Kurzfassung in Einfacher Sprache. Nathan und seine Kinder (eBook)
200 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-82440-0 (ISBN)
Mirjam Pressler (1940 - 2019) lebte bis zu ihrem Tod in Landshut. Sie gehört zu den bekanntesten Kinder- und Jugendbuchautoren und hat mehr als 30 eigene Kinder- und Jugendbücher verfasst, darunter »Bitterschokolade« (Oldenburger Jugendbuchpreis), »Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen« (Deutschen Jugendliteraturpreis), »Malka Mai« (Deutscher Bücherpreis) »Nathan und seine Kinder«,»Ich bin's Kitty. Aus dem Leben einer Katze« und zuletzt »Dunkles Gold« sowie die Lebensgeschichte der Anne Frank »Ich sehne mich so«. Außerdem übersetze sie viele Bücher aus dem Niederländischen, Englischen und Hebräischen. Für ihre »Verdienste an der deutschen Sprache« wurde sie 2001 mit der Carl-Zuckmayer-Medaille ausgezeichnet, für ihr Gesamtwerk als Übersetzerin mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises und für ihr Gesamtwerk als Autorin und Übersetzerin 2004 mit dem Deutschen Bücherpreis, der Corine und der Buber-Rosenzweig-Medaille sowie mit dem Friedenspreis der Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung.
Geschem
Es war ein sehr heißer Nachmittag. Ich legte mich unter einen Maulbeerbaum, weil ich mich ausruhen wollte. Dort schlief ich, bis mich Schreie weckten. Ich hörte Daja schreien und sah, dass es im Haus brannte.
Die Köchin Zipora und eine Magd hielten Daja fest.
Sie wollten nicht, dass Daja durch die Flammen lief. Aber Daja schlug wild um sich und schrie: »Lasst mich los, ich muss zu Recha! Nathan ist nicht da! Recha darf nichts passieren!«
Das war die Gelegenheit, die Gott mir bot – Gott oder Allah. Jetzt konnte ich beweisen, dass ich mutig war. Alle sollten es erfahren: Ich war mehr als nur ein armer Krüppel. Vor allem Nathan, mein Herr, sollte das wissen!
Ich wollte zum Haus und durch die Flammen rennen. Ich wollte Recha retten. Ich wollte der Held sein!
Ich, ich, ich!
Aber selbst am Maulbeerbaum spürte ich, wie heiß
die Flammen waren. Und ich spürte wieder die Schmerzen.
Die ganze linke Seite meines Körpers tat weh.
Warum spürte ich die Narben immer noch?
Ich musste Recha retten, denn ihr Vater Nathan war nicht da. Aber mein Körper machte nicht, was ich wollte. Ich konnte meinen linken Arm und mein linkes Bein nicht bewegen.
Also fing ich an zu kriechen. Ich atmete Rauch ein und hustete, meine Augen brannten. Da tauchte plötzlich jemand vor den Flammen auf. Er trug einen weißen Mantel mit einem roten Kreuz auf dem Rücken. Der Fremde zögerte nur kurz und ging dann in die Flammen. Dann wurde ich bewusstlos.
Als ich wieder aufwachte, war es Nacht. Ich war ganz verwirrt. Wo war ich? Ich merkte, dass ich noch immer unter dem Maulbeerbaum lag. Am Himmel stand der Mond. Er schien hell, sodass ich vor dem Haus eine Gruppe Menschen entdecken konnte. Sie saßen zusammen auf einer Decke.
Ich schämte mich, dass ich Recha nicht gerettet hatte. Ich konnte einfach nichts, ich war nur ein schwacher Krüppel.
Das Feuer hatte Recha getötet – und ich hatte nur unter dem Maulbeerbaum gelegen.
Erst dann merkte ich: Die Stimmen waren laut, aber niemand schrie oder weinte. Deshalb hoffte ich, dass die Flammen niemanden getötet hatten. Außerdem fiel mir auf, dass nur Männer sprachen. Vorhin waren nur Frauen da gewesen: Daja, Zipora und die Mägde. Der einzige Mann war der Fremde gewesen.
Ich sah, dass ein Diener einem Mann einen Becher gab. Mein Herz klopfte schnell. Ich kroch näher an das Haus. Dabei musste ich die ganze Zeit zu dem Mann sehen, der aus dem Becher trank. Er war es wirklich: Nathan, der Herr. Er war zurück nach Hause gekommen, während ich unter dem Maulbeerbaum gelegen hatte.
Nathan saß auf einer kostbaren Decke und hielt Recha im Arm. Ja, es war wirklich seine Tochter Recha.
Ich hatte geglaubt, sie ist tot. Bei Nathan saßen Daja und al-Hafi. Al-Hafi war ein Bettelmönch und Nathans Freund.
Jetzt war ich nahe genug am Haus, um sie zu verstehen. Nathan sagte: »Beruhige dich, Daja. Es sind ein paar Möbel verbrannt. Das Wichtigste ist doch, dass Recha nichts passiert ist. Gott hat Recha gerettet, dafür müssen wir ihm danken. Sie lebt. Das Feuer verbrannte ihre Haare, aber Haare wachsen nach.
