Spiegelschriften – Erzählungen und Berichte vom Lago Maggiore
Dielmann, Axel (Verlag)
978-3-86638-391-3 (ISBN)
Er hat eine Sammlung von 50 literarischen Texten zusammengetragen, die am Lago Maggiore entstanden sind oder hier angesiedelt sind – wenn auch zwei, drei ihrer Schöpfer in ihrer bewegten Phantasie am See waren. – Ernst Kretschmer begleitet seine Entdeckungen um das Schweizer wie um das Italiensiche Ufer herum mit leichthändigen, doch hintergrund-reichen Essays über seine 22 italienischen und 28 schweizer Fundstücke.
Er bietet damit einen ganz außergewöhnlichen Reise-Führer in die Region des Langen Sees und erschließt uns als Reise-Begleiter die Geschichte, Kultur, Persönlichkeiten und Lebenswelt rund um den Lago Maggiore. Die Dichterinnen und Erzähler der zwei Bände stammen aus verschiedensten Ländern, von den Franzosen Hippolyte Taine und Stendhal, dem Amerikaner Ernest Hemingway, dem Schweden Lars Gustafsson, der Schweizerin Johanna Spyri, den Italienern Dario Fo und Piero Chiara bis hin zu zahlreichen deutschen Autoren wie Heinrich von Kleist, Erich Kästner, Gerhart Hauptmann und Jean Paul wird der Lago Maggiore erzählt. Damit spiegeln die »Spiegelschriften« zugleich die weltweite Attraktivität des Sees und die vielfältigen Anregungen der Region, die vom 18. Jahrhundert bis heute ungebrochenen Reiz haben – als Destination wie als Lektüre.
Ernst Kretschmer ist 1951 geboren, studierte Germanistik, Geschichte, Philosophie und Komparatistik in Köln, Caen und Bonn. Er ist Mitherausgeber der Stuttgarter Morgenstern-Ausgabe. Für seine Studien zu Morgenstern und zum Nonsens erhielt er 1990 den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor. Nach Lehraufträgen an verschiedenen Universitäten in Mailand, Pavia und Bergamo war Ernst Kretschmer 2005 bis 2018 Professor für Linguistik an der Universität von Modena / Reggio Emila, Italien. »LKW« war Ernst Kretschmers Roman-Debüt. »Der Falke und die Nachtigall« ist sein zweiter Roman, den im Programm zu haben mich herzlich freut!
Mehr zu Lukas Bugla und seinem Werk auf seiner Website unter: www.lukasbugla.de
Band 2
SCHWEIZ
1. Brissago
Erich Kästner
Begegnung mit Tucho (1946)
2. Isole di Brissago – Isola Bella
Paul Scheerbart
Das Glasschloß auf der Isola grande (1914)
3. Isole di Brissago
Liane Dirks
Die goldene Barke (2004)
4. Fontana Martina
Jonny Rieger
Das Wunschhaus (1957)
5. Porto Ronco
Erich Maria Remarque
Da beginnt der Süden (1961)
6. Ascona
Franz Hohler
Der erste Abend (1974)
7. Ascona – Monte Verità
Erich Mühsam
Monte Verità (1905)
8. Ascona – Monte Verità
Hermann Hesse
Doktor Knölges Ende (1910)
9. Ascona
Franziska zu Reventlow
Liebes Sternchen (1910-1912)
10. Ascona
Werner von der Schulenburg
Roccolo, Roccolo! (1924)
11. Ascona
Hans Morgenthaler
Flügellahmer Adler (1924)
12. Ascona
Friedrich Glauser
Ascona. Jahrmarkt des Geistes (1931)
13. Ascona
Ursula von Wiese und Werner Johannes Guggenheim
Der Vollmond scheint (1932)
14. Ascona
Emil Ludwig
Seitlich Goethe in Bronze (1931)
15. Ascona
Käthe Kruse
Erste Kinder, erste Puppen (1951)
16. Ascona
José Orabuena
Die Geschichte von den Gefahren und der Lust einer Kahnfahrt auf dem Lago Maggiore, für Bienvenida erzählt von Adalbert von Karst (1827-1865) (1962)
