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Oceana (eBook)

Die Wasserträumerin von Venedig | Eine magisch-zauberhafte Geschichte über und unter Wasser
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
978-3-522-65556-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Oceana -  Andrea Schütze
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Unzählige Brücken, verwinkelte Gassen und das Meer direkt vor der Tür: Das ist Venedig. Oceana liebt alles an ihrer Heimatstadt - außer das Wasser! Sie hat panische Angst davor und kann sich nicht erklären, warum eigentlich. Eines Tages entdeckt Oceana ein altes Familiengeheimnis, das ihr ganzes Leben auf den Kopf stellt. Sie hat eine geheime Kraft, die in enger Verbindung mit dem Meer steht. Hat sie diese Gabe etwa von ihrer Mutter geerbt? Oceana begibt sich auf die Suche nach ihrer Vergangenheit und findet dabei einen Schatz, der kostbarer ist als alles, was sie sich jemals erträumt hat. Eine magische Geschichte für alle Kinder ab 10Jahren, angesiedelt im zauberhaften Setting Venedig. Liebevoll, spannend und mitreißend nimmt einen die Erzählung mit auf eine zauberhafte Suche - eine Suche nach Freundschaft, Familie und Abenteuern.  

Andrea Schütze hat so ziemlich alle Hobbys ausprobiert, die man sich nur vorstellen kann. Irgendwann ist sie beim Lesen geblieben und schreibt deshalb auch so gerne selber Bücher.  Alexandra Helm wurde im Jahr 1986 in Offenbach geboren. Sie illustriert mit Vorliebe Kinderbücher, was sie morgens förmlich aus dem Bett hüpfen lässt.

Kapitel 1


»Nicht alles auf einmal, Sporco. Und vom Teilen hast du auch noch nix gehört, was?«

Oceana stupst die Ratte beiseite, damit die zwei Tauben auch noch etwas von den Bröseln abbekommen, die sie ihnen gerade aufs Fensterbrett gekrümelt hat. Sporco, was Dreck auf Italienisch heißt, ist Oceanas schwanzlose Zimmerratte. Gemeinsam mit Marco und Polo, den Tauben, die regelmäßig zum Nachmittagskekse-Essen vorbeikommen, macht sie sich über die Krümel her.

»Alsch ob die beiden esch nötig hätten, hierher tschum Eschen tschu kommen«, mault Sporco schmatzend. »Für Tauben isch Venedig doch wie scho ein All-you-can-eat-Buffet.« Sporco versucht unauffällig, die Tauben beiseite zu schieben.

Gurrend schlagen sie mit den Flügeln, um nicht vom Fensterbrett zu fallen.

»Geht’s noch?«, gurrt Marco erbost und erkämpft sich wieder seinen Platz auf dem Sims.

»Hält dich keiner davon ab, nach draußen zu gehen und dir selbst Futter zu suchen, Sporco«, murrt Polo und versucht, den letzten Krümel zu ergattern.

»Hört auf, euch zu streiten«, mahnt Oceana sanft. »Es ist genug für alle da. Hier, ich teile noch einen mit euch«, sagt sie und stopft sich die andere Hälfte des Buranelli in den Mund. »Und ihr zwei lasst Sporco mit dem Thema ›Rausgehen‹ in Ruhe. Ihr wisst doch, dass er noch eine Weile braucht, bis er sich wieder traut. Und ihr wisst auch, warum.«

Die Tauben ruckeln betreten mit dem Kopf. Oceana hat ja recht. Als sie Sporco eines Tages mit nach Hause brachte, war er mehr tot als lebendig und es hat Wochen gedauert, ihn wieder aufzupäppeln und die Wunde am Schwanz zu behandeln.

»Scusa«, sagt Marco brav.

»Scusa«, schließt sich Polo an.

»Kein Ding«, erwidert Sporco, denn er ist nie lang beleidigt oder schlecht gelaunt.

Oceana grinst. Manchmal kommt sie sich vor wie eine Mutter, die einen Geschwisterstreit schlichten muss. Aber zum Glück vertragen sich die drei in der Regel prima.

