Frau Honig: Frau Honig und die Geheimnisse im Kirschbaum (eBook)
144 Seiten
Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
978-3-522-65525-5 (ISBN)
Geboren wurde Sabine Bohlmann in München, der schönsten Stadt der Welt. Als Kind wollte sie immer Prinzessin werden. Stattdessen wurde sie (nachdem sie keinen Prinzen finden konnte und der Realität ins Auge blicken musste) Schauspielerin, Synchronsprecherin und Autorin und durfte so zumindest ab und zu mal eine Prinzessin spielen, sprechen oder über eine schreiben. Geschichten fliegen ihr zu wie Schmetterlinge. Überall und zu allen Tages- und Nachtzeiten (dann eher wie Nachtfalter). Sabine Bohlmann kann sich nirgendwo verstecken, die Geschichten finden sie überall. Und sie ist sehr glücklich, endlich alles aus ihrem Kopf rausschreiben zu dürfen. Auf ein blitzeblankes, weißes - äh - Computerdokument. Und das Erste, was sie tut, wenn ein neues Buch in der Post liegt: Sie steckt ihre Nase ganz tief hinein und genießt diesen wunderbaren Buchduft.
Kirschenbaumtage
»Kirschbaum-was? Kirschbaumweg, Kirschbaumstraße, Kirschbaumallee? Hier steht nur Kirschbaum. Aber Kirschbaum ist doch keine Adresse!« Frau Honig sah sich suchend um. Auch die Biene, die sie begleitet hatte, flog aufgeregt summend um ihren Kopf. Frau Honig schien das jedoch nicht zu stören. Sie hatte den Koffer und den Korb abgestellt und starrte auf eine Liste, die sie aus der Tasche ihres gelben Mantels gezogen hatte. Stirnrunzelnd las sie noch einmal, was darauf stand. Sie seufzte. »Kirschbaum, hier steht es schwarz auf weiß!«
Da fiel ihr Blick auf einen großen Baum. Ein Baum mit dicken kirschroten, na ja, was schon? Kirschen.
Der Baum stand in der Mitte einer kreisrunden Wiese, um die herum sich ein gemütliches Häuschen neben das andere reihte. Es hatte den Anschein, als würde der Kirschbaum seine Äste wie Arme nach jedem Haus ausstrecken.
»Hmpf!«, machte Frau Honig, dann bemerkte sie, dass die Biene aufgehört hatte, um ihren Kopf herumzufliegen. Sie verharrte in der Luft, dabei bewegte sie die Flügel so schnell, dass man diese fast nicht mehr erkennen konnte. Sie guckte ebenfalls zum Kirschbaum hinüber.
»Du meinst also auch …?«, fragte Frau Honig und ging ein paar Schritte auf den Baum zu. Dann legte sie den Kopf in den Nacken und sah nach oben in die Äste. Jetzt bemerkte sie die Schnur, an der ein Korb mit einer kleinen goldenen Glocke befestigt war.
»Dann wollen wir doch mal klingeln. Vielleicht ist ja jemand zu Hause!«, sagte Frau Honig zur Biene und streckte ihre Hand nach dem Glöckchen aus.
Frau Honigs Stimmung hellte sich bei diesem fröhlichen Gebimmel sofort auf. Schließlich strahlte sie über das ganze Gesicht.
»Noch mal!«, flüsterte sie sich selbst zu und bewegte das Glöckchen erneut hin und her.
»Das könnte ich den ganzen Tag tun!«, sagte Frau Honig fröhlich. machte es noch einmal.
»Und ist es nicht so …«, fragte sie die Biene, »jedes Mal, wenn ein Glöckchen klingelt, wird ein Bienchen geboren? Warte, ich werde dafür sorgen, dass gleich ein ganzer Bienenstock geboren wird!« Verschmitzt zwinkerte sie der Biene zu und klingelte, was das Zeug hielt.
Doch mitten im schönsten Klingeling wurde der Korb mitsamt Glöckchen plötzlich nach oben gezogen. Dann erschien ein Kopf. Braune Haare hingen Richtung Boden. Es war ein Kind. Ein Mädchen. Es guckte kopfüber aus den Zweigen.
Frau Honig betrachtete es ein Weilchen, dann lächelte sie. »Ach, da ist ja doch jemand zu Hause. Ich hatte mich gerade erst so richtig eingeklingelt!«
Das Mädchen verschränkte die Arme vor der Brust. Mit den Beinen hatte es sich wohl oben an einem Ast eingehakt.
»Wer von uns beiden ist eigentlich verkehrt rum?«, fragte Frau Honig und lachte. »Du oder ich? Das kann man nämlich nie genau sagen, musst du wissen, weil es immer auf das Auge des Betrachters ankommt. Wusstest du, dass Fledermäuse behaupten, kopfüber wäre die einzig wahre Richtung?« Das Mädchen blieb stumm. Frau Honig streckte der Kleinen die Hand entgegen und stellte sich vor. »Honig. Elsa Honig. Du musst Emma sein.«
»Woher kennen Sie meinen Namen?«
»Oh und sprechen kannst du auch. Das ist schön und macht einiges leichter. Die VFFB-DAEBADRL schickt mich.«
»Wollen Sie mich vom Baum holen? Da müssten Sie ihn aber erst umhauen oder mich vom Ast sägen. Oder raufklettern und mich runterholen. Aber …« Das Mädchen musterte Frau Honig von oben bis unten oder besser gesagt von unten bis oben, denn sie hing ja verkehrt herum. Also sah sie die ganze Welt und somit auch die ganze Frau Honig ebenfalls verkehrt herum. »… aber Sie sehen nicht so aus, als könnten Sie auf Bäume klettern!«
»Da kennst du mich aber schlecht, kleine Emma. Das liegt sicher daran, dass du mich ja auch noch nicht kennen kannst, nicht mal schlecht, denn du kennst mich im Grunde ja noch gar nicht. Man sollte die Leute immer erst kennenlernen, bevor man falsche Schlüsse zieht.«
»Also? Was wollen Sie?«, fragte Emma und verdrehte die Augen zum Himmel. Oder besser gesagt zum Boden.
