Schlüsselwerke der Musik (eBook)
595 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961753-4 (ISBN)
Bernd Asmus, geb. 1959, Komponist und Musiktheoretiker. Studium von Musikerziehung, Gitarre, Musiktheorie und Komposition. Lehrt Musiktheorie an der Musikhochschule Stuttgart. Claus-Steffen Mahnkopf, geb. 1962, Komponist und Autor. Studium von Komposition, Musiktheorie, Klavier, Musikwissenschaft, Philosophie und Soziologie. Lehrt Komposition an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig. Johannes Menke, geb. 1972, Musiktheoretiker und Autor. Studium von Oboe, Schulmusik, Musiktheorie, Komposition, Germanistik und Musikwissenschaft. Lehrt Historische Satzlehre und Theorie der Alten Musik an der Schola Cantorum Basiliensis in Basel.
Bernd Asmus, geb. 1959, Komponist und Musiktheoretiker. Studium von Musikerziehung, Gitarre, Musiktheorie und Komposition. Lehrt Musiktheorie an der Musikhochschule Stuttgart. Claus-Steffen Mahnkopf, geb. 1962, Komponist und Autor. Studium von Komposition, Musiktheorie, Klavier, Musikwissenschaft, Philosophie und Soziologie. Lehrt Komposition an der Hochschule für Musik und Theater Leipzig. Johannes Menke, geb. 1972, Musiktheoretiker und Autor. Studium von Oboe, Schulmusik, Musiktheorie, Komposition, Germanistik und Musikwissenschaft. Lehrt Historische Satzlehre und Theorie der Alten Musik an der Schola Cantorum Basiliensis in Basel.
Vorwort
Werke
Das musikalische Werk
Glossar
Register
Josquin Desprez (ca. 1450/55 – 1521)
Franko-flämischer Sänger und Komponist, Hauptvertreter der mittleren Renaissance-Generation, »Der Noten Meister«.
Josquin war schon zu Lebzeiten eine Legende.Luther prägte den legendären Satz: »Josquin ist der noten meister, die habens müssen machen, wie er wolt; die anderen Sangmeister müssens machen, wie es die noten haben wöllen.« Seine Werke bestechen durch eine bezwingende Klarheit, die gut hörbar und doch voller Ausdruck ist. Josquins musikalische Rhetorik wurde vorbildlich. Sein Leben ist die typische Biographie eines Sängerkomponisten: Geboren und ausgebildet in Nordwestfrankreich, kommt er nach Italien, geht zunächst nach Mailand, wird später Sänger an der päpstlichen Kapelle in Rom, aber auch an der königlichen Hofkapelle in Frankreich, ist kurze Zeit Kapellmeister am Hof der kunstbeflissenen Herzöge d’Este in Ferrara und verbringt seinen Lebensabend als Propst in Condé-sur-l’Escaut. Es hieß, er komponiere nur, wenn er wolle, wisse, was er wert sei, und stelle deshalb hohe Gehaltsforderungen.
Im um 1500 aufkommenden Musikdruck war er ein Superstar: Sein Ave Maria ist das Eröffnungsstück in der ersten Sammlung gedruckter polyphoner Musik, dem Harmonice Musices Odhecaton, gedruckt 1501 von OttavianoPetrucci (1466–1539). »Josquin« wurde zu einer Marke, die sich auch andere zu Nutze machten, indem sie unter diesem Label eigene Stücke publizierten. Einem maliziösen zeitgenössischen Bonmot zufolge habe Josquin nach seinem Tod mehr Werke komponiert als zuvor (so GeorgForster um 1540). Heute hat die Musikwissenschaft deshalb damit zu tun, die echten von den zugeschriebenen Werken zu unterscheiden. Seit den 1980er Jahren ist Josquin auch im Konzertleben vermehrt vertreten.
◗ Ave Maria, gratia plena (publiziert 1484/85). Vierstimmige Motette, 7 Minuten.
| Idealtypus der Renaissance-Komposition.
