Karma Drama 1. Dämonische Prüfung (eBook)
288 Seiten
Verlag Friedrich Oetinger
978-3-96052-391-8 (ISBN)
Viktoria Etzel hat ihren Traum, täglich von den schönsten Geschichten umgeben zu sein, zum Beruf gemacht. Nach dem Studium der Germanistik und Philosophie arbeitet sie nun als Bibliothekarin.
Viktoria Etzel hat ihren Traum, täglich von den schönsten Geschichten umgeben zu sein, zum Beruf gemacht. Nach dem Studium der Germanistik und Philosophie arbeitet sie nun als Bibliothekarin.
Kapitel 2 Wie die Welt sich gegen mich verschwor
1. Oktober
100
Wie kam es also dazu, dass ich, Livia Hayes, zwölf Jahre alt, dem Oberdämon mit dem Rang A+ gegenüberstand? Das ist eine lange Geschichte, und sie begann an einem regnerischen Tag im Herbst, genauer gesagt am 1. Oktober. An jedem anderen Tag im Jahr wäre mir das drohende Unheil erspart geblieben, in das ich kopfüber hineinschlitterte. Wenn ich so darüber nachdenke, war eigentlich das Wetter an allem schuld.
Ich stand im Hausflur des Mehrparteienhauses, in dem ich mit meiner Mutter lebte, und starrte durch das geriffelte Glas der Haustür hinaus in den strömenden Regen. Der Himmel war pechschwarz und die Wolkendecke so dicht, dass man meinen könnte, es sei noch mitten in der Nacht. Der Regen prasselte mit einer Unnachgiebigkeit auf den gepflasterten Weg, der von der Haustür zur Straße führte, dass ich mich am liebsten zurück ins Bett verkrochen hätte.
Ein Blick auf mein Smartphone verriet mir, dass ich noch genau drei Minuten hatte. Ich trat so dicht an die kalte Scheibe heran, dass ich fast mit der Nasenspitze dagegenstieß.
Es sollte regenfrei geben. Kein Mensch konnte erwarten, dass man sich bei diesem Mistwetter an einem Montagmorgen in die Schule quälte. Leider hatte ich eine verdammt gute Motivation, trotzdem zu gehen, und daran hatte mich meine Mutter heute Morgen allzu deutlich erinnert.
Meine Mutter, Kim Hayes, war eine kleine Frau, aber so stark und unnachgiebig wie ein Berg. Ohne auf mein Murren zu achten, hatte sie mir kaltherzig die warme Decke weggezogen und mich gezwungen aufzustehen.
»Du wartest seit Wochen auf diesen Tag. Du willst doch nicht zu spät kommen, oder?«, hatte sie mich mit dieser liebevollen Strenge gefragt, die nur Eltern draufhaben. Ich hatte ihr knurrend zugestimmt. Was hätte ich sonst tun sollen? Dieser Chance fieberte ich wirklich schon seit einer ganzen Weile entgegen, also musste ich sie jetzt auch ergreifen.
Noch zwei Minuten. Ich verstärkte den Griff um den kleinen Regenschirm in meiner Hand und zog den Reißverschluss meines Regenmantels nach oben. Na ja, Mantel war nicht ganz richtig. Nach meinem letzten Wachstumsschub waren all meine Mäntel zu Jacken zusammengeschrumpft. Mit meiner Größe überragte ich inzwischen fast alle anderen in meiner Klasse. Ich fand das ziemlich super, denn bei all meinen Lieblingssportarten war das von Vorteil für mich. Außerdem war meine Größe das Einzige, was ich von meinem Dad geerbt hatte, ansonsten ähnelte ich ihm äußerlich nämlich überhaupt nicht. Ich hatte die gleichen glänzenden dunklen Haare und Augen wie Mum.
