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Machiavelli - Philosoph der Macht (eBook)

Von Bestsellerautor Ross King. Die Biographie über einen der rätselhaftesten Männer der italienischen Renaissance. Ein neues Bild des Philosophen, Dichters und Politikers

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
288 Seiten
Bassermann (Verlag)
978-3-641-27713-0 (ISBN)

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Machiavelli - Philosoph der Macht -  Ross King
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Machiavelli gilt als faszinierendster und einflussreichster Denker der italienischen Renaissance. Sein Hauptwerk »Il Principe - Der Fürst« verfasste er um 1513, und es wird noch heute als Brevier der rücksichtslosen Machtpolitik gelesen. Doch wer war Machiavelli wirklich? Ross King entwirft ein differenziertes Bild dieses ersten Realpolitikers der europäischen Geschichte und seiner Heimatstadt Florenz unter den mächtigen Medici.

Ross King wurde 1962 in Kanada geboren. Er studierte Literatur und Kunstgeschichte in London und Toronto. Er gehört zu jenen renommierten Autoren, die es glänzend verstehen, auf der Basis exakter Recherchen anhand der Beschreibung starker Persönlichkeiten den Umbruch einer ganzen Epoche sichtbar zu machen. Seine erfolgreichen historischen Romane »Die Masken des Domino« und »Das Labyrinth der Welt« wurden in sieben Sprachen übersetzt. Der Autor lebt in England.

KAPITEL 1


Im Sommer des Jahres 1498 tauchte in den Wiesen am Ufer des Arno in Florenz eine seltsame neue Insektenart auf. Diese in Schwärmen auftretenden goldfarbenen Raupen hatten ein menschliches Gesicht – man konnte Augen und eine Nase erkennen –, und auf dem Kopf sah man einen hellen, goldenen Ring und ein kleines Kreuz. Rasch wurden sie als «die Raupen des Bruders Girolamo» bekannt.

«Bruder Girolamo» – das war Girolamo Savonarola, ein charismatischer, grünäugiger Dominikanermönch aus Ferrara, der mit seinen Predigten von Hölle und Verdammnis in den vorangegangenen sechs Jahren das geistige und politische Leben in Florenz beherrscht hatte. Im Jahr 1498 jedoch war sein hypnotischer Bann, der über der Stadt lag, endgültig gebrochen. Im Sommer 1497 wurde er von Papst Alexander VI. exkommuniziert, und am Morgen des 23. Mai 1498, weniger als ein Jahr danach, wurde er auf der zentralen Piazza der Stadt gehenkt. Dies war, den Worten eines Chronisten zufolge, die Strafe dafür, dass er «in Florenz Zwietracht gesät und eine Lehre verbreitet (hatte), die der katholischen Lehre nicht uneingeschränkt entsprach».1 Nachdem man ihn vom Galgen geschnitten hatte, wurde seine Leiche auf einem Scheiterhaufen verbrannt; die Asche wurde danach vom Ponte Vecchio in den Arno geworfen und flussabwärts an jenen Ort gespült, an dem wenige Wochen später auf geheimnisvolle Weise die Raupen auftauchten.

Savonarola war nicht das einzige Opfer im Florenz des Mai 1498. An seiner Seite wurden zwei Dominikanerpriester gehenkt, und weitere Anhänger Savonarolas – die von ihren Gegnern Piagnoni (Greiner) genannt wurden – erlitten ähnlich unerfreuliche Schicksale. Francesco Valori, der mächtigste politische Verbündete des Mönchs, wurde mit einer Hippe erschlagen; und der Bolzen einer Armbrust tötete Valoris Frau. Über Dutzende anderer Piagnoni wurden Geldstrafen verhängt, man beraubte sie ihrer politischen Rechte, und einige Mönche des Klosters San Marco, dessen Prior Savonarola gewesen war, wurden in die Verbannung geschickt. Nicht einmal die Glocke von San Marco, die den Spitznamen La Piagnona trug, entging der Bestrafung: Sie wurde aus ihrem Turm geholt und öffentlich gezüchtigt, ehe auch sie aus Florenz verbannt wurde.

