Regen zu Schnee 1 (eBook)
212 Seiten
tolino media (Verlag)
978-3-7579-2702-8 (ISBN)
Matti Laaksonen ist geboren und aufgewachsen im Oberbergischen Land, in einem kleinen Tal, das namensgebend für das Pseudonym ist. Die Schreiberei begleitet Matti eigentlich schon das ganze Leben. Angefangen in kleinen Rollenspielforen, ging es bald weiter mit Kurzgeschichten und der ersten größeren Serie, um die Internatsschüler Matti & Brian. Queere Repräsentation, Authentizität und Geschichten rund ums Leben, Lieben und Selbstfinden sind die Leitmotive der Bücher.
Matti Laaksonen ist geboren und aufgewachsen im Oberbergischen Land, in einem kleinen Tal, das namensgebend für das Pseudonym ist. Die Schreiberei begleitet Matti eigentlich schon das ganze Leben. Angefangen in kleinen Rollenspielforen, ging es bald weiter mit Kurzgeschichten und der ersten größeren Serie, um die Internatsschüler Matti & Brian. Queere Repräsentation, Authentizität und Geschichten rund ums Leben, Lieben und Selbstfinden sind die Leitmotive der Bücher.
Kapitel 1 – 24. Dezember
Regen. Inzwischen den dreiundzwanzigsten Tag in Folge. Joshua zählte mit, denn er hatte die Hoffnung, dass es in diesem Jahr doch noch schneien würde, den gesamten Dezember über nicht aufgegeben. Langsam schwand die jedoch unter Regenwolken und Matschlöchern.
Die einzige Entschädigung war die Aussicht auf den diesjährigen Winterurlaub. Das erste Mal überhaupt, dass sie in der Zeit etwas unternahmen. Seine Eltern fuhren am liebsten im Sommer weg – und Joshua wollte eigentlich gar nicht mehr mitfahren, schließlich wurde er in nicht ganz zwei Wochen achtzehn, da machte man andere Dinge: an den See mit Kumpels, auf Partys gehen, lange Zockerwochenenden. Doch die Chance auf einen richtigen Winter in Österreich wollte und konnte er sich nicht entgehen lassen, dafür nahm er auch in Kauf, dass es sich bei diesem Urlaub um den alle zwei Jahre stattfindenden Betriebsurlaub der Firma, in der seine Mutter arbeitete, handelte.
Vor zwei Jahren war er zuletzt dabei gewesen. Und vor vier Jahren … Joshua seufzte. Vor vier Jahren hatte er sein Herz verloren und bis heute nicht wiedergefunden, obwohl er es gesucht hatte, zwischen all den Dingen, die sein Leben bot. Es war unwiderruflich weg. Zwischen grünen Augen und blonden Locken, vorbei an Grübchenlächeln und Sixpack.
Der Regen prasselte gegen die Scheibe seines Fensters, hinterließ graue Schlieren und verschleierte die Sicht in den ebenso tristen Garten; Grün auf Braun in Pfützen und Schlamm.
Joshua stopfte einen weiteren Pulli in seinen Rucksack, faltete eine Hose zusammen und legte sie hinein, danach folgten der Laptop und das Ladekabel – beides dürfte er auf keinen Fall vergessen. Weihnachtszeit war Bonuszeit bei Steam und in diversen Spielen. Gerade in Dead by Daylight musste er die abgreifen, da er seinen Michael Myers hochleveln wollte. Und sollte sich wider Erwarten doch herausstellen, dass er nach zwei Tagen skifahren keine Lust mehr hatte, hätte er wenigstens etwas zu tun, damit er sich nicht an die ausgeklügelten wie langweiligen Pläne seines Vaters halten musste.
So ein Blödsinn!
Seit der siebten Klasse – in der sie eine Skifreizeit unternommen hatten – träumte er von einem richtigen Winterurlaub und hing seinen Eltern jährlich in den Ohren damit, doch hatte das nie geklappt zwischen knappem Budget und Traditionen, die gepflegt werden wollten. Die Skihalle in Neuss war zwar eine Alternative, aber nach spätestens drei Abfahrten hatte Joshua die gerade Piste dann auch wieder satt. Und hinter all dem Weiß war es eben doch nur eine kühle Halle am Rhein, die über die Tatsache hinwegzutäuschen versuchte, dass es seit Jahren immer wärmer wurde und der Schnee nur ein seltener Gast geworden war.