Noch eine Minute. Jetzt aber los! Ich griff nach der Türklinke und zog die Tür nach innen auf. Sofort blies mir ein nasskalter Wind entgegen. Ich presste meine Lippen aufeinander und spähte in die Dunkelheit. Der Gehweg, der vom Haus zur Straße führte, war von tiefen Pfützen bedeckt, in denen sich das Herbstlaub sammelte. Das Licht der Straßenlaterne war durch den dichten Regen kaum zu erkennen, dafür aber die dicken Scheinwerfer des Busses, der die nahe gelegene Bushaltestelle ansteuerte. Eilig zog ich mir die Kapuze über den Kopf und schlüpfte hinaus. Blindlings rannte ich los, damit ich die Bushaltestelle erreichte, bevor der Bus es tat.
Normalerweise fuhr ich mit dem Fahrrad zur Schule. Selbst ein bisschen Regen konnte mich für gewöhnlich nicht davon abhalten, aber bei dem Unwetter, das heute Morgen tobte, schien mir der Bus die bessere Wahl zu sein … obwohl ich das Gedrängel im Schulbus hasste. Man konnte sich nirgendwo festhalten, aber das war eigentlich auch egal, weil man wegen der vielen Schüler sowieso nicht umfallen konnte. In jeder Kurve wurde man an einen Fremden gedrückt und landete entweder mit der Nase in der schwitzigen Achsel eines Zehntklässlers oder bekam den gigantischen Kastenrucksack eines Drittklässlers in den Magen gerammt.
Bevor ich mich in die Wärme des Busses flüchten konnte, musste ich mich der Herausforderung stellen, die Berge von matschigen Blättern vor mir zu überwinden. Was im vollen Sprint übrigens keine gute Idee war.
Ich spürte, wie die glatten Sohlen meiner Stiefel auf dem nassen Laub wegrutschten.
Ich schaffte es zwar, mich mit einem großen Ausfallschritt vor der schmerzhaften Blamage, den Boden zu knutschen, zu retten, aber das Glück hatte mich trotzdem verlassen. Mit einem unüberhörbaren Ratsch gab meine Lieblingsjeans nach. Panisch betastete ich den Riss an meinem Hintern. Der Busfahrer wartete natürlich nicht, bis ich mich wieder gesammelt hatte. Genervt sah ich den rot blinkenden Rücklichtern hinterher, als der Bus davonzockelte.
Da stand ich nun: nass und mit kaputter Hose. Jemand Klügeres als ich hätte an dieser Stelle wohl aufgegeben. Den Kampf gegen den Montag konnte man einfach nicht immer gewinnen. Aber heute war alles anders. Heute musste ich es pünktlich in die Schule schaffen, denn um Punkt 8:30 Uhr würde meine Klassenlehrerin Amelia Hastings die Login-Daten für das Anmeldeportal der erstmalig an unserer Schule stattfindenden Olympiade rausrücken. Die Slots waren begrenzt und wer nicht schnell zuschlug, hatte keine Chance teilzunehmen.
Die Olympiade, die den reißerischen Namen Mastermind Rumble trug, würde den ganzen Oktober über dauern und neben dem regulären Unterricht stattfinden. Innerhalb jeder Klassenstufe gab es für fast jedes Unterrichtsfach einen Wettbewerb, bei dem sich zwischen fünf und zehn Schüler messen konnten. Wer einen Wettbewerb gewann, bekam in diesem Unterrichtsfach automatisch eine bessere Note im ersten Halbjahr. Am Ende des Wettbewerbs sollte es sogar eine große Halloween-Party inklusive Preisverleihung geben. Die Aussicht, ein paar meiner Noten auf einen Schlag zu verbessern, war mehr als verlockend. Denn abgesehen von Sport tat ich mich wirklich schwer in der Schule. Mein Aufstieg in die siebte Klasse wäre um Haaresbreite schiefgegangen. Ich glaube ja, mein Gehirn ist so damit beschäftigt, mich zwei Meter groß werden zu lassen, dass es einfach zwischendrin vergisst, sich den Schulstoff zu merken. Von dieser Tatsache konnte ich bisher aber weder meine Lehrer noch meine Eltern überzeugen.
Damit ich die Chance, die Olympiade für mich zu nutzen, ergreifen konnte, musste ich es aber erst mal rechtzeitig in die Schule schaffen, um mich anzumelden. Das Anmeldeportal funktionierte nur auf dem Schulgelände, also würde es nicht mal etwas bringen, wenn meine Freunde mir den Zugang schicken würden.
