Vier zauberhafte Schwestern und die große Versöhnung (eBook)
352 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0745-6 (ISBN)
Sheridan Winn lebt in Norwich, England, und arbeitet als freie Autorin für Kinderbücher und als Journalistin für bekannte Magazine und Zeitungen. Sheridan Winn hat zwei erwachsene Kinder und eine Enkelin und ist selbst in einem großen Haus voller geheimnisvoller Schränke und schrulliger Tanten aufgewachsen. Das Haus hieß Littlewood House und hat sie auf die Idee gebracht, diese Serie zu schreiben. Genau wie die Cantrip-Mädchen ist Sheridan Winn eine von vier Schwestern - die alle an die Kraft der Magie glauben.
Sheridan Winn lebt in Norwich, England, und arbeitet als freie Autorin für Kinderbücher und als Journalistin für bekannte Magazine und Zeitungen. Sheridan Winn hat zwei erwachsene Kinder und eine Enkelin und ist selbst in einem großen Haus voller geheimnisvoller Schränke und schrulliger Tanten aufgewachsen. Das Haus hieß Littlewood House und hat sie auf die Idee gebracht, diese Serie zu schreiben. Genau wie die Cantrip-Mädchen ist Sheridan Winn eine von vier Schwestern – die alle an die Kraft der Magie glauben. Franziska Harvey, geboren 1968, studierte Illustration und Kalligraphie und arbeitet als freie Illustratorin für verschiedene Verlage und Agenturen. Sie lebt mit ihrer Familie in Frankfurt am Main.
Verenas Hände
Verena Glass streckte ihre langen schlanken Hände aus. Warum kribbelten sie so? Was war das für ein seltsames Prickeln in ihren Fingern? Sie hatte es noch nie zuvor gespürt. Als ob sie unter Strom stünden, dachte sie und betrachtete grübelnd ihre Handflächen. Sie drehte sie um, aber ihre Hände sahen aus wie immer: weich, mit rosafarbener Haut und kurzgeschnittenen, sorgfältig manikürten Fingernägeln. Und doch war etwas anders, sie fühlten sich anders an.
Verena blickte aus ihrem Schlafzimmerfenster auf die sanften Hügel von Norfolk. Die Felder, die Eichenruh von allen Seiten umgaben, waren abgeerntet und die Bäume kahl. Ein plötzlicher Windstoß fegte ein paar Schneeflocken an ihrem Fenster vorbei. Sie fröstelte leicht. Das elegant eingerichtete Haus wirkte leer und kalt. Seit Mummy uns verlassen hat, ist auf Eichenruh nicht mehr gelacht worden, dachte sie und lehnte sich gegen das Fußteil ihres Metallbettes. Ihre Gedanken wanderten zu Cantrip Towers, das eine Meile die Straße hinunter lag. In der großen, behaglichen Küche herrschte heute bestimmt geschäftiges Treiben, während die Cantrip-Familie ihre Weihnachtsvorbereitungen traf. Ich frage mich, was Flame und ihre Schwestern gerade machen. Ich wette, sie haben viel Spaß.
Heute ist der zwölfte Dezember, also sind es nur noch dreizehn Tage bis Weihnachten. Verena lächelte in sich hinein. Mummy wird schon bald zu Hause sein. Dann hat das Warten endlich ein Ende. Ich vermisse sie so sehr.
Wuuusch! Wieder schoss Energie durch ihre Finger. Sie holte erschrocken Luft und blickte verwundert auf ihre Hände. Was passiert hier gerade? Was hat das zu bedeuten?, fragte sie sich.
Von unten hörte sie ihre Großmutter rufen: »Zeit fürs Mittagessen!«
Verena presste die Lippen zusammen und seufzte tief. Ich werde Grandma das mit meinen Händen nicht erzählen, beschloss sie.
Aber Glenda Glass machte man so leicht nichts vor. Sobald sie zusammen am Tisch saßen, spürte Verena, dass ihre Großmutter sie aufmerksam beobachtete. Während des Essens ertappte sie Glenda mehrmals dabei, wie sie sie ansah. Jedes Mal wandte ihre Großmutter den Blick sofort wieder ab.
Sie weiß, dass etwas passiert ist, dachte Verena. Das spüre ich. Es ist, als könne sie durch mich hindurchsehen. Aber ich werde trotzdem nichts sagen.
Glenda aß schweigend. Sie saß kerzengerade da, mit stolzem Blick. In ihrer Jugend war sie Balletttänzerin gewesen, und sie bewegte sich noch immer voller Eleganz und Anmut. »Was hast du den ganzen Vormittag gemacht?«, verlangte sie zu wissen.