Die Vergeltungsmaßnahmen reichten bis in die höchsten Regierungsränge, und in der Signoria – der obersten Regierungsbehörde von Florenz – wurde unverzüglich damit begonnen, die öffentlichen Ämter von Sympathisanten Savonarolas zu säubern. Alle zehn Mitglieder der Dieci di Libertà e Pace («Zehn der Freiheit und des Friedens», im Folgenden «Rat der Zehn»), die sich mit der Außenpolitik befassten, wurden entlassen, ebenso wie die acht Männer, welche die Otto di Guardia («Acht der Garde») bildeten, den für Straftaten zuständigen Ausschuss. Auch ein Kanzleibeamter namens Alessandro Braccesi verlor seinen Posten. Er wurde durch einen neunundzwanzigjährigen politischen Neuling ersetzt, der Niccolò Machiavelli hieß. Neunundzwanzig Jahre – das Alter, in dem man wahlberechtigt wurde – war bemerkenswert jung für einen Mann, um einen solch wichtigen Posten zu bekleiden. Die meisten jungen Florentiner blieben unter der Vormundschaft ihrer Väter, bis sie vierundzwanzig waren, und manche erlangten ihre gesetzliche Mündigkeit erst mit achtundzwanzig. Doch Machiavelli sollte seine Jugend und Unerfahrenheit durch eindrucksvolle intellektuelle Fähigkeiten und eine untadelige Bildung ebenso wettmachen wie durch enorme Tatkraft und gewaltigen Ehrgeiz.

Hinrichtung Savonarolas in Florenz, 1498

Machiavelli war am 3. Mai 1469 als ältester Sohn von Bernardo Machiavelli und dessen Frau Bartolomea in Florenz zur Welt gekommen. «Ich wurde in die Armut hineingeboren», sollte Niccolò später schreiben, «und lernte schon in zartem Alter, mich einzuschränken anstatt mich zu entfalten.»2 Wie so vieles, was er schrieb, war auch diese Behauptung etwas übertrieben. Seine Mutter entstammte offenbar einem alteingesessenen Geschlecht von hohem Rang, während sein Vater aus einer wohlhabenden Familie kam, die seit vielen Generationen ausgedehnte Ländereien in den sanft gewellten, mit Weinstöcken übersäten Hügeln südlich von Florenz besessen hatte. Es stimmt, Bernardo Machiavelli war keineswegs ein reicher Mann. Einmal beschrieb er sich selbst auf einem Steuerformular nur allzu wahrheitsgemäß als «nicht erwerbstätig»3. Doch er bewohnte ein großes Haus im florentinischen Viertel Santo Spirito in der Nähe des Ponte Vecchio, und außerhalb von Florenz besaß er ein Gut in Sant’ Andrea in Percussina mit Weinbergen, Apfelhainen, Olivenbäumen und Vieh. Seine ländlichen Besitztümer umfassten ferner eine Taverne und eine Metzgerei.

Bernardo Machiavelli hatte eine Rechtsausbildung absolviert und schlug dann, nicht gerade mit großem Eifer oder Erfolg, eine Laufbahn als Notar ein. Dennoch genoss er in Florenz offenbar einen Ruf als erstklassiger Rechtskundiger. Er schloss Freundschaft mit dem Leiter der Kanzlei von Florenz, dem hoch angesehenen Gelehrten Bartolomeo Scala, der ihn in einer Abhandlung aus dem Jahr 1483 mit dem Titel De legibus et iudiciis dialogus als Rechtsexperten besonders hervorhob. Bernardos bemerkenswerteste Eigenschaft jedoch war seine Leidenschaft für Bücher. Im Zuge seiner Ausbildung hatte er lateinische Grammatik studiert, seine Handschrift vervollkommnet und gelernt, wie man Testamente aufsetzt und Geschäfts- und Eheverträge beglaubigt. Doch in seinen Gedanken befasste er sich viel umfassender und gründlicher mit den Fragen des menschlichen Daseins, als solche Büroarbeiten vermuten ließen, und in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts beschäftigte er sich nebenher mit klassischer Literatur. Scala wurde ihm wohl durchaus gerecht, als er ihn in seinem Dialogus voller Sachkenntnis Schriftsteller wie Platon, Justinian, Cicero und Laktanz zitieren ließ. Man weiß, dass Bernardo zu mitunter nicht geringen Kosten Werke solcher Schriftsteller wie Livius und Macrobius für seine Privatbibliothek erwarb; und wenn er es sich nicht leisten konnte, sie zu kaufen, dann lieh er sich Bücher von Einrichtungen wie der Bibliothek des Klosters Santa Croce. Zu seinen kostbarsten Besitztümern zählte eine Ausgabe von Livius’ Römische Geschichte, die er dafür erhalten hatte, dass er ein Register mit allen Ortsnamen für den florentinischen Verleger des Werkes erstellte. Elf Jahre später, im Jahr 1486, ließ er die Ausgabe in Leder binden, wofür er den Buchbinder mit drei Flaschen Rotwein von seinem Landgut bezahlte.

