Kleine Geschichte der Musik
Reclam, Philipp (Verlag)
978-3-15-018312-0 (ISBN)
- Titel erscheint in neuer Auflage
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Michael Heinemann, geb. am 5. März 1959 in Bergisch Gladbach, Studium von Kirchenmusik, Instrumentalpädagogik und Orgel in Köln, Musikwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte in Köln, Bonn und Berlin. Promotion 1991, Habilitation 1997 Seit 2000 Professor für Musikwissenschaft an der Hochschule für Musik "Carl Maria von Weber", Dresden. Zahlreiche Bücher und Editionen zur Musikgeschichte des 16.-bis 20. Jahrhunderts, mehr als 100 Aufsätze in Sammelbänden und Fachzeitschriften.
Weltmusik I
Funktion
Notation
Individuum
Komposition
Intellektualität
Neuheit
Sprache
Affekt
Kritik
Originalität
Öffentlichkeit
Diskurs
Gesellschaft
Kommerz
Gegenwelt
Geschichte
Nation
Realität
Macht
Residuen
Experiment
Klang
Weltmusik II
Aus dem Kapitel "Spiel. Klangsinn und Instrumentenbau im 17. Jahrhundert" Vielleicht am deutlichsten wird die Ausbildung unterschiedlicher Spielweisen am Beispiel der Violine, die rasch zum führenden Instrument aufsteigt und deren bautechnische Vervollkommnung in den oberitalienischen Werkstätten, vor allem bei den Familien Amati und Stradivari in Cremona, einen technologischen Fortschritt bezeichnet, dessen Grundlagen - Holzbehandlung und Lackierverfahren - bis heute weder erreicht noch schon so weit wissenschaftlich erschlossen sind, dass Geigen auf gleichem Niveau nachgebaut werden können. Wie nun der solchermaßen zu großer Klangschönheit entwickelte Geigenton in expressiver Hinsicht differenziert wurde, macht Claudio Monteverdis Combattimento (1623, veröffentlicht im 8. Madrigalbuch, Venedig 1638) deutlich. Die aus Torquato Tassos Befreitem Jerusalem genommene Szene vom Zweikampf Tancredis und der in ihrem Waffenschmuck nicht als Frau zu erkennenden Clorinda sucht der nun in Venedig als Kapellmeister wirkende Opernkomponist durch ein Spektrum an Spielweisen musikalisch plastisch auszudeuten, indem er die unterschiedlichen Stricharten (legato, pizzicato, col legno'mit dem Holz des Bogens') genau vorschreibt und durch Tonwiederholungen und vehement ansetzende Akkorde weitere tonmalerische und perkussive Elemente einbezieht. Dieses Sujet der Nachzeichnung einer Schlacht in einem Musikstück erfreute sich im 17. Jahrhundert großer Beliebtheit. Einige Jahrzehnte später forcierte Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704), der Wiener Kapellmeister, in seiner Battalia (1673) für Streichorchester solchen musikalischen Waffenlärm noch und versuchte die Kämpfe mit den die Mitteleuropa bedrängenden Türken nachzubilden. Dabei führt eine Schilderung des Liederlichen Umherschweifens der Musketiere auch musikalisch zu einem heillosen Durcheinander; den Auftritt des Mars in rasselnder Rüstung signalisieren die Klänge eines präparierten Instrumentes. Zwischen Saiten und Hals des Cellos werden Papierstreifen eingefügt, deren raschelndes Vibrieren zu ungewohnten Effekten führt. Weitere Ausdrucksmöglichkeiten suchte Biber zu erschließen, indem er die konventionelle Stimmung der Violine in einzelnen Stücken aufgab. Indem die Saiten nicht mehr in Quintabständen eingestimmt, sondern andere Intervalle, gegebenenfalls auch der Gleichklang zweier Saiten, gefordert wurden, können Passagen, deren Ausführung ehedem undenkbar war, ins spielerische und kompositorische Kalkül mit einbezogen werden. Bibers Rosenkranzsonaten (um 1675), 15 Meditationen über die Geheimnisse des seit der Seeschlacht von Lepanto 1572 und im Kontext der Gegenreformation ungemein populären Mariengebetes sind mit der Scordatur ('Verstimmung') der generalbassbegleiteten Sologeige Höhepunkte der Violinliteratur, deren klanglicher Reiz erst dann sich reicher erschließt, wenn die Spiritualität der Vorlage ebenfalls in den Blick genommen wird. Ungleich stärker auf den vordergründigen Effekt zielten hingegen all jene Violinvirtuosen, die ihre Geige vorzugsweise dazu nutzten, andere Instrumente, vor allem aber Tierstimmen und Naturlaute nachzuahmen. Zu diesem äußerst beliebten Genre lieferten Johann Paul von Westhoff (1656-1705), Johann Jacob Walther (geb. 1650), Johann Schop (gest. 1667) und Johann Heinrich Schmelzer (1623-80) reiche Beiträge; die Vorbilder wären jedoch wiederum in Italien zu suchen oder dort, wo italienische Musiker um die Mitte des 17. Jahrhunderts verstärkt Anstellungen fanden. Neben Wien und München nimmt hier Dresden eine zentrale Position ein als Ort der Vermittlung von Tradition und Mode, dominiert von Heinrich Schütz (1585-1672), der mehr als ein halbes Jahrhundert der Hofmusik vorstand, selbst zweimal nach Italien reiste, um aktuelle Kompositionsweisen zu studieren, Instrumente und Musikalien zu erwerben, doch auch um Musiker als Lehrer für seine Kapelle zu verpflichten. So erweist sich die kursächsische Residenz als kunstsinnig selbst in schwereren Zeiten des Dreißigjährigen Krieges, offen für Künstler und Virtuosen, die - wie das Beispiel Carlo Farina (um 1600-40) zeigt - hier nicht nur am Hof Aufnahme fanden, sondern auch auf ein größeres Publikumsinteresse hoffen konnten. Fünf Bücher mit Violinmusik gab Farina während seines Dresdner Aufenthaltes in Druck (1626-1628), darin auch jenes Capriccio stravagante, das mit seiner Imitation von Hundegebell, Katzen- und Eselsgeschrei zwar ein Kuriosum ist, doch kaum eine Sonderstellung in der Geschichte des Violinspiels dieser Zeit einnimmt. © 2005 Philipp Reclam jun. Verlag Gmbh & Co., Stuttgart
Reihe/Serie | Reclams Universal-Bibliothek ; 18312 |
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Sprache | deutsch |
Gewicht | 158 g |
Einbandart | kartoniert |
Themenwelt | Kunst / Musik / Theater ► Musik ► Klassik / Oper / Musical |
Schlagworte | Musikgeschichte • Taschenbuch / Sachbücher/Musik, Film, Theater/Klassik, Oper, Operette, Musical • TB/Musik/Musikgeschichte • TB/Sachbücher/Musik, Film, Theater/Klassik, Oper, Operette, Musical |
ISBN-10 | 3-15-018312-X / 315018312X |
ISBN-13 | 978-3-15-018312-0 / 9783150183120 |
Zustand | Neuware |
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