Liliane Susewind - Tiger küssen keine Löwen (eBook)
224 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0772-2 (ISBN)
Tanya Stewner wurde 1974 im Bergischen Land geboren und begann bereits mit zehn Jahren, Geschichten zu schreiben. Sie studierte Literaturübersetzen, Englisch und Literaturwissenschaften in Düsseldorf, Wuppertal und London und widmet sich inzwischen ganz der Schriftstellerei. Ihre Trilogie über die Elfe »Hummelbi« hat unzählige Fans, und ihre Kinderbuchserie »Liliane Susewind« ist ein Welterfolg, der fürs Kino verfilmt wurde. Die Autorin lebt mit ihrer Familie am Rhein.
Tanya Stewner wurde 1974 im Bergischen Land geboren und begann bereits mit zehn Jahren, Geschichten zu schreiben. Sie studierte Literaturübersetzen, Englisch und Literaturwissenschaften in Düsseldorf, Wuppertal und London und widmet sich inzwischen ganz der Schriftstellerei. Ihre Trilogie über die Elfe »Hummelbi« hat unzählige Fans, und ihre Kinderbuchserie »Liliane Susewind« ist ein Welterfolg, der fürs Kino verfilmt wurde. Die Autorin lebt mit ihrer Familie am Rhein. Eva Schöffmann-Davidov, Jahrgang 1973, ist eine der renommiertesten Kinder- und Jugendbuchillustratorinnen Deutschlands. Nach ihrem Studium an der Fachhochschule für Gestaltung in Augsburg machte sie sich in der Kinder- und Jugendliteratur schnell einen Namen und gewann im Lauf ihrer Karriere zahlreiche Preise für ihre Gestaltungen. Als Fachhochschuldozentin gab sie ihr Wissen und ihre Erfahrung auch an junge Künstler*innen weiter. Heute illustriert sie Kinderbuchserien und Jugendbücher unter anderem von Bestsellerautor*innen wie Kerstin Gier oder Tanya Stewner. Die Illustratorin lebt mit ihrer Familie in Augsburg.
Der erste Arbeitstag
Lilli schlug das Herz bis zum Hals. Sie stand vor dem großen Eingangstor des Zoos und drehte angespannt eine ihrer rostroten Locken um den Zeigefinger. Heute war ihr erster Arbeitstag im Zoo. Seit Wochen hatte sie sich auf diesen Tag gefreut, aber nun war sie so nervös, dass sie am liebsten auf der Stelle kehrtgemacht hätte.
»Sollen wir dich hineinbegleiten?«, fragte Lillis Vater, der neben ihr stand und ein wenig besorgt aussah. »Oma und ich könnten dich bis zum Büro der Zoodirektorin bringen.«
Lillis Oma lächelte aufmunternd. »Am ersten Tag in einem neuen Job ist man immer ein bisschen kribbelig. Komm, Lilli, wir gehen mit dir rein.«
»Nein, schon gut«, entgegnete Lilli und schüttelte den Kopf, so dass ihre wilden Locken hin und her wippten. Sie wollte nicht von ihrem Vater und ihrer Oma begleitet werden, als sei sie noch ein Baby. Das würde nur alle daran erinnern, wie jung sie noch war. »Ich pack das schon«, sagte sie und holte tief Luft.
Lillis Vater strahlte. »Richtig so! Eine Susewind lässt sich nicht unterkriegen!«
Lilli lächelte tapfer und ging in die Hocke, um sich von Bonsai, ihrem kleinen zotteligen Hund, zu verabschieden. »Ich gehe jetzt da rein und komme erst heute Abend wieder nach Hause«, erklärte sie dem weißen Winzling.
»Was? Wieso? Was willst du denn da drin?«, bellte Bonsai alarmiert und spitzte die Ohren. Aus dem Zoo drangen viele unterschiedliche Tierlaute – Bärengebrüll, Affengekreisch, Pelikangeschnatter. »Hörst du das?« Bonsai tippelte unruhig auf der Stelle. Da erklang plötzlich ein besonders lauter, spitzer Affenschrei. Bonsai zuckte zusammen. »Angriff! Aufruhr! Alarm!«, kläffte er aus Leibeskräften.
Lilli tätschelte ihm nachsichtig den Kopf. Bonsai wusste nicht, was die fremden Tierrufe zu bedeuten hatten, denn er war ein Hund und sprach ausschließlich Hundesprache. Lilli hingegen konnte genau verstehen, was sich die Affen zukreischten: »Hey, gib mir die Karotte!« – »Hol sie dir doch, Hohlkopf!«
Der Bär brüllte: »Schöner Tag heute!«, und die Pelikane stritten sich darum, wer die meisten Fische in den Schnabel bekam.