Mich von Mum fahren lassen, kam nicht infrage. Sie ging montags immer besonders früh zur Arbeit und war schon längst weg. Der nächste Bus würde erst in einer halben Stunde kommen. Mir blieb nur eine Wahl.
Ich hastete die paar Meter zurück nach Hause und schnappte mir mein Fahrrad. Der Sattel war nass, aber das waren meine Hose und mein geschrumpfter Mantel inzwischen auch, also machte es keinen Unterschied mehr. Kräftig trat ich in die Pedale und radelte den mir vertrauten Weg in die Schule. Doch erneut machte mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung, denn durch den vielen Regen stand die Unterführung, die in die Innenstadt führte, unter Wasser.
Schlitternd legte ich eine Vollbremsung hin und beobachtete, wie die armen Autofahrer versuchten, auf der Straße zu wenden, und sich dabei gegenseitig anhupten. Hier gab es kein Durchkommen, also blieb nur der Umweg über das Embergate-Viertel. Das war der gehobenere Teil der Stadt mit den schicken Villen und den dicken Autos vor der Tür. Ich verirrte mich selten hierher, nur mein Vater erzählte mir manchmal stolz, dass er es geschafft hatte, in dieser noblen Gegend ein Haus zu verkaufen. Die Leute, die hier lebten, blieben normalerweise unter sich. Es gab sogar eine Privatschule.
Ich bog in die lange Hauptstraße ein, die einmal quer durch das gesamte Embergate-Viertel führte. Eine Gänsehaut, die nichts mit dem kalten Regen zu tun hatte, saß mir im Nacken. Diese Gegend war mir nicht geheuer. Die seelenlosen großen grauen Häuser sahen alle gleich aus, genauso wie die lieblos angelegten Gärten. In kaum einem der Fenster brannte Licht. Ich legte an Tempo zu und sauste durch die menschenleeren Straßen. Niemand führte seinen Hund spazieren. Ich begegnete keinem anderen Fahrradfahrer, nicht mal ein Auto war unterwegs.
Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen, dass hier etwas nicht stimmte. In dem Moment, als ich das Haus mit der Nummer 666 in der Wicked-Lane passierte, rutschte mein Vorderrad auf dem nassen Gehweg aus.
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Zum zweiten Mal an diesem Tag sah ich einen Livia-förmigen Abdruck auf dem Asphalt auf mich zukommen, doch wieder retteten mich meine guten Reflexe. Ich riss den Lenker herum, rollte mich vom Fahrrad und landete einigermaßen sanft auf meinem Hinterteil. Natürlich mitten in einer Pfütze. Angeekelt spürte ich, wie das Regenwasser durch den Riss in meiner Jeans sickerte und meine Unterhose durchtränkte.
»Uhhhäää!«, fluchte ich und rappelte mich auf die Beine. Ich atmete tief durch und versuchte, meinen Ärger beiseitezuschieben. Immerhin war mein Fahrrad nicht kaputtgegangen. Ich stellte es wieder auf und stieß mit einem der Pedale gegen mein Schienbein.
»Verdammt noch mal!«, brüllte ich erbost. »Was ist denn heute los, zum Teufel? Erst dieser fiese Mistregen mit dem ganzen Matschzeug!« Ich trat nach einigen nassen Blättern auf dem Boden. »Und dann auch noch der miese Busfahrer, der mich einfach stehen gelassen hat, und jetzt auch noch das!« Schimpfend und fluchend rieb ich mir mein Schienbein. »Ich will doch einfach nur in die Schule und mich für diesen doofen Mastermind...
Erscheint lt. Verlag | 2.8.2024 |
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Reihe/Serie | Karma Drama |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | ab 10 • Abenteuer • Dämon • Dämonenschule • Fabelwesen • Fantasy • Freundschaft • Gestaltwandler • Halloween • Hölle • Internat • Kinderbuch • Teufel |
ISBN-10 | 3-96052-391-2 / 3960523912 |
ISBN-13 | 978-3-96052-391-8 / 9783960523918 |
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