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Neue Heimat 0101 (eBook)

Band 2

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
272 Seiten
Tulipan (Verlag)
978-3-641-33025-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Neue Heimat 0101 - Frauke Angel
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Die Sonne brennt und die NEUE HEIMAT hat einen Ferienjob zu erledigen. Allein Firuz ist motiviert. Denn der spart zielstrebig jeden Cent für seinen Traum. Doch als er an seinem ersten Arbeitstag in die 0101 heimkehrt, durchkreuzt gerade ein Bagger seinen sorgsam ausgetüftelten Sparplan. Firuz ist am Boden zerstört. Aber nicht allein. Enna, Vivi und JJ haben eine Idee! Mit der bringen sie nicht nur das komplette Ghetto ins Schwitzen, sondern fördern auch einige merkwürdige Überraschungen zu Tage.

Frauke Angel ist Schauspielerin und arbeitete zwanzig Jahre an deutschen Bühnen, bevor sie 2017 ihr Kinderbuchdebüt gab. Seitdem schreibt sie für Kinder, Jugendliche und manchmal auch für den Rest der Familie.

Gut gebrüllt, Löwe!

Omar nervt. Erst will er, dass ich mit ihm Fußball spiele. Kaum sind wir aufm Sportplatz, sieht er irgendeinen Knirps mit einem Bobbycar und er muss unbedingt sofort seines haben, da führt kein Weg dran vorbei. Weil ich aber genau weiß, dass Mama auch genervt ist, wenn er jetzt wieder reingeht, um es zu holen, mache ich das. Natürlich steht es vollkommen eingekeilt in der Abstellkammer, schließlich ist er ewig nicht damit gefahren. Und als ich nach fünfzehn Minuten zurückkomme, ist der Knirps samt Bobbycar verschwunden und Omar nicht mehr interessiert an seinem Babyspielzeug. Den Sportplatz haben inzwischen die Checker erobert, die angefixt vom Slalomfahren am Freitag schon wieder ihre Kurven drehen. Omar gafft und will jetzt unbedingt sofort Fahrradfahren lernen. Und zwar genau so! Einer von den Jungs kriegt das mit und lacht meinen Bruder aus, der wütend wird und »Doofmann!« auf den Platz brüllt. Was sich zugegebenermaßen ziemlich niedlich anhört, weshalb die Jungs auf ihren Rädern Omar noch lauter abfeiern und Omar noch wütender wird, weshalb er genau jetzt um den Käfig und durch das Drehkreuz auf den Platz rennt und brüllt. Womit ich kein Schimpfwort meine, Omar brüllt einfach Brülllaute. So wie Tiere es tun. Wobei es bei Tieren natürlich auch Sprache sein könnte, das weiß ich aber nicht, müsste ich mal googeln, aber nicht jetzt, denn jetzt hat Omar meine ganze Aufmerksamkeit, obwohl ihn die ausnahmsweise mal nicht interessiert. Er will die der Checker. Das mit dem Brüllen macht mein Bruder seit ein paar Tagen jedes Mal, wenn er wütend wird, und zwar urplötzlich, aber dann mit Ausdauer und Karacho. Er brüllt genau so lange, bis er kriegt, was er will, oder bis das, was ihn stört, beendet wird. Als diese Taktik noch nicht als solche zu erkennen war, haben wir uns zu Hause jedes Mal absolut erschrocken, weil wir dachten, es sei etwas wirklich Schlimmes passiert. Also mindestens ein Hundebiss oder irgendwas anderes mit Blut. Aber da war nichts. Nur Wut. Die Jungs auf dem Sportplatz erschrecken allerdings nicht, sie sind maximal kurz irritiert und dann endgültig abgenervt von dem kleinen Brüller. Und genau deshalb könnte es doch noch schlimm ausgehen. Mist!

»Verpiss dich!«, schreit einer scharf, als Omar den Käfig und damit ihre Slalompiste betritt. Und ein anderer fährt mit seinem Rad genau auf Omar zu, der aber keinen Millimeter zur Seite geht. Mutig ist er, das muss ich meinem Bruder lassen, aber ein bisschen blöd eben auch.