»So, ihr Lieben, der Zucker hat echt geholfen. Sicherheitshalber essen wir noch einen, okay?« Oceana fischt einen weiteren der S-förmigen Kekse aus der Dose. »Bin schon ganz zittrig gewesen. Aber, seht ihr, der Stein sitzt trotzdem perfekt.«

Sie hält die Bastelarbeit hoch, an der sie gerade herumgetüftelt hat. Es ist eine venezianische Halbmaske aus Pappmaschee, die Oceana bemalt hat. Winzige filigrane Muster in Gold ziehen sich über die Wangenpartie. An Stirn und Schläfen wippen lange Federn in kräftigen Rot-, Gelb- und Orangetönen. Rund um die Augenaussparungen hat sie funkelnde Kristallsteinchen gesetzt und an der Nasenwurzel blitzt ein großer roter Diamant, der im Licht der tiefstehenden Sonne strahlt, als sei er tatsächlich ein kostbarer Rubin und nicht nur ein Bastelstein aus Plastik.

»Der Feuervogel ist fertig!«, schmettert Oceana und schwenkt die Maske hin und her, damit Bewegung in die Federn kommt. »Also wenn das nicht wie Flammen aussieht, weiß ich auch nicht. Dann wollen wir doch mal ’ne Runde Touris beglücken …«

»Ist wirklich absolut toll geworden, Ozzy«, lobt Sporco, und Marco und Polo ruckeln bestätigend mit dem Kopf.

Ein Lächeln huscht über Oceanas Gesicht. Dann schiebt sie den Stuhl vom Schreibtisch zurück, der direkt unter dem schmalen Fenster steht. Wenn sie wollte, könnte sie ihn ganze acht Meter zurückschieben, bis er an der Zimmertür anstoßen würde. Denn Oceana lebt nicht nur in einer der magischsten Städte der Welt, sondern, fast wie zum Ausgleich, auch in einem Kinderzimmer mit dem bescheuertsten Grundriss, den sich jemals jemand ausgedacht hat. Obwohl ausgedacht das falsche Wort ist, da Oceanas Haus vor vielen Jahren wohl mehr oder weniger durch Zufall entstanden ist. Als der riesige Palazzo Grimani, der das Vorderhaus einer ganzen Straße bildet, und in dem heute ein Museum untergebracht ist, entstand, mauerte man kurzerhand eine störende Gasse zu, die damals zum Innenhof des Palazzos führte und welche man nicht mehr benötigte: die Callessa Viccolo. Dieser handtuchschmale Streifen klebt also an der Rückwand des Palazzos und ist vor ein paar Jahren das Zuhause von Oceana und ihrem Nenn-Onkel Pietro geworden. Das ist der Grund, weshalb Oceanas Zimmer an der breitesten Stelle hundertachtunddreißig Zentimeter misst, dafür aber sechs Meter hoch und über acht Meter lang ist.

Was gar nicht mal so unpraktisch ist, wenn man die beiden Sammlungen bedenkt, die Oceana in ihrem Schlauchzimmer beherbergt.

Da wären zum einen die Kostüme.

In Deckenhöhe gibt es eine Kleiderstange, die sie mithilfe eines Seilzuges zu sich herunterlassen kann. Daran hängen Oceanas ganz normale Klamotten wie Hosen, Pullis, Jacken und Shirts, alles in Schwarz oder Dunkelblau.

»Künstlerinnen haben eben Phasen«, erklärt sie ihren Mitbewohnern. »Im Moment habe ich meine schwarze Phase, denn schwarze Kleidung ist irgendwie speziell …« Oceana fährt mit der Hand die Klamotten entlang. »Aber rote auch!« Sie lacht vergnügt und der fröhliche Ton vermischt sich mit dem Rascheln des Kostüms, das sie von der Stange nimmt.

Denn anders als ihre Alltagssachen sind ihre venezianischen Kostüme, die ebenfalls an dieser Seilzugstange hängen, so bunt und farbenprächtig, wie man es für Venedig erwartet: bauschige Reifröcke mit Pailletten, Puffärmel mit Spitzenmanschetten, wehende Umhänge. Ballonröcke, Kleider mit Schleppe, prächtige Corsagen und pompöse Kragen mit Federn und noch viele weitere Verkleidungen aus raschelndem Taft, säuselndem Satin und knisterndem Tüll.

Oceana zieht das Kostüm vom Bügel, für das sie eben die passende Maske fertiggestellt hat, hält es vor sich und betrachtet sich im Spiegel.