In diesem Jahr war der Chef seiner Mutter auf die glorreiche Idee gekommen, im Winter wegzufahren. Es hatte also Tradition gegen Tradition gekämpft und schlussendlich die halbe Verpflichtung gewonnen.
Joshuas Smartphone leuchtete auf, eine Benachrichtigung von Instagram war eingetroffen. Die Meldung über einen neuen Post. Sein Herz klopfte etwas schneller, allein schon beim Namen, und er musste sich zusammenreißen, damit er den Beitrag nicht sofort anklickte. Er war schließlich kein Stalker und wollte auch nicht den Eindruck erwecken, aber seine Likes und Kommentare der letzten Monate sprachen für sich. Und wenn er genauer darüber nachdachte, dann war er nur einer von Zehntausenden, kaum auffällig genug, um irgendetwas zu erwecken. Aber jetzt waren Ferien, und die wollte er nicht mit Instagram verschwenden, sondern einfach mal ein paar Tage nicht nachschauen.
Es klopfte gegen seine Zimmertür. »Wie weit bist du?«, fragte seine Mutter hindurch.
Joshua legte das Smartphone beiseite und zog den Reißverschluss des Rucksacks zu. »Bin gleich fertig.«
»Hast du auch genug frische Unterwäsche?« Seine Mutter schaute durch einen schmalen Spalt und hatte ein gemeines Grinsen im Gesicht.
Joshua verdrehte die Augen. Es war bisher nur einmal vorgekommen, dass er zu wenig dabeigehabt hatte. Das kam nun mal von der »möglichst selbstständigen« Erziehung. Seine Eltern konnten eben damit rechnen, dass er etwas vergaß und sein Vater mit ihm einen Waschsalon in Kroatien suchen musste, weil niemand das Vier-Quadranten-System verstand. »Ja«, sagte er gedehnt und ging im Kopf doch noch einmal durch, ob es wirklich reichte. Denn auch das war sicher, er vergaß gern und viel und Kontrolle war da besser, als Zeit auf der Piste einzubüßen, weil er seine Unterwäsche im Waschbecken durchdrücken musste.
»Und hast du auch an die langen Männer gedacht?«, hörte er seinen Vater aus dem Hintergrund. Er räumte in der Küche herum, schon den ganzen Tag. Viel zitierte Traditionen, die dort drin entstanden.
»Natürlich«, gab er zurück und machte sich eine geistige Notiz. Skiunterwäsche einpacken.
»Deine Großeltern kommen gleich, sie haben schon angerufen, dass sie auf dem Weg sind.« Damit schloss seine Mutter die Tür wieder und Joshua griff in seine Kommode, aus der er die neue Skiunterwäsche hervorkramte und in seinen Rucksack steckte. Wäre schön blöd gewesen, wenn er die vergessen hätte, aber auch typisch für ihn. Lieber hätte er sich die Eier abgefroren, statt gestehen zu müssen, dass er nicht daran gedacht hatte.
***
Dieses Weihnachten war alles ein bisschen anders, bedingt durch den Urlaub. Normalerweise feierten sie Heiligabend unter sich und fuhren erst an den beiden Weihnachtsfeiertagen zu den Großeltern. Doch dieses Jahr würden sie zu ihnen kommen, weil sie übermorgen bereits im Bus Richtung Österreich säßen, mitten in der Nacht, weshalb sie den ersten Feiertag vermutlich schon nachmittags ins Bett gingen, er kannte seine Eltern. Immer gut vorbereitet und durchorganisiert, vor allem sein Vater. Er hatte sogar eine Liste mit Fütterungszeiten und exakten Grammangaben des Futters für seine Fische hinterlegt, an die sich seine Großeltern zu halten hatten. Vor zwei Jahren war es nämlich zu einem angeblichen Fütterungsexzess gekommen, bei der ihm drei seiner kostbaren Fische gestorben waren. Und die waren das Heiligtum seines Vaters. Joshua konnte zwar nicht verstehen, was er an ihnen fand, doch eigentlich war es auch ganz schön zu sehen, dass sein Vater sich für etwas begeistern konnte – und es war allemal besser als die Modelleisenbahn seiner Mutter. Die brauchte aber immerhin keine Urlaubspflege. Und eigentlich war es egal, denn mit seinem Hobby konnten die beiden ebenfalls kaum etwas anfangen und scherzten darüber, dass er irgendwann in einer fiktiven Welt verschwinden würde. Gefangen zwischen Skyrim und Kaer Morhen, mit einer Okarina und Mithril-Säbel im Gepäck.
