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Death. Life. Repeat. -  Louise Finch

Death. Life. Repeat. (eBook)

Die ewigen Leben der Clara Hart

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
304 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-75948-1 (ISBN)
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Spencer, eher am Feiern interessiert als am Lernen, wird mit den dunklen Seiten seines Freundes Anthony konfrontiert, als dieser Clara Hart auf einer Party missbraucht. Die tragische Nacht wiederholt sich immer wieder, und Spencer erkennt schließlich, dass er in einer Zeitschleife gefangen ist. Wie oft wird er Clara Hart sterben sehen, bevor er diesen Bann brechen kann? Louise Finch nimmt sich toxischer Männlichkeit, geschlechtsspezifischer Gewalt und kollektivem Schweigen an. Aktuelle Themen erzählt aus einer ungewöhnlichen Perspektive..

Das zweite Mal


2.1

Mein Auto gibt einen Ruck, schüttelt mich wach.

Moment. Auto?

Mir ist schon wieder jemand in den scheiß Wagen gefahren?

Ich mühe mich auf. Könnte schwören, im Bett eingeschlafen zu sein. Würde mein Leben darauf verwetten. Aber hier bin ich, in meinem Auto, umgeben von Snackverpackungen, Dosen und Papier, ganz genau wie gestern.

Gestern. Die Erinnerung holt mich ein. Polizei. Clara. Mum. Ich reibe mein Gesicht und versuche die Gedanken zu verjagen, aber sie durchfließen mich wie Blut. Als ich meine Hände sinken lasse, parkt ein schäbiger roter Micra gerade in die Bucht neben mir ein; große, entschuldigende Augen fixieren mich. Ein bekanntes Gesicht, das es nicht geben kann.

»Was zum …?«

Ich dränge raus und bin am Heck des Autos, als sie ihre Tür öffnet. Sie. Clara.

»Du bist hier«, sage ich. Und sie ist es wirklich. Die Erleichterung ist keine Welle, sie ist ein verdammter Tsunami, und ich klammere mich an die Autotür wie an ein Rettungsboot. Dieses Mädchen ist hier und nicht einfach nur hier, sie ist unversehrt. Hat nicht mal einen Kratzer.

Sie ist gestorben.

»Warum zum Teufel bist du hier?«

»Mein Menschenrecht auf Bildung? Du weißt, dass du zu spät zur ersten Stunde kommst?« Sie versucht an mir vorbeizulaufen.

»Aber … du warst bei Anthony.«

»Anthony Mansbridge? Ich glaube nicht.«

Ich fahre mit den Fingern durch mein Haar und nehme eine Geruchsprobe von meinem Körper. Alter Schweiß überlagert Deo von gestern.

»Es ist Samstag.«

»Wenn du meinst.« Claras Augen weiten sich, als wäre ich verrückt.

»Du bist mir schon wieder ins Auto gefahren.« Ich greife ihren Arm. Er ist warm, fest. Sie reißt sich von meinem Griff los und beäugt meinen silbernen MG, begutachtet ihn mit großer Geste, während ich versuche, meinen Verstand zusammenzusammeln.

»Ähm, nein?«, sagt sie.

Ich starre. Ich weiß, dass ich es tue. Sie ist gestorben. Clara Hart, fragwürdiges Einparken, Zerstörung meiner Träume. Sie ist hier. Das ist wie irgendwas aus Black Mirror, so ein ganz reales David Lynch-what-the-fuck.

»Wo warst du?« Ich greife nach ihr und schnappe mir wieder ihr Handgelenk, und sie ist immer noch echt. Immer noch warm. Ich drücke fest genug zu, um ihren Puls zu fühlen. Alles echt.

»Lass das sein!« Sie zieht den Arm weg, erschrocken. »Ich gebe dir meine Versicherungsdaten, wenn du das wirklich für nötig hältst. Aber wir müssen los. Du solltest vielleicht mal … einen Augenblick ausruhen. Vielleicht mal in den Spiegel schauen.

Ich starre.

Sie marschiert Richtung Schule. Ich sehe ihr nach.

»Und vielleicht eine Dusche«, trägt der Wind zu mir. Ihr Knöchel verdreht sich und so auch ihr ganzer Körper, Arme schnellen hoch, um Balance zu kriegen. Sie geht weiter, ohne zurückzublicken. Jede Bewegung punktgenau zum Rhythmus.

»Scheiße.« Ich sinke zu Boden. Knie treffen auf den Asphalt und irgendetwas Spitzes versucht in mich einzudringen. »Scheiße.« Mein Verstand läuft mir davon. Ich nehme tiefe Atemzüge sauberer Luft, schlucke die Säure, die sich in meiner Kehle sammelt.

Sie ist hier. Sie ist echt. Ich bin hier. Ich bin echt.

What. The. Fuck.

Ich stehe nicht vom Boden auf, bis das ferne Klingeln der Schulglocke das Ende der ersten Stunde anzeigt. Ich richte mich mühsam auf. Gehe zur Turnhalle, mache mich sauber, trockne mich ab und ziehe meine Kleidung wieder an. Meine Hände zittern, also lege ich sie auf mein Gesicht und schreie, aber es fühlt sich dadurch nicht besser an.

Anthony und Worm sind in der Cafeteria, wo ich sie erwartet habe.

»Lach doch mal, Mia«, krakelt Anthony. »Ich wüsst schon, wie man der mal gute Laune macht!« Er grinst. Worm kichert. Ich starre.