»Komm jetzt, Omar!«, schreie ich deswegen gegen sein Gebrülle an. »Ich hab ne super Idee, was wir machen können!« Aber Omar hört mich nicht. Sein Gebrülle ist lauter. Vor ihm stoppt das Rad und der Checker, er heißt Yildiz und wohnt in Turm eins, beugt sich über den Lenker zu meinem Bruder und sagt etwas. Und Omar hört auf zu brüllen. Und zwar genauso plötzlich, wie er begonnen hatte. Ich halte die Luft an. Was anderes bleibt mir auch gar nicht übrig, denn Klettern ist nicht mein Ding und der Eingang zum Sportplatz ist auf der gegenüberliegenden Seite des Käfigs. Bleibt also nur glotzen und beten.

Jetzt nickt Omar.

Yildiz sagt wieder was.

Dann schüttelt Omar den Kopf.

Yildiz lacht. Er steigt vom Rad, das er behutsam auf die Seite ablegt, und kommt noch näher zu meinem Bruder. Lieber Gott, bitte heute keine Katastrophe!

Yildiz beugt sich über Omar, formt seine Hände zu einem Trichter und legt sie meinem Bruder ans Ohr. Dann spricht er was in den Trichter. Nimmt die Hände runter, geht einen Schritt zurück und sieht Omar fragend an.

»Verstanden?«, verstehe ich.

Omar nickt.

Yildiz geht in die Hocke und fordert meinen Bruder auf, näher zu kommen. Als Omar fast bei ihm ist, bohrt er ihm seinen zuvor lockenden Zeigefinger plötzlich in die Brust.

Omar nickt wieder.

Was soll das sein? Gebärdensprache? Stille Post?

Oh mein Gott, mir wird schlecht.

Plötzlich legt Omar die Hände genauso zusammen wie Yildiz zuvor und spricht jetzt ihm was ins Ohr.

Yildiz grinst.

Und dann gibt er meinem Bruder High Five.

Der strahlt wie ein Mondgesicht und marschiert breitbeinig über den Sportplatz zurück zum Drehkreuz.

Ich fass es nicht.

»Alles klar, Panda?«

Als Enna mir ihre Hand auf die Schulter legt, erschrecke ich so sehr, dass ich ihr beim Umdrehen versehentlich das Bobbycar gegen das Schienbein donnere.

»Mist. Tut … tut mir leid.«

»Schon gut«, stöhnt Enna und kneift die Augen zusammen, schätze vor Schmerz. Aber dann holt sie kurz hintereinander dreimal tief Luft, die sie geräuschvoll ausstößt und … es geht wieder?

»Gehts wieder?«, frage ich verwundert, denn ihre Stirn ist blitzschnell wieder glatt wie die See – ohne Wind.

»Ja, geht schon. Ich hab da nen Trick, mit dem lächelst du alles weg. Also alles außer …« Enna unterbricht sich selbst. »Was wolltest du machen, kleine Spritztour durchs Ghetto?« Sie zeigt auf das Bobbycar, das ich immer noch festhalte. Keine Ahnung warum. Jetzt lass ichs ins Gras fallen. Augenblicklich geht Omars Gebrüll wieder los, der inzwischen auf unserer Seite des Käfigs auf der Zielgeraden ist.

»Nee«, stöhne ich genervt, »ich passe auf meinen Bruder auf, oder ich versuche es zumindest. Sei bloß froh, dass du keine Geschwister hast!« Und Enna ist froh. Das sehe ich. Sie widerspricht nicht. Sondern verzieht das Gesicht wieder, und diesmal scheint das mit dem Weglächeln auch nicht zu klappen, jedenfalls hält sie sich die Ohren zu, als Omar angebrüllt kommt. Doch als mein Bruder uns fast erreicht hat und noch bevor er sich heulend und schimpfend auf sein Bobbycar schmeißen kann – denn das würde normalerweise jetzt folgen –, hallt ein gellender Pfiff über den Sportplatz. Ein zweites Mal ist Omar augenblicklich ruhig. Alle sind das. Und alle starren Yildiz an. Der im Käfig wieder von seinem Rad abgestiegen ist und jetzt ganz nahe am Zaun auf Omars Höhe kommt.

»Ey Bro, was habe ich zu dir gesagt? Weißt du es noch?«

Omar nickt.