»Ich brauche noch was für die Haare«, murmelt sie. »Blau passt irgendwie krass schlecht zu Feuerrot. Oder obwohl …« Oceana zieht eine Strähne vors Gesicht, klemmt sie sich zwischen Oberlippe und Nase und zieht eine Grimasse. »La Signora Blaubart, sehr angenehm …«

Dass Oceanas Haare im Alter von ungefähr fünf, sechs Jahren langsam anfingen, die Farbe zu wechseln, bis sie irgendwann komplett knallblau waren, kann sich bis heute niemand erklären. Zum Glück hatte Onkel Pietro diese geheimnisvolle Verwandlung relativ gelassen hingenommen. Sie wurde einfach das Mädchen mit den blauen Haaren und wer sie neu kennenlernte, ging sowieso davon aus, dass Oceana sich die Haare färbte.

»Aber das stimmt nicht«, murmelt Oceana in ihren Gedanken. »Und wenn ich schon nach den größten Meeren der Welt heiße, dann passen blaue Haare schließlich perfekt!«

Gedankenverloren kratzt sich Oceana am rechten Unterarm. Es gibt dort eine Stelle, die zu den unmöglichsten Zeitpunkten anfängt zu jucken. Ihre eigene Theorie ist, dass der Auslöser ein spezieller Gedanke ist, den ihr Gehirn aber im Geheimen denkt, sodass sie ihn gar nicht mitbekommt. Klingt irgendwie ziemlich verwurschtelt, aber anders lässt sich der Juckreiz nicht erklären. Oceana kratzt und kratzt, doch es wird nicht weniger.

»Rrraaah!«, flucht sie und holt ein paarmal tief Luft.

Das hat ihr Dottore Colombo geraten, wenn sie dieses bescheuerte Phantom-Jucken hat: Respira profundamente, topolino, atme tieeef eiiin und wieder aus, Mäuschen, fieeeeee, pschuhhhh … Als kleines Mädchen musste sie immer kichern, wenn er ihr diese Entspannungstechnik mithilfe eines dicken Plüschkaninchens vorschnaufte.

»Fieeee, pschuh«, atmet Oceana.

»Kruh, ruhh«, helfen Marco und Polo mit.

Oceana starrt ihren nicht vorhandenen rechten Arm wütend an, an dem sie genau an der Stelle in der Luft herumkratzt, wo normalerweise ihr Unterarm sein müsste.

»Wie kannst du jucken, wenn du gar nicht da bist?«, fragt sie wohl schon zum tausendsten Mal. »Und warum gerade jetzt? Was für’n unsichtbaren Schalter hab ich denn da im Körper, echt ey!«

Doch seltsamerweise kann der Arm sehr gut jucken, auch wenn von ihm nur ein kurzer Stumpf existiert. Sie sei so auf die Welt gekommen, sagt Pietro immer, aber manchmal hat Oceana sogar den Eindruck, eine Faust ballen zu können. Obwohl sie keine Hand hat. Und das ist wirklich verrückt!

Oceana nimmt ein Cremedöschen aus dem Regal. Der Deckel ist nur aufgelegt, damit sie es mit einer Hand leicht öffnen kann. Sie tupft ein wenig Salbe auf den Stumpf und massiert sie sanft in die Haut. Anschließend stupst sie mit einem Schminkpinsel in ein Töpfchen Körperpuder, klopft ihn sorgfältig ab und stäubt das duftende Pulver darüber. So wird nichts zwicken oder schaben, wenn sie gleich die Prothese anzieht. Langsam klingt das Jucken ab und Oceana hat ruckzuck wieder gute Laune.

»Und auch hier, meine Damen und Herren, lieber Sporco, lieber Marco und liebe Polo, zeigen sich die Vorzüge meines architektonisch durchaus bemerkenswerten Zimmers«, sagt Oceana, als würde sie eine Touristen-Führung veranstalten, wie man sie oft in Venedig beobachten...

Erscheint lt. Verlag 27.4.2024
Illustrationen Alexandra Helm
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Abenteuergeschichte • bester Freund • Diebstahl • Familie • Familiengeheimnis • Freundschaft • Geschenk unter 15 Euro • Magie • magische Fantasy • Meer • Mutigsein • Panikattacke • Prothese • sprechende Tiere • Unterwasser • unter Wasser atmen • Venedig • Waise
ISBN-10 3-522-65556-7 / 3522655567
ISBN-13 978-3-522-65556-9 / 9783522655569
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