17. Ascona
Claire Goll
Ein Ort auf einem anderen Stern (1978)
18. Comologno
Aline Valangin
Das Testament (1937)
19. Berzona
Max Frisch
Die Passhöhe (1979)
20. Cavergno – Sonlerto
Plinio Martini
Die Beerdigung der Tante Domenica (1975)
21. Magadino – Locarno – Valle Maggia – Valle Verzasca – Ascona
Friederike Brun
Reise von Lugano nach Locarno, und Aufenthalt daselbst (1800)
22. Locarno
Heinrich von Kleist
Das Bettelweib von Locarno (1810/11)
23. Locarno – Ascona
Oskar Maria Graf
Erste Freiheit (1927)
24. Locarno – Cannobio
Lisa Tetzner und Kurt Kläber
Zwanzig Kinder auf einer alten Barke (1940)
25. Muralto – Ascona
Giovanni Bonalumi
Marc (1996)
26. Minusio
Ricarda Huch
Die Tragödie der Baronata (1923)
27. Locarno – Tenero – Mergoscia – St. Bartolomeo
Karl Viktor von Bonstetten
Das Thal Verzasca im Amt Locarno (1798)
28. Bellinzona
Hans Rudolf Schinz
Die Stadt Bellenz. Bellinzona. (1784)
Anmerkungen
Quellen
Abbildungesverzeichnis
Figuren des Umschlags nach Lukas Bugla
Inhaltsverzeichnis Band 1 Italien
Literaturverzeichnis
Zum Autor und Herausgeber Ernst Kretschmer
Vorwort von Ernst Kretschmer: Spiegelschriften heißt die Sammlung dieser fünfzig Texte über den Lago Maggiore. Das Bild geht von der Vorstellung aus, dass der See ihre Autoren widerspiegelt, die Eigenheiten ihrer Wahrnehmung, Phantasie und Sprache wie auch die Besonderheiten der Umstände und Zeiten, in denen sie ihm begegneten. Wie es Spiegelungen so eigen ist, sind sie im Verhältnis zur gespiegelten Wirklichkeit Illusionen, die immer verkehrt bleiben. Da sich ein See auch ständig bewegt und niemals der gleiche bleibt und der Lago Maggiore bisweilen, wie einige der Autoren berichten, durchaus wüten kann, bietet sich auch dieser Aspekt des Bildes an, um die Vielfalt der Spiegelungen anzudeuten, die sich in den Texten zeigt. Die älteste der Spiegelschriften stammt aus dem Jahr 1682, die jüngste wurde für dieses Buch verfasst, so dass sie zusammen fünf Jahrhunderte umfassen. Ihre Autoren lassen sich grob in drei Gruppen einteilen: Einheimische, Zugezogene und Reisende. Am See geboren oder dort aufgewachsen sind auf italienischer Seite Piero Chiara aus Luino und Dario Fo aus Sangiano/Porto Valtravaglia sowie auf der schweizerischen Seite Giovanni Bonalumi aus Muralto und Plinio Martini aus Cavergno. Ihren Erzählungen liegen die Erinnerungen an den See als Ort der Heimat zugrunde. Unter den Zugezogenen lebten einige wie Werner von der Schulenburg, Ursula von Wiese, Käthe Kruse, Claire Goll oder Friedrich Glauser nur zeitweilig dort. Andere blieben dauerhaft. Erich Maria Remarque, Emil Ludwig, Aline Valangin und Max Frisch erwarben prächtige Domizile oder bauten sie zu solchen aus und betrachteten sie bei all ihren Reisen als das Zuhause, in das sie zurückkehren konnten. Schlechter gestellt waren Franziska zu Reventlow und José Orabuena, die jeden Rappen zweimal umdrehen mussten, bevor sie in Ascona ihre Miete zahlten. Zu den Zugezogen zählen auch Lisa Tetzner und Hermann Hesse, auch wenn ihre Häuser in Carona und Montagnola am Luganer See und nicht am Lago Maggiore standen. Dass sie alle die Schweiz