Goethes: Die Zauberflöte II (eBook)
108 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7412-0079-3 (ISBN)
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten deutschsprachiger Dichtung. Während seiner Leitung des Weimarer Theaters zwischen 1791 und 1813 brachte Goethe fast 300 Aufführungen von Mozarts Opern auf die Bühne. Die "Zauberflöte" war unter diesen mit 82 Aufführungen die meist gespielte Oper und überhaupt das erfolgreichste und beliebteste Bühnenstück unter Goethes Theaterleitung. Goethes Neigungen zu Mozart und der "Zauberflöte" gingen jedoch über das Populäre hinaus. Für seinen zweiten Teil des "Fausts" wünschte sich Goethe: "Wenn es nur so ist, dass die Menge der Zuschauer Freude an der Erscheinung hat; dem Eingeweihten wird zugleich der höhere Sinn nicht entgehen, wie es ja auch bei der 'Zauberflöte' und andern Dingen der Fall ist." Die ideelle Verbindung zu Mozart bringt Goethe noch 1829 gegenüber Eckermanns Hoffnung einen Komponisten für die Musik zum "Faust" zu finden zum Ausdruck: "Es ist ganz unmöglich [...] Das Abstoßende, Widerwärtige, Furchtbare, was sie stellenweise enthalten müsste, ist der Zeit zuwider. Die Musik müsste im Charakter des 'Don Juan' sein; Mozart hätte den 'Faust' komponieren müssen." Mit konkreten Arbeiten am Text für seinen zweiten Teil der "Zauberflöte" hatte Goethe 1795 begonnen. Schließlich wich er von seinen ursprünglichen Plänen für die Oper ab - wohl weil er auch hier keinen geeigneten Komponisten finden konnte und darüber hinaus im Allgemeinen zu hohen Idealvorstellungen nachhing - und veröffentlichte 1807 "Der Zauberflöte zweyter Theil - Fragment" als ein fragmentarisches Leselibretto. Trotz des bruchstückhaften Charakters lässt sich jedoch nach formalen Gesichtspunkten (Ende in der Operntradition des 17. und 18. Jh.) und vor allem auf der symbolischen Handlungsebene ein abgeschlossener Verlauf konstatieren. Schon Mozarts und Schikaneders erste "Zauberflöte" von 1791 begleiteten die Unruhen der Französischen Revolution, welche sich in den folgenden Jahren dramatisieren sollten. Neben der Unruhe in dieser Zeit der Gegensätze, in der sich bald Klassik und Romantik wie Absolutismus und Französische Revolution gegenüberstanden, teilte Goethe mit dem kongenialen Duo der "Zauberflöte" das Interesse an der Freimaurerei. Mozart und Schikaneder hatten ebenso wie Goethe in Freimaurerlogen verkehrt. Dazu war es die Zeit der Mysterienbegeisterung und Ägyptophilie. Die erste "Zauberflöte" wurde von ihren Machern unter dem Arbeitstitel "Die Egyptischen Geheimnisse [=Mysterien]" diskutiert.
Der
Zauberflöte
Zweyter Theil
Fragment
Johann Wolfgang Goethe
Tag, Wald, Felsengrotte zu einem ernsthaften Portal zugehauen.
Aus dem Walde kommen
Monostatos. Mohren.
Monostatos:
Erhebet und preiset,
Gefährten, unser Glück!
Wir kommen im Triumphe
Zur Göttin zurück.
Chor:
Es ist uns gelungen,
Es half uns das Glück!
Wir kommen im Triumphe
Zur Göttin zurück.
Monostatos:
Wir wirkten verstohlen,
Wir schlichen hinan;
Doch was sie uns befohlen,
Halb ist es gethan.
Chor:
Wir wirkten verstohlen,
Wir schlichen hinan;
Doch was sie uns befohlen,
Bald ist es gethan.
Monostatos:
O Göttin! die du, in den Grüften
Verschlossen, mit dir selber wohnest,
Bald in den höchsten Himmelslüften,
Zum Trutz der stolzen Lichter, thronest,
O höre deinen Freund! höre deinen künftigen Gatten!