»Ach, nur dies und das in meinem Zimmer«, antwortete Verena ausweichend.
»Du wirkst etwas zerstreut auf mich«, kommentierte Glenda.
»Ich habe bloß an Mummy gedacht«, erwiderte Verena rasch.
»Sie wird bald zu Hause sein«, sagte Glenda mit einem kleinen Lächeln. Dieses gezwungene Lächeln erinnerte Verena daran, dass ihre Großmutter Zoes Heimkehr ganz und gar nicht begrüßte. Denn Glenda höchstpersönlich hatte ihre Magie missbraucht, um Zwietracht zu säen, und damit ihre Mutter vertrieben. Das hatte Verena erst wenige Wochen zuvor erfahren, als sie einen Streit zwischen ihrer Großmutter und Charles Smythson, dem Cousin ihres Vaters, belauscht hatte. Damals hatte sie die beiden über die magischen Kräfte der Cantrip-Familie reden hören und darüber, dass Glenda ihre Kräfte missbraucht hätte.
Verena wusste nicht, was das alles bedeuten sollte. Sie hatte Flame Cantrip nach den magischen Kräften gefragt, aber das Mädchen wollte nicht mit ihr darüber reden. Genau wie ihre Schwester Marina, die Verena ebenfalls gefragt hatte. Alles, was Flame ihr gesagt hatte, war, dass Verena es verstehen würde, wenn die Zeit dafür gekommen sei. Wenn welche Zeit gekommen ist?, hatte sie sich gefragt. Zumindest hat Flame mich angehört, tröstete sie sich. Es war das erste Mal, dass wir richtig miteinander geredet haben.
Sie hatte überlegt, ihre Großmutter nach den magischen Kräften zu fragen, aber Glenda jagte ihr Angst ein. Wenn das, was Charles gesagt hatte, stimmte, dann war ihre Großmutter jemand, vor dem man sich in Acht nehmen musste, jemand, dem man nicht vertrauen konnte.
Instinktiv erkannte Verena, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Während der vergangenen Monate hatte Glenda sie so oft gedrängt, ja sogar gezwungen, ihr Informationen über die Cantrips zu beschaffen. Sie hatte gesehen, wie Glendas kalte blaue Augen jedes Mal vor Wut blitzten und sie ihre schmalen Lippen zusammenpresste, sobald das Gespräch auf die Cantrip-Schwestern oder ihre Großmutter Marilyn kam.
Keiner von den Cantrips kann sie leiden, das ist nicht zu übersehen, dachte Verena. Ich frage mich, was wohl dahintersteckt?
Da sie sich bewusst war, dass ihre Großmutter sie mit Argusaugen beobachtete, versuchte Verena sich auf das vor ihr stehende Essen aus gebratenem Hühnchen und Gemüse zu konzentrieren. »Es schmeckt sehr lecker, Grandma, danke fürs Kochen«, murmelte sie.
»Vielen Dank«, sagte Glenda überrascht. Verena lobte ihre Kochkünste sonst nie.
Sie aßen eine Weile schweigend, dann hakte Glenda noch einmal nach: »Bist du sicher, dass es dir gutgeht? Du siehst etwas blass aus.«
»Ja, mir geht es gut«, sagte Verena und hielt dabei Messer und Gabel so fest umklammert, dass ihre Fingerknöchel hervortraten.
Grandma guckt meine Hände so forschend an, dachte sie. Kann sie sehen, was gerade mit mir passiert? Soll ich etwas sagen?
Einen Moment lang war sie in Versuchung. Es wäre eine große Erleichterung gewesen, mit jemandem darüber zu reden. Aber etwas riet ihr, Stillschweigen zu bewahren. Und so verlief der Rest des Essens größtenteils schweigend.
Verena half ihrer Großmutter noch schnell, den Tisch abzuräumen, dann stürmte sie in ihr Zimmer. Kaum dass sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, durchfuhr sie ein neuer Energiestoß: Wuuusch jagte die Elektrizität durch ihre Hände. Mit wild klopfendem Herzen lehnte Verena sich gegen die Tür.
Ich muss Flame anrufen, dachte sie, durchquerte den Raum und griff nach ihrem Handy. Sie ließ sich auf ihr Bett fallen, drückte fieberhaft Flames Nummer auf der Tastatur – und wartete.
Flame, etwas Seltsames geschieht gerade mit mir! Meine Großmutter hat es bemerkt, aber ich weiß nicht, was es ist!, wollte sie rufen, aber niemand hob ab und schließlich sprang die Mailbox an. Verena starrte die gegenüberliegende Wand an. Das kann ich Flame nicht auf die Mailbox sprechen, dachte sie verzweifelt.
