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Pompeji (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
384 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-10845-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Pompeji -  Robert Harris
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Pompeji, 79 n. Chr., reichste Stadt der römischen Weltmacht, Oase der Schönen und Mächtigen: Der junge Wasserbaumeister Attilius kommt einer skrupellosen Verschwörung auf die Spur, doch seine Nachforschungen werden überschattet von den unheimlichen Vorzeichen einer drohenden Apokalypse.


Robert Harris wurde 1957 in Nottingham geboren und studierte in Cambridge. Seine Romane »Vaterland«, »Enigma«, »Aurora«, »Pompeji«, »Imperium«, »Ghost«, »Titan«, »Angst«, »Intrige«, »Dictator«, »Konklave«, »München«, »Der zweite Schlaf«, »Vergeltung« und zuletzt »Königsmörder« wurden allesamt internationale Bestseller. Seine Zusammenarbeit mit Roman Pola?ski bei der Verfilmung von »Ghost« (»Der Ghostwriter«) brachte ihm den französischen »César« und den »Europäischen Filmpreis« für das beste Drehbuch ein. Die Verfilmung von »Intrige« - wiederum unter der Regie Pola?skis - erhielt auf den Filmfestspielen in Venedig 2019 den großen Preis der Jury, den Silbernen Löwen. Robert Harris lebt mit seiner Familie in Berkshire.

Conticinium


[04.21 Uhr]


»Es hat sich herausgestellt, dass zwischen der Gewalt eines Ausbruchs und der Länge der voraufgegangenen Ruhezeit ein enger Zusammenhang besteht. Fast alle großen Ausbrüche in geschichtlicher Zeit ereigneten sich bei Vulkanen, die jahrhundertelang geruht hatten.«

 

Jacques-Marie Bardintzeff,
Alexander R. McBirney
Volcanology

Sie verließen den Aquädukt zwei Stunden vor Sonnenaufgang und erklommen bei Mondschein die Berge oberhalb des Hafens – sechs Männer, einer hinter dem anderen, mit dem Wasserbaumeister an der Spitze. Er hatte sie selbst aus den Betten geworfen – mit noch steifen Gliedern und mürrischen, verschlafenen Gesichtern –, und jetzt hörte er, wie sie sich hinter seinem Rücken beklagten. Ihre Stimmen trugen in der warmen, stillen Luft weiter, als ihnen bewusst war.

»Ein Hirngespinst«, murmelte jemand.

»Knaben sollten bei ihren Büchern bleiben«, sagte ein anderer.

Er ließ seine Schritte länger werden.

Lass sie schwatzen, dachte er.

Schon jetzt konnte er spüren, wie sich die Hitze des Morgens aufbaute, Vorbote eines weiteren Tages ohne Regen. Er war jünger als die meisten Männer seines Trupps und auch kleiner: gedrungen, muskulös, mit kurz geschnittenem braunem Haar. Die Stiele der Werkzeuge, die er auf der Schulter trug – eine schwere Bronzehacke und eine Holzschaufel – scheuerten an seinem von der Sonne verbrannten Hals. Trotzdem zwang er sich, mit seinen nackten Beinen so weit auszuholen, wie es ging. Er kletterte schnell von einem sicheren Punkt zum nächsten, und erst als er sich hoch über Misenum befand, an einer Stelle, an der sich der Pfad gabelte, entledigte er sich seiner Last und wartete darauf, dass die anderen ihn einholten.

Er wischte sich mit dem Ärmel seiner Tunika den Schweiß von den Augen. Was für einen flimmernden, fiebrigen Himmel die hier im Süden hatten! Selbst jetzt, kurz vor Tagesanbruch, wölbte sich eine gewaltige Halbkugel von Sternen bis zum Horizont hinab. Er konnte die Hörner des Stiers sehen und den Gürtel und das Schwert des Orion; da waren Saturn und der Große Bär und auch das Sternbild, das sie den Winzer nannten und das immer für Caesar am zweiundzwanzigsten Tag des August aufging, gleich nach dem Fest der Vinalia; Zeichen dafür, dass die Zeit für die Traubenernte gekommen war. Morgen Nacht würde der Mond voll sein. Er streckte die Hand himmelwärts, wobei sich seine plumpen Finger schwarz und scharf vor den funkelnden Sternbildern abzeichneten – er spreizte sie, ballte sie, spreizte sie abermals –, und einen Augenblick lang hatte er das Gefühl, dass er der Schatten, das Nichts war; das Licht war die Substanz.