Was hindert dich, allgegenwärtige Macht,
Was hält dich ab, o Königin der Nacht!
In diesem Augenblick uns hier zu überschatten.
(Donnerschlag. Monostatos und die Mohren stürzen zu Boden. Finsterniß.
Aus dem Portal entwickeln sich Wolken und verschlingen es zuletzt.)
Die Königin (in den Wolken):
Wer ruft mich an?
Wer wagt's mit mir zu sprechen?
Wer diese Stille kühn zu unterbrechen?
Ich höre nichts – so bin ich denn allein!
Die Welt verstummt um mich, so soll es sein.
(Die Wolken dehnen sich über das Theater aus und ziehen über Monostatos und die Mohren hin, die man jedoch noch sehen kann.)
Woget ihr Wolken hin,
Decket die Erde,
Daß es noch düsterer,
Finsterer werde!
Schrecken und Schauer,
Klagen und Trauer
Leise verhalle bang,
Ende den Nachtgesang
Schweigen und Tod.
Monostatos und das Chor (in voriger Stellung, ganz leise):
Vor deinem Throne hier
Liegen und dienen –
Königin:
Seid ihr Getreuen mir
Wieder erschienen?
Monostatos:
Ja, dein Getreuer,
Geliebter, er ist's.
Königin:
Bin ich gerochen?
Chor:
Göttin, du bist's!
Königin:
Schlängelt, ihr Blitze,
Mit wüthendem Eilen,
Rastlos, die lastenden
Nächte zu theilen!
Strömet, Kometen,
Am Himmel hernieder!
Wandelnde Flammen
Begegnet euch wieder,
Leuchtet der hohen
Befriedigten Wuth!
Monostatos und das Chor:
Siehe! Kometen
Sie steigen hernieder,
Wandelnde Flammen
Begegnen sich wieder,
Und von den Polen
Erhebt sich die Gluth.
(Indem ein Nordlicht sich aus der Mitte verbreitet, steht die Königin wie in einer Glorie.
In den Wolken kreuzen sich Kometen, Elmsfeuer und Lichtballen. Das Ganze muß durch Form und Farbe und geheime Symmetrie einen zwar grausenhaften, doch angenehmen Effect machen.)
Monostatos:
In solcher feierlichen Pracht
Wirst du nun bald der ganzen Welt erscheinen;
In's Reich der Sonne wirket deine Macht.
Pamina und Tamino weinen;
Ihr höchstes Glück ruht in des Grabes Nacht.
Königin:
Ihr neugeborner Sohn ist er in meinen Händen?
Monostatos
Noch nicht; doch werden wir's vollenden,
Ich les' es in der Sterne wilden Schlacht.
Königin:
Noch nicht in meiner Hand? was habt ihr denn gethan?
Monostatos:
O Göttin sieh uns gnädig an!
In Jammer haben wir das Königshaus verlassen.
Nun kannst du sie mit Freude hassen.
Vernimm! – Der schönste Tag bestieg schon seinen Thron,
Die süße Hoffnung nahte schon,
Versprach, der Gattentreue Lohn,
Den lang erflehten ersten Sohn.
Die Mädchen wanden schon die blumenreichsten Kränze,
Sie freuten sich auf Opferzug und Tänze,
Und neue Kleider freuten sie noch mehr.
Indeß die Fraun mit klugem Eifer wachten,
Und mütterlich die Königin bedachten –
Unsichtbar schlichen wir durch den Palast umher –
Da rief's: ein Sohn! ein Sohn! Wir öffnen ungesäumt
Den goldnen Sarg, den du uns übergeben,
Die Finsterniß entströmt, umhüllet alles Leben,
Ein jeder tappt und schwankt und träumt.
Die Mutter hat des Anblicks nicht genossen,
Der Vater sah noch nicht das holde Kind,
Mit Feuerhand ergreif' ich es geschwind,
In jenen goldnen Sarg wird es sogleich verschlossen –
Und immer finstrer wird die Nacht,
In der wir ganz allein mit Tigeraugen sehen;
Doch ach! da muß, ich weiß nicht welche Macht,
Mit strenger Kraft uns widerstehen.