»Es ist in Ordnung, Bonsai«, beruhigte Lilli den Hund, der seit drei Jahren ihr treuer Begleiter war. »Du musst dir keine Sorgen machen.«
»Was sind das für Typen?«, bellte Bonsai jedoch aufgebracht in Richtung der schläfrig dreinschauenden Papageien, deren Gehege gleich hinter dem Zooeingang lag. »Die sind mordsgefährlich!«
»Nein, sind sie nicht«, widersprach Lilli sanft. »Wirklich, Bonsai, du musst nicht mehr so laut bellen.«
Bonsai hielt inne und blickte Lilli forschend an. Dann wandte er sich seufzend einem interessant riechenden Baum zu.
»Bist du Lilli?«, fragte plötzlich eine freundliche Stimme. Neben ihnen stand ein junger Tierpfleger in einem grünen Overall.
»Ja«, erwiderte Lilli.
»Ich bin hier, um dich abzuholen. Mein Name ist Finn.« Der Pfleger schüttelte Lillis Hand und sagte zu Lillis Vater und ihrer Oma: »Ich bringe Lilli zu Frau Essig-Steinmeier, der Zoodirektorin.«
Jetzt wird es ernst!, schoss es Lilli durch den Kopf, und ihr Herz pochte wieder schneller. Rasch verabschiedete sie sich von ihrer Oma, Bonsai und ihrem Vater, der ihr nachrief: »Vergiss nicht, dein Butterbrot zu essen, Schatz!« Lilli war das peinlich. Finn sollte nicht denken, sie sei noch ein Kleinkind.
Sie folgte dem jungen Pfleger in den Zoo. Finn hatte blaue Augen und hellbraune, lange Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren. Er schien nett zu sein und fragte Lilli, ob sie aufgeregt war.
»Ein bisschen«, antwortete Lilli, und das war eine gewaltige Untertreibung.
»Wird bestimmt halb so schlimm.« Finn brachte sie in ein flaches Gebäude und führte sie an Futtersäcken, Eimern, Schaufeln und allerlei anderen Gerätschaften vorüber. »Das hier ist das Haupthaus«, erklärte er. Kurz darauf betraten sie einen Raum, in dem sich bereits mehr als ein Dutzend Tierpfleger und Frau Essig-Steinmeier, die Zoodirektorin, befanden.
»Ah, da ist sie ja!«, rief die große, hagere Frau mit lauter Stimme. »Liliane Susewind, wir freuen uns, dass du uns im Zoo unterstützen willst.« Mit drei zackigen Schritten kam sie zu Lilli herüber, die Hände auf dem Rücken verschränkt. Lilli kannte die Direktorin zwar bereits, doch ihr Herz klopfte trotzdem zum Zerspringen.
Frau Essig-Steinmeier hatte dunkelbraunes, von grauen Strähnen durchzogenes Haar, das am Hinterkopf zu einem strengen Knoten hochgesteckt war. Durch ihre oft unvermittelten, eckigen Bewegungen wirkte sie, als habe sie jemand unter Strom gesetzt. Sie war so groß, dass sie selbst die Männer im Raum überragte, und ihr pfeilgerader Rücken unterstrich den achtunggebietenden Eindruck, den sie sofort auf jeden machte.
»Ich mich auch«, erwiderte Lilli nun kaum hörbar. »Also, ich freue mich hier auch zu … sehr.« Als Lilli klarwurde, was für einen Unsinn sie da gerade hervorgebracht hatte, wurde sie schlagartig rot.
»Du kannst uns bestimmt sehr helfen«, half Finn ihr auf die Sprünge. »Ich hätte auch gern solche Fähigkeiten wie du.«
Lilli lächelte schief. Finn schien der jüngste Tierpfleger zu sein. Lilli schätzte ihn auf etwa achtzehn Jahre. Da fiel Lilli ein blondes Mädchen auf, das mit verschränkten Armen am anderen Ende des Raumes stand und sie finster anstarrte. Diese Pflegerin schien noch jünger zu sein als Finn, vielleicht sechzehn Jahre, und irgendwie kam sie Lilli bekannt vor. Hatte sie dieses Mädchen schon einmal gesehen? Warum hatte sie das Gefühl, dass sie diesen misstrauischen, feindseligen Blick kannte?