Gibt es etwas Schöneres als dieses Juwel der Vollendung von Form, Ausdruck und Gestimmtheit? Zu Recht gilt diese Motette als eines der berühmtesten Stücke des 15. Jahrhunderts. Die Eingangsmelodie ist geradezu modern: aufsteigende Quarte, dann der Stufengang nach oben – volkstümlich und doch im weiteren Verlauf höchstfein verflochten. Sie wandert nach unten, immer zu zweit, später zu dritt, dann zu viert, fortlaufend sich belebend. Die Imitation ist allgegenwärtig, die Musiker singen in kommunikativer Harmonie, ergänzen einander perfekt, die polyphon geführten Stimmen fügen sich zum stimmigen Wohlklang. Zuweilen treten zweistimmige Passagen (Bicinien) auf, Josquin liebt die Durchsichtigkeit.
Der Text ist klar und verständlich. Die Reinheit der Stimmung entspricht der der jungfräulichen Maria. Eine Episode über die »vera virginitas« (eine Huldigung an die göttliche Trinität) steht im bewegteren Dreiertakt. Maria ist »serena«, mithin heiter und hell, die Musik steht in dem, was wir heute C-Dur nennen. Der Schluss ist akkordisch, homophon.Josquin war auch einer der ersten Harmoniker. Alles ist entwickelt aus den Tönen c, d, e – einfacher geht es nicht. Eine Musik, so klar und wohlgeformt wie die Statuen vonMichelangelo. Eine Danksagung an die heilige Familie, die wir heute auch untheologisch als Danksagung an den Menschen hören können. Die Renaissance war die Wiedergeburt desselben.
Eine ähnliche Klarheit erreichtJosquin im dritten Teil des Benedictus aus seiner Messe Hercules Dux Ferrariae (1505 veröffentlicht). Zweistimmig und barförmig (A, A, A’), ist es glasklar zu hören: Über einem cantus firmus in regelmäßigen Werten im Tenor singt sich ein Superius aus, mit drei einfachen Motiven. Genau diese erscheinen im übrigen Werk wieder, so im Gloria und im Sanctus, und zwar in unterschiedlichen Kombinationen. Es ist, als sei dieser Superius die Keimzelle für etwas, was viel, viel späterSchönberg »entwickelnde Variation« nennen sollte, nämlich die fasslich nachvollziehbare Verteilung der Gestalten, an die sich das Ohr klammert. (CSM)
◗ Missa La sol fa re mi. Vierstimmige Messe, ca. 30 Minuten.
| Arbeit mit nur einem Motiv, Motivische Arbeit.
Komponieren hieß um 1500 nicht unbedingt, etwas vollkommen Neues zu erfinden. Oftmals wurde mit vorhandenem Material – einem Text, einem Choral oder einer Tenorstimme – gearbeitet. Dies galt ganz besonders für die Vertonung der Messe und kann dabei sogar theologisch verstanden werden: So wie Brot und Wein in der Liturgie wird auch in der Musik musikalisches Material verwandelt.
Josquins Messen basieren auf Chansons, Chorälen oder kleinen Motiven aus Solmisationssilben. Die Solmisation ist ein System, mit dem damals die Kinder singen lernten. Mit den Solmisationssilben (ut, re, mi, fa, sol, la) kann man aber auch Wörter darstellen. Die Folge la-sol-fa-re-mi (a-g-f-d-e) ist eine Umsetzung vom italienischen »Lascia fare mi« (»lass es mich machen«). Einer Anekdote zufolge sollJosquin einen türkischen Prinzen um einen Gefallen gebeten haben, der dann in schlechtem Französisch »Laise faire moy« antwortete.
Die Fünf-Ton-Folge ist während der Messe omnipräsent.Josquin gelingt es, dem Motiv so viele Ideen abzugewinnen, dass er alle Sätze der Messe damit bestreiten kann. Mal wird es imitiert, mal wird es wiederholt, mal wird es variiert, mal kommt es schnell, mal kommt es langsam. Und all das geschieht in ganz unterschiedlichen Rhythmen, Taktarten, Stimmen und vor allem in vielfältigen kontrapunktischen Zusammenhängen, so dass immer wieder neue Harmonien entstehen.
