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Zehn jagen Mr. X (eBook)

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
272 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0835-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zehn jagen Mr. X -  Erika Mann
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«Glänzend erzählt, für Kinder und für Erwachsene auch.» Golo Mann Im Frühling 1942 geschehen in El Peso in Kalifornien aufregende Dinge. Es ist zwar Krieg, aber der ist zum Glück weit weg in Europa. Dafür gibt es hier die »Neue Welt«, einen Kinderstaat, der von Rombout, Björn, Tschutschu, Nelson, Ivan, Betsy, Madeleine, Chris und ihren Freunden organisiert und regiert wird. Hier fühlen sich die Kinder in Sicherheit. Doch das Gefühl trügt. Denn der geheimnisvolle Mr. X soll den Terror mitten unter sie tragen. Als die Kinder ihm auf die Spur kommen, beginnt ein dramatischer Wettlauf mit der Zeit. Ein spannender, hochpolitischer Exilroman für junge und junggebliebene Leser - geschrieben mitten im Zweiten Weltkrieg als Aufruf zur Unterstützung der Hitler-Gegner weltweit.

Erika Mann wurde am 9. November 1905 in München geboren. Das älteste Kind von Thomas und Katia Mann arbeitete zuerst als Journalistin und Schauspielerin und gründete das legendäre Kabarett 'Die Pfeffermühle' (zusammen mit Therese Giehse). Ab 1936 lebte sie vorwiegend in den USA, 1952 kehrte sie mit den Eltern nach Europa zurück. Sie starb am 27. August 1969 in Zürich.

Erika Mann wurde am 9. November 1905 in München geboren. Sie arbeitete zunächst als Schauspielerin und Journalistin. Anfang 1933 gründete sie in München das Kabarett «Die Pfeffermühle»; wenige Wochen später ging sie mit der gesamten Truppe ins Exil. Ab 1936 lebte sie überwiegend in den USA, als Vortragsrednerin und Publizistin. Während des Zweiten Weltkriegs wirkte sie unter anderem an den Deutschland-Programmen der BBC mit und war Kriegsberichterstatterin für die Alliierten. 1952 kehrte sie mit den Eltern zurück nach Europa. Am 27. August 1969 starb sie in Zürich.

4. Kapitel Aufstellung nehmen!


Es war Dienstag. Endlich war der große Tag gekommen. Obwohl der Zug erst um 9.34 Uhr einlaufen sollte, war ich schon kurz nach neun auf dem Bahnhof. Ein Zug verfrüht sich manchmal, nicht wahr? Und diesen wollte ich um gar keinen Preis verpassen.

Als ich in den Warteraum trat, waren Chris und Betsy bereits da.

Aber ihr habt ja Betsy noch nicht kennengelernt. Höchste Zeit, dass ich sie euch vorstelle, denn ihr werdet ihr im Verlauf dieser Geschichte noch oft begegnen.

Betsy Bird war – und ist wahrscheinlich immer noch – Christopher Senhouses Freundin, seine Gefährtin, die an vielen seiner Abenteuer teilnahm. Sie hat ein Gesicht wie ein Kätzchen – ihre grünlichen Augen sind groß und etwas schräg, und ihr glattes Haar ist so weich wie ein Pelz. Zu Anfang hatte Betsy es in der Neuen Welt ziemlich schwer gehabt, denn sie war so unordentlich, dass sie ihre Sachen überall im Haus herumliegen ließ und sich nie erinnern konnte, wo sie sie gelassen hatte. In der Schule vergaß sie immer, welches Fach gerade dran war, und erschien im Sozialkundeunterricht mit der Küchenschürze, weil sie glaubte, jetzt sei Kochstunde. Doch glücklicherweise wurde Betsy bald zur Vorsitzenden des Komitees für Schönheit und Anstand gewählt, das alle Kinder in den Versammlungssaal führt, sich um alles Verlorengegangene und Wiedergefundene kümmert und darauf achtet, dass jedes Mädchen bei festlichen Anlässen ein rotes Kleid trägt. Mit der Last dieser Verantwortung auf den Schultern fand Betsy, dass sie nun ein Beispiel geben müsse, und wurde musterhaft ordentlich.

«Das ist ja wohl die Höhe!», sagte Chris, als er mich erblickte. «Depesche, du bist schrecklich! Hier gibt’s nichts für dich zu sehen. Es ist alles ganz … anonym, oder wie man das nennt …»

«Inkognito?», schlug ich vor.

«Jawohl!» Chris nickte. «Es ist alles inkonkto! Deshalb ist nicht mal Geepy zum Empfang mitgekommen, und wir haben auch keine von unsern Fahnen mitgebracht. Die eigentliche Begrüßung findet in der Schule statt, verstehst du?»