»Ich bin dein neues KINDERMÄDCHEN«, flötete Frau Honig und lächelte Emma an.
»Ich brauche kein Kindermädchen!«
»Möchtest du mich nicht erst einmal hereinbitten? In deinen … KIRSCHBAUM? Dann können wir uns kennenlernen und alles besprechen«, meinte Frau Honig unbeirrt.
»Dazu müssen Sie es erst mal schaffen, raufzuklettern«, sagte Emma frech, und schon war ihr Kopf wieder in den dichten Blättern verschwunden.
»Das klingt nach einer Einladung!« Frau Honig war zufrieden. Dann blickte sie erneut den Baumstamm entlang nach oben. Sie atmete tief durch. »Nicht gerade der leichteste Kletterbaum. Aber wenn man erst mal den Stamm erklommen hat, wird es besser. Die oberen Äste dürften ein Kinderspiel sein.« Sie legte den Koffer flach vor sich auf den Boden und stieg darauf, den Korb in der Hand. Kerzengerade stand sie da.
»Erster Stock bitte!«, bat sie den Fahrstuhlkoffer freundlich. Der setzte sich auch genau wie ein Fahrstuhl langsam in Bewegung und fuhr Frau Honig nach oben.
Als sie durch die ersten Äste kam, starrte ihr Emma mit offenem Mund entgegen.
Doch Frau Honig ging gar nicht auf sie ein. Sie stieg elegant in die Astgabel, stellte ihren Korb neben sich ab und zog den Koffer durch die Zweige. Sie sah sich um. »Schön hast du es hier. Das muss ich schon sagen.«
»Es ist mein Baum!«, grummelte Emma unfreundlich.
»Oh, entschuldige. Das wusste ich nicht. Da stand kein Name drauf. Nicht mal ein Klingelschild hab ich entdeckt.«
Emma verdrehte die Augen, diesmal wirklich zum Himmel.
»Zum Glück ist der Baum aber groß genug für uns beide«, fügte das Kindermädchen fröhlich hinzu.
»SIE WOLLEN HIER WOHNEN? In meinem Kirschbaum?«, fragte Emma entrüstet und blinzelte Frau Honig mit großen Augen an.
»Aber du wohnst doch auch hier, Emma. Also scheint es wohl zu gehen.«
»Ja, für mich schon, aber Sie sind erwachsen. Erwachsene wohnen nicht auf Bäumen.«
Frau Honig prustete vor Empörung. »Wer behauptet denn so was? Und wo bitte schön steht das? Ist es für Erwachsene verboten? Davon habe ich noch nie gehört, und das heißt was, denn ich habe schon viel gehört in meinem Leben, liebe Emma.« Wieder sah sich Frau Honig um. »Ich denke, es wird wunderbar werden. In einem KIRSCHBAUM hab ich noch nie gewohnt. Auch nicht in einem Apfelbaum und jetzt, wo ich darüber nachdenke, noch nicht mal in einem Birnbaum. Nein. Ich habe überhaupt noch nie in einem Baum gewohnt.«
»Dann suchen Sie sich einen anderen. Hier wohne ich!«
»Wie ich sehe, hast du dir da ein paar Bretter zwischen die Zweige gelegt. Und die Hängematte hineingehängt. Das ist hübsch. Der Baum ist so groß, ich könnte die Etage über dir nehmen. Was meinst du?« Emma zuckte genervt mit den Schultern. »Ist das ein JA?«
»Von mir aus«, brummelte Emma. »Sie werden es sowieso nicht lange hier aushalten!«
»Wie gesagt, du hast mich noch nicht kennengelernt. Ich halte es überall aus. Überall, wo ich gebraucht werde. Und da halte ich es so lange aus, bis ich nicht mehr gebraucht werde!«
»Dann können Sie gleich wieder gehen, weil Sie hier nämlich nicht gebraucht werden.«
Frau Honig studierte ihre Liste. »Hier steht aber etwas ganz anderes. Und die listige Liste der Listen, die spricht immer die Wahrheit.«
Emma kniff misstrauisch ihre Augen zusammen.
Frau Honig überging dies, griff nach ihrem Koffer und ihrem Korb und stieg, als wäre es eine Treppe, von Ast zu Ast eine Etage höher.
»Oh, die Aussicht ist herrlich, Emma. Und überall diese prachtvollen Kirschen. Ich bin entzückt!«, säuselte Frau Honig von oben.
Emma schüttelte den Kopf. Sie saß auf ihren Brettern und nahm sich vor, dieser Frau Honig keine Beachtung mehr zu schenken. Aber...
Erscheint lt. Verlag | 24.2.2023 |
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Reihe/Serie | Frau Honig |
Frau Honig | LeseChecker*in |
Illustrationen | Joëlle Tourlonias |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Achtsamkeit • Bienen • Erziehung • Familie • Fantasie • Gewitter • Glück • Hochzeit • Kindererziehung • Kindermädchen • Kindheit • kirschblüten • Kirschen • Lesen • Liebe • Magie • magisch • Marry Poppins • Nanny • Ratgeber • Streit • Streiten • Trost • Vertrauen • Vorlesen |
ISBN-10 | 3-522-65525-7 / 3522655257 |
ISBN-13 | 978-3-522-65525-5 / 9783522655255 |
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