Wuuusch! Ein sehr viel stärkerer Energieimpuls schoss durch ihre Hände, dieses Mal bis zu den Armen hinauf. Verena schrie erschrocken, sie saß nach Luft ringend auf dem Bett.
Ruhig bleiben, dachte sie. Atme tief und langsam ein und aus. Guck aus dem Fenster, und sieh die Bäume an.
Eine Weile saß sie so da, absolut regungslos, bis ihre Gedanken zur Ruhe kamen und ihr Körper sich entspannte. Dann konzentrierte sie sich auf das Gefühl in ihrer Hand, holte tief Luft und hob den rechten Arm, bis er auf Höhe ihrer Schulter war. Sie hielt den Arm ruhig, ballte Daumen und Finger zu einer Faust und streckte den Zeigefinger aus.
Dann wartete sie. Das Kribbeln wurde stärker – und verschwand.
Das ist doch lächerlich, dachte sie und betrachtete ihren Zeigefinger. Sie lächelte in sich hinein. Was tue ich da? Was glaube ich, wird passieren?
Sie senkte den Arm und sah sich im Zimmer um. Draußen wurde es allmählich dunkel. Bald ist es Zeit, das Licht anzumachen, dachte sie.
Sie lehnte sich zurück gegen ihr Kissen und legte ihren linken Arm auf dem Metallrahmen ihres Bettes ab.
Dann, beinah instinktiv, hob sie ihren rechten Arm und zeigte mit dem Finger auf die Glühbirne, die in einem kirschroten Lampenschirm von der Deckenmitte herabhing.
Einmal mehr, wenn auch sehr viel stärker als zuvor, jagte das seltsame Gefühl durch ihren Arm. Es schoss durch ihre Hand und aus ihrem Finger – und die Glühbirne leuchtete auf. Im selben Moment legte sich der Lichtschalter an der Wand mit einem Klick um.
Verena schrie überrascht auf und senkte ihren Arm. Sie sah die Glühbirne voller Erstaunen an. »Wahnsinn! War ich das? Wie habe ich das gemacht?«, sagte sie laut.
Da klopfte es an ihrer Tür. Glenda Glass öffnete sie einen Spalt und steckte ihren Kopf ins Zimmer. »Ist alles in Ordnung mit dir, Verena?«, frage sie. »Ich dachte, ich hätte dich schreien gehört.«
»Ich habe ein bisschen Bauchweh«, sagte Verena schnell. »Ich werde mich eine Weile hinlegen.«
Glenda ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, sah hinauf zu der brennenden Glühbirne und konzentrierte ihre Aufmerksamkeit dann auf Verena. Ihre kalten blauen Augen musterten die Enkelin forschend.
»Mir geht es gut, Grandma«, sagte Verena. »Ich komme gleich runter zu dir. Dann können wir einen Film zusammen schauen.«
Glenda nickte. »Einverstanden. Ich warte im Wohnzimmer auf dich.« Sie verließ den Raum wieder und zog die Tür hinter sich zu.
Verena lauschte, wie ihre Großmutter die Treppe nach unten ging. Dann stand sie auf und öffnete die Zimmertür vorsichtig einen kleinen Spalt. Sie konnte ihre Großmutter im Erdgeschoss rumoren hören. Die Luft ist rein, dachte sie, schloss behutsam die Tür und kehrte zu ihrem Bett zurück.
Wieder nahm sie darauf Platz und packte mit der linken Hand den Metallrahmen ihres Bettes. Dann streckte sie ihren rechten Zeigefinger aus und deutete damit auf die Glühbirne der Deckenlampe. Dieses Mal rechnete sie damit, dass die Energie durch ihren Arm schießen würde. Und so war es auch. Pling! Die Glühbirne erlosch und der Schalter an der Wand legte sich...
Erscheint lt. Verlag | 2.5.2024 |
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Reihe/Serie | Vier zauberhafte Schwestern | Vier zauberhafte Schwestern |
Illustrationen | Franziska Harvey |
Übersetzer | Katrin Weingran |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abenteuer • Buch für Mädchen • Cantrip • Cantrip Towers • Dach • Duggery • Familie • Fantasy • Felslinge • Flame • Fliegen • Flora • Freundschaft • Freundschaft und Liebe • Glenda • Kinderbuch • Kreis • Magie • magisch • marina • Phantasie und Fantasy • Raubvogelblick • Sky • Türme • ZAK • Zauberkraft |
ISBN-10 | 3-7336-0745-7 / 3733607457 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0745-6 / 9783733607456 |
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