Frau Essig-Steinmeier ergriff wieder das Wort. »Das ist ein gutes Stichwort: Lilianes Fähigkeiten.« Die Direktorin schritt vor den Tierpflegern und Lilli auf und ab. »Wie ihr sicherlich alle wisst, kann Liliane mit Tieren sprechen. Die meisten von euch haben schon viel darüber gehört, wie Liliane vor ein paar Wochen herausbekam, warum unsere Elefantin Marta manchmal wie wild herumtobte und allen Besuchern und selbst den Pflegern Angst machte. Wir haben damals Ronni, Martas Junges, an einen anderen Zoo verkaufen müssen, weil wir dachten, Marta wäre durch ihre Aussetzer eine Gefahr für ihn. Ohne Lilianes Übersetzung wären wir sicherlich noch lange im Dunkeln getappt und hätten nie erfahren, dass Marta schlimme Ohrenschmerzen hatte und ganz empfindlich auf Geräusche reagierte. Die lauten Stimmen der Besucher haben ihr regelrecht weh getan, und deshalb ist sie manchmal so ausgeflippt. Inzwischen sind dank Liliane nicht nur Martas Ohren völlig ausgeheilt, sondern wir haben auch den kleinen Ronni in den Zoo zurückholen können. Ronni und Marta leben seit ein paar Wochen gemeinsam im neu gebauten Elefantenhaus. Dass die beiden heute so glücklich sind, haben wir einzig und allein Liliane zu verdanken.«
Frau Essig-Steinmeier begann zu applaudieren, und die Pfleger fielen ein. Lilli wurde erneut knallrot und wusste nicht, wie sie auf den Beifall reagieren sollte. Außerdem war sie gar nicht allein dafür verantwortlich, dass die beiden Elefanten nun vereint waren – Jesahja, Lillis bester Freund, hatte damals ebenso viel Anteil an den Geschehnissen gehabt wie sie.
Lilli fiel auf, dass das blonde Mädchen nicht mit den anderen mitklatschte. Die jüngste Tierpflegerin hatte noch immer die Arme verschränkt und sah Lilli abschätzig an. Was war nur mit diesem Mädchen? Warum war sie so abweisend?
Plötzlich erhob die Blonde die Stimme. »Warum hat die« – sie wies mit dem Kinn auf Lilli – »damals nicht gleich hier im Zoo angefangen? Das mit Marta ist doch schon Wochen her …«
Alle starrten Lilli fragend an.
»Meine Mutter war dagegen, dass ich … hier arbeite«, brachte Lilli stockend hervor.
Die Direktorin kam ihr zu Hilfe. »Lilianes Mutter ist es sehr wichtig, dass nicht noch mehr Menschen von dem außergewöhnlichen Talent ihrer Tochter erfahren. Ihrer Meinung nach wissen schon zu viele Leute davon – Lilianes Lehrer, ihre Mitschüler und die Zooangestellten«, erklärte sie den Pflegern. »Ich habe Frau Susewind versichert, dass wir die Sache nicht an die große Glocke hängen und aufpassen werden, dass die Zoobesucher nichts von Lilianes Arbeit hier mitbekommen. Außerdem habe ich Sie alle ja schon mehrfach gebeten, außerhalb des Zoos nicht über Liliane zu sprechen.«
Die Pfleger nickten.
»Zurück zum Thema!« Frau Essig-Steinmeier klatschte in die Hände. »Liliane, du hast die Elefanten in den letzten Wochen ja schon ein paarmal besucht. Sind sie zufrieden? Geht es ihnen gut?«
»Ja, also, ja«, antwortete Lilli hastig. Die Pfleger starrten sie noch immer an, und das machte sie nervös. »Die Elefanten … sind gut.« Zu spät fiel ihr auf, dass auch dieser Satz keinen richtigen Sinn ergab. In diesem Moment hörte sie das blonde Mädchen lachen. Sie lachte schadenfroh über den Patzer, und Lillis Gesicht färbte sich noch dunkler.
»Hör auf zu gackern, Trina!«, fuhr Finn die blonde Pflegerin an.
Das Mädchen verstummte und blickte mit versteinertem Gesicht zu Boden.
»Es ist nicht besonders nett, über andere zu lachen, wenn sie schon rot sind wie eine Tomate, Trina«, schaltete sich Frau Essig-Steinmeier ein.
Lilli senkte den hochroten Kopf.
Die Direktorin funkelte das blonde Mädchen ungehalten an. »Wir lachen ja auch nicht über dich, Trina, wenn du vor unserer Besprechung mal wieder vergisst, dein Handy auszuschalten, es mitten im Gespräch klingelt und du einen Tomatenkopf bekommst.« Frau Essig-Steinmeier seufzte. »Da wir gerade davon sprechen: Wie wäre es, wenn du mir dein Handy einfach gibst, bevor es wieder...
Erscheint lt. Verlag | 2.6.2024 |
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Reihe/Serie | Liliane Susewind ab 8 | Liliane Susewind ab 8 |
Illustrationen | Eva Schöffmann-Davidov |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abenteuer • Doktor Dolittle • Fantasy • Ferien • Freunde • Freundschaft • Glitzer • Hochbegabung • Hund • Katze • Kinderbuch • Lebensgefahr • Lilli • Limitiert • Löwe • mit Tieren sprechen • Pflanzen • Phantasie • Schlange • Schmuckformat • Schule • Sonderausgabe • Tierdolmetscherin • Tiere • Tierkommunikation • Tierpark • Tiger • zoo |
ISBN-10 | 3-7336-0772-4 / 3733607724 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0772-2 / 9783733607722 |
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