Der Regen trommelte weiterhin gegen die Scheibe, als Joshua den Rucksack von seinem Bett hievte und an den Schreibtisch lehnte. Er war fertig gepackt und Joshua glaubte nicht, dass er noch etwas Essentielles vergessen hatte. Während er trotzdem im Geiste die Liste durchging, zog er sich um, denn bisher trug er eine Jogginghose und ein Shirt, aber wenn seine Großeltern kamen, sollte er wenigstens eine Jeans anziehen, damit er keine blöden Sprüche erntete. »Wenn ich so an Heiligabend ausgesehen hätte …!« und dergleichen, die seine Großeltern kaum böse meinten, die ihn dennoch nervten.
Allein bei dem Gedanken daran schüttelte Joshua schon den Kopf. Zum Glück sahen seine Eltern das wesentlich lockerer, da musste er nur zu den Firmenfeiern und zu den gemeinsamen Abenden im Hotel ein Hemd anziehen, für die Außenwirkung.
Wieder leuchtete sein Smartphone auf. Eine Nachricht im Gruppenchat.
Hendrik:
Jo, schöne Weihnachten euch allen!
Deborah:
Schöne Weihnachten und reichlich Geschenke!
Kadir:
Ja, ja. Esst nicht so viel.
Joshua:
Frohe Weihnachten!
Die Benachrichtigung von Instagram ignorierte er mit schwerem Herzen, doch wenn er jetzt nachschaute, dann würde er wieder für einige Minuten durch den Feed scrollen, neueste Ankündigungen von Streamern lesen, das ein oder andere Reel anschauen und schon wären zwei Stunden verstrichen. Aber nur einen kurzen Blick riskieren? Nur dieses eine Profil … Es war wie eine Sucht, wohin auch sonst mit einem Herzen, das eigentlich gar nicht mehr in der eigenen Brust schlug, sondern dort lag, wo es unerreichbar schien.
Es klingelte. »Joshua!«, rief seine Mutter von unten.
In einer fließenden Bewegung steckte er das Smartphone in seine Hosentasche zurück und flitzte die Treppe nach unten, wo seine Großeltern die Mäntel an die Garderobe hängten.
»Frohe Weihnachten!«, wünschte seine Großmutter sofort und drückte ihm einen feuchten Kuss auf die Wange.
Joshua löste sich und wischte sich über die Stelle.
***
»Frohe Weihnachten.« Wenigstens das blieb immer gleich.
Das diesjährige Büfett war allerdings nicht so opulent wie all die Jahre zuvor. Normalerweise hätten sie Reste für die nächsten fünf Tage, da sie aber so lange nicht mehr hier sein würden, hatte sich sein Vater auf Kartoffelsalat mit Würstchen beschränkt. Zumindest diese Tradition wolle gepflegt werden, hatte er gesagt. Und Joshua wusste, dass es ihm schwergefallen war, auf die anderen Salate und das Drumherum zu verzichten.
Unter dem Weihnachtsbaum – der in diesem Jahr ebenfalls nur aus einem einzelnen Tannenzweig mit drei verloren wirkenden Kugeln bestand – stapelten sich kleine Geschenktürme. Allesamt von seinen Großeltern, denn seine Eltern hatten ihm die Reise bezahlt, und Winterurlaub mit Skipass und -verleih war...
Erscheint lt. Verlag | 3.5.2023 |
---|---|
Reihe/Serie | Regen zu Schnee | Regen zu Schnee |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Bilderbücher |
Schlagworte | Erzählungen • Kurzgeschichten • LGBTQ • Liebe • Liebesroman • mlmromance • New Adult • Queer • Winterroman • Young Adult |
ISBN-10 | 3-7579-2702-8 / 3757927028 |
ISBN-13 | 978-3-7579-2702-8 / 9783757927028 |
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Größe: 679 KB
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