und nicht Italien zum Wohnsitz wählten, ist kein Zufall, auch wenn die Gründe dafür vielfältig sind. Für Valangin und Frisch, die zu den vierzehn gebürtigen Schweizern der Sammlung gehören, lag der Umzug im eigenen Land auf der Hand. Für die Ausländer spielten neben dem Flair der Künstler- und Aussteigerkolonie von Ascona und der kleinen Mondänität von Locarno auch politische Motive eine Rolle. Im Ersten Weltkrieg suchten die Pazifisten Claire und Ivan Goll in dem neutralen Land Zuflucht, in der Zeit des Nationalsozialismus Lisa Tetzner und ihr Mann, der Kommunist Kurt Kläber. Remarque nahm seinerseits Flüchtlinge in seinem Haus in Ronco auf, das er nach der Machtergreifung Hitlers nie wieder als Wohnsitz aufgab, Valangin tat das gleiche in Comologno. Die Autoren, die als Reisende an den Lago Maggiore kamen, hatten Unterschiedliches vor und hielten sich unterschiedlich lange dort auf. Theodor Fontane befand sich nur auf der Durchreise von Bellinzona nach Mailand, Kurt Tucholsky unternahm nur einen Tagesausflug von Lugano aus. Erich Mühsam hingegen verbrachte mehrmals einige Sommerwochen auf dem Monte Verità und Oskar Maria Graf einen Frühling bei der Kommune „Askona“ in Brione. Als klassische Touristen logierten Gerhart Hauptmann und Erich Kästner in den Grand Hotels von Stresa und Brissago, als Kurgäste Friedrich Nietzsche und Johanna Spyri in der Villa Badia von Cannobio und der Villa Camenisch von Suna. Ein Kunstreisender war der Maler Johann Heinrich Meyer, ein Bildungseisender der Philosoph Hippolyte Taine, ein Forschungsreisender Hans Rudolf Schinz. Dienstlich waren die Schweizer Syndikatoren Hans Jakob Faesch und Karl Viktor von Bonstetten unterwegs, während Liebe und Freundschaft Hans Morgenthaler und Friederike Brun an den See führten. Es bleiben nicht zuletzt die Traumreisenden, die wie Jean Paul oder Paul Scheerbart niemals dort waren und sich alles wunderbar ausdachten. Die Sammlung enthält sechzehn geschlossene Erzählungen und Auszüge aus sechzehn Romanen, neun Reiseberichten, fünf Autobiographien, drei Briefsammlungen und einem Tagebuch, wobei die Zuordnung nicht immer eindeutig ist. Wie es die verschiedenen Gattungen vermuten lassen, sind die Texte von einer thematischen Vielfalt, die neben den fabulierten Handlungen Naturbeschreibungen, gesellschaftliche Betrachtungen und persönliche Bekenntnisse umfasst. Auch stilistisch ist ihre Bandbreite groß. Einige der Texte sind literaturgeschichtlich bedeutsam, aber auch schwere Kost. Jean Pauls monumentaler Titan (1800-1803) steht wie ein belletristischer Fixstern über dem Lago Maggiore, wird von Erich Mühsam als Werk von „Deutschlands allergrößte[m] Dichter“ gepriesen (Ascona, 1905) und von Gerhart Hauptmann gleich im ersten Satz seiner Mignon (1949) erwähnt, und doch stellt der Roman für den heutigen Leser eine beträchtliche Herausforderung dar. Auch Goethes Wilhelm Meisters Wanderjahre (1829), ein Alterswerk immerhin von „Deutschlands größte[m] Dichter“, setzt eine gewisse Bereitschaft voraus, sich mit den elegisch gemessenen Beschreibungen und Betrachtungen anzufreunden, die aus einer verlorenen Welt zu stammen scheinen. Bei anderen Texten