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Plastik kommt mir nicht in die Tüte (eBook)

Handbuch für Weltverbesserer
eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
176 Seiten
Hoffmann und Campe (Verlag)
978-3-455-89005-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Plastik kommt mir nicht in die Tüte -  Dietmar Bittrich
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Ein satirischer Blick auf den Ökowahn. Die Deutschen gelten als Weltmeister im Ökoeifer. Aber es geht noch besser! Dietmar Bittrich zeigt, wie man Batterien vor der Benutzung korrekt entsorgt oder Maden vom Rand der Biotonne sammelt, um eine klimaneutrale Mahlzeit zu bereiten. Er lobt den Verzicht auf Streugut im Winter: Der Überalterung der Bevölkerung wird so durch natürliche Auslese ein Ende gesetzt. Auch wer im Einklang mit der Natur leben will, etwa mit Zecke, Milbe oder Röhrenqualle, findet wertvollen Rat. Ein unverzichtbares Geschenk für alle Freunde des unverfälschten Lebens. Das perfekte Geschenk gleichermaßen für Gegner und Freunde eines ökologischen Lebensstils.

Dietmar Bittrich lebt in Hamburg. Er erfand das Gummibärchen-Orakel und schrieb heitere Bücher u.a. über das Reisen (Urlaubsreif, 2006), das Schlafen (Gute Nacht! Mit deutscher Dichtung in den Tiefschlaf, 2007), das Jungbleiben (Altersglück, 2008) und über Ungleiche Paare (2010). Bittrich erhielt den Hamburger Satirikerpreis. Er liebt die Natur, solange sie ihm nicht zu nahe kommt, und betet täglich zum Gott der Mülltrennung.

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Ohne Plastik leben – so einfach geht es


Plastik kennen wir vor allem aus dem Bioladen. Dort wird Obst und Gemüse in Plastikschalen angeboten, Kräuter im Topf tragen eine durchsichtige Kunststoffhülle, Tofu ist in Plastik eingeschweißt, Fleisch ebenfalls, oft auch Käse. Joghurtbecher sind aus Plastik und wenigstens von innen damit beschichtet. Die Nudelpackungen sind aus durchsichtigem Kunststoff oder haben zumindest ein Sichtfenster aus Plastik. Am Tresen wird frische Ware in Papier verpackt, das mit Kunststoff beschichtet ist. Die Deckel von Flaschen und Gläsern sind mit Kunststoff überzogen. Und all das hat gute Gründe. Plastikverpackungen sind billiger. Sie verlängern die Haltbarkeit. Die Beschichtung tötet Keime. Und, nicht zu unterschätzen, die hormonaktiven Weichmacher kurbeln das Sexualleben der Verbraucher an, bei Heranwachsenden sorgen sie für eine frühere Pubertät und für größere und besser durchblutete Geschlechtsteile.

Wir, die wir die Pubertät annähernd hinter uns haben, denken global. Wir halten Plastik für einen der meistverbreiteten und zugleich gefährlichsten Stoffe der Welt. Wir haben im Fernsehen gesehen, dass zwischen Hawaii und Kalifornien ein Teppich aus entsorgtem Plastik treibt, der sogenannte »Nordpazifische Wirbel«. Darin schwimmt alles, von der Tüte über die Kabeltrommel bis zum Plastikfass und Plastikstuhl. Von Wellen und Licht wird es allmählich zersetzt und zerkleinert und schließlich zermahlen zu winzigen Kügelchen. Diese Kügelchen werden dann von Fischen und Muscheln gefressen. Falls wir mal Fisch gegessen haben, bestand er bereits zu einem Teil aus Plastik – wir selbst jetzt auch.

Vielleicht hat uns das bis jetzt nicht gestört. Doch ab jetzt verzichten wir auf Plastik. Unsere naiven Großeltern waren noch begeistert von Plastiktellern, Plastikgabeln, Plastiklöffeln, von vollsynthetischer Kleidung, wetterfesten Gartenmöbeln und abwischbaren Teppichen. Kaum zu glauben, aber all das besitzen wir schon lange nicht mehr. Unsere CD-Sammlung versteigern wir gerade. Und unsere Wäscheleine ist wieder eine gewöhnliche Schnur. Das ist schon mal gut. Aber es geht noch besser. Und zwar so:

Verpackungen aus Weichplastik und Schaumstoff scheinen unersetzlich. Wir beweisen das Gegenteil. Zum Einkaufen gehen wir seit langem nur mit Stofftasche, es sei denn, wir haben sie vergessen. Ab jetzt nehmen wir auch noch unsere eigenen Behälter mit. Diese Behälter sind aus Glas, aus Metall und aus Holz. Im Supermarkt lassen wir uns die Milch aus dem plastikbeschichteten Karton in unsere mitgebrachten Flaschen umfüllen oder, noch besser, in unsere antike Milchkanne aus handgerolltem Blech. Den Joghurt aus den plastikbeschichteten Bechern füllen wir in unsere Glasbehälter. An der Käsetheke lassen wir uns den Biokäse aus der giftigen Folie wickeln und in unser gesundes Holzkästchen legen. Und weil wir unseren Kochtopf mitgebracht haben, wandert das Biosteak kunststofffrei von der Fleischtheke gleich in unseren Topf. Eine EU-Hygienevorschrift schreibt vor, dass Fleisch- und Wurstwaren in keimtötendes kunststoffbeschichtetes Papier verpackt werden müssen. Doch wenn wir den Verkäuferinnen und Verkäufern klarmachen, dass wir gerade auf Keime und Mikroben Wert legen, werden sie uns gern unterstützen oder zumindest froh sein, wenn sie uns los sind.

Shampoo gab es früher in gläsernen Flakons. Und jetzt wieder! Denn auch den Drogeriemarkt betreten wir mit unseren eigenen Fläschchen. Wir füllen das Shampoo vor Ort in unsere Gläser. Die Angestellten sind beim Abzapfen gern behilflich. Dasselbe gilt für Flüssigseifen, Duschgels, Cremes, Badezusätze, Peelings, Bodylotions. Wir rücken mit unserem klirrenden Arsenal von Flaschen an, werden schon von weitem bewundernd willkommen geheißen und gehen sogleich ans Umfüllen – es sei denn, der Laden ist, was leider immer häufiger passiert, unmittelbar vor unserem Eintreffen wegen einer dringenden Betriebsversammlung geschlossen worden. Durchs Schaufenster sehen wir noch die Angestellten sich eilig nach hinten entfernen. Vermutlich wollen sie über Umweltfragen beraten.

Make-up benötigen wir nicht mehr. Wir gehen ungeschminkt aus dem Haus, um der Gesellschaft die Botschaft zu vermitteln: Altern macht Spaß, Augenringe sind schöner als Lidschatten, und Falten erzählen eine Geschichte, je tiefer, desto spannender. Überraschenderweise schminken sich auch Völker in Savanne und Regenwald. Ihre Farben sind jedoch frei von Konservierungsmitteln, von Silikonen, Tensiden, Duftstoffen, Mineralölen. Sie stammen allesamt aus biologischem Anbau und sind ohne Versuche an Mäusen oder Meerschweinchen hergestellt. Mäuse und Meerschweinchen werden von diesen Völkern lieber gegrillt. Die Schminkmittel hingegen werden aus Pflanzenstängeln gepresst, aus Staubgefäßen gesammelt, aus Rinde gezapft oder aus toniger Erde gerührt. Aber hallo! Das machen wir ab jetzt auch! Vollkommen naturechte Völker in Papua-Neuguinea verwenden für Lippenstift, Rouge und Haarfärbemittel sogar das Blut erlegter Feinde. Eine Rückkehr zu diesem Brauch hat die von Pharmalobbyisten untergrabene EU-Kommission bisher schamlos abgelehnt.

Zahnbürsten gleiten heutzutage nur deshalb so glatt über Lippen und Zunge, weil sie aus Plastik bestehen. Das muss sich ändern. Und es geht auch: mit einer Holzzahnbürste. Sie hat einen Griff aus Holz und eine Bürste aus echten Naturborsten von Schwein, Kuh, Pferd oder Hofhund. In diesen Bioborsten bleiben die Keime nicht nur schonend erhalten, sie können sich sogar vermehren. Vielleicht noch wichtiger: Dank ihrer Maserung raut die Holzzahnbürste die Zunge auf, und die kleinen Risse im Holz sorgen für eine bessere Durchblutung der Lippen.

Zahnpasta kommt meist aus der Plastiktube oder aus einer Metalltube mit Plastikverschluss. Für uns undenkbar. Wir können statt Paste auch Zahnsalz benutzen, was nichts anderes ist als pulveriges Kochsalz mit Minzöl. Wir können also auch gleich Kochsalz benutzen. Einfach auf die Bürste streuen, mag auch das meiste danebengehen! Unterwegs dürfen wir die Zähne mit Finger und Fingernagel säubern; das wird gern gesehen. Oder wir essen einen Apfel. Dessen Enzyme und Fruchtsäuren lösen den Zahnschmelz auf, damit wir ihn beim nächsten Bürsten ganz wegputzen können.