Mit seiner Verehrung für die klassische Literatur und die Geschichte stand Bernardo beileibe nicht allein da. Die intensive Beschäftigung mit der Kultur der Welt der Antike hatte Florenz an die Spitze einer neuen geistigen und künstlerischen Strömung gebracht – die später als «Humanismus» bekannt werden sollte –, die den Schwerpunkt des Denkens von der Theologie zu den eher weltlichen Lehren verlagerte, die einst die Grundlage der klassischen Literatur gebildet hatten. Ein Gelehrter namens Coluccio Salutati, der von 1375 bis 1406 der Kanzlei von Florenz vorgestanden hatte, erklärte, aus den klassischen Schriften könne man wichtige Lehren über zeitgenössische Moral und das politische Leben ziehen, die man in der Bibel nicht finden könne. Er und seine Anhänger gingen auf eine sehr pragmatische Weise an die Schriften der alten Griechen und Römer heran, die sie letztlich wie Handbücher, angefüllt mit praktischen Ratschlägen zu Alltag und Moral, behandelten. Sie glaubten, dass die Werke der alten Griechen und Römer unter anderem Anweisungen geben könnten, wie man seine Kinder am besten erzieht, eine Rede hält, ein guter Staatsbürger wird und einen Staat regiert – Taten und Bestrebungen, die einen Menschen (und eine Gesellschaft) glücklich und wohlhabend machen würden.

Die Humanisten eröffneten den Europäern des 15. Jahrhunderts eine neue Sichtweise auf die Welt, und auf die Stellung des Menschen darin. Neben anderen Quellen bezogen sie ihre Anregungen aus der Behauptung des griechischen Philosophen Protagoras, der sagte: «Der Mensch ist das Maß aller Dinge.» Für die Christen des Mittelalters wurden die Regierung, die Gesetze und die Moral einer Gesellschaft von Gott bestimmt, doch für die Humanisten des 15. Jahrhunderts ebenso wie für die alten Griechen und Römer waren dies vom Menschen geschaffene Institutionen und als solche sowohl wert, überprüft zu werden, als auch offen für Veränderungen. Obwohl viele Humanisten gläubige Christen waren, konzentrierte sich ihr Interesse eher auf die Dinge des menschlichen Lebens als auf übernatürliche Werte. Insbesondere gaben sie dem klassischen Menschenbild den Vorzug gegenüber dem christlichen: Der Mensch wurde nicht als ein Geschöpf betrachtet, das durch die Erbsünde verdorben war und der Erlösung durch Gottes Gnade bedurfte, sondern als ein freies, schöpferisches und selbstbestimmtes Wesen, das sowohl zu höherem Verstand als auch zu niederen Leidenschaften befähigt war.

Bernardo war offenbar fest entschlossen, seinen Sohn, auch wenn es viel kosten mochte, in den Genuss der humanistischen Bildung kommen zu lassen, die in Florenz aufblühte. Drei Tage nach seinem siebten Geburtstag begann Niccolò unter der Aufsicht eines ortsansässigen Lehrers, der als Maestro Matteo bekannt war, die Grundlagen der lateinischen Sprache zu erlernen. Maestro Matteo hielt seine Stunden in einem Haus in der Nähe des Ponte Santa Trinità ab, das unweit des Hauses der Machiavellis gelegen war. Wenige Jahre später studierte Machiavelli die Arithmetik und verfasste unter der Anleitung eines Lehrers von höherem Ansehen namens Paolo...

Erscheint lt. Verlag 21.6.2021
Übersetzer Stefanie Kremer
Zusatzinfo 12 s/w-Abbildungen
Sprache deutsch
Original-Titel Machiavelli
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Geschichte Allgemeine Geschichte Neuzeit (bis 1918)
Schlagworte Biografie • Biographie • Biographien • Bologna • Borgias • Caterina Sforza • Cesare Borgia • Der Fürst • Discorsi • eBooks • Florenz • Geschichte • Il Principe • Italien • Kampf um Florenz • Leonardo da Vinci • Machiavellismus • Machtpolitik • Medici • Philosoph • Philosophie • Renaissance • staatsphilosoph • Volker Reinhardt
ISBN-10 3-641-27713-2 / 3641277132
ISBN-13 978-3-641-27713-0 / 9783641277130
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