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My Policeman (eBook)

Der Liebhaber meines Mannes
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
368 Seiten
Verlag Antje Kunstmann
978-3-88897-840-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

My Policeman -  Bethan Roberts
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Marion ist hingerissen von Tom, einem unverschämt gutaussehenden jungen Mann. Da sind sie noch Teenager. Fu?r sie ist er der Mann ihres Lebens, und alle Zeichen, dass Tom sich nicht fu?r sie als Frau interessiert, u?bersieht sie. Als er ihr einen Heiratsantrag macht, ist sie glu?cklich. Aber fu?r Tom ist die Ehe nur das sichere Versteck in einer Zeit, in der Homosexualität gesellschaftlich geächtet ist. Er liebt Patrick, den Kurator des Museums in Brighton, der ihn umwirbt und ihm eine völlig neue Welt eröffnet. Das kann nicht gutgehen. Das geht nicht gut. Jetzt als Film auf amazonprime mit HARRY STYLES, EMMA CORRIN und DAVID DAWSON

Bethan Roberts, geboren in Oxford, hat als Autorin und Produktionsassistentin beim Fernsehen gearbeitet und Creative Writing an der Chichester University und dem Goldsmith College in London unterrichtet. Sie lebt mit ihrer Familie in Brighton. Sie hat Kurzgeschichten und Romane veröffentlicht. Bei Kunstmann erschienen »Stille Wasser« (2008) und »Köchin für einen Sommer« (2009).

Bethan Roberts, geboren in Oxford, hat als Autorin und Produktionsassistentin beim Fernsehen gearbeitet und Creative Writing an der Chichester University und dem Goldsmith College in London unterrichtet. Sie lebt mit ihrer Familie in Brighton. Sie hat Kurzgeschichten und Romane veröffentlicht. Bei Kunstmann erschienen »Stille Wasser« (2008) und »Köchin für einen Sommer« (2009).

I


 

PEACEHAVEN, OKTOBER 1999


EIGENTLICH WOLLTE ICH mit diesen Worten beginnen: Ich will dich nicht mehr zerstören – denn ich will es wirklich nicht –, kam aber zu dem Schluss, dass du das viel zu melodramatisch finden würdest. Du hast Melodramatik immer gehasst und ich will dich jetzt nicht aufregen, nicht in deinem Zustand, nicht, wenn dein Leben vielleicht zu Ende geht.

Denn ich will alles aufschreiben, damit ich es richtig verstehe. Dies ist eine Art Geständnis und es ist wichtig, bis in die Einzelheiten genau zu sein. Wenn ich fertig bin, will ich dir diese Aufzeichnungen vorlesen, Patrick, denn du kannst mir nicht mehr widersprechen. Und ich habe Anweisung erhalten, weiter mit dir zu sprechen. Sprechen, sagen die Ärzte, ist unbedingt notwendig, wenn du genesen sollst.

Du kannst fast nicht mehr sprechen, und obwohl du hier bei mir im Haus bist, verständigen wir uns in Papierform. Wenn ich Papierform sage, meine ich auf Lernkarten zeigen. Du kannst die Wörter nicht aussprechen, aber du kannst zeigen, was du willst: Trinken, Toilette, Sandwich. Ich weiß immer schon, was du willst, bevor dein Finger das Bild erreicht, aber ich lasse dich trotzdem darauf zeigen, denn es ist besser für dich, unabhängig zu sein.

Es ist merkwürdig, nicht wahr, dass ich jetzt diejenige bin, die Füller und Papier benutzt und dies schreibt – wie sollen wir es nennen? Es ist wohl kaum ein Tagebuch, nicht so eines, wie du es einmal geführt hast. Was immer es ist, ich bin diejenige, die schreibt, während du im Bett liegst und jede meiner Bewegungen beobachtest.

Du hast diesen Küstenabschnitt nie gemocht, du hast ihn einen Küstenvorort genannt, den Ort, an den alte Leute ziehen, um dem Sonnenuntergang zuzuschauen und auf den Tod zu warten. Wurde diese Gegend – ungeschützt, einsam, windumtost wie all die schönsten britischen Küstenorte – in jenem schrecklichen Winter 1963 nicht Sibirien genannt? Jetzt ist es hier nicht mehr ganz so öde, aber immer noch genauso eintönig wie damals. Hier in Peacehaven sehen die Straßen alle gleich aus: bescheidene Bungalows, zweckmäßige Gärten, schräger Meerblick.