Vom Hafen unten kam das Klatschen der Ruder, die Nachtwache war zwischen den vertäuten Triremen unterwegs. Die gelben Laternen zweier Fischerboote funkelten auf dem Golf. Ein Hund bellte, ein anderer antwortete. Und dann die Stimmen der Arbeiter, die langsam den Pfad unterhalb von ihm heraufkamen: der grobe lokale Akzent des Aufsehers Corax – »Seht euch das an – unser neuer Aquarius winkt den Sternen zu!« und das Schnaufen und Keuchen der Sklaven und freien Männer, die in diesem Moment gleichrangig waren in ihrem Groll, wenn auch in nichts sonst.

Der Wasserbaumeister ließ die Hand sinken. »Bei so einem Himmel«, sagte er, »brauchen wir wenigstens keine Fackeln.« Plötzlich war er voll neuer Tatkraft, bückte sich nach seinem Werkzeug und packte es sich wieder auf die Schulter. »Wir müssen weiter.« Er schaute in die Dunkelheit hinein. Der eine Pfad würde sie nach Westen bringen, um den Rand des Kriegshafens herum. Der andere führte nach Norden, auf den Küstenort Baiae zu. »Ich denke, hier sollten wir abbiegen.«

»Er denkt«, höhnte Corax.

Der Wasserbaumeister war schon am Vortag zu dem Schluss gekommen, dass es am besten war, den Aufseher zu ignorieren. Wortlos kehrte er dem Meer und den Sternen den Rücken zu und begann, die schwarze Masse der Bergflanke hinaufzusteigen. Was war Führerschaft schließlich anderes als die blinde Wahl einer Route und die selbstsichere Behauptung, dass die Entscheidung auf Vernunft beruht hat?

Hier war der Pfad steiler. Er musste ihn seitwärts hinaufklettern, manchmal seine freie Hand benutzen, um sich hochzuziehen; wenn seine Füße abrutschten, prasselten Schauer von losen Steinen in die Dunkelheit. Die Leute hielten diese braunen, von sommerlichen Buschfeuern versengten Berge für trocken wie Wüsten, aber der Wasserbaumeister wusste es besser. Dennoch spürte er, wie seine frühere Gewissheit ins Wanken geriet, und er versuchte sich zu erinnern, wie der Pfad im Gleißen der gestrigen Nachmittagssonne ausgesehen hatte, als er ihn zum ersten Mal erkundet hatte. Der gewundene Pfad, kaum breit genug für ein Maultier. Die Streifen von versengtem Gras. Und dann, an einer Stelle, an der das Gelände ebener wurde, Flecken von blassem Grün in der Schwärze – Anzeichen von Leben, bei denen es sich, wie sich herausstellte, um Efeu handelte, der sich an einem Felsbrocken hinaufrankte.

Nachdem er eine Anhöhe halb hinaufgestiegen und wieder hinabgeklettert war, blieb er stehen und drehte sich langsam im Kreis herum. Entweder hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, oder der Tagesanbruch war jetzt nahe, was bedeutete, dass es fast zu spät geworden war. Die anderen waren hinter ihm stehen geblieben. Er hörte ihr schweres Atmen. Noch so eine Geschichte, die sie in Misenum erzählen konnten – wie ihr neuer, junger Aquarius sie aus den Betten geworfen und dann mitten in der Nacht in die Berge geführt hatte, und das alles nur wegen eines Hirngespinstes . In seinem Mund war ein Geschmack nach Asche.

»Haben wir uns verirrt, hübscher Knabe?«

Wieder die höhnische Stimme von Corax.

Er machte den Fehler, den Köder zu schlucken. »Ich suche nach einem Felsbrocken.«

Jetzt versuchten sie nicht einmal, ihr Gelächter zu unterdrücken.