Der goldne Sarg wird schwer –
Chor:
Wird schwerer uns in Händen.
Monostatos:
Wird schwerer, immer mehr und mehr!
Wir können nicht das Werk vollenden.
Chor:
Er zieht uns an den Boden hin.
Monostatos:
Dort bleibt er fest und läßt sich nicht bewegen.
Gewiß! es wirkt Sarastro's Zaubersegen.
Chor:
Wir fürchten selbst den Bann und fliehn.
Königin:
Ihr Feigen, das sind eure Thaten?
Mein Zorn –
Chor:
Halt ein den Zorn, o Königin!
Monostatos:
Mit unverwandtem klugem Sinn
Drück' ich dein Siegel schnell, das niemand lösen kann,
Auf's goldne Grab und sperre so den Knaben
Auf ewig ein.
So mögen sie den starren Liebling haben!
Da mag er ihre Sorge sein!
Dort steht die todte Last, der Tag erscheinet bange,
Wir ziehen fort mit drohendem Gesange.
Chor:
Sähe die Mutter je
Säh' sie den Sohn;
Risse die Parze gleich
Schnell ihn davon.
Sähe der Vater je
Säh' er den Sohn;
Risse die Parze gleich
Schnell ihn davon.
Monostatos:
Zwar weiß ich, als wir uns entfernt,
Ist federleicht der Sarkophag geworden.
Sie bringen ihn dem brüderlichen Orden,
Der, still in sich gekehrt, die Weisheit lehrt und lernt.
Nun muß, mit List und Kraft, dein Knecht auf's neue wirken!
Selbst in den heiligen Bezirken
Hat noch dein Haß, dein Fluch hat seine Kraft.
Wenn sich die Gatten sehn, soll Wahnsinn sie berücken;
Wird sie der Anblick ihres Kinds entzücken,
So sei es gleich auf ewig weggerafft.
Königin, Monostatos und Chor:
Sehen die Eltern je
Sehn sie sich an;
Fasse die Seele gleich
Schauder und Wahn!
Sehen die Eltern je
Sehn sie den Sohn;
Reiße die Parze gleich
Schnell ihn davon!
(Das Theater geht in ein Chaos über, daraus entwickelt sich
Ein königlicher Saal.
Frauen tragen auf einem goldnen Gestelle, von welchem ein prächtiger Teppich herabhängt, einen goldnen Sarkophag. Andre tragen einen reichen Baldachin darüber. Chor.)
Chor der Frauen:
In stiller Sorge wallen wir
Und trauern bei der Lust;
Ein Kind ist da, ein Sohn ist hier,
Und Kummer drückt die Brust.
Eine Dame:
So wandelt fort und stehet niemals stille,
Das ist der weisen Männer Wille,
Vertraut auf sie, gehorchet blind;
So lang ihr wandelt lebt das Kind.
Chor:
Ach armes eingeschloss'nes Kind
Wie wird es dir ergehen.
Dich darf die gute Mutter nicht,
Der Vater dich nicht sehen.
Eine Dame:
Und schmerzlich sind die Gatten selbst geschieden,
Nicht Herz an Herz ist ihnen Trost gegönnt.
Dort wandelt er, dort weinet sie getrennt;
Sarastro nur verschafft dem Hause Frieden.
Chor:
O schlafe sanft, o schlafe süß,
Du längst erwünschter Sohn!
Aus diesem frühen Grabe steigst
Du auf des Vaters Thron.
Eine Dame:
Der König kommt, laßt uns von dannen wallen.
Im öden Raum läßt er die Klage schallen,
Schon ahnet er die Öde seines Throns;
Er sehe nicht den Sarg des theuern Sohns.
(Sie ziehen vorüber.)
Tamino:
Wenn dem Vater, aus der Wiege,
Zart und frisch der Knabe lächelt,
Und die...
Erscheint lt. Verlag | 23.3.2016 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kunst / Musik / Theater ► Musik |
ISBN-10 | 3-7412-0079-4 / 3741200794 |
ISBN-13 | 978-3-7412-0079-3 / 9783741200793 |
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Größe: 9,5 MB
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