Das Lied von Eis und Feuer 08 (eBook)
608 Seiten
Blanvalet Verlag
978-3-641-08811-8 (ISBN)
George Raymond Richard Martin wurde 1948 in New Jersey geboren. Sein Bestseller-Epos »Das Lied von Eis und Feuer« wurde als die vielfach ausgezeichnete Fernsehserie »Game of Thrones« verfilmt. 2022 folgt der HBO-Blockbuster »House of the Dragon«, welcher auf dem Werk »Feuer und Blut« basiert. George R.R. Martin wurde u.a. sechsmal der Hugo Award, zweimal der Nebula Award, dreimal der World Fantasy Award (u.a. für sein Lebenswerk und besondere Verdienste um die Fantasy) und fünfzehnmal der Locus Award verliehen. 2013 errang er den ersten Platz beim Deutschen Phantastik Preis für den Besten Internationalen Roman. Er lebt heute mit seiner Frau in New Mexico.
CERSEI
Der König schmollte. »Ich will auf dem Eisernen Thron sitzen«, sagte er zu ihr. »Joff habt Ihr immer dort sitzen lassen.«
»Joffrey war zwölf.«
»Aber ich bin der König. Der Thron gehört mir.«
»Wer hat dir das eingeredet?« Cersei holte tief Luft, damit Dorcas die Bänder fester zuziehen konnte. Sie war ein großes Mädchen, viel kräftiger als Senelle, allerdings auch linkischer.
Tommens Gesicht wurde rot. »Niemand hat mir das eingeredet.«
»Niemand? Nennst du so deine Hohe Gemahlin?« Die Königin roch es förmlich, dass Margaery Tyrell hinter diesem Aufbegehren steckte. »Wenn du mich anlügst, habe ich keine andere Wahl, als Pat rufen zu lassen, damit er verprügelt wird, bis er blutet.« Pat war Tommens Prügelknabe, wie davor schon Joffreys. »Möchtest du das?«
»Nein«, murmelte der König mürrisch.
»Wer hat dir das eingeredet?«
Er scharrte mit den Füßen. »Lady Margaery.« Er wusste genau, dass er sie in Hörweite seiner Mutter nicht Königin nennen durfte.
»Schon besser, Tommen. Ich habe schwierige Angelegenheiten zu entscheiden, Angelegenheiten, die du noch nicht verstehen kannst, weil du zu jung bist. Ich kann keinen dummen kleinen Jungen gebrauchen, der hinter mir auf dem Thron herumzappelt und mich mit seinen kindischen Fragen ablenkt. Ich nehme an, Margaery meint auch, du solltest an meinen Ratssitzungen teilnehmen?«
»Ja«, gab er zu. »Sie sagt, ich muss lernen, König zu sein.«
»Wenn du älter bist, kannst du so oft du willst an den Ratssitzungen teilnehmen«, sagte Cersei. »Ich verspreche, du wirst sie bald leid sein. Robert ist dabei immer eingenickt.« Wenn er sich überhaupt die Mühe gemacht hat, daran teilzunehmen. »Er hat die Jagd und seine Falken vorgezogen und die Langeweile dem alten Lord Arryn überlassen. Kannst du dich an ihn erinnern?«
»Er ist an Bauchschmerzen gestorben.«
»Ja, der arme Mann. Wenn du unbedingt etwas lernen möchtest, dann solltest du vielleicht mit den Namen aller Könige von Westeros und den Händen, die ihnen gedient haben, anfangen. Du kannst sie mir morgen aufsagen.«
»Ja, Mutter«, sagte er kleinlaut.
»Das ist mein braver Junge.« Die Herrschaft gehörte ihr; Cersei beabsichtigte nicht, sie aufzugeben, ehe Tommen mündig geworden war. Ich habe gewartet, und das kann er auch. Ich habe mein halbes Leben gewartet. Sie hatte die pflichtbewusste Tochter gespielt, die errötende Braut, die fügsame Ehefrau. Sie hatte Roberts trunkenes Gegrapsche über sich ergehen lassen, Jaimes Eifersucht, Renlys Spott, Varys mit seinem Kichern, Stannis’ endloses Zähneknirschen. Sie hatte mit Jon Arryn gestritten, mit Ned Stark und mit ihrem abscheulichen, verräterischen und noch dazu mörderischen Zwergenbruder und sich dabei immer wieder versprochen, dass eines Tages sie an der Reihe sein würde. Wenn Margaery Tyrell glaubt, sie könne mir meine Stunde in der Sonne stehlen, sollte sie es sich lieber noch einmal überlegen.