Ich habe mich heftig gegen Toms Pläne hierherzuziehen gewehrt. Warum sollte ich, die ihr ganzes Leben in Brighton gelebt hat, parterre wohnen, und wenn der Immobilienmakler unseren Bungalow als Schweizer Chalet bezeichnete? Warum sollte ich mich mit den schmalen Gängen des hiesigen Co-op begnügen, dem Gestank von altem Fett bei Joe’s Pizza und Kebab House, den vier Beerdigungsinstituten, einem Zoogeschäft namens Wunderwelt der Tiere und einer Reinigung, deren Angestellte angeblich »für London qualifiziert« sind? Warum sollte ich mich damit begnügen nach Brighton, wo die Cafés immer voll sind, es in den Läden mehr zu kaufen gibt, als man sich vorstellen, geschweige denn brauchen kann, und wo der Pier immer leuchtet, immer geöffnet ist und oft ein bisschen bedrohlich?

Nein. Ich fand es eine schreckliche Vorstellung, dir wäre es genauso gegangen. Aber Tom war entschlossen, sich an einem ruhigeren, kleineren und angeblich sichereren Ort zur Ruhe zu setzen. Zum Teil, glaube ich, weil er genug davon hatte, an sein altes Revier, seine alte Tätigkeit erinnert zu werden. Und wenn ein Bungalow in Peacehaven an eines nicht erinnert, dann an die Geschäftigkeit der Welt. Jetzt sind wir also hier, wo niemand vor halb zehn Uhr morgens oder nach halb zehn abends auf der Straße ist außer ein paar Teenagern, die vor der Pizzeria rauchen. In einem Bungalow mit zwei Schlafzimmern (er ist kein Schweizer Chalet, das ist er nicht), mit Bushaltestelle und Co-op in der Nähe, einem Blick auf ein langes Rasenstück, einer Wäschespinne und drei Außengebäuden (Schuppen, Garage, Gewächshaus). Was das Ganze rettet, ist der Meerblick, der tatsächlich schräg ist – man sieht es vom seitlichen Schlafzimmerfenster. Ich habe dir das Zimmer gegeben und dein Bett so hingestellt, dass du aufs Meer blicken kannst, so viel du willst. Ich habe es dir gegeben, Patrick, obwohl Tom und ich niemals zuvor eine schöne Aussicht hatten. Von deiner Wohnung in Chichester Terrace, ganz im Regency-Stil, konntest du das Meer jeden Tag genießen. Ich erinnere mich sehr gut an die Aussicht, obwohl ich dich selten besucht habe: die Volk’s Railway, die Duke’s Mound Grünanlagen, die Mole, an windigen Tagen von weißen Wellenkämmen umgeben, und natürlich das Meer, immer anders, immer dasselbe. Alles, was Tom und ich sahen, wenn wir aus unserem Reihenhaus oben in der Islingwood Street blickten, waren unsere eigenen Spiegelbilder in den Fenstern der Nachbarn. Trotzdem. Ich war nicht wild darauf, dort wegzuziehen.

Ich vermute, als du vor einer Woche aus dem Krankenhaus hier ankamst und Tom dich aus dem Auto in deinen Rollstuhl gehoben hat, hast du genau dasselbe gesehen wie ich: den gleichmäßigen braunen Putz, den unglaublich glatten Kunststoff der doppelt verglasten Tür, die ordentliche Koniferenhecke, die das Grundstück umgibt, und das alles wird dich mit Schrecken erfüllt haben, genau wie mich. Und dann der Name: »Bei den Kiefern«. So unpassend, so einfallslos. Wahrscheinlich brach dir kalter Schweiß im Nacken aus und dein Hemd fühlte sich plötzlich unangenehm an. Tom hat dich den Weg zur Haustür entlanggefahren. Du wirst bemerkt haben, dass jede Gehwegplatte ein vollkommen ebenes Stück rosa-grauen Betons ist. Als ich den Schlüssel ins Schloss steckte und »Willkommen« sagte, hast du deine schlaffen Hände gerungen und dein Gesicht zu einer Art Lächeln verzogen.