Yildiz lächelt freundlich und sagt dann bestimmt: »Gut, dann denk dran, du Penner. Und jetzt, verpiss dich! Und vergiss deine Kollegas nicht.«

Und Omar tut das. Schlendert die letzten Meter lässig auf Enna und mich zu. Wieder breitbeinig, oder bilde ich mir das ein? ›Okay‹, denke ich, ›muss ich das verstehen?‹ Nein, muss ich nicht. Jedenfalls nicht jetzt. Jetzt muss ich hier weg. Wir müssen weg! Als Omar bei uns ist, quetsch ich mir ein Lächeln raus und sage: »Lass uns abhauen, Omar. Sportplatz ist besetzt. Und aufm Rasen kannst du eh kein Bobbycar fahren. Wir müssen auf den Parkplatz. Oder wir nehmen die Rolli-Auffahrt vorm Haus, das fetzt bestimmt auch!«

Das fetzt bestimmt auch? Oh mein Gott, was rede ich denn da für einen Mist? Ich hör mich an wie Papa. Und ich kann Ennas Blick von der Seite spüren.

»Scheiße!«

Womit sie recht hat.

Yildiz ist inzwischen schon wieder mit Kurvendrehen beschäftigt. Mist, Mist, Mist! Warum kann ich dem Idioten nicht einfach eine reinhauen? Weil ich …, weil ich … feige bin. So einfach ist das. Ich bin feige und ängstlich und … nicht besonders stark. Das ist keine gute Mischung, um eine Schlägerei zu gewinnen. Aber mit Argumenten muss man den Checkern gar nicht erst kommen. Die hören ja doch keine drei Sätze zu. Und am Ende hauen sie mir vor meinem kleinen Bruder trotzdem eine rein.

Der jetzt Enna anstarrt. Sie starrt zurück. Dann grinst sie plötzlich.

»Du bist Omar? Hi. Ich bin Enna. Und ich hab schon viel von dir gehört.«

Omar reißt den Mund auf. Und dieses Mal bin ich gefasst auf sein Gebrüll. Aber es kommt nichts. Omar hat es die Sprache verschlagen. Mein Bruder schnappt nach Luft. Das ist mal was Neues! Schließlich stottert aber doch was aus ihm raus.

»Das ist das Pimmel-Mädchen, Firuz! Die aus dem Zirkus!«

So richtig weiß ich mit der Information nichts anzufangen. Aber ich ahne etwas. Und Enna bestätigt meine Vermutung. »Die bin ich. Aber das mit dem Pimmel war nicht so gemeint. Ist mir rausgerutscht. Passiert mir öfter. Aber das kennst du ja. Dein Gebrüll ist jedenfalls mega! Welches Tier? Toktoktok

»Löwe«, nuschelt Omar und plötzlich ist er wieder mein kleiner, süßer Bruder. Und – ein Löwe? Interessant.

»Okay, Löwe, dann lass uns gehen!«, sage ich, und zwar bestimmt. Ich schnapp mir das Bobbycar und stampfe los.

»Willst du wirklich Bobbycar fahren?«, fragt Enna ehrlich erstaunt. »Du bist doch bestimmt schon sechs, oder?«

»Fünf!«, antwortet Omar stolz und hüpft hinter Enna her. »Ich will Fahrrad fahren. So wie die« – er dreht sich zurück zum Sportplatz – »aber Firuz hat Nein gesagt.«

»Das stimmt nicht«, widerspreche ich. »Ich hab nicht Nein gesagt. Aber bevor du einen auf dicke Hose und Kunststückchen machst, musst du überhaupt mal fahren lernen. Und dazu hattest du noch nie Lust.«

»Ich will nicht lernen, lernen ist doof!«

»Das stimmt auch nicht!«

»Mama lernt immer. Das ist doof.«

»Wieder falsch. Mama lernt heute. Damit sie es morgen kann.«

»Lernen macht keinen Spaß.«

»Quatsch, wer sagt denn so was?«, lacht Enna jetzt.

»Mama hat keinen Spaß!«

Enna sieht mich fragend an.

»Sie lernt für ihre Führerscheinprüfung. Die ist morgen. Deshalb ist sie im Stress«, antworte...

Erscheint lt. Verlag 28.8.2024
Illustrationen Stephanie Brittnacher
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte 2024 • ab 10 • ab 11 • eBooks • Hochhaussiedlung • Kinderkrimi • Kulturen • Nachbarschaft • Neuerscheinung • Plattenbau • Soziales Milieu
ISBN-10 3-641-33025-4 / 3641330254
ISBN-13 978-3-641-33025-5 / 9783641330255
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