stehen handfeste Ereignisse im Vordergrund, die am und auf dem See passierten und die Frage nach der literarischen Größe in den Hintergrund treten lassen. Uffo Horns Erzählung Die schöne Insel (1859) geht auf Eifersucht und einen Mord zurück, der den Holländer Pieter Mulier dazu brachte, für den borromäischen Palast auf der Isola Bella ein paar schöne, noch heute zu bewundernde Gemälde zu malen. Auch Otto Zollers Der Untergang des Torpedobootes Nummer 4 (1911) ist nicht an der Größe Jean Pauls und Goethes zu messen, sondern lebt von der Dramatik des Unglücks, das sich im Winter 1896 auf dem See ereignete und an das heute in Cannobio ein Denkmal erinnert. Der Lago Maggiore liegt mit seinen Ufern in der Lombardei, dem Piemont und dem Tessin. Mit Ausnahme Mailands, zu dem sich der Baseler Syndikator Hans Jakob Faesch 1682 auf einer etwa 70 km langen Schiffsreise über den Ticino und die Navigli bringen ließ, liegt keiner der in den Texten vorgestellten Orte mehr als 25 km vom See entfernt. Für das Tessin, das weiter nördlich oder östlich davon liegt, kann auf andere lesenswerte Textsammlungen verwiesen werden: Willy Arnold Vetterlis Frühe Freunde des Tessins (1944), Alice Vollenweiders Neue Erzähler aus dem Tessin (1968), Esther Scheideggers Tessin. Ein Lesebuch (1991) oder René P. Moors Alpensüdseiten. Reiseberichte aus dem Tessin (2019). Für den Leser, der es auf Italienisch versuchen möchte, liegen vor: 20 racconti ticinesi (1941), Pane e coltello. Cinque racconti di paese (1975) oder Scarpe e polenta. Un viaggio letterario nella Svizzera italiana del Novecento (2001). Bei aller Vielfalt der Orte und Landschaften lassen sich in der Sammlung einige Schwerpunkte feststellen. Auf der italienischen Seite zogen die Borromäischen Inseln und vor allem die Isola Bella das Interesse der Autoren an. Dazu zählen Hans Jakob Faesch (1682), Jean Paul (1800), Stendhal (1811), Johann Wolfgang von Goethe (1829), Uffo Horn (1851), Hippolyte Taine (1866), Theodor Fontane (1875) und Antonio Fogazzaro (1895). An den mondänen See aus den Zeiten, als man die Inseln von Brissago noch kaufen konnte und Stresa eine Station des Simplon-Orient-Express auf dem Weg von Paris nach Istanbul war, erinnern uns Paul Scheerbart (1914), Ernest Hemingway (1929), Gerhart Hauptmann (1944), Erich Kästner (1946) und Liane Dirks (2004), während Hans Rudolf Schinz (1784), Karl Viktor von Bonstetten (1797), Friederike Brun (1800), Aline Valangin (1937), Lisa Tetzner (1944) und Plinio Martini (1975) von der urwüchsigen Seite des Sees in den nördlichen Tälern erzählen. Dem Künstlertreff, der seit dem frühen 20. Jahrhundert in Ascona und seiner Umgebung entstand, verdanken wir die Beiträge von Werner von der Schulenburg (1924), Hans Morgenthaler (1924), Friedrich Glauser (1931), Emil Ludwig (1931), Ursula von Wiese/Werner Johannes Guggenheim (1932), Erich Maria Remarque (1961), José Orabuena (1962), und Claire Goll (1976). Auf den See der Aussteiger, dessen große Zeit 1900 mit der Gründung des Monte Verità in Ascona begann, gehen hingegen die Texte von Erich Mühsam (1905), Hermann Hesse (1910), Franziska zu Reventlow (1910/12), Oskar Maria Graf (1927), und Käthe