Rasierapparate, ob Einmalrasierer oder elektrische Apparate, bestehen aus Hartplastik. Fort damit! Dankbar greifen wir zurück auf jene formschönen Rasierapparate, die in naturnahen Zeiten benutzt wurden: auf Glasscherben, Flintsteine, handgeschmiedete Messer mit Holzgriff. Am natürlichsten ist und bleibt jedoch der Bart. Bei wachsender Dichte taugt er zur Aufbewahrung krümeliger oder klebriger Lebensmittel sowie als Wohnstatt bedrohter Kleinlebewesen. Diese Winzlinge sollten auch ungestört Kolonien in unserem Achselhaar gründen dürfen.

Putzmittel in Kunststoffdosen und -flaschen sind zum Glück einfach zu ersetzen: durch Essig in Glasflaschen oder pulverisierte Zitronensäure. Essig und Zitronensäure sind so ätzend, dass wir Handschuhe benötigen, aber bitte nur aus fair gehandeltem Biokautschuk! Die halten zwar der Säure nicht stand, doch so werden auch unsere Hände gründlich sauber. Und etwas anderes ist in tieferem Sinne bedeutend: dass wir allmählich die trügerisch glänzende Oberfläche abätzen, die uns an Fußböden, Möbeln und Küchengeräten schon immer gestört hat. Wir wollen endlich unter die Oberfläche sehen!

Schnuller bestehen aus Plastik mit Weichmachern, die das Größenwachstum der Geschlechtsteile anregen. Das ist problematisch. Saugen mag ja ein Grundbedürfnis sein und ein Schnuller den plötzlichen Kindstod verhindern. Doch dafür brauchen wir plastikfreien Ersatz: etwa ein Leinentuch, das mit Mohnsamen und Honig getränkt ist, wie im alten Ägypten. Oder eine um den Hals gehängte Tonfigur, gefüllt mit Dattelmus und Alkohol, wie im alten Griechenland. Nun müssen wir nur noch den Kindsvater vom Bioschnuller fernhalten.

Küchengeräte wie Wasserkocher, Toaster, Mixer benötigen wir nicht mehr, wenn wir das Wasser im Topf kochen, über einem offenen Holzfeuer, über dem wir auch gleich das Brot rösten können. Den Rauchmelder legen wir vorher still, er ist ohnehin aus Plastik. Den Mixer ersetzen wir durch den Quirl unserer Urgroßmutter, die übrigens ohne Kühlschrank auskam. Sie bewahrte kühlbedürftige Lebensmittel im Keller auf. Die paar Treppen oder Stockwerke hinauf und hinunter werden unserer Gesundheit guttun. Schade, dass sie so früh gestorben ist.

Staubsauger bestehen zum überwiegenden Teil aus Kunststoff. Auf sie zu verzichten fällt uns leicht, wenn wir an unsere Ahnen denken. Sie mussten ohne Staubsauger auskommen. Und das ging! Sie fegten die Fußböden und hingen ihren Teppich einmal im Jahr über eine Teppichstange im Hof und klopften ihn aus. Das machen wir ab jetzt ebenfalls. Verklebten Teppichboden lösen wir zu diesem Zweck vorsichtig an den Kanten und rollen ihn Richtung Mitte zusammen. Die Möbel heben und schieben wir vorher beiseite. Dann nur noch nach unten tragen. Falls keine Teppichstange in Sicht ist, legen wir den Teppich über das Geländer des Nachbarn im Parterre und klopfen ihn dort aus (den Teppich; den Nachbarn nur bei ökologischer Uneinsichtigkeit).

Spielzeug aus Plastik lässt sich leicht ersetzen. Jahrhundertelang genügte den Kindern Spielzeug aus Holz und aus Blech und aus natürlichen Materialien. Umweltbewusst erzogenen Kindern reicht das bis heute. Ihre Playmobil-Figuren werden sie gern vergessen, wenn sie...

Erscheint lt. Verlag 11.9.2013
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Schlagworte Biologisch • Geschenkbuch • Natur • Ökologisch
ISBN-10 3-455-89005-9 / 3455890059
ISBN-13 978-3-455-89005-1 / 9783455890051
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