Ich sagte, ich verstünde sehr wohl. «Aber ich musste sowieso hierher», erklärte ich. «Es ist nämlich jemand im Zug, den ich sprechen muss, ein berühmter Feuerwehrhauptmann oder so was. Außerdem dachte ich, ich könnte vielleicht mit Sprachen helfen. Du weißt, ich spreche etwas Holländisch, auch etwas Französisch, und ich glaube, ich kenne etwa sechzehn russische Wörter.»

Betsy kletterte von ihrem hohen Sitz herunter. «Das ist wunderbar», zwitscherte sie. «Mein Gott, es ist beinahe neun Uhr zwanzig. Nur noch vierzehn Minuten!»

Wir gingen auf den Bahnsteig.

Die letzten paar Minuten wurden zur Ewigkeit. Es ist komisch mit Bahnhöfen: Man hat immer Angst, diese letzten paar Minuten könnten entschwinden, sich einfach in nichts auflösen, während man noch im Warteraum sitzt, deshalb beeilt man sich, an die Gleise zu kommen. Aber wenn man erst einmal da ist, zieht sich sogar eine Minute so in die Länge, als würde sie nie enden.

Ein fernes Brummen verwandelte sich in ein immer lauter werdendes Donnern, und dann dampfte mit lautem Gebimmel die Lokomotive um die Ecke. Tief seufzend hielt sie auf dem Bahnhof von El Peso.

Nur ein Fahrgast stieg aus dem Zug, ein junger Mann, der mir irgendwie bekannt vorkam. Es war ein schlanker, schmallippiger, mittelgroßer, unauffälliger junger Mann, der die Stadt offenbar nicht kannte, denn er sprach ihren Namen nicht richtig aus: Er fragte den Schaffner, ob das hier «El Paaeeso» sei. Er hatte kein Gepäck bei sich und trug keinen Hut, nur einen Mantel, der etwas zu groß für ihn und ganz bestimmt zu warm war. Ich fasste ihn nur deshalb ins Auge, weil es nichts anderes zu sehen gab.

Chris und Betsy waren bereits ein paarmal von einem Ende des Bahnsteigs zum andern gelaufen, und der Zug wollte gerade wieder abfahren, da kletterte aus einem der letzten Wagen eine ältere Dame, gefolgt von einer Schar Kinder. Sie trug einen Kneifer und einen imposanten Hut, auf dessen Rand sich zwei Vögelchen schnäbelten.

«Kinder», rief sie mit hoher, aufgeregter Stimme, «hört zu, Kinder! Lauft jetzt nicht weg!»

Die Kinder dachten nicht im Traum daran, wegzulaufen; sie standen dicht gedrängt und stumm da.

«Lauft nicht weg!», wiederholte die Dame. «Aufstellung nehmen!» Es klang wie ein Schlachtruf.

Die Kinder «nahmen Aufstellung»; jedes von ihnen trat hinter einen kleinen Berg von Gepäckstücken und wartete auf weitere Befehle. Man sah jetzt, dass es sechs waren – zwei Mädchen und vier Jungen. Da ich mich der Gruppe erst nähern wollte, wenn Chris und Betsy von ihrer Expedition zum andern Ende des Zuges zurückgekommen waren, beobachtete ich einfach, was nun geschah.

Die Dame mit dem Kneifer nahm ein Blatt Papier aus ihrer riesigen Krokodillederhandtasche und rief die Namen auf.

«Björn!», rief sie, und ein flachshaariger, etwa zehnjähriger Junge hob die rechte Hand. «George!», rief die Dame, und ein etwas kleinerer Junge antwortete: «Hier!»

George ist Engländer, dachte ich, und Björn ist sicher Norweger, denn Björn heißt auf norwegisch «Bär» – mal sehen, wer der nächste ist.

Die Liste der Dame war offenbar alphabetisch geordnet; der nächste Name begann mit einem I.

«Ei – wan!», rief sie. Die Kinder lachten. Nur Iwan blieb ernst. «I!», korrigierte er. «I-wan!»

Er war groß und kräftig, dieser Iwan, sein Gesicht mit den breiten Backenknochen, der breiten Stirn und dem festen Kinn war das eines jungen russischen Bauern. Iwan war der Einzige, der kein Gepäck bei sich hatte.

Nach Iwan kam Madeleine an die Reihe. Das kleine Mädchen war die weitaus Jüngste von allen. Sie sah aus, als sei sie erst sieben, aber dabei war sie schon neun, wie ich später erfuhr. Madeleine war winzig und hatte ein winziges Gesicht, das unter der schwarzen Baskenmütze sehr blass wirkte. Ihre Augen waren ebenfalls schwarz und lebhaft wie die einer Feldmaus.