Kruse (1951) zurück. Nicht alle Texte haben dieselbe die thematische Nähe zum See. In den Reisebeschreibungen von Johann Heinrich Meyer (1793) oder Jacob Burckhardt (1838) oder den Erzählungen von Mario Soldati (1962) und Piero Chiara (1977) liegt sie auf der Hand. Theodor Fontane hingegen schrieb 1875 auf dem Schiff, mit dem er den See von Locarno nach Arona überquerte, ohne diesen überhaupt zu erwähnen, und trug seine nüchterne Beschreibung der Isola Bella erst in Mailand nach. Friedrich Nietzsche suchte 1887 in Cannobio eine „stille Verborgenheit“, in der er seinen Kopfschmerz und sein Gefühl des „Misstrauens und der Unsicherheit“ überwinden wollte, ohne dass ihn der See als solcher im Geringsten interessierte. Beide stehen für jene Autoren, deren Spiegelschriften eher dazu einladen, sich mit ihnen selbst als mit dem Lago Maggiore, seiner Landschaft, seinen Städtchen und Dörfern zu beschäftigen. Der Auswahl der Erzählungen und Berichte liegt das Kriterium der Authentizität zugrunde, das hier auch Geschlossenheit bedeutet. Mit Ausnahme von Claire Golls Ein Ort auf einem anderen Stern (1978) wurden keine Auslassungen mit den entsprechenden Pünktchen vorgenommen. Verzichtet wurde auch auf kurze, vereinzelte Passagen aus entfernteren Textzusammenhängen. Das unterscheidet die Spiegelschriften von der verdienstvollen Sammlung Lago Maggiore, die Johannes Beck und Heiner Boehncke 2011 für die Reihe Europa Erlesen besorgten, und erklärt, dass die von ihnen zitierten Erzähler wie Charles Dickens, Hans Christian Andersen oder Franz Kafka hier ebenso wenig erscheinen wie die Lyriker Rose Ausländer, Hermann Broch oder Vittorio Sereni. Um den Rahmen der mit fünfzig Texten schon großzügig bestückten Sammlung zu wahren, wurden keine Kriminalerzählungen und auch keine Sagen und Märchen aufgenommen, zumal sie aufgrund der Eigenarten ihrer Gattung selten ihre Autoren als Personen widerspiegeln. Darum wird man hier weder die Erzählung über den Mörder Constantin Weise (1850) aus dem Neuen Pitaval wiederfinden, die in Ascona endet, noch Ausschnitte aus Kriminalromanen, deren Zahl in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Der Regler, den Andreas und Stephan Lebert 2010 unter dem Pseudonym Max Landorff veröffentlichten, ist zwar ein internationaler Thriller, beginnt und endet aber gewissermaßen am See. Tutto bene (2020) und Buona Notte (2022), die sie unter dem Namen Andrea di Stefano verfassten, sind dagegen ausgesprochene „Lago-Maggiore-Krimis“, zu denen auch Die Tote am Lago Maggiore (2016) gehört, mit denen Bruno Varese, auch dies gewiss ein Pseudonym, die Reihe seiner bislang vier See-Romane eröffnete. Seit einigen Jahren kümmert sich besonders der Macchione Verlag, der tatsächlich in Varese liegt, um die Kriminalliteratur, die in der Gegend angesiedelt ist, aber selbst die Romane seiner schreibfreudigsten Autoren Franco Taddei und Marco Marcuzzi, von denen 2023 jeweils zuletzt Maccagno. Il dio delle pietre sacrificali und Macabra vendetta a Brinzio erschienen, liegen bislang nur auf Italienisch vor. Auch zu den Sagen und Legenden kann von Costanzo Rancis La sponda magra. Leggende del Lago Maggiore (1931) bis