Trotzdem war ihr das Frühstück vergällt, und auch danach wandte sich Cerseis Tag nicht zum Besseren. Sie verbrachte den Rest des Morgens mit Lord Gil und seinen Hauptbüchern, lauschte ihm, wie er hustend über Sterne und Hirsche und Drachen sprach. Nach ihm kam Lord Wasser, um zu berichten, dass die ersten drei Dromonen kurz vor der Fertigstellung standen, und um weitere Gelder zu erbitten, damit ihnen die Pracht gewährt werden könnte, die sie verdienten. Die Königin erfüllte ihm seine Bitte gern. Mondbub machte seine Kapriolen, während sie mit Angehörigen der Händlergilden zu Mittag speiste und sich ihre Beschwerden über die Spatzen anhörte, die durch die Straßen zogen und auf den Plätzen schliefen. Möglicherweise muss ich die Goldröcke einsetzen, um diese Spatzen aus der Stadt zu vertreiben, dachte sie gerade, als Pycelle eintrat.
Der Großmaester hatte sich in jüngster Zeit im Rat häufiger quergestellt. Bei der letzten Sitzung hatte er sich bitterlich über die Männer beschwert, die Auran Wasser als Kapitäne für die neuen Dromonen ausgewählt hatte. Wasser beabsichtigte, die Schiffe jüngeren Männern zu geben, während Pycelle auf Erfahrung pochte und darauf beharrte, jene Kapitäne, die die Brände auf dem Schwarzwasser überlebt hatten, sollten das Kommando erhalten. »Erfahrene Männer, die ihre Treue unter Beweis gestellt haben«, nannte er sie. Cersei nannte sie alt und schlug sich auf die Seite von Lord Wasser. »Diese Kapitäne haben doch nur eins bewiesen«, hatte sie erwidert, »nämlich, dass sie schwimmen können. Keine Mutter sollte ihre Kinder überleben, und kein Kapitän sein Schiff.« Pycelle hatte die Zurückweisung zähneknirschend hingenommen.
Heute schien er weniger aufmüpfig zu sein und brachte sogar ein zitterndes Lächeln zustande. »Euer Gnaden, gute Nachrichten«, verkündete er. »Wyman Manderly ist Eurem Befehl nachgekommen und hat Lord Stannis’ Zwiebelritter enthauptet.«
»Ist das eine Tatsache?«
»Der Kopf und die Hände des Mannes wurden auf den Mauern von Weißwasserhafen ausgestellt. Lord Wyman hat es erklärt, und die Freys bestätigen es. Sie haben den Schädel dort gesehen, mit einer Zwiebel im Mund. Und die Hände waren an den gekürzten Fingern der einen Hand zu erkennen.«
»Sehr gut«, sagte Cersei. »Schickt Manderly einen Vogel, und teilt ihm mit, sein Sohn werde umgehend zurückgeschickt, da er nun seine Treue erwiesen habe.« Weißwasserhafen würde bald in den Königsfrieden zurückkehren, Roose Bolton und sein Bastard näherten sich Maidengraben von Süden und Norden. Wenn der Graben erst ihnen gehörte, würden sie ihre Kräfte vereinen und die Eisenmänner aus Torrhenschanze und Tiefwald Motte vertreiben. Das würde ihnen die Ergebenheit von Ned Starks verbliebenen Vasallen einbringen, wenn die Zeit gekommen wäre, um gegen Lord Stannis zu marschieren.
Im Süden hatte Maes Tyrell inzwischen eine Stadt aus Zelten vor Sturmkap errichtet und zwei Dutzend Mangen in Stellung gebracht, die Steine gegen die massiven Mauern der Burg schleuderten, wenn auch mit geringer Wirkung. Lord Tyrell der Krieger, dachte die Königin. Sein Wappen sollte ein fetter Mann sein, der auf seinem Arsch sitzt.
An diesem Nachmittag hatte der halsstarrige Gesandte aus Braavos seine Audienz. Cersei hatte ihn vor zwei Wochen vertröstet und hätte seinen Besuch gern erneut für ein Jahr verschoben, doch Lord Gil behauptete, den Mann nicht länger hinhalten zu können … wobei sich die Königin inzwischen fragte, ob Gil überhaupt zu etwas anderem als husten in der Lage war.