Besonders eindrucksvoll ist das Sanctus. Der erste Teil ist durch Harmonien bestimmt, der zweite durch zweistimmige Dialoge, in denen das Motiv enggeführt und weitergesponnen wird. In einem dritten Teil kommt es im Tenor und wird dort als Ostinato wiederholt. In einem vierten Teil steht es in ganz langen Notenwerten im Tenor. Darauf wird es in einem fünften Teil auf den Kopf gestellt und variiert, und schließlich wird es wieder im Tenor als Ostinato wiederholt, was man aber nicht merkt, weil die anderen Stimmen immer etwas anderes singen. Die Kompositionstechnik ist somit phantasievoll und ökonomisch zugleich, und sie hat Schule gemacht: Viele weitere Komponisten (z. B. Frescobaldi oderFroberger) haben bis weit ins 17. Jahrhundert hinein Stücke über la-sol-fa-re-mi geschrieben. (JM)
◗ Miserere mei Deus. Fünfstimmige Psalmmotette (1503/04), 17 Minuten.
| Architektonische Motettenkunst.
Der Florentiner Dominikanerpriester Girolamo (Hieronymus)Savonarola (1452–1498), der grundlegende Kirchenreformen forderte und auch als Fanatiker und Hassprediger hervortrat, schrieb kurz vor seiner öffentlichen Hinrichtung und mitten in qualvollen Folterprozeduren eine Meditation über den Psalm 50 Miserere, welche aus dem Gefängnis geschmuggelt wurde und sich schnell in ganz Europa verbreitete. Dieser Text (Infelix ego) diente vielen Komponisten als Vorlage, und auchJosquin hat sich von ihm inspirieren lassen, als er während seiner einjährigen Zeit im Dienst des FürstenHerkules von Ferrara und wohl auch auf dessen Auftrag sein dreiteiliges Miserere mei Deus verfasste, welches mit seinen enormen Ausmaßen von 424 Mensuren (Takten) die wohl berühmteste Psalmmotette der Renaissance wurde und zahlreiche Nachahmer fand. Das sehr eindringliche Soggetto besteht aus Tonwiederholungen und einem einzigen Tonhöhenwechsel nach oben auf der ersten Silbe von Deus. Dieses Soggetto steht nicht nur (wie im Psalm) zu Anfang der Motette, sondern durchzieht wie ein Leitmotiv das ganze Werk, indem es im Tenor 1 (der nichts anderes singt) in unregelmäßigen Abständen den Textverlauf des Psalms unterbricht und mit den anderen Stimmen das Miserere mei Deus reliefartig immer wieder herausmeißelt. Die 21 Wiederholungen dieses Motivs sind wie folgt organisiert: Der erste Teil wiederholt dieses Motiv auf den Tönen einer fallenden Skala von e nach e, der zweite Teil transportiert es in doppelter Geschwindigkeit auf der gleichen Skala wieder aufwärts, und der dritte und letzte Teil bringt es in nur noch 5 Wiederholungen fallend vom e zum a. Die mit dem Einsatz des Tenor 1 zwingend sich ergebenden Kadenzen sind jedes Mal anders gestaltet, wie auch die Textverläufe des Psalms in unterschiedlichsten Stimmverläufen und -kombinationen...
Erscheint lt. Verlag | 17.7.2020 |
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Reihe/Serie | Reclam Sachbuch premium |
Reclam Sachbuch premium | Reclam Sachbuch premium |
Verlagsort | Ditzingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kunst / Musik / Theater ► Musik |
Schlagworte | bücher über musik • Einführung • Erläuterungen • gelb • gelbe bücher • Grundlagen • Harmonielehre • Kanon Klassische Musik • Klassiker • Klassiker der Musikgeschichte • Kulturwissenschaft • Kunstwissenschaft • Lektüre • Libretto • Liedtexte • Listener’s Guide • Medium • Musik • Musik Buch • Musikgeschichte • Musiktheorie • Musik-Unterricht • Musikwissenschaft • Oper • Reclam Hefte • Reclams Universal Bibliothek • Studenten • Studentinnen • Studierende • Textsammlung • universalbibliothek • Universität • Vorlesungen • Wissen |
ISBN-10 | 3-15-961753-X / 315961753X |
ISBN-13 | 978-3-15-961753-4 / 9783159617534 |
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