zu Chiara Zangarinis Leggende nostre. Tradizione, realtà e fantasia. Varesotto, Canton Ticino e lago Maggiore (2012) nur auf das italienische Original verwiesen werden. Die Autoren, die mit ihren Erzählungen und Berichten nicht in der Sammlung vertreten sind, finden sich am Ende in einer Literaturliste wieder (Bd. 2, Schweiz, S. 398). Dass sie nicht berücksichtigt wurden, hat zwar auch mit den Vorlieben des Herausgebers zu tun, meistens aber doch mit der Handhabbarkeit der Texte im Rahmen dieser Sammlung, ihrer Länge, Geschlossenheit und thematischen Ausrichtung. Das gilt sowohl für Henry James’ Erzählung Louisa Pallant (1888), in welcher der Ich-Erzähler und sein Neffe von Stresa nach Baveno rudern, als auch für Klabunds Roman Franziskus (1921), in dem italienische wie schweizerische Zöllner am Seeufer Wermut trinken. Walther Benjamin erinnert sich in seiner Reise in Italien Pfingsten 1912 erfreulicherweise auch an die Dampferfahrten nach Stresa und Luino, auf denen er die Weitläufigkeit des Sees feststellen konnte und dabei Brote mit Sardellenbutter aß. Harry Graf Kessler hielt in den Tagebüchern 1918-1937 zum Glück auch seinen Besuch bei der schrulligen Baronin Antoinette de Saint Léger auf den Inseln von Brissago fest, die ihm wie eine Zauberin schien, während dem ungarischen Vagabunden Emil Szittya die bissig witzigen Beschreibungen zu verdanken sind, die er in seinem Kuriositäten-Kabinett (1923) von den Bewohnern des Monte Verità in Ascona gibt. Überaus lesenswert sind auch die etwa hundert Briefe, die der italienische Nationaldichter Alessandro Manzoni während seines „Exils“ von 1848 bis 1850 in seiner Villa in Lesa schrieb. Er mochte die Stille des Lago Maggiore (Lettere, Bd. II, S. 374) und besuchte von Lesa aus gern seinen Freund Antonio Rosmini in Stresa. Ansonsten aber erfahren wir aus den Briefen weit mehr über seine Anteilnahme an der italienischen Einigungsbewegung, die im März 1848 mit den „Cinque Giornate“ von Mailand einen ihrer Höhepunkte erreichte. Eine Erzählung hätte schließlich gut in die Sammlung hineingepasst, schaffte es aber nicht aus autorenrechtlichen Gründen. Die texanische Autorin Patricia Highsmith, die von 1988 bis zu ihrem Tod 1995 in Tegna lebte und dort auch begraben ist, schrieb neben Welterfolgen wie Zwei Fremde im Zug (1950) oder Der talentierte Mr. Ripley (1955) eine einzige Erzählung, die im Tessin spielt und vom Bußgang eines Bauern aus dem Maggiatal zum Bischof nach Lugano handelt: A long Walk from Hell oder, da das englische Original verschollen ist, mit dem Titel der französischen Übersetzung: La Longue Marche hors de l’enfer (1996). Die Spiegelschriften sind kein literarischer Reiseführer. Für einen solchen kann zum Teil auf Beat Hächlers Das Klappern der Zoccoli. Literarische Wanderungen im Tessin (2000) verwiesen werden. Die Sammlung ist aber in einer geographischen Perspektive angeordnet. Sie geht vom Norden in der Nähe von Bellinzona aus, führt am Ostufer bis nach Arona hinunter, kehrt auf der Westseite nach Bellinzona zurück und zeichnet damit tatsächlich eine literarische Rundreise um den See vor. Sie lädt den Leser dazu ein, Piero Chiara durch Luino zum