Auch die Wunde an ihrem Arm wird mit Gottes Hilfe heilen. Mich bedrückt etwas anderes. Hast du den Mann wirklich nicht erkannt, der sie aus dem Feuer gerettet hat?«
Recha sagte: »Es war ein Engel, Vater. Es war kein Mensch, es war ein Engel.«
Daja rief: »Ich habe doch gesagt, es war ein Tempelritter.«
Nathan sagte: »Es gibt keine Tempelritter mehr in Jerusalem. Der Sultan ließ sie alle töten.«
Jetzt mischte sich al-Hafi ein. »Der Sultan ließ die Tempelritter töten, aber einen hat er am Leben gelassen. Ich weiß es, ich war dabei.«
Nathan wollte das nicht glauben. »Warum hat der Sultan einem Tempelritter das Leben geschenkt?«
Al-Hafi zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen? Der Sultan muss nicht erklären, was er tut.«
Daja sagte laut: »Es war ein Tempelritter.«
Al-Hafi wechselte das Thema: »War deine Reise erfolgreich, Nathan? Was hast du mitgebracht?«
Nathan antwortete: »Gott hat gewollt, dass ich gute Geschäfte machen konnte. Mit seiner Hilfe bin ich reicher als jemals zuvor. Ich bin mit Oliven-Öl und Düften aus Jericho nach Damaskus gezogen, mit edlen Stoffen und Gold komme ich zurück.«
Al-Hafi sagte: »Gott ist groß. Er liebt den, der gerecht ist.«
Ich dachte: Ja, Gott liebt den, der gerecht ist. Der Gott der Juden liebt den, der gerecht ist. Auch Allah, der Gott der Muslime, liebt den, der gerecht ist. Dann fiel mir der Tempelritter ein. Ich dachte, dass bestimmt auch der Gott der Christen den liebt, der gerecht ist.
Es kann gar nicht anders sein: Jeder Gott muss Nathan lieben. Denn Nathan ist dafür bekannt, gerecht zu sein.
Ich lag noch versteckt vor dem Haus. Sollte ich zu Nathan gehen und sagen, dass der Fremde wirklich ein Tempelritter war?
In dem Moment stand Daja auf, um in das Haus zu gehen. Sie wollte Zipora bitten, noch ein Essen zu machen.
Damit war klar, dass ich Zipora helfen musste.
Ich stand auf und ging auf das Haus zu. Meine Beine zitterten noch immer und ich hinkte stärker als sonst.
Ich sah in die Eingangshalle, wo es gebrannt hatte. Lampen machten ein schwaches Licht. Ich erkannte, dass die Flammen die kostbaren Möbel zerstört hatten. Aber ich konnte nicht sehen, ob das Feuer auch Rechas und Dajas Zimmer erreicht hatte.
Daja kam aus der Küche. Sie lief an mir vorbei, ohne mich zu bemerken.
Ich ging in die Küche. Zipora fragte: »Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt, Junge?« Sie stand am Tisch und schnitt Zwiebeln und Knoblauch. »Gut, dass du hier bist.« Sie sagte mir, dass ich Datteln, Feigen, Nüsse, Käse und Wein auf den Tisch im Innenhof bringen sollte.
Ich beeilte mich, alles zu tun. Zipora brachte Brot und Oliven, dann bat sie Nathan, Recha, al-Hafi und Daja an den Tisch.
Wir Diener, Mägde und Knechte aßen in der Küche. Heute waren auch Elijahu und Jakob dabei. Beide waren Nathans Helfer, sie hatten ihn auf seiner Reise begleitet. Sonst saßen sie oft beim Essen mit der Familie am Tisch.
Es war spät, alle hatten Hunger. Aber ich konnte einfach nichts essen.
Zipora schaute mich an und fragte: »Warum isst du nicht, Junge?« Ich wollte sie nicht ansehen.
Elijahu sagte: »Lass ihn in Ruhe, Zipora. Man sieht doch, dass der Junge noch immer erschrocken ist von den Flammen.« Er lächelte mir zu. Ich wollte auch ihn anlächeln, aber es klappte nicht. Immerhin ließ Zipora mich nun in Ruhe.
Ich half ihr noch, den Tisch im Innenhof abzuräumen. Dann gingen endlich alle zu Bett. Ich blieb allein in der Küche und kroch unter den Tisch. Dort lag ich immer zum Schlafen. Ich rollte mein Fell aus und wickelte mich hinein.
Ich war so müde, trotzdem konnte ich nicht einschlafen. Sobald ich die Augen schloss, sah und hörte ich das Feuer. Es erinnerte mich an ein anderes Feuer. Mein Bein fing wieder an, sich zu krümmen. Es war, als ob sich die Erinnerungen auch in meine Muskeln und in meine Haut gekrallt hatten.
Schließlich stand ich auf, nahm mein Fell und ging leise in den Innenhof. Dort legte ich mich unter den Feigenbaum. Ich kam oft hierhin, wenn ich nicht schlafen konnte. Unter dem Himmel und den Sternen fühlte ich mich sicherer als im Haus. Doch dann hörte ich plötzlich eine Stimme und erschrak. Die Stimme fragte: »Was tust du hier, Junge? Kannst du auch nicht schlafen?«
Es war Nathan, der Herr. Er saß unter dem Feigenbaum und lehnte sich an den Stamm.
Ich zitterte am ganzen Körper. Ich dachte nicht nach und sagte schnell: »Es war ein Tempelritter, ich habe ihn gesehen.«
Nathan sagte freundlich: »Komm, setz dich zu mir. Wir können beide nicht schlafen. Also können wir uns auch unterhalten.«
Er hatte bis jetzt nur mit mir gesprochen, um mir eine Aufgabe zu geben. Was wollte ...
Erscheint lt. Verlag | 4.9.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch |
ISBN-10 | 3-407-82440-8 / 3407824408 |
ISBN-13 | 978-3-407-82440-0 / 9783407824400 |
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