Beim Hereinkommen in den beige tapezierten Flur wirst du das Reinigungsmittel gerochen haben, das ich benutzt habe, als ich alles für deinen Aufenthalt bei uns vorbereitet habe, und wohl auch den Geruch von Walter, unserem Collie-Mischling, der darunter lauert und sich nicht vollständig beseitigen lässt. Beim Anblick unseres gerahmten Hochzeitsfotos hast du leicht genickt. Tom in dem wunderschönen Anzug von Cobley, den du bezahlt hast, und ich mit dem steifen Schleier. Wir setzten uns ins Wohnzimmer, Tom und ich auf die neue braune Samtgarnitur, die wir von dem Geld gekauft hatten, das Tom als Abfindung beim Renteneintritt erhalten hatte, und lauschten dem Ticken der Zentralheizung. Walter hechelte an Toms Füßen. Dann sagte Tom: »Marion wird dir helfen, dich einzurichten.« Ich sah, wie du angesichts Toms Entschlossenheit zu gehen zusammenzucktest, wie du weiter die Tüllgardinen anstarrtest, als er mit den Worten: »Ich hab noch was zu erledigen«, mit großen Schritten zur Tür ging.

Der Hund folgte ihm. Wir beide saßen da und lauschten Toms Schritten im Flur, dem Rascheln, als er seinen Mantel vom Haken nahm, dem Klimpern, als er in seiner Tasche nach den Schlüsseln suchte. Wir hörten, wie er Walter leise befahl zu warten, und dann nur noch das Geräusch des Luftzugs, als er die doppelt verglaste Haustür öffnete und den Bungalow verließ. Als ich dich schließlich ansah, zitterten deine schlaff auf den knochigen Knien liegenden Hände. Hast du da gedacht, dass endlich bei Tom zu sein vielleicht doch nicht das ist, wovon du geträumt hast?

 

 

 

 

 

ACHTUNDVIERZIG JAHRE. So lange liegt meine erste Begegnung mit Tom zurück. Vielleicht sogar noch länger.

Damals war er so zurückhaltend. Tom. Sogar der Name ist solide, einfach, aber es klingt auch Sensibilität durch. Er war kein Bill, kein Reg, kein Les oder Tony. Hast du ihn jemals Thomas genannt? Ich wollte es gerne. Es gab Momente, da wollte ich ihn umtaufen. Tommy. Vielleicht hast du ihn so genannt, den hübschen jungen Mann mit den starken Armen und den dunkelblonden Locken.

Ich kannte seine Schwester vom Gymnasium. In der zweiten Woche dort kam sie auf dem Gang zu mir und sagte: »Ich dachte mir, du bist ok, willst du meine Freundin sein?« Bis dahin waren wir, sie und ich, immer allein geblieben, verwirrt von den seltsamen Schulritualen, den hallenden Klassenräumen und dem Stimmengewirr der anderen Mädchen. Ich ließ Sylvie die Hausaufgaben abschreiben und sie spielte mir ihre Schallplatten vor: Nat King Cole, Patti Page, Perry Como. Wir summten »Some enchanted evening, you may see a stranger«, während wir am Ende der Reihe anstanden und alle anderen Mädchen beim Pferdspringen vorließen. Keine von uns mochte Sport. Ich ging gerne zu Sylvie nach Hause, weil Sylvie bestimmte Sachen hatte und ihre Mutter sie ihre spröden blonden Haare so tragen ließ, wie es eigentlich zu alt für sie war. Ich glaube, sie half ihr sogar dabei, den Pony zu einer Schmachtlocke zu legen. Mein Haar, rot wie es immer war, war damals noch zu einem dicken Zopf auf dem Rücken geflochten. Wenn ich zu Hause die Beherrschung verlor – ich erinnere mich, dass ich einmal meinem Bruder Fred mit einiger Wucht die Tür an den Kopf knallte –, sah mein Vater meine Mutter an und sagte: »Das ist das Rote in ihr«, denn die roten Haare kamen von Mutters Seite. Ich glaube, du hast mich einmal »die rote Gefahr« genannt, stimmt’s Patrick? Zu der Zeit mochte ich die Haarfarbe schon, aber es kam mir immer so vor, als würde ich mit meinen roten Haaren eine Erwartung erfüllen: Menschen erwarteten von...

Erscheint lt. Verlag 6.10.2022
Übersetzer Astrid Gravert
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 60er Jahre • Astrid Gravert • Bethan Roberts • Brighton • Ehe • England • Englische Literatur • Gesellschaft • Homosexualität • Jugendliebe • Kurator • Liebe • Museum • My Policeman
ISBN-10 3-88897-840-8 / 3888978408
ISBN-13 978-3-88897-840-1 / 9783888978401
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