Caffè Clerici am Ufer zu begleiten oder den See an der Seite Stendhals vom Sacro Monte aus in der Ferne zu sehen, über Hügel hinweg, die wie Inseln im Wolkenmeer liegen. Nimmt er dann mit Mario Soldati die Fähre von Laveno nach Intra, kann er Johanna Spyri beim Aufstieg von Suna nach Cavandone folgen und mit ihr auf halbem Weg an der weißen Kapelle rasten. In Berzona warten Max Frisch und Golo Mann auf ihn, bevor sie zum Garina-Pass aufbrechen, in Comologno bieten ihm Max Ernst und Kurt Tucholsky einen Platz in der Sonne auf der Mauer der Barca an. Während die Steinhäuser von Fontana Martina nichts von der ehrwürdigen Patina verloren haben, die Jonny Rieger anzog, erinnert die verlassene Villa Erich Maria Remarques in Porto Ronco an die Vergänglichkeit des Ruhms. Der winzige Dorfplatz von Sonlerto aber berührt die Seele irgendwie, wenn man auf den Stufen zur Kirche liest, wie Plinio Martini ihn beschreibt. Der Herausgeber wünscht in jedem Fall eine gute Reise bei der Lektüre. Ernst Kretschmer Musignano, im Frühjahr 2024
Erscheinungsdatum | 11.10.2024 |
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Illustrationen | Lukas Bugla |
Zusatzinfo | Fotographien und Zeichnungen, welche die 50 Autoren zeigen, die im Band mit Texten vom und über den Lago Maggiore enthalten sind, dazu eine Übersichtslandkarte |
Verlagsort | Frankfurt am Main - Niederrad |
Sprache | deutsch |
Maße | 140 x 220 mm |
Gewicht | 420 g |
Themenwelt | Literatur |
Kunst / Musik / Theater ► Kunstgeschichte / Kunststile | |
Schlagworte | Adalbert von Karst • Aline Valangin • Alois Emanuel Biedermann • Antonio Fogazzaro • Arona • Ascona • Bar delle proleti • Bellinzona • Berzona • Bienvenida • Brissago • Cannobio • Castelli di Cannero • Cavergno • Claire Goll • Comologno • Dario Fo • Emil Ludwig • Erich Kästner • Erich Maria Remarque • Erich Mühsam • Ernest Hemingway • Fontana Martina • Franz Hohler • Franziska zu Reventlow • Friederike Brun • Friedrich Glauser • Friedrich Nietzsche • Gerhart Hauptmann • Giovanni Bonalumi • Hans Jakob Faesch • Hans Morgenthaler • Hans Rudolf Schinz • Heinrich von Kleist • Hermann Hesse • Hippolyte Taine • Intra • Isola Bella • Isola Madre • Italien • Jacob Burckhardt • Jean Paul • Johanna Spyri • Johann Heinrich Meyer • Johann Wolfgang von Goethe • Jonny Rieger • José Orabuena • Karl Viktor von Bonstetten • Käthe Kruse • kurt kläber • Kurt Tucholsky • Lars Gustafsson • Laveno • Liane Dirks • Lisa Tetzner • Locarno • Lombardei • Luino • Maccagno • Magadino • Mailand • Mario Soldati • Max Frisch • Minusio • Monte Verità • Muralto • Navigazione Laghi • Oberitalien • Oskar Maria Graf • Osogna • Otto Zoller • Pallanza • Paul Scheerbart • Piaggio Valmara • Piemont • Piero Chiara • Plinio Martini • Porto Ronco • Porto Valtravaglia • Poussin • Reise • Ricarda Huch • Schweiz • Sonlerto • Stendhal • Stresa • Tenero • Tessin • Theodor Fontane • Theodor Wolff • Uffo Horn • Ursula von Wiese • Varese • Verzasca • Werner Johannes Guggenheim • Werner von der Schulenburg |
ISBN-10 | 3-86638-391-6 / 3866383916 |
ISBN-13 | 978-3-86638-391-3 / 9783866383913 |
Zustand | Neuware |
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