«Oui, Madame!», sagte sie.

In diesem Augenblick erschienen Chris und Betsy.

«Rombout!», rief die Dame, und ein schlaksiger Junge mit einem orangefarbenen Bändchen im Knopfloch machte eine kleine Verbeugung. Orange, das wusste ich, war die Nationalfarbe der Niederländer, die Traditionsfarbe des königlichen Hauses Oranien.

Die Dame hielt inne und blickte suchend über ihren Kneifer hinweg. «Und – Tschutschu!», schloss sie triumphierend.

Tschutschu gab einen Laut von sich, der Chinesisch sein musste. Aber ihre Füße waren ganz normal, nicht kleiner, als es sich für ein Mädchen von elf Jahren gehörte. Sie trug keine exotischen Gewänder, sondern sah in ihrem schicken grauen Kostüm wie eine kleine Dame aus.

«Ah», rief Chris ganz außer Atem, «da seid ihr ja endlich!»

Betsy blieb schüchtern hinter ihm stehen; sie überließ alle notwendigen Schritte dem Vorsitzenden des Komitees für Auslandsfragen.

Christopher machte es sehr gut.

«Ich bin Christopher Senhouse», sagte er gewandt, «und das hier ist Betsy Bird wir sind hier um euch im Namen der Neuen Welt willkommen zu heißen habt ihr Hunger ich meine seid ihr müde können wir was für euch tun also gehen wir!»

Er sagte das alles ohne Pause, in einem Atemzug, und wandte sich mehr an die ganze Gruppe als an die Dame mit dem Kneifer.

«Danke, mein Junge!», sagte die Dame und nickte so heftig mit dem Kopf, dass die beiden Vögelchen auf ihrem Hut fortzufliegen drohten. «Ich bin Mrs. Caboose, Mrs. Melvyn Caboose vom Akobekall, und das hier sind Björn, George, Ii-wan …»

Die Kinder lachten, weil Mrs. Caboose diesmal den Namen richtig ausgesprochen hatte.

«Iii-wan», wiederholte die Dame, «Madeleine, Rombout und Tschutschu. Sie alle sind dank der unentwegten Bemühungen des Akobekall hierhergekommen!»

Jetzt war es Betsy, die ein bisschen lachen musste. Immer noch hinter Chris’ Rücken versteckt, versuchte sie ihr Kichern zu unterdrücken. Auch Chris griente. «Akobekall?», fragte er schließlich. «Was ist Akobekall?»

Die Dame sah etwas gekränkt aus. «Mein lieber junger Mann», rief sie, «willst du wirklich behaupten, du hättest noch nie vom Akobekall gehört?»

Chris, Betsy und ich schüttelten alle drei den Kopf.

«Das ist natürlich das Amerikanische Komitee für die Betreuung von Kindern aus alliierten Ländern!», erklärte die Dame mit unglaublicher Schnelligkeit. «Akobekall, wenn ihr nichts dagegen habt!»

«Tausend Dank!», sagte Chris ziemlich unsinnig.

Eine kleine Weile herrschte Schweigen. Niemand schien zu wissen, wie es jetzt weitergehen sollte. Nun ist der Augenblick für mich gekommen, dachte ich. Ich stellte mich Mrs. Caboose vor, brachte acht meiner sechzehn russischen Wörter bei Iwan an, erzählte Rombout auf Niederländisch, ich sei eine alte Bewunderin der Königin Wilhelmina der Niederlande, und fragte die kleine Madeleine auf Französisch, ob ich ihr vielleicht mit ihrem Gepäck helfen könnte. «Il n’y a pas de porteur», sagte ich elegant, «hier gibt’s keinen Gepäckträger!»

Chris nahm Tschutschus Taschen und Bündel, und Betsy nahm Mrs. Cabooses Mantel. Iwan belud sich nicht nur mit den zahlreichen Koffern der Akobekall-Dame, sondern bot auch noch George an, ihm seine Sachen tragen zu helfen.

«Nimm den Koffer hier, alter Junge, ich fürchte, der ist zu schwer für mich», ermutigte ihn George. Es klang ungeheuer britisch und er wirkte recht hochmütig, als...

Erscheint lt. Verlag 1.6.2024
Nachwort Uwe Naumann
Übersetzer Elga Abramowitz
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Amerika • Antifaschismus • Deutschland • Drittes Reich • Erich Kästner • Europa • Exil • Familie Mann • Fünfte Kolonne • Hitler • Jugendbuch • Klassiker • Sabotage • Spionage • Thomas Mann • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-7336-0835-6 / 3733608356
ISBN-13 978-3-7336-0835-4 / 9783733608354
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