

Um mein schlechtes Gewissen Ronja gegenüber zu beruhigen, hatte ich beschlossen, eine Weile zu Hause zu bleiben, um meinem Kind ein Einser-Abitur zu ermöglichen. Ihm etwas auf die Finger zu schauen. »Wer Dreadlocks hat, kifft auch«, hatte Frank gemeint. Und dass es meine Aufgabe sei, das Kind auf den rechten Weg zu bringen. Ich fand das in Ordnung, und seit einem halben Jahr spielte ich wieder die Hausfrau. Seit einem halben Jahr saß nun die kesse blonde Sandra in Franks Reisebüro und machte meinen Job. Und dass sie jetzt von Frank ein Kind bekam, das war … Das war einfach der Gipfel der Geschmacklosigkeit! Die ganze Stadt würde sich über mich kaputtlachen! Über mich, die ich immer getönt hatte, Karriere und Kind seien doch spielend unter einen Hut zu bringen, man müsse nur delegieren können und sich nicht einbilden, unersetzlich zu sein! Ja. Schnauf. Das hatte ich jetzt gründlich bewiesen. Toll delegiert, Lisa! Wieder mal hatte ich mir selbst ein Bein gestellt. Und ersetzlich war ich leider doch. Wie entsetzlich!

Ich würde es nicht ertragen, Frank und Sandra mit Kinderwagen in der Stadt zu treffen! Ich kam mir vor wie Scarlett O’Hara in »Vom Winde verweht«. Erst beneidet, dann geächtet. Die totale Selbstüberschätzung. Wie das mit den riesigen Schaukästen von »Klüger Reisen«, in denen ich dem Betrachter als Repräsentantin unseres Reisebüros vor blauem Himmel entgegenstrahlte. Meine verdammte Eitelkeit hatte auch nicht verhindern können, dass ich Fotos von meiner braun gebrannten Wenigkeit auf Facebook postete und die ohnehin schon neidischen Besucher aufforderte, das Ganze auch noch mit »Gefällt mir!« zu kommentieren.

O Gott, warum hatte ich das getan!

»Tja, Kind«, hörte ich meine Mutter sagen. »Wer Neid schürt, kriegt den grünen Sack der Missgunst eines Tages mit voller Wucht ins Gesicht.«

Ich hatte mich deswegen schon lange von Mutter abgewandt. Selbst sie gönnte es mir doch nicht. Und meine spießige Zwillingsschwester Hannah auch nicht. Alle waren sie neidisch – alle, alle, alle!! Doch jetzt bestimmt nicht mehr. Jetzt würden sie mich noch nicht mal trösten!

In mir krampfte sich alles zusammen. Warum hatte ich das nur getan, warum?! Mich von meiner Familie in Schierchstadt abgewandt, weil ich ihnen zeigen wollte, dass mir die ganze Welt gehört. Dass ich auf Hausfrauenpflichten und Elternabende scheiße! Ich heulte schon wieder.

Ronja ging in die Küche und holte eine neue Rolle Küchenpapier. »Bis du heiratest, ist es wieder gut.«

Hallo? Das war mein Spruch gewesen, als Ronja damals ohne Stützräder in den Ententeich geradelt war! Ich erinnerte mich noch genau an diese Situation. »Klüger Reisen« hatte im Schlosspark ein Champagnerfrühstück für die zahlungsfreudigste Kundschaft gegeben, und ich war im weißen Outfit wie in der Werbung für die Praline ohne Schokolade von betuchtem Gast zu betuchtem Gast geflattert, als das damals fünfjährige Ronjalein mit Schmackes in den Seerosenteich gefahren war. Sie hatte vor Schreck und Scham geheult, weil alle sie auslachten. »Bis du heiratest, ist es wieder gut!«

Jetzt wurde mir zum ersten Mal klar, wie herablassend das in den Ohren des gedemütigten Opfers klingen musste.

»Ich werde NIE WIEDER heiraten«, schluchzte ich trotzig. »Männer sind Schweine!«

Irgendwann richtete ich mich auf. »Und was machen wir jetzt?«

»Gut, dass du fragst«, sagte Ronja und zielte mit den zerknüllten Küchenpapierbällchen auf den Papierkorb unterm Schreibtisch. Etwa zwei Dutzend vollgeheulte Rotzbomben lagen schon auf dem Teppich. Es war ein trauriges Bild.

»Ich werde doch bald achtzehn.«

»Ja und? Willst du mich etwa auch verlassen?«

Schon wieder bahnten sich Sturzbäche voller Selbstmitleid einen Weg. »Dann nehme ich mir das Leben!«

»Nee, Mama, lass mal. Aber weißt du, was ich mir wünsche?«

»Dass du Patentante bei Papas und Sandras Kind werden darfst?« Ich starrte Ronja mit angstgeweiteten Augen an.

»Quatsch, Mama. Ich bin ja schon Halbschwester, das reicht.«

»Jetzt sag aber nicht, dass ICH Patentante von dem Balg werden soll!« Dem Kind war alles zuzutrauen.

Ronja lachte, dass ihre Rastalocken flogen. »Du...

Erscheint lt. Verlag 29.4.2014
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alzheimer • Demenz • eBooks • Familie wieder vereint • Frauenromane • Liebe • Liebesromane • Neuanfang • Österreich • Ost-West Geschichte • Ost-West Liebesgeschichte • Romane für Frauen • Romantische Komödie • Romantische Komödie, Alzheimer, Demenz, Familie wieder vereint, Ost-West Geschichte, Liebe • spiegel bestseller
ISBN-10 3-641-12278-3 / 3641122783
ISBN-13 978-3-641-12278-2 / 9783641122782
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