»Er rennt herum wie eine Maus im Nachttopf.«

»Er muss hier irgendwo sein. Ich habe ihn mit Kreide markiert.«

Noch mehr Gelächter – und er wirbelte herum und musterte sie: den gedrungenen und breitschultrigen Corax; den langnasigen Becco, der Gipser war; den rundlichen Musa, dessen Spezialität das Verlegen von Ziegelsteinen war; und die beiden Sklaven, Polites und Corvinus. Sogar ihre undeutlichen Gestalten schienen ihn zu verspotten. »Lacht. Gut. Aber eines verspreche ich euch: Entweder wir finden ihn vor Tagesanbruch, oder wir sind morgen Nacht wieder hier, dich eingeschlossen, Gavius Corax. Aber sieh zu, dass du dann nüchtern bist.«

Schweigen. Dann spuckte Corax aus und trat einen halben Schritt nach vorn. Der Wasserbaumeister machte sich auf einen Kampf gefasst. Seit er in Misenum angekommen war, schien es darauf hinauszulaufen. Keine Stunde war vergangen, in der Corax nicht versucht hatte, ihn vor den Männern herabzusetzen.

Und wenn wir kämpfen, dachte der Wasserbaumeister, wird er gewinnen – es steht fünf gegen einen –, und sie werden meine Leiche über die Klippe werfen und sagen, ich wäre im Dunkeln ausgerutscht. Aber wie würde das in Rom aufgefasst werden – wenn nach weniger als vierzehn Tagen ein zweiter Aquarius der Aqua Augusta verschwand?

Einen langen Augenblick starrten sie sich an. Nicht mehr als ein Schritt war zwischen ihnen. Sie standen so nahe beieinander, dass der Wasserbaumeister den schalen Wein im Atem des Älteren riechen konnte. Plötzlich schrie einer der anderen – es war Becco – aufgeregt und zeigte mit der Hand.

Hinter der Schulter von Corax, kaum sichtbar, war ein Felsbrocken, in der Mitte deutlich mit einem dicken weißen Kreuz markiert.

 

Der Wasserbaumeister hieß Attilius – Marcus Attilius Primus, um seinen vollen Namen zu nennen, aber er hatte nichts dagegen, einfach Attilius genannt zu werden. Er war ein praktischer Mensch und hatte nie viel übrig gehabt für die Phantasienamen, die sich viele seiner Landsleute zulegten (»Lupus«, Panthera«, »Pulcher« – »Wolf«, »Leopard«, »Schöner« – wem zum Teufel wollten sie damit etwas vormachen?) Und außerdem – welcher Name war ehrenhafter in seinem Beruf als der der Attilier, ihres Zeichens Wasserbaumeister seit vier Generationen? Sein Urgroßvater war von Marcus Agrippa aus der Ballisten-Abteilung der Zwölften Legion »Fulminata« rekrutiert und zum Bau der Aqua Julia verpflichtet worden. Sein Großvater hatte den Anio Novus geplant. Sein Vater hatte die Aqua Claudia vollendet, sie über sieben Meilen hinweg in weiten Bögen auf den Esquilin geführt und am Tage ihrer Einweihung dem Kaiser wie einen silbernen Teppich vor die Füße gelegt. Und jetzt war er mit seinen siebenundzwanzig Jahren in den Süden, nach Campania, gesandt und mit der Befehlsgewalt über die Aqua Augusta betraut worden.

Eine Dynastie, auf Wasser gebaut.

Er schaute in die Dunkelheit. Oh, die Augusta war ein wahrlich grandioses Bauwerk – eine der größten Leistungen der Wasserbaukunst, die es je gegeben hatte. Es war eine Ehre, für sie verantwortlich zu sein. Irgendwo da draußen, an der gegenüberliegenden Seite des Golfs, hoch oben in den Kiefernwäldern auf den Bergen des Apennin, fing der Aquädukt die Quellen des Serinus ein und beförderte das Wasser westwärts – in gewundenen unterirdischen Leitungen, auf mehrgeschossigen Bogenarkaden über Schluchten, in breiten Kanälen durch Täler –, die ganze Strecke bis hinunter in die Ebenen von Campania, dann um die andere Seite des Vesuv herum, nach Süden zur...

Erscheint lt. Verlag 11.3.2013
Übersetzer Christel Wiemken
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Pompeji
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte AltesRom • Antike • Antike, Römisches Reich • Apokalypse • eBooks • Historische Kriminalromane • Historische Romane • HistorischerRoman • kleine geschenke für frauen • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Politik • Pompeji • Roman • Römer • Römische Geschichte • Römisches Reich • RömischesReich • Verschwörung
ISBN-10 3-641-10845-4 / 3641108454
ISBN-13 978-3-641-10845-8 / 9783641108458
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