Anthony lacht. »Mia ist so 3,5 Sterne von 5; guter Service, aber nicht noch mal.«

»Jungs«, sage ich außer Atem. »Mir geht’s … nicht so gut. Glaube, ich bin noch besoffen von letzter Nacht. Oder ...«

»Erzähl mal was Neues. Anhand deiner Nachrichten erstaunt es mich, dass du überhaupt lebst«, lästert Anthony. Ich nicke, dankbar, dass er vom Drehbuch abweicht, bis Mia wieder an uns vorbeiläuft.

»Heute Party«, ruft er. »Bring deine Schwester mit!«

Sie reckt ihren Arm.

Anthony dreht sich wieder um. »Wir sehen uns um sieben, Spence? Worm?«

»Heute macht er mal ›’nen Ruhigen, Ant‹«, bietet Worm an.

»Das würde ich gerne erleben, Worm, wirklich gerne würde ich das.«

Mein Blick zuckt von einem zum anderen, bin froh um meinen leeren Bauch.

Ist doch gar nichts. Jeder unserer letzten 365 Tage war exakt gleich. Mädchen, Sport, Spiele, Filme, Serien, Chillen; eine endlose Wiederholung. Aufgewärmte Anekdoten so oft auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt, dass sie schon angelaufen sind. Kein Wunder, dass ich den Text bereits mitsprechen kann.

Es ist dieser verdammte Tag. Ich hatte ihn zu sehr gefürchtet, für zu lange, mich von seiner Unmöglichkeit überzeugt. Dann beim Saufen im Auto eingeschlafen und das viele Bier hat mir in buntesten Farben einen LSD-würdigen Vorhersehungstraum beschert. Don’t drink and dream, so sagt man das doch, oder? Ich sollte aufhören.

Was ich mir da nur zusammengereimt hatte: ein komplett verpfuschter imaginärer Tag. Ein Mädchen stirbt auf der Straße. Jesus, was stimmt denn nicht mit mir?

»Biste okay?«, fragt Worm, während er seine Ärmel über die Hände zieht. Diese einfache Frage wirft mich aus der Bahn.

»Ich hab was geträumt«, fange ich an, die Stimme verschwörerisch tief; tief genug, dass es fast vom blechernen Klingeln in meinen Ohren übertönt wird. Und dann halte ich inne denn, wenn ich wirklich den Verstand verliere oder ein steckrübengroßer Hirntumor mir solche Traum-Trips verpasst, ist das wirklich etwas, was ich mit anderen teilen sollte? Ich würde wie ein Verrückter klingen. Die Erkenntnis schlägt ein wie eine Atombombe.

»Irgendwas Komisches passiert«, presse ich hervor.

»Besorg dir mal was zu trinken«, sagt Worm.

»Genau Kumpel, Kontertrinken und so weiter«, pflichtet Anthony bei.

Ich öffne meinen Rucksack und entnehme eine kleine Glasflasche. Schau mich um, bevor ich einen hastigen Schluck in meinen Rachen kippe, wo er einen Pfad bis in mein Blut brennt, bevor ich einen Kaugummi folgen lasse. Ich packe die Flasche weg und lehne mich in meinem Stuhl zurück, strecke meine Finger, bis die Sehnen schmerzen.

»Ooh hallo, schaut mal da«, sagt Anthony und ich weiß es, ohne hinzusehen. Sie.

»Der würde ich die Seele rausficken«, stimmt Worm zu. »War die schon immer hier?«

»Nein«, sag ich. »Lad sie nicht ein.« Der Lärm in meinem Trommelfell steigt noch weiter an, meine Sicht verschwimmt. Nicht Clara. Nein.

»Erstaunlich, oder? In einem Augenblick sind sie traurige kleine Versagerinnen, mit schwarzem Lippenstift und Babyspeck, und im nächsten –«

»Lass sie in Ruhe«, sage ich. »Sie ist eine Hexe.«

»Was ist sie?« Anthony lacht und runzelt die Stirn gleichzeitig, als er sich umwendet und Clara hinterherruft. »Hey. Heute Party bei mir? Komm schon. Du bekommst eine Geld-zurück-Garantie, falls du keinen Spaß hast: Komm zu einer Party, die nächste gibts umsonst. Spezielles Schnupperangebot. Du –«

Ich greife nach Anthonys Arm und flüstere: »Mach’s nicht. Ich mein’s ernst.«

»Was ist mit dir los?«, faucht Anthony. Er lässt die Augen nicht von ihr.

»Sie will deine Krankheiten nicht.«

»Bitte?«

»Nein danke«, sagt Clara, kommt endlich zu Wort. »Ich hab von euren Partys gehört und habe Besseres mit meinem Abend zu tun, als jemandem zuzuschauen, wie er auf einen Tisch kackt oder mir einen Tripper einzufangen.«

Sie verlässt die Cafeteria. Anthony streckt die Hand aus und sagt: »Hast du einen Schlaganfall?«

Ich lasse es auf mich wirken. Worms abgeranzte Schuhe mit den fadenscheinigen Schnürsenkeln, der Pickel über Anthonys linker Augenbraue. Worms Zunge schießt heraus, Anthonys breites Gesicht ist vor Verzweiflung zusammengekniffen. Das...

Erscheint lt. Verlag 17.7.2024
Übersetzer Wolfgang Egle
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-407-75948-7 / 3407759487
ISBN-13 978-3-407-75948-1 / 9783407759481
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