Der Braavosi stellte sich als Noho Dimittis vor. Ein unangenehmer Name für einen unangenehmen Mann. Seine Stimme war ebenfalls unangenehm. Cersei rutschte auf ihrem Sitz hin und her, während er sprach, und fragte sich, wie lange sie seine Einschüchterungen noch ertragen musste. Hinter ihr ragte der Eiserne Thron auf, dessen Stacheln und Klingen verdrehte Schatten auf den Boden warfen. Nur der König oder seine Hand durften auf dem Thron sitzen. Cersei saß zu seinen Füßen in einem Stuhl aus vergoldetem Holz, auf dem purpurrote Kissen gestapelt waren.
Als der Braavosi einmal Atem holte, sah sie ihre Chance gekommen. »Diese Angelegenheit wäre eigentlich bei meinem Lord Kämmerer in besseren Händen.«
Diese Antwort gefiel dem vornehmen Noho anscheinend nicht. »Ich habe sechsmal mit Lord Gil gesprochen. Er hustet mich an und bringt Entschuldigungen vor, Euer Gnaden, doch auf das Gold warten wir vergebens.«
»Sprecht ein siebtes Mal mit ihm«, riet Cersei freundlich. »Die Sieben ist die heilige Zahl unserer Götter.«
»Euer Gnaden belieben, sich einen Scherz zu erlauben, wie ich sehe.«
»Wenn ich einen Scherz mache, lächele ich. Seht Ihr mich lächeln? Hört Ihr Gelächter? Ich versichere Euch, wenn ich einen Scherz mache, lachen die Menschen.«
»König Robert …«
»… ist tot«, unterbrach sie ihn scharf. »Die Eiserne Bank bekommt ihr Gold, wenn diese Rebellion niedergeschlagen ist.«
Er hatte die Unverschämtheit, sie mit mürrischer Miene anzublicken. »Euer Gnaden …«
»Diese Audienz ist beendet.« Cersei hatte genug für einen Tag erduldet. »Ser Meryn, geleitet den edlen Noho Dimittis zur Tür. Ser Osmund, Ihr dürft mich in meine Gemächer geleiten.« Bald würden ihre Gäste eintreffen, und sie musste noch baden und sich umziehen. Das Abendessen versprach ebenfalls eine langweilige Angelegenheit zu werden. Es war schon harte Arbeit, ein Königreich zu regieren, ganz zu schweigen von sieben.
Ser Osmund Schwarzkessel gesellte sich an der Treppe zu ihr, groß und schlank im Weiß der Königsgarde. Als Cersei sich vergewissert hatte, dass sie allein waren, hakte sie sich bei ihm ein. »Sagt doch bitte, wie macht sich Euer kleiner Bruder?«
Ser Osmund strahlte Unbehagen aus. »Ach … recht gut, nur …«
»Nur?« Die Königin ließ eine gewisse Gereiztheit in ihrer Stimme mitschwingen. »Ich muss gestehen, mir geht langsam die Geduld mit dem lieben Osney aus. Längst hätte er diese junge Stute zähmen müssen. Ich habe ihn zu Tommens persönlicher Leibwache ernannt, damit er viel Zeit in Margaerys Gesellschaft verbringen kann. Er hätte die Rose inzwischen pflücken sollen. Will die kleine Königin seinem Charme nicht erliegen?«
»An seinem Charme gibt es nichts auszusetzen. Er ist schließlich ein Schwarzkessel. Bitte um Vergebung.« Ser Osmund strich sich mit den...
Erscheint lt. Verlag | 26.3.2012 |
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Reihe/Serie | Das Lied von Eis und Feuer | Das Lied von Eis und Feuer |
Übersetzer | Andreas Helweg |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | A Feast of Crows (A Song of Ice and Fire 4, 2/2) |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction | |
Schlagworte | eBooks • epische Fantasy • Fantasy • Game of Thrones • GOT • High Fantasy • spannende Fantasy Bücher • spiegel bestseller • SPIEGEL-Bestseller • spiegel-bestseller, spiegel bestseller, game of thrones • TV-Verfilmung • Tyrion Lennister • Verfilmung von Büchern • Westeros • Winterfell |
ISBN-10 | 3-641-08811-9 / 3641088119 |
ISBN-13 | 978-3-641-08811-8 / 9783641088118 |
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